Dr. Oetker

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Die Dr. August Oetker KG mit dem Stammsitz in der ostwestfälischen Stadt Bielefeld ist einer der größten international tätigen deutschen Familienkonzerne. Dabei ist die Dr. August Oetker KG die Holding der Oetker-Gruppe. Unter diesem Namen tritt der Konzern in der Öffentlichkeit auf.

Zur Oetker-Gruppe gehören an die 400 Firmen aus verschiedenen Branchen. Der Umsatz der konsolidierten Unternehmen beträgt für das Geschäftsjahr 2012 knapp 11 Mrd. Euro. Die Oetker-Gruppe beschäftigt dabei weltweit rund 26.400 Mitarbeiter.

Im Ranking der 500 größten Familienunternehmen der Zeitschrift Wirtschaftsblatt aus dem Jahr 2013 nimmt das Unternehmen den 13. Platz ein.

Reklamemarken

Verzeichnis der Reklamemarken von Dr. Oetker.

Geschichte

Gründungsphase

Im Januar des Jahres 1891 übernahm August Oetker in der ostwestfälischen Stadt Bielefeld die Aschoff'sche Apotheke. Sie war eine von vier Apotheken in der Stadt. Zuvor war er mit seiner kleinen Familie in Berlin nach Abschluss seiner Ausbildung mit ersten Geschäftstätigkeiten aufgefallen. Sie hatten jedoch nicht funktioniert. In Bielefeld angekommen baute er in der alten Apotheke zunächst das Laboratorium aus und kündigte die Übernahme der Apotheke in einer Annonce an: „Mein Bestreben wird es sein, einen jeden, welcher mein Offizin mit seinem Vertrauen beehrt, auf das beste zu bedienen“

Hier wollte er experimentieren und neue Ideen umsetzen. Zu den ersten Erzeugnissen gehörten ein Gesundheitskakao, eine Fußcreme und eine Warzentinktur. Die Umsätze stiegen, nicht zuletzt weil es Oetker gelang, neben den Waren auch immer sein Wissen mit zu verkaufen. Im Laboratorium der Apotheke führte er erste Experimente zur Herstellung von Backpulver durch. Er kannte die Backvorgänge aus der Backstube seines Vaters, der in Obernkirchen Bäcker gewesen war. Ziel war es, den Brotteig aufzulockern, bis dato hatte man dazu Sauerteig oder Hefe genommen, das war allerdings etwas umständlich. In England war man schon Mitte des 19. Jahrhunderts darauf gekommen, dem Teig Substanzen beizumischen, die Kohlendioxid entwickelten. In Deutschland hatte der Chemiker Justus Liebig in diese Richtung experimentiert, seine Stoffe waren jedoch nicht sehr lange haltbar. Einer seiner Schüler hatte die Idee nach Amerika mitgenommen und dort industriell mit Natron und Weinsäure umgesetzt. Davon berichtete, so Rüdiger Jungbluth in seinem Buch, ein Verwandter von Oetker nach Bielefeld. War das die Idee die Oetker nun umsetzte? Unstrittig ist jedenfalls, dass Oetker das Backpulver nicht erfunden hat. 1891 zeigte Oetker sein Backpulver an und verkaufte es in kleinen Tüten à 10 Pfennige, passend für ein Pfund Mehl. Ein Preis der äußert geschickt gewählt war, die kleine Menge kostete ihn fast nichts. Zudem setzte er sein Renommee auf seinen Titel als Doktor. Dieser Doktor, so stellt er es der Öffentlichkeit dar, vertreibt einen neuen, garantiert funktionierenden Hilfsstoff für die Bäckerei. Oetker setzte damit auf sein Renommee, auf Gesundheit und Qualität. Diese Werbestrategie war die eigentliche Erfindung von Oetker, die sein Produkt so erfolgreich machte.

Zudem unterstütze er den Wissenstransport an die Kunden, indem er schon bald ein eigenes Backbuch herausgab, in dem Rezepte mit seinem Backpulver verbreitet wurden. Gleichzeitig war er auf den Messen vertreten, so gewann er auf einer Kochkunstausstellung in Hamburg eine Goldmedaille, über die er dann in seinen Zeitungsanzeigen berichtete.

Oetker war sich der Wirkung der Werbung sehr bewusst: „Wie kann die Welt wissen, dass du etwas Gutes tust, wenn du es ihr nicht anzeigst?“ 1908 wurde die erste Werbeabteilung eingerichtet. Diese formuliert das Ziel, dass in jeder Zeitung in einem Ort mit mehr als 3000 Einwohnern Annoncen geschaltet wurden.

Nachdem die Idee des portionierten Backpulvers beim Kunden ankam, gründete Oetker 1900 eine Fabrik in der Lutterstraße in Bielefeld, dem heutigen Stammhaus. Von hier aus belieferte er bald das gesamte Deutsche Reich mit Backpulver. Es folgte die Entwicklung weiterer Produkte wie Puddingpulver, Aromen und Speisestärke. Bis zu 100.000 Päckchen wurden hier täglich ausgeliefert.

Oetkers Arbeitsdisziplin war berüchtigt. Seine Regeln formulierte er 1908 und hängte sie im Betrieb auf:


Arbeite, arbeite unter Anspannung aller Kräfte.

Sei sparsam!

Die Zeit ist dein Kapital, jede Minute muss dir Zinsen bringen!

Er schuf bessere Arbeitsbedingungen für seine Arbeiter und ließ in seinem Betrieb eine Lehrküche einrichten, die der Ausbildung der Arbeiterinnen diente, um sie auf die Ehe vorzubereiten.

Schon nach einem Jahr entstand ein zweites Fabrikgebäude. Seine Vertreter bekamen die Anweisung, dass Oetkers Produkte ab 1907 in jedem Geschäft vertreten sein müssten.

Sein Unternehmen wuchs. 1904 stellte August seinen jüngeren Bruder Eduard Oetker, einen Naturwissenschaftler, als Leiter des Labors ein. 1906 folgte sein Bruder Louis Oetker, der den Außendienst und die Werbeabteilung übernahm. 1913 starb Eduard im Alter von 38 Jahren an Krebs, Louis hatte ein Jahr vorher Bielefeld verlassen und in Hameln den Betriebsteil Resse übernommen.


Erster Weltkrieg und die Folgen

Das Ehepaar August und Karoline Oetker hatte einen Sohn, den am 17. November 1889 noch in Berlin geborenen Rudolf Oetker. Er wuchs auf in dem Bewusstsein, dass er das Unternehmen eines Tages übernehmen sollte. Die Arbeiter und Angestellten schätzten den Nachfolger. Er hatte das Realgymnasium in Bielefeld besucht und dann studiert. Am 4. März 1914 war er promoviert worden, der Titel seiner Doktorarbeit lautete: „Über neue Ester einiger Monosaccharide mit Essigsäure, Benzoesäure, Zimtsäure und Kaffeesäure.“ Danach trat er in das Unternehmen des Vaters ein. Doch bald schon brach der Erste Weltkrieg aus. Rudolf Oetker wurde zu den Ulanen eingezogen, bei denen er schon vorher gedient hatte. Doch schon nach einer Woche war er wieder zu Hause, musste jedoch mit seiner frisch angetrauten Frau Ida, geborene Meyer, nach Hannover, um dort Soldaten auszubilden. Nach viereinhalb Monaten musste er wieder an die Front nach Frankreich. Seit dem Jahreswechsel 1914/15 kämpfte er in der Gegend von Verdun, Oetker war dazu von den Ulanen zur Infanterie versetzt worden und führte eine Kompanie von 200 Soldaten. Bald bekam er das Eiserne Kreuz. Im Januar 1916 war er nochmal für kurze Zeit in Bielefeld. Am 8. März 1916 starb er in Verdun durch eine Kugel.

Damit hatte die Familie keinen direkten Nachfolger mehr, der die Fabrik weiterführen konnte, und musste sich neu strukturieren. Der gefallene Sohn hatte zwei Kinder, eine Tochter und einen Sohn. Beide waren noch klein und konnten die Fabrik nicht übernehmen. August Oetker verlor darüber seine Kraft und den Lebensmut. Der Tod des einzigen Sohns lastete auf ihm. Er regelte seine Nachfolge, indem er den Mitarbeiter Fritz Behringer zum Teilhaber und Geschäftsführer machte. Er sollte das Unternehmen für den Enkel weiterführen und diese dann an ihn übergeben. Am 10. Januar 1918 starb August Oetker im Alter von 56 Jahren. Sein Enkel war da erst zwei Jahre alt.

Die Firma Oetker konnte durch die Kriegswirtschaft profitieren, indem sie Heeresaufträge bekam. Zudem wuchs die Nachfrage nach Backpulver, als die Behörden Ende 1915 verboten hatten, Hefe für Backwaren einzusetzen. 1918 lag der Umsatz doppelt so hoch wie 1914. Zudem hatte August die nationale Karte gespielt: „Deutsche Hausfrauen! Kauft von jetzt an nur noch das deutsche Gustin statt des englischen Mondamin.“


Nach dem Ersten Weltkrieg

Ida Oetker überließ die Führung des Betriebs dem als Geschäftsführer eingesetzten Fritz Behringer. Sie heiratete 1919 Richard Kaselowsky, einen alten Jugendfreund von Oetker, der aus einer Bielefelder Industriellenfamilie kam.

Die Firma Dr. Oetker erzielte einen spektakulären Absatzerfolg, Folgen der durch den Krieg aufgestauten Nachfrage. Dies konnte nicht so bleiben, doch der 1920 einsetzende Einbruch in den Absatzzahlen war gewaltig, die Bestellungen fielen um 75 %. Oetker blieb auf seiner Ware sitzen und konnte die Rechnungen der Lieferanten nicht bezahlen. Die Schulden nahmen zu. Sein Lieferant für das biologische Säuerungsmittel Weinstein war die Chemische Fabrik vorm. Goldenberg, Geromont und Cie. aus Winkel im Rheingau, die in Deutschland das Alleinvertretungsrecht des amerikanischen Herstellers hatte. Beide Firmen waren voneinander abhängig und hatten ab 1916 kreuzweise Beteiligungen ausgehandelt. Aufgrund der Schulden von Oetker versuchte Goldenberg die Dr. Oetker zu übernehmen, indem man drohte, den Kredit fällig zu stellen. Dadurch wäre die Firma Dr. Oetker vom Markt verschwunden. Am 9. Februar 1921 starb der Geschäftsführer von Oetker, Behringer. Seine Nachfolger wurden Richard Kaselowsky neben Louis Oetker, einem Bruder des Firmengründers. Beide wurden am 1. März 1921 Teilhaber bei Dr. Oetker. Kaselowsky führte die Firma als Sachwalter für den minderjährigen Erben Rudolf-August Oetker, nicht als Eigentümer. Er führte einen neuen, harten Ton in den Verhandlungen mit Goldenberg ein: Dr. Oetker würde sich nicht übernehmen lassen, die Schulden würden bezahlt, dafür aber eine höhere Menge des Gewinns abgeführt. Dieser Vertrag war im Umfeld der Kriegsschulden Deutschlands und der einsetzenden Inflation ein gewagtes Unterfangen. Die Ware konnte in den nächsten Jahren bei einer Inflationsrate von 1.300 % (1922) kaum noch mit wertvollem Geld bezahlt werden. In dem Vertrag mit Goldenberg war nicht von solchen Inflationsraten ausgegangen worden. Oetker musste kaum noch etwas für seine von Goldenberg gelieferten Rohstoffe zahlen, da der Preis der Rohstoffe nicht angepasst werden konnte, während der Verkauf der Oetkerwaren sich in immer größere Preisstufen erhöhte. Richard Kaselowsky weigerte sich, den Liefervertrag auf die inflationssichere Goldmark umzustellen. Das anschließende Gerichtsverfahren endete mit einem Vergleich, die Ware wurde zu realen Preisen bezahlt, aber die gegenseitige Beteiligung wurde aufgelöst, Oetker war wieder komplett in Familienhand.


Nach der Währungsreform

Nach der Währungsreform 1923 ging es wieder aufwärts, Deutschland wurde von seinen Schulden befreit und die Unternehmen konnten wieder Kredite aufnehmen. Richard Kaselowsky entschloss sich 1924, ein Zweigwerk in Hamburg aufzumachen, um von dort aus den norddeutschen Raum zu beliefern. Gleichzeitig eröffnete er eine Produktionsstätte bei dem Hamburger Familienmitglied Albert Oetker, der dort eine Marzipanfabrik betrieb und ein weiteres Zweigwerk wurde in Danzig gegründet um den osteuropäischen Raum zu versorgen. In Bielefeld wurde investiert und neue Abfüll- und Verpackungsanlagen in einem neuen Fabrikgebäude an der Steinmetzstraße eingerichtet.

Paul Sackewitz erweiterte die Werbung für Oetker. Neue Strategien wurden umgesetzt, mit Fahrzeugen wurden die kleinsten Dörfer angefahren und dort Süßspeisen an die Kinder verteilt. In der anschließenden Dr. Oetker Backstunde wurden deren Produkte unter das Volk gebracht und neue Kunden gewonnen. In den Großstädten wurden zusammen mit der Firma Henkel sogenannte Oetker- und Persilschulen eingerichtet.

Richard Kaselowsky expandierte und übernahm 1925 die Mehrheit an der renommierten Bielefelder Druck- und Verlagsgesellschaft E. Gundlach AG und übernahm den Vorsitz im Gundlach Aufsichtsrat. Sie stellten neben den Verpackungen und Plakaten die Zeitung Westfälsche Neueste Nachrichten, sowie weitere Fachzeitschriften und Bücher her. Hier druckte Oetker in hoher Auflage Koch- und Backbücher. 1930 saß Richard Kaselowsky laut Aktienhandbuch in mehreren Aufsichtsräten: Chemische Fabrik Budenheim AG in Mainz, E. Gundlach AG, Vogt & Wolf Aktiengesellschaft in Gütersloh, eine Fleischwarenfabrik und Deutsche Bank.

Von der anschließenden Weltwirtschaftskrise war Oetker betroffen und musste Personal entlassen.


Nationalsozialismus und Zweiter Weltkrieg

Richard Kaselowsky war seit 1933 der einzige Chef von Oetker, im September des Jahres 1933 war Louis Oetker gestorben.

Als die NSDAP 1933 an die Macht kam, trat der Geschäftsführer der Oetker Werke, Richard Kaselowsky, am 1. Mai 1933 in die Partei ein. Doch zuvor schon prangte nach der Wahl am 20. April 1933 auf der von Oetker gestifteten Bielefelder Kunsthalle ein großes, hell leuchtendes Hakenkreuz und an der Fassade der Halle war ein riesiges Porträt des Führers Adolf Hitler angebracht. Der daneben liegende Bürgerpark wurde durch die Stadt Bielefeld in Adolf Hitler Park umbenannt. Kaselowsky zählte anschließend zu dem exklusiven Freundeskreis des Reichsführers, in dem sich Industrielle und Unternehmer sammelten, die „ausgesuchte, politisch zuverlässige und loyale Leute waren“ so Oswald Pohl, Leiter des SS-Wirtschaft und Verwaltungshauptamtes nach dem Krieg bei den Nürnberger Prozessen. Kaselowsky unterstützte die Nationalsozialisten mehrmals mit Geld, zwei Großspenden von 40.000 Reichsmark sind bekannt. 1935 überließ der Oetker Konzern seine in der Grundlach Druckerei hergestellte „Westfälischen Neuesten Nachrichten“ der NSDAP, die diese mit der parteieigenen Zeitung „NS Volksblatt für Westfalen“ vereinigte. Geld floss für diese Transaktion keines, zumal das Eigentum der Zeitung und damit die Abgabe der wirtschaftlichen Kontrolle erst am 1. April 1940 in das Eigentum der NSDAP überging. Im Gegenzug erhielt Gundlach Druckaufträge der Partei.

Kaselowsky wurde am 9. September 1935 mit 24 weiteren Bielefelder Bürgern vom Beauftragten der NSDAP zum Ratsherren (für die gesetzliche Amtsdauer von sechs Jahren) berufen. Des Weiteren wurde er 1933 Vorstandsmitglied der Industrie- und Handelskammer und vom 18. Juli 1942 bis zum 15. Mai 1943 ihr Präsident.

Seit 1933 ging es dem Unternehmen Oetker zunehmend besser. Das Hamburger Werk fuhr seit 1934 Doppelschichten. 1935/36 wurden die beiden Fabrikhallen in Bielefeld abgerissen und durch Neubauten ersetzt. Hier wurde ein neuer großer Saal integriert, bisher hatten die Versammlungen immer in der Abfüllanlage stattgefunden.

Die Kriegswirtschaft konnte der Firma anfangs nichts anhaben. Puddingpulver gab es für einen extra Abschnitt der Lebensmittelmarke. Zudem profitierte Oetker zunehmend von Staatsaufträgen: bei Gundlach wurden Lebensmittelmarken und Formulare für die NS-Bürokratie gedruckt. Einer der größten Aufträge von Grundlach in der Zeit war ein Auftrag des Zigarettenherstellers Reemtsma, für den eine Million Alben für Sammelbilder hergestellt wurden.

1937 bekamen 30 Unternehmen in Deutschland von der Deutschen Arbeitsfront (DAF) die Auszeichnung Nationalsozialistischer Musterbetrieb. In der Region wurden neben dem Kaffeehersteller Melitta auch Oetker ausgezeichnet. Die Musterbetriebe waren in einem Wettbewerb ermittelt worden. 1938 bekam das Unternehmen ein Leistungsabzeichen für die vorbildliche Förderung der Einrichtung Kraft durch Freude (KdF).

Ebenfalls 1938 war Oetker mit einem eigenen Büro in Berlin vertreten, vor allem um in der Briefwirtschaft, wo man nicht mehr frei Rohstoffe einkaufen konnte, gute Kontakte zur dortigen Bürokratie zu haben.

1941 zog der Hamburger Zweigbetrieb in ein neues Gebäude ein, das mehr Platz versprach um die Produktion ausweiten zu können.

Am 13. Januar 1941 feierte Oetker sein 50-jähriges Betriebsjubiläum mit einer großen Feier in Bielefeld. In einem Grußwort schrieb Gauleiter Alfred Meyer: „Es gab eine Zeit, da es nicht populär war, sich zur Partei zu bekennen. Damals schon tat es Euer Betriebsführer.“

Während von der Firma Oetker keine Zwangsarbeiter nachgewiesen werden konnten, waren welche bei der Oetker Druckerei Gundlach beschäftigt. Dort wurden jüdische Mitarbeiter aus dem Betrieb gedrängt. Ähnlich war es bei den mehrheitlich dem Oetker Konzern gehörenden Adler Nähmaschinen-Werke, die komplett auf Kriegsrüstungsproduktion umgestellt hatten: Auch hier waren Zwangsarbeiter beschäftigt.

1943 kooperierte die Firma Oetker mit der Waffen SS und gründete die Hunsa-Forschungs-GmbH in Hamburg. Diese Firma sollte künstliche Nahrungsmittel herstellen. Laut Eintragung im Handelsregister sollte die Firma "die Förderung der Forschung auf dem gesamten Gebiet des Nahrungsmittelwesens und der Grundstoffe für die Erzeugung von Nahrungsmitteln, insbesondere auf dem Gebiet der Weiterverarbeitung von den in der Industrie sich ergebenden Neben- und Restprodukten" betreiben. Mit anderen Worten: Aus Abfällen sollten Lebensmittel gewonnen werden.

Richard Kaselowsky kam 1944 bei einem Bombenangriff auf Bielefeld ums Leben. Mit ihm starben seine Frau Ida und die beiden gemeinsamen Töchter. Der Enkel des Firmengründers Rudolf-August Oetker übernahm die Leitung der Firma und wurde vom Kriegsdienst freigestellt.

Rudolf-August Oetker war seit Anfang der 1930er Jahre Mitglied der Reiter-SS. 1944 wurde er zur Waffen-SS eingezogen und kämpfte an der Ostfront. Nach dem Krieg wurde er interniert und im Internierungslager Staumühle bei Paderborn untergebracht. Als dort die Tätowierung seiner Blutgruppe unter der linken Achselhöhle entdeckt wurde, die ihn als Angehörigen der SS auszeichnete, wurde er vom Wachpersonal schwer misshandelt. Die gesundheitliche Schäden hielten lange an, Oetker brauchte nach dem Zweiten Weltkrieg noch lange einen Stock. In dem Internierungslager musste er sich einem Entnazifizierungsverfahren stellen, über dessen Ausgang bis jetzt nichts bekannt geworden ist.

Die Nähe der Unternehmensleitung zu den Machthabern des Dritten Reiches ist inzwischen wissenschaftlich-kritisch aufgearbeitet worden. Die Ergebnisse der Aufarbeitung sind im Oktober 2013 in dem Buch "Dr. Oetker und der Nationalsozialismus" im Verlag C.H. Beck erschienen.


Wiederaufbau in der Nachkriegszeit

Das Unternehmen Oetker hatte den Krieg verhältnismäßig gut überstanden. An Gebäuden waren rund 40 % zerstört, die nötigen Rohstoffe fehlten. Oetker versuchte die Fabriken auszulasten indem sie die Produktion erweiterten und auch Gewürz- und Teetabletten sowie Mottenpulver produzierten. Als die Kunden wieder genug Angebot in den Läden fanden, wollten sie wieder Dr. Oetker haben. Es zahlte sich jetzt aus, dass Oetker in die Werbung investiert hatte und die Marke bei den Kunden bekannt war. In der Druckerei Gundlach konnten bald wieder ein paar Maschinen anlaufen und man druckte dort wieder Lebensmittelmarken.

Rudolf-August Oetker übernahm im September 1947 den Betrieb in Bielefeld, nach dem er aus dem Internierungslager entlassen worden war und wieder der Unternehmensleitung zur Verfügung stand.

Am 20. Juli 1948 erfolgte in der Bundesrepublik Deutschland die Währungsreform, um den Geldüberhang der alten Währung abzuschöpfen. Das neue Geld brachte der Wirtschaft in den Westzonen einen neuen Antrieb. Am Jahresende 1948 produzierte die Wirtschaft in der Bundesrepublik Deutschland fast 80 % vom Vorkriegsniveau in dieser Region. Die neue Kaufkraft ermöglicht es Dr. Oetker seine Produkte wieder abzusetzen. Die Lebensmittelsparte sprang wieder an. Dr. Oetker kam mit der Produktion nicht nach. 1950 verkaufte Oetker 400 Millionen Päckchen Backpulver und 350 Millionen Päckchen Puddingpulver.


Diversifikation der Unternehmensgruppe

Rudolf-August Oetker engagierte sich neben dem Nahrungsmittelgeschäft auch in anderen Branchen. Diese Diversifikation sollte Risiken ausgleichen. Sein Stiefvater Kaselowsky hatte schon in die Reederei Hamburg-Südamerikanische Dampfschifffahrtsgesellschaft investiert, 1936 kauft er ein Viertel der Aktien dieser Reederei und investierte damit erstmals außerhalb des Kerngeschäfts. Diese Beteiligung wurde nach dem Zweiten Weltkrieg ausgebaut, zunächst bis 49 % des Kapitals der Reederei im Jahr 1949. Dann wandelte Oetker die Reederei in eine Kommanditgesellschaft um und nutzte von 1950 bis 1954 die Steuergesetze der Bundesrepublik Deutschland, hier vor allem den § 7d des Einkommensteuergesetzes, wonach er die Kredite für den Neubau von Schiffen direkt von der Steuer absetzen konnte. Damit brauchte Oetker die hohen Gewinne aus der Herstellung von Nahrungsmitteln nicht zu versteuern und konnte sie direkt in die Reedereien investieren. Als Mitte der 1950er Jahre bei den haftenden Eigentümern der Generationswechsel anstand, ließ Oetker sich eintragen, sodass ihm dann die Reederei zur Gänze gehörte.

Zu Beginn des Zweiten Weltkrieges wurde Oetker ein Aktienpaket am renommierten Hotel Brenner in Baden-Baden angeboten, das anschließend übernommen wurde. Dies bedeutete neben einer Geschäftsausweitung für die Oetkers einen Aufstieg zu den bedeutendsten Industriefamilien. In den 1960er Jahren erwarb Oetker Beteiligungen an der Dortmunder Actien-Brauerei, der Binding-Brauerei und Berliner Kindl.

Während Rudolf-August Oetker für die Diversifikation der Unternehmensgruppe stand, steht sein Sohn August Oetker d. J. (* 1944) heute für die Internationalisierung der Geschäfte der Oetker-Gruppe. Haupttätigkeitsfeld ist dabei, mit Ausnahme der Schifffahrt, Europa.

Verantwortlich für Strategie und Ausrichtung der Gruppe ist die fünfköpfige Gruppenleitung, deren Mitglieder zugleich für je einen der Geschäftsbereiche Verantwortung tragen.


Standort Hamburg

Bielefeld war traditionell der Hauptstandort von Dr. Oetker in Deutschland. Doch schon in den 1930er Jahren wurden in Hamburg, Danzig und bei Wien Fabrikationsanlagen gebaut, in Berlin entstand ein Büro. Der Hamburger Standort wurde nach dem Zweiten Weltkrieg ausgebaut, der zusätzliche Geschäftszweig Reederei stärkte diesen Standort. Um dem gerecht zu werden kaufte Dr. Oetker 1953 die repräsentative Stadtvilla „In de Bost“ in Hamburg. Ausgebaut wurde diese Immobilie von Cäsar Pinnau, einem der wichtigsten Auftragnehmer von Albert Speer, der nach dem Krieg viel für Dr. Oetker gebaut hat. Zeitweise wurde der Konzern von Hamburg aus geleitet. Im Streit um die Kunsthalle Bielefeld drohte August Oetker den Sitz nach Hamburg zu verlegen.


Diskussion um die Bielefelder Kunsthalle

Seiner Vaterstadt Bielefeld blieb der Konzernlenker Oetker immer verbunden. Seine Mutter Karoline hatte der Stadt eine Eisbahn vermacht. Er kam in den 1960er Jahren auf die Idee der Stadt Bielefeld eine neue Kunsthalle zu schenken, nachdem die alte im Zweiten Weltkrieg bei demselben Bombenangriff zerstört worden war, bei dem Ida und Richard Kaselowsky und zwei ihrer Töchter umgekommen waren. Dazu gelang es Oetker den amerikanischen Architekten Philip Johnson zu gewinnen. Im Herbst 1968 sollte die Kunsthalle unter dem Namen „Richard-Kaselowsky-Haus - Kunsthalle der Stadt Bielefeld“ eingeweiht werden. Doch es regte sich Widerstand. Bielefelds außerparlamentarische Opposition protestierte gegen die Namensgebung nach einem Mann, der Mitglied im Freundeskreis Himmlers gewesen war. Infolge dieser breit gestreuten Informationen formierte sich der Protest und als auch die kirchliche Jugend, die Sportvereine und die Pfadfinder sich anschlossen, überließ Dr. Oetker es dem Rat der Stadt die Namensgebung zu korrigieren. Der rückte jedoch von seiner Idee nicht ab. Im Vorfeld der Einweihung der Kunsthalle, zu der 1200 Gäste und Politiker geladen waren, kam es zu vielen Absagen, darunter der Präses der evangelischen Kirche Ernst Wilm und der Ministerpräsident Heinz Kühn nebst seinen Ministern. Kühn schrieb in einen Brief, dass er es nicht für richtig halte jemanden zu ehren, „der immerhin dabei mitgemacht hat solche, die verbrecherisch an unserem Volk gewirkt haben, zu unterstützen.“ Oetker sagte die Eröffnungsfeier ab und schrieb einen offenen Brief an die Stadt in dem er nochmals die Wahl des Namens begründete. Dort heißt es unter anderem: „dass trotz des politischen Irrtums, den mein Vater begangen hat, seine Verdienste in Bielefeld schwerer wogen“ Der Komponist Hans Werner Henze, der die Eröffnungsmusik komponiert hatte und dann ob der Diskussion zurückzog schrieb in der Zeitung Die Zeit, der Ausgang im Namensstreit illustriere „fast klischeehaft den Einfluss der Industrieherrschaft auf öffentliche Belange der von ihr abhängigen Massen.“


Entführung von Richard Oetker

Richard Oetker, der Sohn des Konzernlenkers, wurde im Dezember 1976 auf dem Heimweg aus der Technischen Universität München-Weihenstephan in Freising durch den Automobilmechaniker Dieter Zlof entführt. Er wurde in eine Kiste gesperrt und beim Transport durch einen irrtümlich ausgelösten Stromschlag schwer verletzt. Gegen die Bereitstellung von einem Lösegeld in Höhe von 21 Millionen DM, einer Summe die zu jener Zeit die höchste Lösegeldforderung in der Geschichte Deutschlands war, wurde Richard Oetker freigelassen. Zlof wurde gefasst und anschließend, da er leugnete und seine Unschuld beteuerte, in einem Indizienprozess am 9. Juni 1980 zu einer Höchststrafe von 15 Jahren verurteilt. Das Lösegeld tauchte nicht auf. Erst nach Verbüßen der Strafe versuchte Zlof 1997 das beschädigte Geld umzutauschen und wurde dabei erneut festgenommen. Richard Oetker hatte lange unter den Folgen der Entführung zu leiden, blieb aber überraschend gelassen. Der Spiegel schrieb zu seinem Verhalten im Prozess gegen Zlof:

„Richard Oetkers Aussagen sind makellos. So schwer er gezeichnet wurde, so inständig ist er bemüht, nichts Leichtfertiges zu sagen. Man kann sich als Opfer einer Tat nicht fairer, nicht menschlicher verhalten.“

Die Entführung, der Prozess und nach der 15-jährigen Haft auch das endgültige Geständnis Zlofs, das er mit einer Veröffentlichung in einem Buch inszenierte, waren äußerst öffentlichkeitswirksam und prägten die Geschichte der Bundesrepublik Deutschland. Richard Oetker sah sich in einer Weise mit der Öffentlichkeit konfrontiert, die anschließend eine Begründung lieferte, sich mit der Familie aus der Öffentlichkeit zurückzuziehen.


Entwicklung unter Richard Oetker

Am 1. Januar 2010 hat August Oetker den Vorsitz im Beirat des Unternehmens übernommen und die Geschäftsführung der Dr. Oetker GmbH an seinen Bruder Richard übergeben. Damit verbunden war die Übertragung der Funktion des persönlich haftenden Gesellschafters der Unternehmensgruppe als Kommanditgesellschaft.



Text: Wikipedia

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