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Adolf Jandorf

Adolf Jandorf kam aus bescheidenen Verhältnissen in einem kleinen Dorf auf der Hohenloher Ebene. Er war das zweite von sieben Kindern des Bauern, Metzgers und Viehhändlers Josef Bernhard Jandorf († 1913) und dessen Frau Rika, geb. Ansbacher († 1899). Nach der Bar Mitzwa und dem Volksschulabschluss machte er eine Lehre in einem kleinen Manufakturgeschäft in Bad Mergentheim. Er reiste nach der entbehrungsreichen, mühseligen Ausbildung mit einer Sieben-Tage-Arbeitswoche dem mittlerweile in die USA ausgewanderten ältesten Bruder Louis nach und versuchte dort im Auftrag der Familie, den verlorenen Sohn ausfindig zu machen. Trotz fehlender Sprachkenntnisse konnte er ihn nach acht Tagen als Straßenbahnschaffner in New York City aufspüren, doch Louis war nicht mehr zu einer Rückkehr ins Deutsche Reich zu bewegen. Während seines selbst finanzierten Aufenthaltes lernte Adolf Jandorf in New York die modernsten Warenhäuser seiner Zeit wie etwa Steward, Macy’s, Bloomingdales kennen.

Inhaltsverzeichnis

Verzeichnis der Reklamemarken

Katalog der Reklamemarken welche von der Firma Jandorf ausgegeben wurden.

Entwurf: August Hajduk

Warenhausgründungen

Zu Beginn der 1890er Jahre arbeitete er in Bremerhaven für das Hamburger Textilhandelsunternehmen M. J. Emden Söhne, ein Handelskonzern, der sowohl auf eigene Rechnung als auch für zahlreiche selbstständige Kaufleute den gemeinsamen Einkauf übernahm. Seine „schnelle[.] Auffassungsgabe und leichte[.] Anpassungsfähigkeit in seinen geschäftlichen Entschlüssen“ fielen der Geschäftsleitung auf, so dass er 1892 vom Firmenchef Jakob Emden beauftragt wurde, mit 500 Mark Vorschuss ein kleines Geschäft in der Hauptstadt Berlin aufzubauen. Nach sechs Wochen hatte Jandorf am Spittelmarkt, Ecke Leipziger Straße sein erstes Geschäft eröffnet, einen Laden mit preiswerten Posamentier-, Kurz- und Wollwaren. Entgegen der Absprache gab er das Geschäft auf dem Firmenschild und Briefpapier als vermeintliches Eigentum aus, nämlich als A. Jandorf & Co., Hamburger Engros Lager. Den unausbleiblichen Konflikt mit Jakob Emden konnte Jandorf mit einer Kündigungsdrohung zu seinen Gunsten wenden. Da jedoch im selben Jahr eine Cholera-Epidemie Hamburg heimsuchte, wirkte sich der Namenszusatz Hamburg auf den Verkauf verheerend aus. Aus diesen Startschwierigkeiten heraus halfen Jandorf eine Kürzung des Firmennamens und die buchstäblich bestrickende Geschäftsidee eines Ruhekissens, bestickt mit dem Wunsch Nur ein Viertelstündchen, da es sich insgesamt über eine Million mal verkaufte.

1894 heiratete er Margarete Hirschfeld und im nächsten Jahr folgte die Geburt des einzigen Kindes Harry. Jandorf arbeitete den ganzen Tag in seinem Warenhaus vom Einkauf über die Buchhaltung bis zur Dekoration, so dass ihm seine Frau das Essen bringen musste. Die Geschäftsentwicklung verlief sehr erfolgreich, nach kurzer Zeit konnte er das ganze Haus aufkaufen und zu einem kleinen Warenhaus mit 300 m² Verkaufsfläche umbauen. Als „Volkswarenhaus“ wollte er mit einfachen und günstigen Waren seine Zielgruppe des Berliner Proletariats und anderer Geringverdienender erreichen. Das kontinuierliche Anwachsen der Nachfrage stieß bald auf die räumliche Kapazitätsgrenze, so dass er gegen die Vorbehalte und Einwände von Jakob Emden ein zweites, größeres Warenhaus an der Ecke Belle-Alliance-Straße (heute Blücherplatz 3), Tempelhofer Ufer errichten ließ. Es hatte drei Stockwerke, eine repräsentative Barockfassade und verfügte zunächst über nun 1 500 m²; 1899 erfolgte ein Erweiterungsbau auf dem Nachbargrundstück. Jandorf sollte auch seine weiteren Warenhäuser stets an einer strategisch gut gelegenen Straßenecke platzieren. Weitere Warenhaus-Gründungen erfolgten 1901 in der Großen Frankfurter Straße (heute Karl-Marx-Allee 68), 1904 an der Ecke Brunnen-, Veteranenstraße das Warenhaus am Weinberg mit fünf Geschossen, das neben einem klar durchstrukturierten Fassadenbau in der Ornamentik auch Bienen als Symbole des Fleißes aufweist. Das Haus überstand den Zweiten Weltkrieg und diente in der DDR als Mode-Institut („Haus der Mode“). Sein sechstes Haus ließ Jandorf von 1905 bis 1906 in Charlottenburg an der Wilmersdorfer Straße, Ecke Pestalozzistraße erbauen. Den Zweiten Weltkrieg überdauerte es teilzerstört, es wurde von 1951 bis 1955 durch Hertie wiederhergestellt. 1906 erwarb er im Arbeiterbezirk Kreuzberg am Kottbusser Damm 1 ein fertig errichtetes Haus für 3,35 Millionen Mark, das auch als erster privater Eisenbetonbau in Berlin gilt. Zugleich gehörte er dadurch zu den zehn größten Warenhausunternehmern Deutschlands.

Als 1926 seine früheren Geschäftspartner M. J. Emden Söhne ihre 19 Warenhäuser an die Rudolph Karstadt AG verkauften, folgte bald sein Entschluss nach, es ihnen gleichzutun. Am 2. Dezember 1926 verkündeten die Firmen A. Jandorf & Co. und Hermann Tietz oHG in einem gemeinsamen Kommuniqué, dass zum Jahreswechsel 1927 alle Warenhäuser und Grundstücke der Firma Jandorf in den Besitz von Tietz übergehen. Die Firmengruppe „Hermann Tietz“ wurde dadurch zum größten Warenhauskonzern Europas.

Angriffe

Der unübersehbare Erfolg von ihm und seiner Konkurrenz wie der Warenhausgruppe A. Wertheim und der Tietz-Gruppe stieß auf den Widerstand des Einzelhandels. „Neid, Missgunst und zunehmend offene, organisierte Angriffe begleiteten den Siegeszug der Warenhäuser in Deutschland vom ersten Tage an.“ Händler mit kleinen Ladengeschäften konzentrierten ihre Abwehr gegen diese neue Betriebsform in Interessenverbänden wie dem Zentral-Vorstand Kaufmännischer Verbände und Vereine Deutschlands. Es gelang diesen Kräften in den Landesparlamenten von Sachsen 1897 und 1911 in Hessen sogenannte Warenhaussteuern gesetzlich zu verankern. Auch in Preußen hatten entsprechend dem preußischen Warenhausgesetz vom 18. Juni 1900 alle Handelsunternehmen, die mehr als zwei von vier willkürlich bestimmten Warengruppen anboten und über 400 000 Mark umsetzten, eine nach Umsatz gestaffelte Zusatzsteuer zu entrichten. Häufig wurde über den Weg baupolizeilicher Verordnungen versucht, den Bau von weiteren Warenhäusern drastisch einzuschränken. So etwa kam 1906 ein Gesetzesantrag im Preußischen Landtag zur Vorlage, wonach wegen Feuergefahr kein Verkauf mehr oberhalb des ersten Stockwerks stattfinden dürfe. Hinzu kamen antisemitische Schmähungen in den Publikationen, da die neue Betriebsform Warenhaus binnen weniger Jahrzehnte mehrheitlich von jüdischen Familienunternehmen geführt wurde. 1932, ein Jahr vor der NS-Diktatur, waren 25 Prozent der deutschen Kaufleute im Einzelhandel jüdischer Herkunft, und von allen Warenhausinhabern waren es 79 Prozent. Um sich jenen Blockaden und Anfeindungen besser erwehren zu können, initiierte Oscar Tietz im Februar 1903 die Gründung des Verbands Deutscher Waren- und Kaufhäuser und Jandorf übernahm einen Sitz im Präsidium.

Zur Überprüfung der Berechtigung von Jandorfs Ordenswünschen wurde eine Akte im Berliner Polizeipräsidium angelegt, die – seinem Biografen Busch-Petersen zufolge – auch den Kampf nach gesellschaftlicher Anerkennung des Judentums widerspiegelt. Das Delegieren der Ordensfrage in die polizeiliche Zuständigkeit entsprach den üblichen Ressentiments gegenüber jüdischen Kaufleuten. Die Eintragungen in Jandorfs Akte dokumentieren eine große Empfänglichkeit gegenüber allen negativen Gerüchten und eine Neigung zur Abwertung gegenüber seinen Schenkungen und Spenden für soziale Einrichtungen wie etwa dem Deutschen Verein für Kinderasyle oder für die Hoftheater in Gotha und Detmold. Im Ersten Weltkrieg forderte im April 1916 einer der kommentierenden Beamten, Polizeipräsident Traugott von Jagow, seine Einberufung in den Militärdienst, um „wenigstens einen kleinen Teil der schweren Schuld, welche er, wenn auch nicht juristisch, so doch moralisch auf sich geladen hat, mit seinem Blute abzuwaschen.“ Dem Ansinnen vorangegangen waren Schiebereien bei Militärstiefeln, die ohne Jandorfs Wissen von zwei firmenfremden Kaufleuten eines Lieferkonsortiums begangen wurden. Nach Jagows Weggang 1916 nach Breslau blieb es nur bei der Drohung eines Fronteinsatzes. Vom preußischen Staat erhielt er zeitlebens keine offizielle Anerkennung seiner Verdienste, ein Verdienstkreuz für Kriegshilfe wurde auf Betreiben von Jagow wieder eingezogen. Der Ehrentitel des Kommerzienrates wurde ihm daher auch nicht von Preußen, sondern 1910 vom bayerischen König verliehen. Zahlreiche deutsche und ausländische Ehrbezeugungen bekundeten demgegenüber einen guten Ruf von Jandorf.

Kaufhaus des Westens

Sein siebentes und letztes Warenhaus sollte Geschichte machen. Bis dahin bediente Jandorf den handfesten Bedarf der einfachen Leute von Berlin, nun sollten es die gehobenen und höchsten Konsumwünsche der wilhelminischen Elite sein. Für das „Kaufhaus des Westens“ (KaDeWe) wurde 1905 eine eigene Gesellschaft mit beschränkter Haftung von M. J. Emden Söhne mit 79 000 Mark und Ingenieur Knauer mit 1 000 Mark gegründet. Jandorf hielt sich zunächst im Hintergrund, erst im September 1906 steuerte Jandorf mit 1 921 000 Mark den Hauptanteil bei, die weitere Kreditfinanzierung übernahm die Deutsche Bank. Um den Qualitätssprung vom Volkswarenhaus zum Luxuswarenhaus zu unterstreichen, verzichtete er auch auf seinen Namen im Titel des Warenhauses.

Als Standort wählte er die Grenze zwischen den damals noch selbstständigen Städten Charlottenburg und Schöneberg am Ende der Tauentzienstraße. Die Lage war mit einem U-Bahn-Anschluss am U-Bahnhof Wittenbergplatz und Straßenbahnen verkehrsgünstig gelegen und vorausschauend platziert, denn bei einem Zusammenwachsen der Städte zu einem Groß-Berlin lag hier ein zukünftiges Verkehrszentrum. Der ihm in diesem Zusammenhang immer zugeschriebene Ausspruch „Wat een juter Standort is, bestimme ick“ lässt sich jedoch nicht mit einer Quelle belegen. Da auch kein Zitat von ihm im Berliner Dialekt überliefert worden ist, redete er vermutlich Hochdeutsch und mainfränkischen Dialekt. Zwischen der Ansbacher und Passauer Straße mussten zuvor einige erst etwa 15 Jahre alte Wohnhäuser von bester Qualität abgerissen werden, dann wurde innerhalb eines Jahres das Warenhaus hochgezogen und fertiggestellt. Der Architekt Johann Emil Schaudt plante den Entwurf mit fünf Stockwerken und einer sachlichen, nüchternen Fassade aus fränkischem Muschelkalk, Ingenieur Knauer erbaute mit seiner Firma Boswau & Knauer das Gebäude und der Innenarchitekt Franz Habich, der zuvor das Münchner Warenhaus Oberpollinger ausgestattet hatte, übernahm die unisono als „edel“, „modern“ und „gediegen“ bezeichnete Innenausstattung mit Holztäfelung und Naturstein. Die kleinfenstrige Gliederung der Fassade passte sich an die Struktur der benachbarten Wohnhäuser an und war auch eine Folge einer neuen baupolizeilichen Vorschrift, die eine Warenpräsentation hinter großen Fenstern auf der gesamten Fassade (wie etwa beim Tietz-Warenhaus in der Leipziger Straße) verbot.

Gezielt wurden fähige Führungskräfte von anderen Berliner Warenhäusern abgeworben, so dass die Firma A. Wertheim in einigen Fällen vor dem Kaufmannsgericht prozessierte. Für die technische Infrastruktur reiste sein Bruder Moritz Jandorf nach London, um das Rohrpostsystem und auch neue Verkaufstechniken zu studieren. Zwar wurde daraufhin eine Rohrpostanlage für die Kassen mit insgesamt 18 km Länge und Zentralkasse installiert, doch erwies sich das Verkaufstalent von Hersteller Lempson größer als die Funktionsfähigkeit des Systems. Eine hohe Reparaturanfälligkeit der Leitungen, die eine häufige Anreise von britischen Technikern notwendig machte, bewirkte ihren Ersatz durch Registrierkassen schon nach wenigen Jahren. Von den Kunden geschätzt und von den Kleinhändlern beklagt, waren die zusätzlichen Dienstleistungen, die das KaDeWe neben dem Warenverkauf in 120 Abteilungen auch im Angebot hatte: „Frisiersalons für Damen und Herren, das Reisebüro, die Wechselstube, Erfrischungs- und Teeräume sowie Photographisches Atelier und Leihbibliothek“.

Am 27. März 1907 fand nach einer Anzeigenkampagne in den Tageszeitungen mit erstmals großformatigen Graphiken im Jugendstil die Eröffnung statt. Nachdem sich im August 1907 König Chulalongkorn, Rama V. von Siam, mit seinem Gefolge zu einem zweitägigen Einkauf im Kaufhaus des Westens aufgehalten, dabei aufwendig im Fürstenzimmer diniert und insgesamt 250 000 Mark ausgegeben hatte, war dies die stillschweigend erhoffte Aufwertung des KaDeWe durch den Hochadel, die Eindruck machte auf Hofstaat, Bürgertum und Beamtenschaft. Rama V. verlieh Jandorf zum Dank den Weißen Elefantenorden.

Familie

Jandorf holte mit Karl (* 1872), Robert (* 1875), der eigentlich Rabbiner werden wollte, Moritz (* 1879) und als Konzern-Justitiar den Rechtsanwalt Dr. Julius Jandorf (* 1883) vier seiner Brüder zur Leitung seiner Filialen nach Berlin. Ihr Vater hatte nach dem Tod seiner Ehefrau Rika im Oktober 1899 Haus und Hof verkauft und war in das Haus seines Sohnes Adolf in der Augsburger Straße 23 im Bayerischen Viertel gezogen, dort lebten auch seine Söhne Robert, Moritz und Julius.

1920 verstarb seine Ehefrau Margarete. Im Herbst 1928 heiratete er die evangelisch getaufte Helen Lehmann, die vor der Hochzeit zum Judentum konvertierte. Jandorf starb 1932 an den Folgen einer Blinddarmentzündung, er wurde in einem Ehrengrab auf dem Jüdischen Friedhof in Berlin-Weissensee (Abteilung T 2) beigesetzt. Seine Frau und sein Sohn Harry konnten rechtzeitig emigrieren. Am 4. und 5. März 1936 wurden Mobiliar, Gemälde und Bibliothek ihres Wohnhauses am Lützowplatz von Rudolph Lepke's Kunst-Auctions-Haus versteigert.

Gedenken

Am 14. September 2008 wurde zur 100-jährigen Ehrenbürgerschaft von Jandorf an seinem Geburtsort Hengstfeld eine Gedenktafel angebracht. Sie befindet sich am ehemaligen Rathaus bei der Kirche. Die Ehrenbürgerschaft hatte auch während der NS-Diktatur Bestand, was man der NS-Bürokratie verschwiegen hatte. Berlin ernannte Jandorf ebenfalls zum Ehrenbürger.


Adressen in Berlin: Karl-Marx-Allee 68 (Große Frankfurter Str. 113), Blücherplatz 3, Spittelmarkt 16-17 , Kottbusser Damm 1, Brunnenstraße 19, Wilmersdorfer Straße 118



Text: Wikipedia

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