Aussig

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Ústí nad Labem (wörtlich „Aussig an der Elbe“; deutsch Aussig, früher Außig) ist eine Stadt an der Elbe in Nordböhmen. Es ist Zentrum des nordböhmischen Industrie- und Ballungsgebietes und Verkehrsknotenpunkt in der Region.

Reklamemarken und Siegelmarken

Verzeichnis der sortierten Reklamemarken und Siegelmarken mit einem Bezug zu Aussig.

Aussiger Adlerwerke E. & O. Kraus

Deutsche Arbeiterpartei (Österreich-Ungarn)

Fritz Schulz jun. AG

Georg Schicht AG

Wauri, Schulze & Dorn

Sonstige

Geschichte

Namensherkunft

Der Name der Stadt wurde vermutlich vom alttschechischen Wort ustie (ústí) abgeleitet, das Mündung bedeutet, wobei die Mündung der Biela in die Elbe gemeint sein dürfte. Der lateinische Name der Stadt lautete Usk super Albium.

Mittelalter

Im Jahre 993 wurde die Ansiedlung als Handelsplatz an der Elbe erwähnt. Přemysl Otakar II. erhob in der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts den Ort zur Königsstadt. Die Rechte bestätigten und erweiterten die Könige Johann von Luxemburg und Karl IV.[3] Die Stadt wurde nach dem Magdeburger Recht verwaltet.

Während der Hussitenkriege gehörte die Stadt den Markgrafen von Meißen und wurde von den Hussiten belagert. Die Kämpfe erreichten 1426 am Hügel Na Běhání ihren Höhepunkt. Die Deutschen verloren den Kampf. Nach der Eroberung der Stadt am 16. Juni in der Schlacht bei Aussig verübten die siegreichen Hussiten unter Andreas Prokop ein Massaker an den deutschen Bewohnern der Stadt und zerstörten Aussig.[4] Danach herrschte Jakoubek von Vřesovice. Die Chroniken beschreiben, dass die Sieger in Folge friedlich mit der deutschen Bevölkerung weiter lebten.

Einen großen Aufschwung brachten das 16. und das 17. Jahrhundert. Die Stadt beteiligte sich nicht am Aufstand gegen Ferdinand I. 1547 und konnte sich dadurch wirtschaftlich entwickeln. In der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts zogen verstärkt Deutsche zu, die bald mehr als die Hälfte der Bevölkerung ausmachten.

17. und 18. Jahrhundert

Katastrophal wirkte sich der Dreißigjährige Krieg aus. Die Stadt wurde siebenmal Opfer von Plünderungen und Strafzahlungen. Die Folgen dauerten beinahe zweihundert Jahre an. In dieser Zeit war die Stadt bedeutungslos und hatte weniger als 2000 Einwohner.

19. Jahrhundert

Im Jahr 1813 fand nordwestlich der Stadt die Schlacht bei Kulm statt. Nach 1830 bewirkte die Industrialisierung einen neuen Bevölkerungszuwachs.

Das starke Industriewachstum und die Ausweitung des Flussverkehrs führten zu zahlreichen Veränderungen. Nach Jahrhunderten der Stagnation wurden zu Beginn des 19. Jahrhunderts wieder Häuser gebaut. Die mittelalterlichen und Renaissancehäuser sowie die Stadtmauer wurden abgetragen. Neben Landwirtschaft und Weinanbau siedelten sich Webereien, Farbenhersteller und Papierfabriken an. In der Umgebung wurden knapp sechzig Bergwerke eröffnet. Aussig wurde dank der 1827 entdeckten Kohlevorkommen, der 1850 eröffneten Eisenbahnverbindung nach Prag und deren Weiterführung nach Dresden (1851) zur Industriestadt. Für Lastkähne war die Elbe früher erst ab Aussig flussabwärts schiffbar; damit wurde Aussig zum wichtigen Umladehafen zwischen dem Schifftransport und dem Landweg in Böhmen. 1860 lebten hier 7950 Einwohner, viermal so viel wie 1840. Trotz Cholera, Typhus und anderen Epidemien verdoppelte sich die Bevölkerung in den nächsten zwanzig Jahren. 1867 wurde das Bürgerliche Bräuhaus Aussig erbaut, die heutige Bierbrauerei Zlatopramen. 1872 entstand die erste Brücke über die Elbe. Seit 1880 übersiedelte die Seifenfabrik Georg Schicht nach Aussig.

20. Jahrhundert

Anfang des 20. Jahrhunderts lebten über 37.000 Einwohner in Aussig, das sich zu einem der bedeutendsten Industriestandorte Böhmens entwickelt hatte; allein in der großen Chemikalien-Fabrik waren um 1900 etwa 2600 Arbeiter beschäftigt.[5] Die Stadt war Sitz eines Bezirksgerichts (Gerichtsbezirk Außig) und einer Bezirkshauptmannschaft (Bezirk Außig). Außerdem amtierte hier von 1900 bis 1918 der Superintendent von Westböhmen, der allen deutschen Lutheranern Böhmens vorstand. Der seit 1857 bestehende Aussiger Anzeiger stellte 1919 sein Erscheinen ein.

Bis 1935 zogen viele Bewohner des Umlandes in die Stadt um, insbesondere Deutsche. Konrad Henlein hielt hier eine Rede und erreichte bei den Parlamentswahlen die absolute Mehrheit.

Durch das Münchner Abkommen wurde die Stadt am 9. Oktober 1938 zusammen mit dem Sudetenland dem Deutschen Reich zugesprochen.

Die Aussiger Synagoge wurde am 31. Dezember 1938 niedergebrannt. Von der etwa 1200 Mitglieder zählenden jüdischen Bevölkerung der Stadt fielen etwa 80 % dem nationalsozialistischen Völkermord zum Opfer.[6]

Am 1. Mai 1939 wurden die Gemeinden Hottowies, Pokau, Prödlitz, Schreckenstein, Türmitz und Ziebernik in die Stadt eingegliedert; Aussig verließ gleichzeitig den gleichnamigen Landkreis und bildete fortan einen eigenen Stadtkreis. In Aussig hatte ferner einer der drei Regierungspräsidenten im Reichsgau Sudetenland, Hans Krebs, seinen Sitz (Regierungsbezirk Aussig).

Aussig war Stammsitz des Aussiger Vereins, eines bedeutenden Chemie-, Metallurgie- und Bergbaukonzerns, dessen Werke in Aussig und Falkenau zur Zeit des Nationalsozialismus im Zuge der „Arisierung“ von der I.G. Farben und der Chemischen Fabrik v. Heyden gemeinsam erworben wurden.

Im Jahr 1945 gehörte die Stadt Aussig zum Regierungsbezirk Aussig im Reichsgau Sudetenland des Deutschen Reichs.

Neben Alteingesessenen, knapp 60.000 Deutschen und etwa 3.000 Tschechen, gab es bei Kriegsende zahlreiche Kriegsgefangene, Zwangsarbeiter aus Polen, der Sowjetunion und dem Protektorat Böhmen und Mähren, Ausgebombte aus westdeutschen Städten sowie mehrere Tausend Flüchtlinge aus den Kriegsgebieten in Schlesien. Den Wohnparteien in Aussig wurden zwei bis drei Familien zur Einquartierung zugewiesen. Bei Luftangriffen der USAAF wurde am 17. und 19. April 1945 ein Fünftel der Altstadt zerstört, die Vorstadt Oster (Ostrov) dagegen komplett. Die Zahl der Opfer wurde meist mit 1000 bis 2500 angegeben, doch sind nur die Überreste von 513 Menschen gefunden worden. 409 Tote wurden identifiziert, davon 324 Einheimische und 46 Schlesier, der Rest aus dem Ausland.[7]

Sozialdemokraten im Umfeld des am 1. September 1944 verstorbenen Vorkriegsbürgermeisters Leopold Pölzl verhinderten am 7. Mai die Sprengung der zwei Elbbrücken und der Elbstaustufe in Schreckenstein. In Konkurrenz zu den Sozialdemokraten gründeten Tschechen und einige Deutsche in Aussig am 7. Mai 1945 einen Nationalausschuss, dem sich am 8. Mai um 3 Uhr morgens die deutsche Polizei der Stadt zur Verfügung stellte. Kurz darauf übergab Oberbürgermeister Franz Czermak dem Nationalausschuss die Verwaltung der Stadt samt Mittelwellensender. Diesem Beispiel folgten auch der Stadtkommandant und der Leiter der Eisenbahnverwaltung. Der NSDAP-Kreisleiter Rudolf Schittenhelm erschoss auf dem Berg Horka bei Kulm seine Familie und sich selbst. Erste sowjetische Panzer durchfuhren die Stadt am 8. Mai, doch richtete sich die sowjetische Armee erst am 9. Mai in der Stadt ein. Noch am 9. Mai gab es Todesopfer bei Feuergefechten zwischen fliehenden SS-Einheiten und sowjetischen Truppen.[7]

Nachkriegszeit

Am 31. Juli 1945 kam es nach einer Explosion in einem im Stadtteil Schönpriesen gelegenen Munitionsdepot zu einem geplanten Pogrom gegen die deutsche Zivilbevölkerung. Dem Massaker von Aussig fielen nach deutschen Angaben zwischen 1000 und 2700, nach neueren Quellen maximal 220,[8] nach tschechischen Angaben zwischen 40 und 100 Menschen zum Opfer. Symbol dieses Massakers ist die Elbbrücke zwischen der Altstadt und dem Stadtteil Schreckenstein.[9]

Mit dem Ziel einer „ethnischen Säuberung“ wurden zwischen 1945 und 1946 etwa 53.000 Deutsche aus der Stadt vertrieben. Dies geschah in zwei Phasen, vom Kriegsende bis Ende Juli 1945 durch wilde Vertreibung (odsun) und Flucht sowie von Januar bis Dezember 1946 durch eine organisierte Zwangsaussiedlung. An die Stelle der Deutschen traten Tschechen, die sowohl aus dem Landesinneren als auch als Repatrianten aus dem Ausland zuzogen, sowie Slowaken und Roma, die teilweise aus Rumänien und der Sowjetunion kamen. In der Region brach eine kulturelle und historische Tradition ab. In den 1970er und 1980er Jahren wurde das Stadtbild durch den Bau von Verkehrswegen, Großbetrieben und Plattenbauten nachhaltig verändert.

Seit Gründung der Jan-Evangelista-Purkyně-Universität im Jahre 1991 ist Ústí nad Labem eine Universitätsstadt mit rund 7500 Studenten. 1998 geriet Ústí in die internationalen Schlagzeilen, als von städtischer Seite der Bau einer Mauer um ein hauptsächlich von Roma bewohntes Stadtviertel begonnen wurde. Infolgedessen wurde die Eignung Tschechiens als Mitglied der Europäischen Union vorübergehend in Zweifel gezogen.


Text: Wikipedia

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