Christa Wolf

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Christa Wolf (1963)

Christa Wolf (* 18. März 1929 in Landsberg an der Warthe als Christa Ihlenfeld; † 1. Dezember 2011 in Berlin) war eine deutsche Schriftstellerin. Sie zählt zu den bedeutendsten Schriftstellerpersönlichkeiten der DDR und ist international bekannt. Ihr Werk wurde in viele Sprachen übersetzt.

Leben

Jugend und Ausbildung

Christa Wolf wurde 1929 in Landsberg an der Warthe als Tochter der Kaufleute Otto und Herta Ihlenfeld geboren. Sie besuchte dort bis kurz vor Kriegsende die Schule. Nach der Flucht vor den anrückenden Truppen der Roten Armee fand die Familie 1945 vorerst in Mecklenburg eine neue Heimat. Wolf arbeitete als Schreibhilfe beim Bürgermeister des Dorfes Gammelin bei Schwerin. Sie beendete die Oberschule 1949 mit dem Abitur in Bad Frankenhausen und trat im selben Jahr in die SED ein, deren Mitglied sie bis zu ihrem Austritt im Juni 1989 blieb. Von 1949 bis 1953 studierte sie Germanistik in Jena und Leipzig. Ihre Diplomarbeit schrieb sie bei Hans Mayer zum Thema: Probleme des Realismus im Werk Hans Falladas.[1]

Berufliche und Autorentätigkeit

Christa Wolf arbeitete von 1953 bis 1957 als wissenschaftliche Mitarbeiterin beim Deutschen Schriftstellerverband, im Anschluss als Cheflektorin des Verlags Neues Leben und von 1958 bis 1959 als Redakteurin bei der Zeitschrift neue deutsche literatur. Von 1955 bis zu ihrem Ausschluss 1977 war sie Mitglied im Vorstand des Schriftstellerverbands der DDR.

Von 1959 bis 1962 lebte Wolf mit ihrer Familie in Halle und arbeitete dort als freie Lektorin beim Mitteldeutschen Verlag. In dieser Zeit arbeitete sie gemäß den Leitlinien des Bitterfelder Weges zeitweise in einer Brigade im Waggonbauwerk Ammendorf, wo sie gemeinsam mit ihrem Mann auch einen „Zirkel Schreibender Arbeiter“ leitete. Ihre dort gemachten Erfahrungen verarbeitete sie im 1963 erschienenen Roman Der geteilte Himmel.[2]

1961 debütierte Christa Wolf mit ihrer Moskauer Novelle über die Liebesbeziehung einer Ostberliner Ärztin zu einem russischen Dolmetscher und erhielt dafür den Kunstpreis der Stadt Halle. Seit 1962 arbeitete Christa Wolf als freie Schriftstellerin. Sie lebte von 1962 bis 1976 in Kleinmachnow und danach in Berlin. Von 1963 bis 1967 war sie Kandidatin des ZK der SED. 1974 wurde sie Mitglied der Akademie der Künste der DDR. Bereits 1972 unternahm sie eine Reise nach Paris und besuchte ab 1975 mehrfach die USA zu Studien- und Lehraufenthalten. 1979 wurde sie in die Deutsche Akademie für Sprache und Dichtung aufgenommen und 1980 als erste in der DDR lebende Autorin mit dem Georg-Büchner-Preis ausgezeichnet.[3]

1981 wurde sie Mitglied der Akademie der Künste in Berlin (West) und 1984 Mitglied der Europäischen Akademie der Wissenschaften und Künste in Paris. Zwei Jahre später trat sie der Freien Akademie der Künste in Hamburg bei.

Da sie zu den Unterzeichnern des „offenen Briefes gegen die Ausbürgerung Wolf Biermanns“ gehörte[4], wurde sie 1977 aus dem Vorstand der Berliner Sektion des Schriftstellerverbandes der DDR ausgeschlossen und erhielt in einem SED-Parteiverfahren eine „strenge Rüge“. Wolf unternahm viele Lesereisen, unter anderem nach Schweden, Finnland, Frankreich und in die USA, wo sie das Ehrendoktorat der Ohio State University erhielt.

2002 wurde Christa Wolf für ihr Lebenswerk mit dem erstmals verliehenen Deutschen Bücherpreis geehrt, weil sie sich, so die Jury, »mutig in die großen Debatten der DDR und des wiedervereinigten Deutschland eingemischt« habe.[5]

Politisches Leben und Literaturstreit

Christa Wolf sprach sich Ende Dezember 1965 auf dem 11. Plenum des ZK der SED (auch „Kahlschlagplenum“) als einzige Rednerin gegen eine neue restriktive Kulturpolitik aus.[6] Daneben verteidigte sie entschieden den später verbotenen Wismut-Roman Rummelplatz von Werner Bräunig, dessen auszugsweiser Vorabdruck in der neuen deutschen literatur Empörung innerhalb der Parteispitze ausgelöst hatte: „Meiner Ansicht nach zeugen diese Auszüge in der NDL nicht von antisozialistischer Haltung, wie ihm vorgeworfen wird. In diesem Punkt kann ich mich nicht einverstanden erklären. Das kann ich mit meinem Gewissen nicht vereinbaren.“[6] In Folge begann für sie die Zeit schwieriger Konflikte mit dem SED-Machtapparat.

„Man sagt mir, die Sicht, unter der ich in meinem Buch die Gegenwart sehe, sei unserer Republik schädlich, und wenn die Leser, mit denen ich diskutiere oder die mir schreiben, das nicht finden, seien es die falschen Leser oder eben von meiner überzeugenden Persönlichkeit verführt.“

– Christa Wolf an Brigitte Reimann, 19. November 1969, aus Sei gegrüsst und lebe. Eine Freundschaft in Briefen, 1964-1973, S. 64-65 zu ihrem nur unter großen Schwierigkeiten und kleiner Auflage erschienenen Roman Nachdenken über Christa T.

Christa Wolf war eine der Rednerinnen bei der Demonstration gegen die Politik in der DDR am 4. November 1989 auf dem Berliner Alexanderplatz.[7][8] An die Auflösung oder Zerstörung des Staates DDR glaubte sie im November/Dezember 1989, wie auch viele ihrer Schriftstellerkollegen und -kolleginnen, nicht. Sie hielt wie etliche DDR-Intellektuelle noch einige Zeit eine Reform des Sozialismus unter anderer Führung für möglich. Am 26. November 1989 traten sie im Aufruf Für unser Land[9] für die DDR und gegen den „Ausverkauf unserer materiellen und moralischen Werte“ ein. Christa Wolf ließ in dieser Zeit keinen Zweifel daran, dass die Veränderungen in der DDR nicht der Stabilisierung des Staatswesens gelten dürften, sondern der „Fortentwicklung des Sozialismus“. Deshalb lehnte sie die Bezeichnung Wende, die Egon Krenz zum Amtsantritt eingebracht hatte, entschieden ab; diese könne zu Missverständnissen im Sinne einer Kehrtwende führen, einer Restauration oder einer Wendung zum Westen hin.[10] Christa Wolf sprach vielmehr von einer „Epochenwende“.[11]

Am 21. Januar 1993 gab Christa Wolf in dem Artikel Auskunft der Berliner Zeitung selbst bekannt, dass sie von 1959 bis 1962 als „IM Margarete“ beim Ministerium für Staatssicherheit der DDR geführt worden war. Sie hatte drei Berichte verfasst, die allerdings ein ausschließlich positives Bild der betroffenen Personen zeichneten. Entsprechend beklagte die Stasi in internen Aufzeichnungen von 1962 Wolfs „Zurückhaltung“ und beendete die Zusammenarbeit. In Folge wurde die Autorin mit ihrem Ehemann – auch im Kontext ihrer von der offiziellen Linie abweichenden Meinungen – als Operativer Vorgang „Doppelzüngler“ minutiös observiert;[12] ein Zustand, der bis zum Ende der DDR 1989 anhielt.[13] Auf die Frage, warum sie trotzdem in der DDR geblieben sei, antwortete sie 2010, dass sie das Gefühl gehabt hätte, dass ihre Leser sie dort gebraucht hätten.[14]

Die Veröffentlichung dieser Fakten über Wolf und die Kritik an ihrer Erzählung Was bleibt löste den sogenannten Literaturstreit aus. In vielen Medien wurde sie wegen ihrer Stasiverpflichtung, die ihr ungeachtet des gesellschaftlichen Kontextes, der Geringfügigkeit und langjähriger Selbstüberwachung – dokumentiert in 42 Aktenordnern – zum Vorwurf gemacht wurde, hart kritisiert. Für Irritationen sorgte in diesem Zusammenhang die Forderung der Münchner CSU, der Stadtrat möge der Autorin den 1987 für ihr Buch Störfall verliehenen Geschwister-Scholl-Preis wieder aberkennen.[15] Dies wurde – nicht zuletzt durch den engagierten Einsatz Inge Aicher-Scholls, der älteren Schwester von Hans und Sophie Scholl – abgewehrt.

Dies empfand sie als Hexenjagd und als ungerechtfertigte Abrechnung mit ihrem Wunsch nach einem demokratischen Sozialismus und ihrer DDR-Biographie. Sie verglich ihre Situation mit ihrer Unterdrückung in der DDR. In den Jahren 1992/93 ging Christa Wolf für längere Zeit in die USA. Sie zog sich aus der politischen Öffentlichkeit zurück und erkrankte schwer – dokumentiert unter anderem in der Erzählung Leibhaftig. Um die Vorwürfe der Medien zu widerlegen, veröffentlichte sie 1993 ihre vollständige IM-Akte unter dem Titel Akteneinsicht Christa Wolf. Zerrspiegel und Dialog. Eine Dokumentation.[14][16] Ihre bekannten literarischen Werke hat Wolf erst nach der Kooperation mit der Stasi geschrieben.

Ihren USA-Aufenthalt verarbeitete Wolf in dem 2010 erschienenen Werk Stadt der Engel oder The Overcoat of Dr. Freud. Sie reflektierte ihr Erleben der Nachwendezeit, ihre prinzipielle Treue zu der Idee eines Sozialismus und ihr Erschrecken vor Auswirkungen des Kapitalismus wie dem Elend der Schwarzen und dem Ersten Irakkrieg, zudem erfolgt vor dem Hintergrund dieser historischen und persönlichen Umbruchserfahrungen eine grundlegende Auseinandersetzung mit dem für ihr Werk zentralen utopischen Schreiben.[17] Lange beschäftigte sie sich mit der Veröffentlichung ihrer Stasitätigkeit. Hatte sie ursprünglich die heftige Kritik mit den Denunziationen anlässlich von Nachdenken über Christa T. verglichen, änderte sie diese Haltung später. Sie überschätze „weder ihr Leiden noch das Gewicht ihrer Spitzeltätigkeit“.[18]

Privatleben

Wolf heiratete 1951 ihren Studienfreund, den späteren Schriftsteller Gerhard Wolf, mit dem sie bis zu ihrem Tod zusammenlebte. 1952 wurde ihre erste Tochter Annette geboren, die spätere Annette Simon, welche heute mit Jan Faktor verheiratet ist.[19] Die Journalistin Jana Simon ist Wolfs Enkelin. 1956 wurde eine zweite Tochter geboren.

Christa Wolf starb am 1. Dezember 2011 nach schwerer Krankheit[20][21] und wurde am 13. Dezember auf dem Dorotheenstädtischen Friedhof in Berlin-Mitte beerdigt.[22] Die Gedenkrede hielt der Schriftsteller und Poet Volker Braun.

Rezeption

Die Werke Christa Wolfs wurden in der Literaturkritik kontrovers diskutiert, besonders nach der Deutschen Wiedervereinigung. Nachdem der Text Was bleibt veröffentlicht worden war, argumentierten westdeutsche Kritiker wie Frank Schirrmacher, dass Christa Wolf es versäumt habe, den Autoritarismus der ostdeutschen kommunistischen Regierung zu kritisieren. Andere Kritiker bezeichneten Wolfs Werke als „moralistisch“. Verteidiger der Schriftstellerin erkannten dagegen die Bedeutung Christa Wolfs als wichtige Repräsentantin der ostdeutschen Literatur an.[23] Fausto Cercignanis Studie von Wolfs Frühromanen und darauf folgende Aufsätze über ihre späteren Werke trugen dazu bei, ein Bewusstsein der Essenz des Erzählwerks der ostdeutschen Schriftstellerin zu fördern, und zwar unabhängig von ihren politischen und persönlichen Wechselfällen. Die Hervorhebung Cercignanis auf Christa Wolfs Heldentum machte den Weg frei für folgende Beiträge in dieser Richtung.[24]

Ab dem Jahr 1994 betreut das Literaturarchiv der Akademie der Künste (Berlin) das Archiv Wolfs mit ca. 175.000 Blatt Werkmanuskripten, Tagebüchern, Dokumenten, Korrespondenz und an die 10.000 Leserzuschriften. Durch eine Schenkung des Luchterhand Literaturverlags 2011 wurde es durch das komplette Rezensionsarchiv des Verlags zu allen dort zwischen 1969 und 2004 erschienenen Werken der Autorin ergänzt.[25]

Ende 2013 wurde in Berlin die Christa Wolf-Gesellschaft gegründet. Der Verein unter dem Vorsitz der Literaturwissenschaftlerin Therese Hörnigk setzt sich gemäß Satzung zum Ziel, das Studium und die Verbreitung des Werkes von Christa Wolf, die Pflege ihres Nachlasses und die Erinnerung an ihr Leben zu fördern. Stellvertretender Vorsitzender ist Gerhard Wolf, dem Vorstand gehören und gehörten unter anderem auch Daniela Dahn, Günter Grass und Volker Braun an.[26]

Literarische Rezeption

Sowohl Christa Wolfs Sommerstück[27] als auch Sarah Kirschs Chronik Allerlei-Rauh[28] erzählen von einem gemeinsam mit Freunden erlebten Mecklenburger Sommer in den 1970er Jahren. Die unterhaltsamen Feste und Unternehmungen der Künstlerkolonie sowie die Gespräche über private Freuden und Sorgen können die angespannte, in Kirschs Chronik nur angedeutete, politische Atmosphäre vor der Ausbürgerung Wolf Biermanns nicht verdecken. Die unterschiedliche Einschätzung der Situation formulieren die beiden Autorinnen bzw. ihre Erzählerinnen einerseits im selbstkritischen Rückblick: „Etwas würde sich verändern, heute sagen wir alle, wir hätten gewusst, dass es so nicht bleiben konnte. […] Der Schrei, der uns in der Kehle saß, ist nicht ausgestoßen worden. Aus unserer Haut sind wir nicht herausgekommen“ [29] und andererseits: „Doch es schien mir unfassbar, dass die Einwohner wieder bereit waren, vom Kleister der Hoffnung zu zehren, an ein Wunder zu glauben, das ausgerechnet von dort kommen sollte, wo Heinrich Vogeler einstmals in einem Lager [Deportation nach Kasachstan] verscholl“.[30]

Wolf[31] und Kirsch[32] weisen zwar auf den fiktiven Charakter der Texte hin, die Vorbilder der Hauptfiguren sind jedoch gut erkennbar. Die Allerlei-Rauh-Erzählerin Sarah Kirsch spricht die Problematik der Identifizierung an, indem sie den Vorspruch „Alles ist frei/erfunden und jeder Name/wurde verwechselt“ in Verbindung mit einem Kommentar zur verzögerten Editionsgeschichte der Wolfschen Erzählung wieder aufgreift.[33] Sie vermutet persönliche Rücksichtnahmen und mahnt: „[M]it Mystifizierungen falscher Namen ist nichts gewonnen, wir müssen für uns selbst gerade stehen, aus Christa kann ebenso wenig Kitty werden wie aus Carola eine Cordula oder aus mir eine Bernhardine.“[34]


Adresse von 1976-1988: Friedrichstraße 133 in Berlin-Mitte

Grabstätte: Chausseestraße 126, Berlin-Mitte (verortet)

Text: Wikipedia

Liste der Autoren

Bild: Wikimedia/Bundesarchiv/Bild 183-B0509-0010-006/Eckleben, Irene

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