Aktien-Brauerei-Gesellschaft Friedrichshöhe

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Die Aktienbrauerei Friedrichshöhe ist eine historische Bierbrauerei in Berlin, deren Hauptstandort sich an der heutigen Ecke Landsberger Allee / Richard-Sorge-Straße befand. Mitte der 1850er Jahre hatte der aus Bayern stammende Brauereibesitzer Georg Patzenhofer hier einen Lagerkeller anlegen lassen und einen Bierausschank dazu eröffnet. Einige Jahre später wurden sämtliche Produktionsanlagen der Patzenhofer-Brauerei hierher in neu gebaute Produktionshallen verlegt. Die Brauerei bestand an dieser Stelle mehr als hundert Jahre, wobei sie mehrfach umbenannt wurde und als VEB Schultheißbrauerei noch bis zum Jahr 1991 verschiedene Sorten Bier erzeugte. Seitdem stehen die meisten der historischen Backsteinbauten leer oder wurden zu kleinen Teilen von regionalen Vereinen zwischengenutzt. Die Mälzerei und einige Lagerhäuser entlang der Richard-Sorge-Straße wurden 2006/2007 abgerissen und durch Wohnhäuser ersetzt. Die übrigen Gebäudeteile stehen unter Denkmalschutz.

Reklamemarken der Patzenhofer-Brauerei

Geschichte

Auf einem Grundstück an der Tilsiter Straße (heute: Richard-Sorge-Straße) 51–62 bis zur damals über den Friedhof verlaufenden Diestelmeyerstraße (heute verkürzt; Kochhannstraße) und Landsberger Allee 24–27 (auf der Friedrichshöhe) hatte Georg Patzenhofer um 1856 den ersten Bier-Lagerkeller für seine Brauerei anlegen lassen. Die Bierherstellung hatte er zuerst in Berlin-Mitte in der Neuen Königstraße (heute Otto-Braun-Straße) begonnen und später in der Papenstraße eine Mälzerei und ein Sudhaus errichten lassen.[1] Wie es damals üblich war, gab es ab 1858 auch einen unmittelbaren Ausschank an dieser Stelle. An Sonn- und Feiertagen strömten Spaziergänger zum Biergarten, meist auf dem Weg zum nahe gelegenen Volkspark Friedrichshain. Pferdefuhrwerke brachten die Bierwürze in einem riesigen Fass hierher.

Im Jahr 1871 wurde die bisher im Privatbesitz befindliche Brauerei in eine Aktiengesellschaft umgewandelt und führte fortan den Namen Actien-Brauerei-Gesellschaft Friedrichshöhe, vorm. Patzenhofer. Als Direktor setzte man Friedrich Goldschmidt ein. Dieser hatte sich in den zurückliegenden Jahren unter anderem in den USA über damals modernste Brauerei-Ausstattungen, die Brau-Technologie und die eingesetzten Materialien informiert, was nun dem Unternehmen Patzenhofer zugutekam. 1873 erweiterte die Patzenhofer AG die Fläche auf der Friedrichshöhe durch Zukäufe, um Platz für weitere Lagerkeller und Produktionsgebäude zu schaffen; nunmehr gehörten dem Konzern rund 28.000 m².

Das Gelände in Berlins Mitte hatte sich für notwendige Erweiterungsbauten als zu klein erwiesen, Flächenzukäufe in der Nachbarschaft waren nicht möglich und das Wassermanagement war auch nicht optimal. Die Friedrichshöhe, eine Erhebung von 49 Meter über NHN nordöstlich vor den Toren von Alt-Berlin, wies einen ausreichend tiefen Grundwasserspiegel auf, sodass das auf dem Gelände aus einem Tiefbrunnen geförderte Wasser die für die Bierherstellung notwendige Reinheit besaß. Zwischen 1877 und 1886 entstanden hier neue Gebäude für eine komplette Biererzeugung: Sudhäuser, eine Mälzerei, eine Darre, Verwaltungsgebäude und Remisen für den wachsenden eigenen Fuhrpark.

Die meisten Gebäude wurden von der Architektengemeinschaft Max Alterthum & Salo Zadek[2] entworfen und gemeinsam mit dem Rats-Maurermeister Arthur Rohmer[3] ausgeführt.[1] Mit dem Abschluss der ersten Neubauphase 1886 gab das Unternehmen den Standort in der Papenstraße auf und verlegte die gesamte Biererzeugung an die Landsberger Allee.

Der jährliche Bier-Ausstoß betrug gegen Ende des 19. Jahrhunderts 110.000 Hektoliter.[4]

Für das Jahr 1896 werden als Fuhrpark-Bestand 40 Bierwagen, 25 Flaschenwagen und 105 Pferde angegeben. Ein Teil der oben genannten Jahresproduktion der Brauerei wurde täglich in 50.000 Flaschen abgefüllt.[5] Neue Werkstoffe kamen bei den Brauerei-Gerätschaften zum Einsatz, statt Eisen bestanden die neuen Kessel nun aus Kupfer, die Lagerbehälter wurden aus Aluminium statt wie nach alter Tradition aus Holz gefertigt. Alle Maschinen erhielten Elektroantriebe. 1909 eröffnete die Konzernleitung auf dem Firmengelände eine Versuchsbrauerei mit komplett eigener Brauanlagenausstattung. Die erhalten gebliebene Einrichtung wurde nach der Einstellung der Biererzeugung 1991 als funktionsfähiges produktionstechnisches Zeugnis dem Museum für Verkehr und Technik übergeben.[1]

Im Jahr 1912 wurde das letzte und modernste Sudhaus eingeweiht und galt mit seiner Ausstattung als das bedeutendste in Europa.[6]

Die umfangreichen Aufgaben der Geschäftsleitung machten im 20. Jahrhundert einen repräsentativen Verwaltungsbau im Stadtzentrum von Berlin erforderlich. 1905 wurde deshalb in der Taubenstraße 10 (Berlin-Mitte) ein Neubau bezogen, der 1920 an die Allianz-Versicherung veräußert wurde. Im gleichen Jahr beschloss die Aktionärs-Hauptversammlung am 12. Juli 1920 die Fusion mit der Schultheiß-Brauerei,[7] wodurch der „mächtigste Bierkonzern Europas“ mit dem Namen Schultheiß-Patzenhofer Aktiengesellschaft für Brauerei-Unternehmungen entstand.[5][8]

Im Berliner Stadtbild etablierten sich in diesen Jahren zahlreiche Kneipen als „Patzenhofer Bierausschank“, beispielsweise an der Ecke Eberty-/Straßmannstraße.[9]

Der Name Patzenhofer verschwand im März 1938 aus der Firmenbezeichnung, nachdem die Firma (Hauptstandort in der Roonstraße in Berlin-Lichterfelde) weitere Zukäufe getätigt hatte. Die Produktionsstätte an der Landsberger Allee wurde nun als Abteilung Nordost NO 18 geführt.[10] Zwischen 1920 und 1937 trugen alle Teile des Brauereikonzernes den Namen „Schultheiß-Patzenhofer“, darunter auch eine entsprechende Stätte in Dessau.[11] Offenbar sind die Namensrechte auch nach 1938 erhalten geblieben.

Die Brauerei in Friedrichshain nahm gleich nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs die Bierherstellung wieder auf, es gab keine großen Kriegszerstörungen, wohl aber anfangs Probleme mit der Beschaffung der Zutaten. An den Gebäuden waren (und sind auch 2012 immer noch) zahlreiche Einschusslöcher zu sehen.

Die Friedrichshainer Brauerei war bis 1991 in Betrieb, zuletzt als Teil des VEB Getränkekombinat Berlin unter dem Namen Betrieb V Schultheiss Leninallee, das entsprechende Bier hieß Berliner Pilsner ohne historischen Hinweis auf Patzenhofer. Die komplette Immobilie wurde an Brau und Brunnen (heute: Radeberger Gruppe) veräußert, die Produktion eingestellt und zahlreiche Anlagen verkauft oder verschrottet. Einige wenige technische Geräte sind in den Gebäuderesten noch erhalten.

Der 85 Meter hohe Schornstein wurde 1996 mittels einer Sprengung abgetragen.

Architektur

Das gesamte Gebäudeensemble wurde mit Backsteinen unterschiedlicher Qualität errichtet und orientierte sich am klassizistischen Baustil. Für das dreigeschossige Verwaltungsgebäude an exponierter Stelle direkt an der Ecke Tilsiter Straße / Landsberger Allee verwendete man hochwertige dunkelrote Backsteine und seine Fassade erhielt farblich angepasstes schmückendes Beiwerk: unter der Traufe plastische Säulen, Terrakotta-Schmuck (florale Motive) für Friese und um die Fenster, außerdem ornamentale Bemalungen in der zweiten Etage. Dieser Bau diente zunächst als Comptoir und Wohnhaus, nach 1920 war es auch der Sitz der Direktion. In den Jahren der DDR befanden sich die Verwaltung des Getränkekombinats darin und eine Betriebskantine, die auch von Mitarbeitern umliegender Betriebe genutzt werden konnte. Seit 1991 steht es leer.

In der Richard-Sorge-Straße folgt eine große hölzerne Wand, die das Verwaltungsgebäude mit dem anschließenden langgestreckten viergeschossigen Gebäudetrakt optisch verbindet (hinter der Wand verbergen sich Baugruben, die im Jahr 2005 durch Teilabriss entstanden sind). Der mit einfachen Backsteinen und fast schnörkellos ausgeführte Trakt ist das ehemalige Sud- und Lagerhaus mit erhöhtem Mittelteil. Verschiedene Pläne zur Perspektive der Gebäude und des Geländes Reste der Aktienbrauerei Friedrichshöhe, die drei Giebel im Vordergrund wurden im Dezember 2007 abgerissen Baurest des Biergarten-Pavillons vom UCI-Kino aus zu sehen

Haupttor

Ab 1992 gab es zunächst ein Projekt für einen Ausbau als Schultheiss-Passagen. Es sollten mehr als 200 Wohnungen, Gaststätten, Läden und ein Hotel entstehen. Lediglich das auf dem westlichen ehemaligen Brauerei-Gelände anstelle des Biergartens erbaute UCI-Kino wurde davon verwirklicht,[12] wodurch eine erste Fläche von ungefähr 7300 m² abgetrennt wurde.

Die nicht denkmalgeschützten Lagerhäuser (siehe Foto aus 2007) entlang der Richard-Sorge-Straße mit etwa einem Drittel der bisherigen Fläche wurden an Bauinvestoren veräußert, die sie abreißen ließen. An ihrer Stelle entstanden zwischen 2008 und 2010 neue moderne Wohngebäude („Townhouses Friends“).

Im Jahr 2006 hatte die Quantum Immobilien-Projektentwicklungsgesellschaft für 3,5 Millionen Euro einen weiteren Teil des Geländes erworben und mit Unterstützung eines Fördervereins beziehungsweise der Initiative „LA54“ mit der schrittweisen Umnutzung der Gebäude in ein Kreativhaus begonnen. Auf dem Hof eröffnete um 2010 ein kleiner Biergarten mit Imbiss und in den anderen Gebäuden sind neue Elektro- und Gasleitungen verlegt worden. Die Pächter dieses Geländes und der ehemaligen Villa des Besitzers (genannt „Villa Rosa“), einem zweigeschossigen Solitärbau ebenfalls aus Backstein neben der Haupteinfahrt in der Landsberger Allee, etablierten den „Klick-Club“ sowie Galerien und Ateliers. Diese kulturelle Zwischennutzung für Künstler verschiedener Genres wurde als „Allround-Location und Großstadtoase für gestresste Kiez-Homies“ vermarktet.[13][14] Am Tor wurde in verkupferten Versalien der Schriftzug „Kunst-Haus“ angebracht. Dieses Projekt musste wegen der von Amts wegen zurückgezogenen Nutzungserlaubnis (offiziell aus brand- und bauschutzrechtlichen Gründen), vor allem aber nach dem Verkauf der denkmalgeschützten Bauten, gegen den Widerstand der Ateliermieter zu Beginn des Jahrs 2012 aufgegeben werden. Diese hatten noch erwogen, einen Architekten mit der Ausarbeitung eines Bauplans zur Behebung der Mängel zu beauftragen und eine erneute Nutzungsgenehmigung zu beantragen.[15]

Die Estavis AG, ein Berliner Investor, hatte im Frühjahr 2011 für 43 Millionen Euro rund 8400 Quadratmeter des verbliebenen denkmalgeschützten Gebäudebestands sowie 5500 Quadratmeter des Areals erworben. In den zu sanierenden und restaurierenden Gebäuden sollen 152 Wohnungen der „gehobenen bis sehr gehobenen Klasse“ und neun Gewerbeeinheiten entstehen. Auf der freien Fläche wird die Errichtung weiterer Neubauten geplant. Das neue Wohnquartier erhielt die Bezeichnung „An der Brauerei“[16] nach der gegenüberliegenden gleichnamigen Straße.

Eine Vor-Ort-Besichtigung zu Beginn des Monats Juni 2012 hat gezeigt, dass das Management des Kunst-Hauses und die Initiative LA54 dabei sind, die Gebäude freizuräumen. Nur noch einige Briefkästen mit den Namen der Künstler sind außen zu sehen, Bauzäune und schwere Ketten sichern alle Zugänge.

Im Frühjahr 2014 sind die Gebäude zwar längst geräumt, irgendeine Bautätigkeit ist jedoch nicht zu verzeichnen.


Text: Wikipedia

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