Adolf Reichwein

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Adolf Reichwein vor dem Volksgerichtshof (1944)

Adolf Reichwein (* 3. Oktober 1898 in Ems; † 20. Oktober 1944 in Berlin-Plötzensee) war ein deutscher Pädagoge und Kulturpolitiker (SPD). Er war als Mitglied des Kreisauer Kreises aktiv im Widerstand gegen die nationalsozialistische Diktatur.

Leben

1904 siedelte Reichweins Familie von Ems nach Ober-Rosbach über, wo der Vater Karl Gottfried Reichwein bis 1933 als Lehrer, nebenbei als Chorleiter und Organist tätig war. Adolf Reichwein besuchte nach der Volksschule in Ober-Rosbach ab 1909 die Realschule (spätere Augustinerschule) in Friedberg und 1914/1915 die Oberrealschule in Bad Nauheim, um sich anschließend autodidaktisch auf das Abitur vorzubereiten. Im November 1916 wurde er als Kriegsfreiwilliger eingezogen. Noch vor Ende seiner militärischen Ausbildung bestand er im Februar 1917 als Externer am Realgymnasium in Friedberg das Abitur und zog anschließend in den Ersten Weltkrieg. Ende 1917 wurde er bei Cambrai schwer verwundet.

Noch als Genesender begann Reichwein 1918 ein Studium an der Universität Frankfurt am Main unter anderem bei Hugo Sinzheimer und Franz Oppenheimer, bevor er 1920 nach Marburg wechselte, wo Friedrich Wolters einer seiner wichtigsten Lehrer wurde. Hier wurde der ehemalige Wandervogel auch Mitglied der Akademischen Vereinigung Marburg. 1921 promovierte er im Marburg über die geistigen und künstlerischen Einflüsse Chinas auf Europa im 18. Jahrhundert (veröffentlicht unter dem Titel China und Europa).[1] In den 1920er Jahren war Reichwein in Berlin und Thüringen in der Bildungspolitik und Erwachsenenbildung tätig. So gründete und leitete er die Volkshochschule und das Arbeiterbildungsheim in Jena bis 1929. In seinem Hungermarsch durch Lappland beschrieb er tagebuchartig eine extreme Wanderung mit jungen Arbeitslosen in den hohen Norden. Reichwein gehörte zu den Teilnehmern der von der Löwenberger Arbeitsgemeinschaft organisierten Löwenberger Arbeitslager. Er wirkte in der Zeit von 1929 bis 1930 als Leiter der Pressestelle und persönlicher Referent des preußischen Kultusministers Carl Heinrich Becker.

Von 1930 bis 1933 war Reichwein Professor an der neu gegründeten Pädagogischen Akademie Halle (Saale). Nach der nationalsozialistischen „Machtergreifung“ wurde er aus politischen Gründen entlassen. Er bemühte sich um die Stelle des Volksschullehrers einer Ein-Klassen-Schule in Tiefensee, wo er bis 1938 viel beachtete Unterrichtsversuche im Sinne der Reformpädagogik und speziell der Arbeitspädagogik und Projektarbeit durchführte. Reichwein beschrieb 1937 in seinem Werk Schaffendes Schulvolk sein von der Wandervogelbewegung und Arbeitsschulpädagogik geprägtes Unterrichtskonzept mit Schwerpunkt in Fahrten, handlungsorientiertem Unterricht mit Schulgarten und jahrgangsübergreifenden Vorhaben. Für den Sachunterricht und seine Geschichte lieferte er dabei wichtige historische Dokumente. Reichwein teilte die Unterrichtsinhalte ein in einen Sommerkreis (Natur- und Weltkunde) und einen Winterkreis (Mensch „als Gestalter“/„in seiner Landschaft“). Er arbeitete an mehreren Unterrichtsfilmen der Reichsanstalt für Film und Bild in Wissenschaft und Unterricht (RWU) mit.

Schon in den 1920er und 30er Jahren entwickelte Adolf Reichwein für den Naturkundeunterricht differenzierte didaktische Überlegungen zum Medieneinsatz. Reichwein nahm dabei mit seiner konstruktiven Einstellung zum Film in der reformpädagogischen Bewegung eher eine Außenseiterrolle ein. Der Filmeinsatz, den Reichwein in seiner Schrift "Film in der Landschule. Vom Schauen zum Gestalten" beschreibt, ist nicht auf Ersatz- oder Enrichment-Funktionen zu reduzieren. Ohne das Medium Film sind die von ihm intendierten Bildungsziele nicht zu erreichen. Wenn Filme eingesetzt werden, kommt ihnen im "Gesamtvorhaben" ein zentraler Stellenwert zu, da die organisierte Beobachtung" für Reichwein die Voraussetzung für ein "aktives Verhältnis zu den Naturwesen" ist: "[…] die Filme werden ja durch die Naturbeobachtung selbst ergänzt und haben in dem vorliegenden Falle vor allem die Aufgabe, in diese Beobachtungen Ordnung und Methode zu bringen."[2]

Ab 1939 war Reichwein am Staatlichen Museum für deutsche Volkskunde in Berlin museumspädagogisch tätig.

Reichwein gehörte als Mitglied des Kreisauer Kreises zum Widerstand gegen Hitler und war als Kultusminister im Falle eines erfolgreichen Umsturzes des Hitlerregimes vorgesehen. Julius Leber und Reichwein trafen sich Ende Juni 1944 mit mehreren führenden Mitgliedern der Operativen Leitung der KPD in Deutschland, unter welchen sich der Gestapo-Spitzel Ernst Rambow befand. Auf dem Weg zu einem erneuten Treffen mit den Kommunisten am 4. Juli 1944 wurde Reichwein von der Gestapo verhaftet und nach einem Prozess unter Roland Freisler vor dem „Volksgerichtshof“ am 20. Oktober 1944 im Strafgefängnis Berlin-Plötzensee erhängt.

Er hinterließ eine Frau, Rosemarie (geborene Pallat, 1904–2002), und vier Kinder.

Ehrungen

In der Nähe der Hinrichtungsstätte Plötzensee wurde der Reichweindamm nach ihm benannt.[3]

Zahlreiche Schulen in Deutschland sind nach Adolf Reichwein benannt, u. a. in Berlin-Neukölln, Düsseldorf, Frankfurt am Main, Freiburg, Friedberg, Halle (Saale), Heusenstamm, Hilden, Jena, Langen, Limburg an der Lahn, Lüdenscheid, Marburg, Meudt, Neu-Anspach, Nürnberg, Pohlheim, Pretzsch (Elbe), Wiesbaden und Witten.

In der niedersächsischen Stadt Celle war die Pädagogische Akademie nach Adolf Reichwein benannt. Die Hochschule wurde 1953 nach Osnabrück verlegt. Sie hatte ihren Sitz im Schloss Osnabrück. Die Hochschule ging 1974 in der Universität Osnabrück auf. Ebenfalls in Osnabrück liegt der Adolf-Reichwein-Platz in direkter Nähe der Fußgängerzone. Dort steht eine Büste zum Gedenken an Reichwein.

In einer Reihe von Städten gibt es eine Adolf-Reichwein-Straße, so in Siegen, wo an dieser der Hauptcampus der Universität Siegen liegt, welcher auch nach Reichwein benannt ist. In seiner Heimatstadt Rosbach wurde die Stadthalle in Adolf-Reichwein-Halle umbenannt.

Der Kutter Adolf Reichwein im Hof des Deutschen Meeresmuseums in Stralsund, der besichtigt werden kann, trägt seit 1949 den Namen Reichweins.

Im Rathaus Schmargendorf in Berlin steht seit den 1950er Jahren eine Büste, geschaffen von dem Bildhauer Knud Knudsen.

Am Thomas-Müntzer-Gymnasium in Halle (Saale) befindet sich eine Gedenktafel.

Das Gebäude der Regionalgeschäftsstelle Süd der SPD Sachsen-Anhalt in Halle (Saale) ist nach Reichwein benannt (Adolf-Reichwein-Haus).

Gedenktafel am Haus Köpenicker Straße 76, in Berlin-Mitte

Stolperstein vor dem Wohnhaus, Hohenzollernstraße 21, in Berlin-Wannsee

Publikationen

Adolf Reichwein: China und Europa. Osterheld & Co. Verlag, Berlin 1923.

Adolf Reichwein: China und Europa. Osterheld & Co., Berlin 1923.

Schaffendes Schulvolk. Kohlhammer, Stuttgart/Berlin 1937.

Film in der Landschule. Kohlhammer, Stuttgart/Berlin 1938.

Schaffendes Schulvolk – Film in der Schule. Die Tiefenseer Schulschriften. Beltz, Weinheim/Basel 1993, ISBN 3-407-34063-X (Kommentierte Neuausgabe beider Bände).

Gabriele C. Pallat, Roland Reichwein, Lothar Kunz (Hrsg.): Adolf Reichwein: Pädagoge und Widerstandskämpfer. Ein Lebensbild in Briefen und Dokumenten (1914-1944). Mit einer Einführung von Peter Steinbach, Schöningh, Paderborn u.a., 1999.

Pädagogische Schriften. Kommentierte Werkausgabe in fünf Bänden. Julius Klinkhardt, Bad Heilbrunn, 2011–2015.


Text: Wikipedia

Liste der Autoren

Bild: Wikimedia/Bundesarchiv/Bild 151-11-29

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