Bleicherode

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Bleicherode ist eine Kleinstadt im Landkreis Nordhausen und mit über 10.000 Einwohnern die größte Landgemeinde im Freistaat Thüringen.

Reklamemarken und Siegelmarken

Verzeichnis der sortierten Reklamemarken und Siegelmarken mit einem Bezug zu Bleicherode.

Geschichte

Bereits in vor- und frühgeschichtlicher Zeit war die Umgebung von Bleicherode besiedelt, wovon noch heute Reste von Wallanlagen auf den umgebenden Bergen zeugen. So trägt der Lorenzenberg eine umfangreiche Wallanlage. Funde stammen aus dem frühen bis hohen Mittelalter und der frühen Neuzeit. In diese frühgeschichtliche Anlage wurde im Mittelalter eine kleine Burg gebaut, weil von diesem Standort der Talkessel zwischen Windleite, Bleicheröder Bergen, Hainleite und Dün kontrollierbar war. Der Löwenberg ist der nordöstliche Sporn der Bleicheröder Berge, auf dem die Löwenburg stand. Von dort aus besteht eine weite Sicht in Richtung Oberharz, sodass eine gute Kontrolle des Geländes möglich war. Auf dem Berg fand man urgeschichtliche und mittelalterliche Scherben. Wälle, die auf der West- und Südseite das Gelände sicherten, sind noch erhalten.[2] Der Vogelberg ist der am weitesten nach Osten vorgelagerter Berg der Bleicheröder Berge. Von der Höhe ist das Wippertal gut zu überblicken. Der Bergsporn wurde mit einem bogenförmigen Wall und Graben nach Westen gesichert. Der Abschnittswall der frühgeschichtlichen Anlage ist gut erhalten.[3]

1303 erwarb Heinrich der IV. von Hohnstein den Ort von den Grafen von Beichlingen und verlieh ihm 1322 begrenzte Marktrechte. Bereits vier Jahre später wurde die Siedlung erstmals als Stadt erwähnt (Recht zur Führung eines eigenen Siegels und Wappens). Im Dreißigjährigen Krieg wurde Bleicherode durch Truppen des Grafen von Pappenheim geplündert und in Brand gesteckt (3. Oktober 1632). In der Not behalfen sich die Bleicheröder mit der Zucht von Weinbergschnecken, die nach Leipzig gebracht und von dort exportiert wurden. Dieser Umstand brachte den Einwohnern den Ortsnecknamen Schneckenhengste ein, da angeblich ein besonders gieriger Kaufmann ein zweites Mal nach Leipzig wollte, aber unterwegs die Schnecken aus dem Winterschlaf aufgewacht waren und so die ganze Wagenladung Schnecken verloren ging. 1648 wurde Bleicherode brandenburgisch und 1699 direkt dem brandenburgischen Kurfürsten unterstellt. Preußenkönig Friedrich II. (der „Alte Fritz“) besuchte 1754 die Stadt. Von 1816 bis 1952 gehörte Bleicherode zum Kreis Grafschaft Hohenstein.

Am 18. April 1822 wurde in Bleicherode August Petermann geboren. Sein Geburtshaus mit einer Gedenktafel steht in der „Neuen Straße 3“ und befindet sich gegenüber dem Rathaus. Er war einer der bedeutendsten Geographen und Kartografen seiner Zeit.

Nachdem 1888 im Raum Bleicherode Kalilager nachgewiesen worden waren, begann man 1899 mit der Förderung von Kalisalzen. Die Kaliindustrie prägte die Stadt bis 1990, als infolge des politischen und wirtschaftlichen Umschwungs die Kaliförderung größtenteils eingestellt wurde. Auf einem kleinen Rest wird noch Versatzbergbau betrieben; die ehemalige Rückstandshalde wird in Zusammenarbeit mit der Universität Göttingen mittelfristig begrünt. Dazu wird in terrassenförmigen Stufen Bau- und Erdaushub aufgetragen. Von 1911 bis zum Zweiten Weltkrieg war die Stadt ein staatlich anerkannter Luftkurort. 1933 lebten 107 jüdische Personen in Bleicherode. 1937 wurden 77 jüdische Einwohner (in 29 Familien) gezählt und 1939 noch 21 (86 konnten emigrieren). Beim Novemberpogrom 1938 wurde die Synagoge niedergebrannt (s. u.). Im September 1942 begannen die Deportation nach dem Osten.[4]

Am 9. November 1938 wurde die Synagoge in Brand gesteckt und brannte aus.[5] An der Stelle der abgerissenen Synagoge erinnert seit 1986 ein Gedenkstein an sie. Ein jüdischer Friedhof am Vogelberg befindet sich außerhalb des Stadtgebietes und ist nicht öffentlich zugänglich.

Im Jahre 1944 wurde auf Befehl des zuständigen SS-Gruppenführers Hans Kammler die Raketenforschung und -produktion der V2-Rakete von Peenemünde in den Kohnstein bei Nordhausen, nahe Bleicherode, verlegt. Bis 1945 wurden 5000 Raketen des Typs V 2 hergestellt, und zwar mit Hilfe vieler Zwangsarbeiter, die in einem eigens dafür eingerichteten KZ Dora-Mittelbau in Nordhausen unter unmenschlichen Bedingungen arbeiten mussten. Andere Kriegsgefangene aus dem Vereinigten Königreich und Frankreich sowie 350 Frauen und Männer vorwiegend aus der Sowjetunion mussten in Bleicheröder Unternehmen Zwangsarbeit leisten: in den Technischen Werkstätten Lange & Weinhold, im Kaliwerk, in der Schachtanlage von Velsen in der Baumwollweberei Werner Vogel KG, in der Weberei Gelpke & Klein, bei den Firmen Kulemann und Tölle. Im heutigen Kulturhaus war ein Außenkommando von Dora-Mittelbau mit italienischen Militärinternierten untergebracht, das beim Hoch- und Tiefbauunternehmen Ohl & Vattrodt eingesetzt war.[6]

Im Februar 1945 wurde ein Betrieb der Deutschen Telephonwerke und Kabelindustrie AG (DeTeWe) nach Bleicherode verlegt, der mit seinem fachlichen Profil die Raketensteuerungen ergänzte. Während des Krieges wurde nämlich im Jahre 1943 eine kriegswichtige Abteilung der DeTeWe von Berlin nach Sagan in Niederschlesien verlagert und dort von Heinrich Wilhelmi zu einem Betrieb für analoge elektronische Steuer- und Regelgeräte der Luftfahrt mit 500 Beschäftigen ausgebaut und geleitet.

Zum Ende des Zweiten Weltkriegs wurde die wegen zweier Reservelazarette „freie Stadt“ Bleicherode kampflos von US-amerikanischen Streitkräften besetzt. Während dieser Besatzungszeit von zwei Monaten nahmen sie zahlreiche Unterlagen sowie Fachleute für Raketentechnik mit, die über Zwischenstationen nach Huntsville in Alabama (USA) gebracht wurden.

Anfang Juli 1945 wurden die US-Armee dann gemäß Potsdamer Abkommen von der Roten Armee abgelöst. Im Juli 1945 wurde das Institut Rabe (Raketenbau und -entwicklung) unter Leitung des ehemaligen Peenemünder Ingenieurs Gunther Rosenplänter und im September 1945 das Institut Gröttrup unter der Leitung von Diplomingenieur Helmut Gröttrup, dem Steuerungsexperten der V2-Rakete, gegründet.[7] Im Oktober 1945 kam der studierte Flugzeugbauer und spätere „Vater“ der sowjetischen Raketentechnik Sergei Pawlowitsch Koroljow als fachlich verantwortlicher Offizier nach Bleicherode, wo im Februar 1946 alle Aktivitäten im Institut Nordhausen zusammengefasst wurden. Die Raketenproduktion wurde aus den Materialbeständen und mit Maschinen der Mittelwerk GmbH wieder aufgenommen und die V2-Raketen als Versuchsmuster in die Sowjetunion geschafft. Heinrich Wilhelmi und seine früheren Mitarbeiter der DeTeWe wurden in diese Produktion mit einbezogen.

160 deutsche Spezialisten, u. a. Helmut Gröttrup, der Aerodynamiker Werner Albring, Heinrich Wilhelmi und der Kreiselexperte Kurt Magnus, wurden im Rahmen der Aktion Ossawakim am 22. Oktober 1946 zwangsweise in die Sowjetunion gebracht, zusammen mit den rekonstruierten Plänen der deutschen V2-Konstruktionen, fertig zusammengebauten A4, vielen Raketenkomponenten und demontierten Fabrikanlagen. Das deutsche Kollektiv wurde unter der Leitung Koroljows auf der Insel Gorodomlja (heute Siedlung Solnetschny) im Seligersee (russisch озеро Селиге́р/osero Seliger) (Oblast Kalinin) zur weiteren Entwicklung der Raketentechnik festgehalten. Anders als die Amerikaner, die deutsche Wissenschaftler mit ihrer Operation Overcast in die USA brachten und bereits ab 1946 mit der Operation Paperclip (Büroklammer), auch Operation Overcast für die Einbürgerung und den Verbleib dieser Wissenschaftler in den USA sorgten, schöpfte die Sowjetunion deren Wissen ab und nutzte es bei den entscheidenden Schritten für die Sowjetische Raumfahrt. Erst zwischen 1951 und 1956 durften die deutschen Spezialisten in ihre Heimat zurückkehren.

Bis zur Wiedervereinigung Deutschlands war die Stadt Teil der Sowjetischen Besatzungszone und ab 1949 der DDR.

1997 wurde der Ort in die Deutsche Fachwerkstraße aufgenommen. Im Jahre 2005 beging Bleicherode sein 875-jähriges Stadtjubiläum. Höhepunkt war ein Festumzug der Vereine aus Bleicherode.

Im Jahre 2011 wurde als Wahrzeichen der Stadt ihr Bleicheröder „Schneckenhengst-Ritter“ eingeweiht, historisches Symbol für Mut, Kraft und Unabhängigkeit. Diese 3,20 m hohe Figur aus Eichenholz wurde vom Bildhauer Kai Hartmann dem Stadt-Wappen nachgebildet und an der Rathausmauer (Ecke Hauptstraße) aufgestellt.


Text: Wikipedia

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