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Alte Berliner Sternwarte

Erste Berliner Sternwarte

Die erste Berliner Sternwarte stand auf dem Marstall in Dorotheenstadt. Der Marstall für 200 Pferde wurde Unter den Linden von 1687 bis 1688 nach Plänen des Architekten Johann Arnold Nering errichtet und von 1695 bis 1697 für die 1696 gegründete Academie der Mahler-, Bildhauer- und Architectur-Kunst um eine zweite Etage aufgestockt. Von 1696 bis 1700 erweiterte Martin Grünberg den Gebäudekomplex für die 1700 gegründete Societät der Wissenschaften auf den doppelten Umfang nach Norden bis zur Letzten Straße, der späteren Dorotheenstraße (von 1822 bis 1951 und seit 1995 Dorotheenstraße, dazwischen Clara-Zetkin-Straße. Von 1700 bis 1711 kam auf den Nordflügel der Anlage als Sternwartengebäude von Grünberg ein Turm mit drei zusätzlichen Geschossen hinzu. Der 27 Meter hohe Bau war eine der ersten Turmsternwarten des 18. Jahrhunderts. 1706 wurde das Observatorium teilweise benutzbar und 1709 einigermaßen bezugsfertig. Am 15. Januar 1711 hielt die ab 1701 Königlich Preußische Sozietät der Wissenschaften in dem Turm ihre erste Sitzung ab und vier Tage später, am 19. Januar 1711, ihre erste festliche Versammlung; auf der wurde das Observatorium feierlich übergeben. Es wurde zum repräsentativen Mittelpunkt der Sozietät. Mit der Zeit wurden in seinen Räumen auch deren Bibliothek und das Naturalienkabinett untergebracht. Die Gesellschaft wurde 1744 von Friedrich II. zur Königlichen Akademie der Wissenschaften reorganisiert und hatte dort ihren Sitz bis 1752.

Gottfried Kirch starb 1710 ein Jahr vor der Eröffnung der Akademie und des Observatoriums. An seine Stelle des Leiters der Sternwarte rückte sein Assistent Johann Heinrich Hoffmann. Als Hoffmann 1716 starb, wurde Christfried Kirch sein Nachfolger – der Sohn von Gottfried Kirch. Er wurde in der Kalendererstellung von seiner Mutter Maria Margaretha Kirch und seiner Schwester Christine Kirch unterstützt, so wie einst er mit seiner Mutter dem Vater unter die Arme griff. Seine Mutter starb 1720. Bei den praktischen Tätigkeiten half ihm von 1720 bis 1736 J. G. Schütz. Nach dem Tod von Christfried Kirch übernahm 1740 Johann Wilhelm Wagner das Amt des Direktors. Die Kalenderrechnung wurde in wesentlichen Teilen für viele Jahre von Christine Kirch fortgesetzt; sie war auch für die Berechnung der Einnahmen zuständig. In den Jahren der „Alten Sternwarte“ setzten sich neben anderen auch Leonhard Euler, Joseph Louis Lagrange und Johann Heinrich Lambert in Berlin mit astronomischen Fragen auseinander. 1765 bekam Johann Castillon die Stelle des ersten Astronomen. 1768 erhielt das Observatorium einen von John Bird gebauten Mauerquadranten und damit das erste bedeutende Beobachtungsinstrument. Das Messgerät kann heute in der Sternwarte Babelsberg besichtigt werden.

Langjährige Direktoren des alten Observatoriums waren ab 1764 Johann III. Bernoulli und nach ihm seit 1787 Johann Elert Bode. Lambert holte Bode 1773 nach Berlin, um mit ihm ein Astronomisches Jahrbuch herauszugeben; nach Lamberts Tod wurde Bode alleiniger Herausgeber. Bereits 1774 erschien der erste Jahrgang des Berliner Astronomischen Jahrbuchs für 1776 und eröffnete damit die bis in das Jahr 1959 reichende, längste Publikationsreihe in der Astronomie. Durch dieses internationale Dokumentationsmedium entwickelte sich die Berliner Sternwarte zu einem Nachrichtenzentrum von europäischem Rang. Bode wurde anfangs der greisen Christine Kirch als Gehilfe bei der Kalenderarbeit zugeteilt. 1774 heiratete er eine Enkelin von einer deren Schwestern; sie war gemäß der Kirch’schen Familientradition ebenfalls mit der Astronomie vertraut. Christine Kirch starb 1782. Als Direktor der Sternwarte konnte Bode durch die Gunst von Friedrich Wilhelm III. die bis dahin eher drittklassig ausgestattete Einrichtung um ein zweites Beobachtungsstockwerk erweitern. Als Bode dazu am 2. November 1798 eine Eingabe machte, beschränkten sich die Räumlichkeiten für die Beobachtungen innerhalb des Turms noch auf das dritte Stockwerk. Die zwei Stockwerke darüber waren zu einer hochräumigen Etage vereint. Auf diese konnten die Beobachtungstätigkeiten ausgedehnt werden, nachdem die kalkulierten Kosten von 4465 Talern und der Plan am 7. April 1800 genehmigt wurden und der nötige Umbau im Juni des folgenden Jahres abgeschlossen war. Die Baumaßnahmen wurden von Oberhofbaurat Friedrich Becherer und Schlossbaumeister Bock geleitet.

1797 war Johann Georg von Soldner als Bodes Mitarbeiter nach Berlin gekommen und 1801 erschien im Astronomischen Jahrbuch für das Jahr 1804 Soldners Arbeit über die Schwere des Lichtes mit seiner Folgerung der Krümmung der Lichtstrahlen in einem Gravitationsfeld. 1805 kam Jabbo Oltmanns nach Berlin zu Bode und half im bei seinen astronomischen Beobachtungen und Arbeiten am Jahrbuch, in dem auch seine ersten eigenen Artikel erschienen. Oltmanns wurde auch Mitarbeiter Alexander von Humboldts und bearbeitete die Positionsdaten von dessen gerade zurückgelegter Forschungsreise durch Mittel- und Südamerika; während dieser Arbeiten wurde Humboldt nach Napoleons 1806 erfolgter Besetzung von Berlin mit diplomatischem Auftrag nach Paris beordert und Oltmanns folgte ihm 1808. Bis 1811 finanzierte sich das astronomische Institut ausschließlich durch das Monopol der Kalenderberechnung, das der Akademie zu ihrer Gründung verliehen wurde; in diesem Jahr verlor die Akademie das Kalenderprivileg und wurde künftig über den Staatshaushalt zuzüglich von Stiftungen bestritten. Turm der alten Berliner Sternwarte zwischen 1832 und 1848, mit Signalmast der optischen Telegrafenstation, Ansicht von Westen, Ölgemälde von Friedrich Wilhelm Klose

Als für die Leitungsposition Bodes aus Altersgründen ein Nachfolger gesucht wurde, lehnten Carl Friedrich Gauß und Friedrich Wilhelm Bessel ab. Auf Empfehlung von Bessel wurde 1825 Johann Franz Encke, seit 1822 Direktor der Sternwarte Gotha, von König Friedrich Wilhelm III. nach Berlin gerufen und zum Direktor der Berliner Sternwarte ernannt. Dank Alexander von Humboldts Einfluss konnten teure Geräte angeschafft werden und mit seiner Unterstützung erreichte Encke beim preußischen König auch den Bau einer neuen Sternwarte am damaligen Stadtrand. Bedingung war, dass die Sternwarte an zwei Abenden in der Woche der Öffentlichkeit zugänglich gemacht wurde.

Das neue Teleskop und Hauptinstrument war ein Refraktor aus der Münchener Werkstatt von Joseph von Fraunhofer mit einer Öffnung von neun Zoll (24,4 cm) und einer Brennweite von 4,33 Metern. Humboldt beantragte seinen Ankauf am 9. Oktober 1828, einschließlich eines Meridiankreises von dem Instrumentenbauer Karl Pistor in Berlin und eines Chronometers aus der Berliner Uhrmacherwerkstadt von Friedrich Tiede. Er beantragte auch das Sammeln und Vorlegen von Unterlagen über die zweckdienlichste Bauart von Observatorien. Daraufhin bewilligte Friedrich Wilhelm III. sechs Tage später 8500 Taler für den Refraktor, 3500 Taler für den Meridiankreis und 600 Taler für das Chronometer. Der Refraktor war das letzte große Fernrohr Fraunhofers, das in München noch vorhanden war. Zugleich erhielt Humboldt vom König die Vollmacht für die beantragte Unterlagensammlung und deren Vorlage beim Kultusministerium.

Der Fraunhofer’sche Refraktor traf am 3. März 1829 in Berlin ein. Er befindet sich heute im Deutschen Museum in München. Am 7. April 1829, fünf Tage vor dem Aufbruch Humboldts zu seiner Russlandexpedition, erging an ihn der königliche Auftrag zur Projektierung einer neuen Sternwarte durch den Architekten Karl Friedrich Schinkel und der Einreichung dieser Pläne mit dem gewünschten Standort. Nach seiner Rückkehr bat Humboldt am 1. Mai 1830 Baumeister Schinkel brieflich um einen Entwurf. Am 10. August 1830 wurde der Ankauf eines Baugrundstücks für die neue Sternwarte genehmigt.

Der Turm der alten Sternwarte diente zwischen 1832 und 1849 als „Telegraphenstation 1“ von insgesamt bis zu 62 Stationen der königlich-preußischen optischen Telegraphenverbindung von Berlin über Köln nach Coblenz. Am 3. Juli 1903 wurde der Turm abgerissen. Das gesamte Areal des damaligen Marstall-Komplexes zwischen der Dorotheenstraße und Unter den Linden wird seit 1914 von der Berliner Staatsbibliothek eingenommen.


Text: Wikipedia

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