Bücherverbrennung in Hannover

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Die Bismarcksäule um 1905, Ansichtskarte von Ludwig Hemmer

Die Bücherverbrennung in Hannover erfolgte am 10. Mai 1933 an der Bismarcksäule nach ähnlichem Muster wie die anderen Bücherverbrennungen in Deutschland, jedoch weniger straff organisiert.


Geschichte

Kurz nach der Machtübernahme 1933 initiierte das Reichsministerium für Volksaufklärung und Propaganda die Ausmerzung „undeutscher Kunst und Literatur“ als „Aktion wider den undeutschen Geist“. Mit der Durchführung wurde der Nationalsozialistische Deutsche Studentenbund beauftragt. In Hannover bildete sich daraufhin ein dreiköpfiger „Kampfausschuss“, dem als Vertreter der Technischen Hochschule Victor Curt Habicht angehörte. Hauptbestandteil einer vorbereitenden „Aufklärungsaktion“ war ab dem 12. April die Verbreitung von „12 Thesen wider den undeutschen Geist“; das entsprechende Flugblatt für den „Kampfausschuss der Deutschen Studentenschaft Hannover“ unterzeichnete I. A. Hansen. Daraufhin durchsuchten Mitglieder des studentischen „Kampfausschusses“, meist in SA-Uniform, in mühseliger Kleinarbeit Buchläden, Leihbüchereien, Schul- und Hochschulbibliotheken und auch private Bestände, um Werke von jüdischen und politisch linken Autoren zu beschlagnahmen. Selbst Arbeiten von Liberalen und Pazifisten, aber auch sogenannte „erotische“ Literatur, insbesondere „homoerotische“, gleich ob wissenschaftlich oder belletristisch, stand auf den undatierten Schwarzen Listen. Doch die hannoverschen „Stoßtrupps“ waren offenbar schlecht informiert, nicht im Besitz Schwarzer Listen und gingen in Hannover ungleich stümperhafter vor als beispielsweise gegen das Institut für Sexualwissenschaft von Magnus Hirschfeld in Berlin. So beschwerte sich ein Parteigenosse am 9. Mai 1933 in einem Brief an die NSDAP:

„Betr.: Aktion gegen die Schmutz- und Schundliteratur

Am Sonnabend vormittag erschienen zwei S.A.-Leute in der wohl als national zu bezeichnenden Buchhandlung Richard Beek, Lister Platz, und verlangten, wie mir mitgeteilt wird, einige exotische Schriften. Nachdem sich nach einigem Hin und Her herausgestellt hatte, dass sie erotische Schriften meinten, wurden ihnen einige Bücher ausgehändigt. Die beiden S.A.-Leute verließen dann den Laden...“

In demselben Brief beschwerte sich der Parteigenosse, dass die Buchhandlung am Lister Platz am Nachmittag ein zweites Mal von zwei S.A.-Leuten aufgesucht wurde und das nunmehr erfolglose Vorhaben der Beschlagnahmung „lebhaften Unwillen ... bei der Kundschaft“ auslöste.

Sammelstellen für die zu verbrennenden Bücher waren die Technische Hochschule, die Tierärztliche Hochschule, das Goethegymnasium und das Realgymnasium, die Leibnizschule und die Humboldtschule sowie die Staatlich-städtische Handwerker- und Kunstgewerbeschule. Der Direktor der Leibnizschule, Fritz Heiligenstaedt, zugleich stellvertretender Leiter der Städtischen Abendschule sowie Leiter der „Beratungsstelle für das volkstümliche Büchereiwesen in der Provinz Hannover“, meldete dem „Kampfausschuss“ die „Reinigung“ seiner Büchereien und fügte ein Schreiben seiner Beratungsstelle an die Büchereien bei, in dem es unter anderem hieß:

„Zu entfernen ist unter allem Umständen: ... belehrende und unterhaltende Literatur, welche die sittlichen und religiösen Grundlagen unseres Volkslebens untergräbt.“

Hannoverweit kam so eine ganze Wagenladung von Büchern zusammen, die am Dienstag, 10. Mai 1933 an der Bismarcksäule verbrannt wurde. Am Tag darauf berichtete der Hannoversche Kurier, dass der studentische Fackelzug an der Herrenhäuser Allee am Georgengarten begann, seinen Weg nahm durch die gesamte hannoversche Innenstadt, gesäumt von tausenden von Zuschauern, vom Königsworther Platz durch die Lange Laube, Georgstraße, Hildesheimer Straße und Geibelstraße bis zur Bismarcksäule. An der Spitze marschierte die nationalsozialistische Studentenschaft, gefolgt von einer S.A-Kapelle, den Korporationen in vollem Wichs, unter denen sich auch Mitglieder des „Akademischen Reitklubs“ zu Pferde befanden. Unter „aufrüttelnden“ Ansprachen verschiedener Redner, darunter wieder Victor Curt Habicht, und „unter dem Jubel der großen Zuschauermenge“ wurden Werke von Karl Marx, Kautsky, Heinrich Mann, Erich Kästner, Heinrich Heine und vieler anderer auf einem Scheiterhaufen an der Bismarck-Säule verbrannt. Die Niedersächsische Tageszeitung berichtete am 12. Mai des Jahres, dass auch „eine ganze Reihe ‚prominenter‘ Erotiker“ dabeigewesen wäre.


Gedenkveranstaltungen zum 80. Jahrestag

Am 10. Mai 2013 jährt sich zum 80. Mal das nationalsozialistische Verbrechen der Bücherverbrennung. Für diesen Tag hat das Projekt Erinnerungskultur der Landeshauptstadt Hannover einen Flyer zur Veranstaltung Der Weg der verbrannten Bücher herausgegeben: Dieser informiert über die fünf Stationen der Veranstaltung, wo „kleine Informationsveranstaltungen, Lesungen und Aktionen zu den Autoren und ihren Büchern“ stattfinden:

Eröffungsreden Lichthof im Hauptgebäude der Gottfried Wilhelm Leibniz Universität Hannover, Welfenplatz 1;

Ausstellung zu Werner Kraft in der Geschäftsstelle der Madsack-Gruppe, Mendini-Haus, Lange Laube 8;

Aufführung Die verbrannten Lieder am Mahnmal für die ermordeten Juden Hannovers, Opernplatz;

Enthüllung einer Gedenktafel, Geibelbastion am Maschsee;

Zentrale Gedenkveranstaltung auf einem Boot der Maschsee-Flotte, von der Anlegestelle des Nordufers aus.


Bismarcksäule

Die Bismarcksäule in Hannover war ein Turm zum Zwecke erst patriotisch-nationaler, dann auch nationalsozialistischer Großveranstaltungen: Die Säule auf dem Gebiet des später ausgeschachteten Maschsees nahe dem Schnellen Graben war im Dritten Reich Schauplatz der Bücherverbrennung in Hannover.


Geschichte

Nach dem Tod des Reichskanzlers Otto von Bismarck setzte deutschlandweit eine vor allem von Studenten getragene patriotische Kampagne ein, in deren Folge auch in Hannover ein besonderes Denkmal zu Ehren des verstorbenen Reichskanzlers initiiert wurde. So beschloss eine Versammlung aus dem Magistrat der Stadt und aus dem Bürgervorsteher-Kollegium gegen die Stimmen der Sozialdemokraten und der Welfischen Partei am 27. August 1899 die Aufstellung eines Denkmals.

Sieger des ausgeschriebenen Architektenwettbewerbes wurde 1901 der Hannoveraner Alfred Sasse. Nach seinen Plänen entstand von 1903 bis 1904 innerhalb der Aegidienmasch in Höhe der Geibelstraße ein 20 Meter hoher Turm, auf dessen Spitze eine von vier Drachenköpfen umgebene Feuerschale errichtet war. Die begehbare Säule konnte bis zu einer Aussichtsplattform in 16 Metern Höhe bestiegen werden. Gestiftet wurde der Bau durch die hannoversche Studentenschaft.

Nach dem Bau wurden zahlreiche national-patriotische Veranstaltungen an der Säule ausgetragen, insbesondere mehrfach am 18. Oktober, dem Jahrestag des Sieges über die Besatzungstruppen des französischen Kaisers Napoléon Bonaparte in der Völkerschlacht bei Leipzig.

Kurze Zeit nach der Machtergreifung durch die Nationalsozialisten wurde die Bismarck-Säule am 10. Mai 1933 zum Schauplatz der insbesondere von Studenten getragenen Bücherverbrennung in Hannover.

Die letzte Großveranstaltung an der Bismarck-Säule fand am 24. September 1933 statt mit dem Aufmarsch des Stahlhelm-Bundes der Frontsoldaten. Anlass war dessen Anschluss an die SA.

Nach zuvor mehr als einem Vierteljahrhundert währender Diskussionen über den Bau des Maschsees und dem Beschluss des Bürgervorsteher-Kollegiums im Oktober 1932, den See unter Zuhilfenahme von Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen anzulegen, wurden unter Leitung des Stadtbaurates Karl Elkart die Bauarbeiten für den Maschsee im März 1934 begonnen und hierzu die im Grabungsgebiet stehende Bismarcksäule im Sommer 1935 restlos abgebrochen.



Text Bücherverbrennung in Hannover: Wikipedia

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