Alfred Kerr (Wohnhaus)

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Alfred Kerr, porträtiert von Lovis Corinth (1907)

Alfred Kerr (* 25. Dezember 1867 in Breslau als Alfred Kempner; † 12. Oktober 1948 in Hamburg) war ein deutscher Schriftsteller, Theaterkritiker und Journalist.

Kerr war einer der einflussreichsten deutschen Kritiker in der Zeit vom Naturalismus bis 1933. Er veröffentlichte unter anderem in den Zeitschriften Der Tag, Neue Rundschau, Pan und Berliner Tageblatt. Kerr sah in der Kritik eine eigene Kunstform und schuf dafür einen treffenden, geistreich-ironischen und oft absichtlich saloppen Stil.


Leben

Alfred Kerrs Eltern waren der jüdische Weinhändler und Fabrikbesitzer Emanuel Kempner und Helene, geb. Calé. Er war – entgegen einigen Vermutungen der damaligen Zeit – nicht Neffe der bekannten Dichterin Friederike Kempner.


Studium

Nach seiner Kindheit in Breslau begann Alfred Kempner mit dem Studium der Geschichte, Philosophie und Germanistik, das er 1887 in Berlin fortsetzte. Ab 1891 schrieb er Beiträge, meist Theaterkritiken, für das „Magazin für die Literatur“, die „Vossische Zeitung“, die „Neue Rundschau“ und die „Breslauer Zeitung“ („Berliner Briefe“). 1894 schloss er das Studium mit der Promotion zum Dr. phil. in Halle ab. 1898 wurde seine Dissertation über die Jugenddichtung Clemens Brentanos unter dem Titel „Godwi. Ein Kapitel deutscher Romantik“ veröffentlicht.


Familie

1918 heiratete Alfred Kerr Ingeborg Thormählen, die noch im selben Jahr verstarb. 1920 heiratete er Julia Weismann. Aus der Ehe gingen zwei Kinder hervor, Judith Kerr, die in den Büchern „Als Hitler das rosa Kaninchen stahl“, Warten bis der Frieden kommt und Eine Art Familientreffen über die Emigration der Familie aus Sicht eines Kindes und jungen Mädchens berichtete, sowie Michael Kerr, der in England der erste nicht in England geborene Richter am High Court seit über 800 Jahren wurde.


Theaterkritiker

Alfred Kempner benutzte seit 1887 in seinen Publikationen den Namen „Kerr“, 1909 erfolgte die offizielle Namensänderung in Alfred Kerr.

Von 1900 bis 1919 arbeitete er als Theaterkritiker für die Berliner Zeitung „Der Tag“. Ab 1911 war Kerr zunächst Mit-, von 1912 bis 1915 alleiniger Herausgeber der 1910 von dem Verleger Paul Cassirer wiedergegründeten Kunst- und Literaturzeitschrift „Pan“. Hier veröffentlichte er auch zwei „unzüchtige“ Gedichte Klabunds. 1911 publizierte Kerr im „Pan“ nach der Beschlagnahme eines Heftes einen Privatbrief des Berliner Polizeipräsidenten an Cassirers Gattin Tilla Durieux und machte aus einer zivilen eine politische Angelegenheit, wobei er erstmals mit Karl Kraus aneinander geriet.

Kerr förderte Henrik Ibsen und Gerhart Hauptmann. Jahrzehntelang war er mit http://de.wikipedia.org/wiki/Walther_Rathenau Walther Rathenau] befreundet. Während des Ersten Weltkriegs schrieb er unter dem Pseudonym „Gottlieb“ militaristische Gedichte gegen die kriegsführenden Mächte der Entente, welche in August Scherls Zeitung „Der Tag“ veröffentlicht wurden. Im Kriegsjahr 1917 erschien der Gedichtband „Die Harfe“, unter dem Titel „Die Welt im Drama“ wurden in fünf Bänden seine gesammelten Kritiken ediert.

Von 1919 bis 1933 schrieb Kerr für das „Berliner Tageblatt“ und für die „Frankfurter Zeitung“. 1920 erschienen zwei Bände seiner Reisefeuilletons unter dem Titel „Die Welt im Licht“, weitere Bände folgten in den Jahren von 1923 bis 1925 („New York und London“, „O Spanien!“, „Yankee-Land“). Im Jahr 1926 wurde der Gedichtband „Caprichos“ veröffentlicht. 1928 berichtete Kerr in dem von Joseph Chapiro herausgegebenen Band „Für Alfred Kerr. Ein Buch der Freundschaft“ von seiner Kindheit und Jugend.

1925 solidarisierte sich Kerr, wie auch Bertolt Brecht, Max Brod, Kurt Pinthus und Alfred Wolfenstein mit Johannes R. Becher, dessen Gedichtband Roter Marsch – Der Leichnam auf dem Thron – Die Bombenflieger beschlagnahmt worden und für den Becher vorübergehend in Haft gekommen war. 1928 kam es erneut zu einem Konflikt mit Karl Kraus, der dem inzwischen demokratisch und pazifistisch engagierten Kerr seine Kriegsgedichte vorhielt, darunter das 1916 unter dem Pseudonym „Gottlieb“ erschienene Rumänenlied. Obwohl beide sich vor Gericht verglichen, veröffentlichte Kraus die „Akte Kerr“ wegen dessen angeblich inakzeptablen Verhaltens im Prozess in seiner Zeitschrift „Die Fackel“. Eine Entgegnung Kerrs wurde angekündigt, aber nie geschrieben. Bis 1933 nahm Kerr in seinen Glossen für den Berliner Rundfunk Stellung gegen die NSDAP.


Stilist

Alfred Kerr verfasste seine Kritiken in einem eigenen Stil und in sehr eigensinniger Schreibweise. Sein Markenzeichen ist der „Blockstil“, also die römische Nummerierung seiner Texte in einzelne Absätze bzw. Blöcke, wobei die einzelnen Kapitel selten mehr als 4 bis 5 Zeilen umfassten. Damit ist er der Erfinder der publizistischen Prägnanz, in Die Welt im Drama heißt es dazu: „Aus einem Gedanken macht der Stückmacher ein Stück. Der Schriftsteller einen Aufsatz. Ich einen Satz.“ Im Unterschied zu Maximilian Harden und Karl Kraus, die sich kategorisch der Phrase verweigerten, dominiert in den Kerrschen Essays – wie später bei Kurt Tucholsky – ein Nominalstil, zu dessen wichtigsten Merkmalen der knappe, auf viele konkrete Fälle anwendbare, also sentenzenhafte Sinnspruch bzw. die Verwendung einprägsamer Aperçus gehören. Er verwendete dialektale bzw. umgangssprachliche Formulierungen wie Berlinismen oder gar plattdeutsche Wendungen, prägt suggestive Formeln und näherte seine geschriebene der gesprochenen Rede an. Daneben dominieren Dialektismen, fremdsprachliche Redewendungen, Substantivierungen, Vergleiche, ein parataktischer Satzbau, Ellipsen, filmähnliche „Montagetechnik“, fiktive Dialoge, die Anrede des Lesers, ja bisweilen gar die Anrede des Autors in einer Rezension. Das Resultat der komprimierten Verwendung all dieser Stilmittel ist eine Art Telegrammstil, weshalb Bernhard Diebold die Texte Kerrs auch als „literarische Stenogramme“ bezeichnete. Daneben ist Kerr ein Meister des Sarkasmus, wobei er in seinen Kritiken bisweilen gar Sprachfehler imitiert, um so die „Kinderplumpheiten“ eines Werkes zu unterstreichen. Zu Franz Werfels Bearbeitung von Euripides Werk Die Troerinnen etwa schrieb er durchaus bösartig: „Hier kann einer bloß ausrufen: O selig, ein Tind noch zu sein. Deht der Dichter ßpatzieren? Atta, atta!“ Auch Kerrs 1902 veröffentlichte Polemik Herr Sudermann, der D…Di…Dichter basiert auf diesem Prinzip. Kerrs knappen und sarkastischen Witz bezeugt auch seine Rezension über das Erstlingswerk des sehr jungen Robert A. Stemmle, bestehend aus nur einem einzigen Satz: „Wacker, wacker, kleiner Kacker!“


Exil

Kerr floh am 15. Februar 1933 nach Prag dann nach Lugano, wo seine Familie am 4. März eintraf. Dann ging die Familie nach Zürich und nach Paris und 1935 nach London.

Am 10. Mai 1933 wurden seine Werke Opfer der Bücherverbrennung der Nationalsozialisten. Am 13. Mai 1933 wurde er vom Vorstand des Börsenvereins der Deutschen Buchhändler auf die Liste der Autoren gesetzt, deren Werke „für das deutsche Ansehen als schädigend zu erachten“ seien. In der ersten Liste des Börsenblatts der aus öffentlichen Bibliotheken auszusondernden Literatur wurden die gesamten Schriften Kerrs genannt.

Im August 1933 war er auf der Ersten Ausbürgerungsliste des Deutschen Reichs von 1933 gelistet. Im Exil schrieb er für die von den Exilanten neu gegründeten Zeitungen „Pariser Tageblatt“ und „Pariser Tageszeitung“ sowie für „Le Figaro“, „Le Temps“ und „Les Nouvelles Littéraires“, ab 1939 auch für die jüdische Wochenzeitung „Aufbau“ in New York.

1938 wurde Kerr Mitbegründer des Freien Deutschen Kulturbundes. Von 1941 bis 1946 war er Präsident des Deutschen P.E.N.-Club im Exil in London, ab 1946 bis zu seinem Tode Ehrenpräsident.

Von 1945 an arbeitete Kerr für die deutschen Tageszeitungen „Die Welt“ und „Die Neue Zeitung“. 1947 wurde er britischer Staatsbürger. Nach seiner Rückkehr kokettierte er mit seinem fortgeschrittenen Alter: „Man stirbt einen Tod und weiß nicht welchen, vielleicht ein schmuckes Schlaganfällchen.“ Tatsächlich erlitt er während einer Theateraufführung einen Schlaganfall. Alfred Kerr starb am 12. Oktober 1948 in Hamburg. Nach dem Schlaganfall hatte er den Freitod durch eine Überdosis Schlaftabletten gewählt. Begraben wurde er auf dem Friedhof Ohlsdorf.


Adressen: Höhmannstraße 6 (Berlin-Grunewald), um 1905 Bamberger Straße 42 in Schöneberg, 1910 Kurfürstendamm 145, 1930-33 Grunewald Douglasstraße 10



Text: Wikipedia

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