Boris Blacher (Wohnhaus)

Aus veikkos-archiv
Wechseln zu: Navigation, Suche
Boris Blacher

Boris Blacher (* 6. Januar (jul.)/ 19. Januar 1903 (greg.) in Newchwang (heute: Yingkou), China; † 30. Januar 1975 in Berlin) war ein deutsch-baltischer Komponist, Librettist und einflussreicher Kompositionslehrer.


Leben

Boris Blachers Kindheit und Jugend sind geprägt von häufigem Ortswechsel seiner Eltern (sein Vater stammte aus Reval (Tallinn) und übernahm als Direktor einer russisch-deutschen Bank Führungspositionen in China, Sibirien und der Mandschurei). Blacher verbrachte die Schulzeit in Chefoo, Hankau, Irkutsk und Harbin. Entsprechend vielsprachig (deutsch, russisch, englisch, chinesisch, italienisch) und multikulturell wuchs er auf. In seinem großbürgerlichen Elternhaus kommt er schon früh mit Musik in Berührung und erhält Klavier- und Geigenunterricht. Schon als Schüler zeigt er Interesse am Musiktheater und lernt den Opernbetrieb auch von innen kennen; zunächst als freiwilliger Beleuchter an den jeweiligen Provinzbühnen, später als Arrangeur, indem er Klavierauszüge – beispielsweise von Puccinis Tosca – zu kompletten Orchesterpartituren umschreibt.

1922 kommt er über Shanghai und Paris nach Berlin. Die kulturelle Vielfalt der Stadt fasziniert ihn so sehr, dass er zeitlebens dort wohnen bleibt. Zunächst schreibt er sich an der Technischen Hochschule in Architektur und Mathematik ein, wechselt jedoch bereits 1924 zur Musikhochschule. Dort belegt er die Fächer Komposition (bei Friedrich Ernst Koch) und Musikwissenschaft (bei Arnold Schering, Friedrich Blume und Erich Moritz v. Hornbostel). Gleichzeitig entstehen erste Kompositionen (1925 Musik zu einem Bismarck-Film, 1927 Drei Stücke für Flöte, zwei Klarinetten und Schlagzeug, 1929 die dadaistische Kammeroper Habemeajaja). In der Folgezeit lebt er von privater Lehrtätigkeit, schreibt Unterhaltungsmusik und Arrangements und arbeitet als Stummfilmbegleiter am Klavier.


Werk

1937 schafft er den Durchbruch mit seiner von den Berliner Philharmonikern unter Carl Schuricht uraufgeführten Komposition Concertante Musik für Orchester. Ebenfalls 1937 schrieb er sein Divertimento: Intrada - Marsch op.7 für Blasorchester und kommentiert: In meinem Divertimento, das ich im Auftrage des Reichsluftfahrtministeriums geschrieben haben, schwebte mir ein Stil vor, der die disziplinierte Strenge des allgemein Militärischen mit dem technischen Charakter der Luftwaffe verbindet.

Nach einem von Karl Böhm (1894-1981) vermittelten Lehrauftrag am Dresdener Konservatorium, der ihm 1939 wieder entzogen wird, weil er sich für die damals unerwünschte Musik von Schönberg, Hindemith und Milhaud einsetzt, beginnt für Blacher ein Rückzug ins Private. Unter den (wenigen) modernen Komponisten, die während des Nationalsozialismus gespielt wurden, gehört Blacher zu den meist aufgeführten.

Nach Diktatur und Krieg hat er gleich mit mehreren Kompositionen Erfolg, u. a. mit den Variationen über ein Thema von Paganini, die ihn auch bei einem breiteren Publikum schlagartig berühmt machen. Ab 1945 leitet er eine Kompositionsklasse an dem von Josef Rufer gegründeten Internationalen Institut für Musik in Berlin-Zehlendorf. 1948 erhält er einen Lehrstuhl für Komposition an der Berliner Hochschule für Musik (heute eine Fakultät der UdK Berlin). 1953 wurde er, als Nachfolger Werner Egks, zu deren Präsident ernannt. Beide Positionen hatte er bis 1970 inne. Daneben bekleidete Blacher eine Fülle von kulturpolitischen Ämtern und war von 1968 bis 1971 Präsident der Berliner Akademie der Künste (deren Gründungsmitglied und Vizepräsident er seit 1956 bereits war).

Boris Blacher hinterließ ein vielgestaltiges, abwechslungsreiches Werk, das – mit Ausnahme liturgischer Musik – fast alle musikalischen Genres und Stilgattungen umfasst. So schrieb er unter anderem 14 Opern, 9 Ballettmusiken (in enger Zusammenarbeit mit Tatjana Gsovsky), Solokonzerte für Klavier (3), Violine, Viola, Violoncello, Trompete und Klarinette, sowie Kantaten, Chorwerke, Sinfonien, Kammermusik und Lieder.


Wirkung

Boris Blacher gehörte in den Jahren von 1945 bis 1975 zu den meistbeachteten und am häufigsten aufgeführten zeitgenössischen Komponisten in Deutschland. Insbesondere als Kompositionslehrer muss er als eine der wichtigsten und einflussreichsten Persönlichkeiten der Musik des 20. Jahrhunderts angesehen werden.

Bei seinen eigenen, oft ironisch distanzierten Werken benutzte er unter anderem ein von ihm entwickeltes System sog. variabler Metren, um musikalische Form und rhythmische Symmetrie mit zahlreichen, arithmetisch aufgebauten Taktwechseln zu durchbrechen. Obwohl überwiegend atonal komponierend, klingt seine Musik in hohem Maße verständlich. Sie ist gekennzeichnet durch tänzerische Leichtigkeit, klare Strukturen, geistreich-elegante Instrumentierung und pointierten Witz. Durch eine nahezu asketisch verschlankte Schreibweise ist sie frei von jedem falschen Pathos.

Ab 1960 wendet sich Blacher (in Kooperation mit dem Elektronik-Studio der TU Berlin) intensiv auch elektronisch erzeugter Musik zu und bezieht sie in sein umfangreiches Oeuvre ein. Zeitlebens an Jazz interessiert, war er überdies stets offen für alle Strömungen und Tendenzen Neuer Musik. Er vertrat dies immer auch seinen Schülern gegenüber, die aus allen Teilen der Welt zu ihm kamen. Die Liste seiner ehemaligen Studenten liest sich wie ein Who-is-who der in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts bekannten und bedeutenden internationalen Komponistengeneration. Zu ihnen zählten z. B. Gottfried von Einem, Heimo Erbse, Fritz Geißler, Herbert Kegel, Rudolf Kelterborn, Giselher Klebe, Peter Ronnefeld, Heinz von Cramer, Thomas Kessler, Francis Burt, Isang Yun, Max Baumann, Claude Ballif, Maki Ishii, Noam Sheriff, George Crumb, Kalevi Aho, Klaus Huber und Aribert Reimann.

Neben seiner Professur in Berlin lehrte Blacher auch im Rahmen von Meisterkursen in Bryanstone (UK), Tanglewood (USA) und am Salzburger Mozarteum.


Adresse: Kaunstraße 6, Zehlendorf



Text: Wikipedia

Bild: Wikipedia/Magnus Manske

Liste der Autoren

Der Text und das Bild sind unter der Lizenz „Creative Commons Attribution/Share Alike“ verfügbar; zusätzliche Bedingungen können anwendbar sein. Einzelheiten sind in den Nutzungsbedingungen von Wikipedia beschrieben.