Fanny Hensel

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Porträt der Fanny Hensel nach einem Ölgemälde des Malers Moritz Daniel Oppenheim aus dem Jahr 1842

Fanny Hensel (* 14. November 1805 in Hamburg; † 14. Mai 1847 in Berlin; gebürtig Fanny Zippora Mendelssohn; getauft Fanny Cäcilie Mendelssohn Bartholdy) war eine Komponistin der deutschen Romantik, deren Gesamtwerk – mit wenigen Ausnahmen – erst 1965 aus Familienbesitz der Stiftung Preußischer Kulturbesitz anvertraut wurde. Eine musikalische Karriere und Veröffentlichungen zu Lebzeiten waren ihr von der Familie weitgehend untersagt worden.

Lebensdaten

Fanny Hensel wurde am 14. November 1805 als Tochter von Lea, geb. Salomon (1777–1842), und Abraham Mendelssohn (1776–1835) in Hamburg geboren. Sie war die ältere, ebenfalls musikalisch hochtalentierte Schwester des Komponisten Felix Mendelssohn Bartholdy (1809–1847). Fanny Hensel war Enkelin des berühmten jüdischen Philosophen Moses Mendelssohn und entstammte mütterlicherseits einer hochtalentierten Musikerinnenfamilie. Fannys Mutter Lea Mendelssohn, geborene Salomon, war die Enkelin des Unternehmers Daniel Itzig. Die Frauen der Familie Itzig konzertierten als Pianistinnen, waren Mitglieder der Sing-Akademie zu Berlin und mit Ludwig van Beethoven bekannt.

Die ersten Jahre ihrer Kindheit verbrachte Fanny in ihrer Geburtsstadt Hamburg. Im Jahre 1811 zog die Familie nach Berlin zurück, um den Repressionen der französischen Besatzung unter Marschall Louis-Nicolas Davout zu entgehen. Die jüdische Familie Mendelssohn ließ ihre Kinder am 21. März 1816 von Johann Jakob Stegemann, dem Pfarrer der Reformierten Gemeinde der Berliner Jerusalems- und Neuen Kirche, in einer Haustaufe evangelisch taufen. Dabei wurde Fannys zweiter Vorname in Cäcilie geändert, und ihrem Familiennamen wurde der Zusatz Bartholdy beigefügt, den die Eltern später ebenfalls annahmen.

Fanny Mendelssohn Bartholdy wurde am 3. Oktober 1829 in der Parochialkirche (Berlin) mit Wilhelm Hensel, einem berühmten Hofmaler an der Akademie der Künste zu Berlin getraut. Dazu hatte sie das Präludium für Orgel zum 3. Oktober 1829 F-Dur komponiert. Der gemeinsame Sohn Sebastian Hensel (1830–1898) wurde am 16. Juni geboren. Er schrieb später die Familiengeschichte der Mendelssohns anhand zahlreicher Brief- und Tagebuchquellen seiner Mutter. Fanny Mendelssohn auf einer Porträt Zeichnung von ihrem späteren Gatten Wilhelm Hensel

Musikalischer Werdegang

Fanny erhielt ersten Klavierunterricht von ihrer Mutter, die als Schülerin Johann Philipp Kirnbergers, einem Schüler Johann Sebastian Bachs, in der Berliner Bach-Tradition ausgebildet worden war.[1] So konnte sie dreizehnjährig im Jahre 1818 dem Vater zum Geburtstag bereits alle 24 Präludien aus dem „Wohltemperierten Klavier“ von Johann Sebastian Bach auswendig vortragen. In Paris studierte sie eine kurze Zeit bei der Pianistin Marie Bigot und anschließend bei Ludwig Berger. 1820 trat Fanny mit ihrem Bruder Felix in die von Carl Friedrich Zelter geleitete Sing-Akademie zu Berlin ein. In einem Brief an Goethe vom 18. Februar 1831 lobte Zelter ihre Fähigkeiten als Pianistin, ganz dem damaligen Zeitgeist entsprechend, mit den Worten: „Sie spielt wie ein Mann“, das war damals das höchste Lob für eine Frau. Schon 1819 erhielten Fanny und Felix Kompositions- und Tonsatzunterricht bei Carl Friedrich Zelter. Die ersten bekannten Kompositionen der beiden Geschwister waren zwei Liedvertonungen, die sie ihrem Vater zum Geburtstag am 10. Dezember 1819 schenkten.

Anders als ihrem Bruder Felix gestattete es der Vater dem musikalisch und pianistisch sehr begabten jungen Mädchen nicht, aus ihrem Talent einen Beruf zu machen. Der Fünfzehnjährigen schrieb er in einem Brief: „Die Musik wird für ihn (Felix) vielleicht Beruf, während sie für Dich stets nur Zierde, niemals Grundbaß Deines Seins und Tuns werden kann und soll.“ Ebenso wie der Vater sprach sich Bruder Felix gegen eine Drucklegung von Hensels Werken aus. Diese Haltung beruhte auf der Einstellung der bürgerlich-akademischen Kreise, dass es für eine Frau von ihrem Stand nicht schicklich war, überhaupt Geld zu verdienen. Konzertiert werden durfte sehr wohl, jedoch nicht in der Öffentlichkeit und keineswegs für Geld. Auch dem Notendruck haftete nicht nur Ruhm und Ehre an, sondern in erster Linie das Bestreben, Geld zu verdienen.[2] Hensel schrieb sechs Jahre vor ihrem Tod an einen Freund in England:

„Komponiert habe ich in diesem Winter rein gar nichts. Wie einem zu Muth ist, der ein Lied machen will, weiß ich gar nicht mehr […] Was ist übrigens daran gelegen? Kräht ja doch kein Hahn danach und tanzt niemand nach meiner Pfeife.[3]“

Die Sonntagskonzerte

Im Jahre 1823 begannen bei der Familie Mendelssohn die sogenannten „Sonntagsmusiken“. Dort wurden im halböffentlichen Rahmen – die Anzahl der Gäste betrug manchmal fast 200 – Werke von Bach, Gluck, Beethoven oder zeitgenössischer Meister, sowie der Geschwister Mendelssohn aufgeführt. Unter den Gästen befanden sich beispielsweise Robert und Clara Schumann, Franz Liszt, Joseph Joachim, Henriette Sontag und Johanna Kinkel. Nach dem Weggang ihres Bruders 1831 übernahm Fanny Hensel die alleinige Programmgestaltung, Einstudierung, Chor- bzw. Orchesterleitung, eigenes solistisches Spiel und Aufführung ihrer eigenen Werke.

Johanna Kinkel:

„Fast alle berühmten Künstler, die Berlin besuchten, erschienen Sonntags einmal mitwirkend oder zuhörend bei Frau Hensel. Auch die Elite der Berliner Gesellschaft suchte dort Zutritt, und die grossen Räume des Hauses waren meist überfüllt. Mehr als die grössten Virtuosen und die schönsten Stimmen, die ich dort hörte, galt mir der Vortrag Fanny Hensels, und ganz besonders die Art, wie sie dirigierte. […] Ein Sforzando ihres kleinen Fingers fuhr uns wie ein elektrischer Schlag durch die Seele und riss uns ganz anders fort […][4]“

Fanny Hensel, Komposition aus dem Zyklus Das Jahr der Monat Januar, Autograph mit einer Illustration ihres Gatten Wilhelm Hensel, entstanden nach der Italienreise von 1839

Die Pianistin

Als Pianistin trat Fanny Hensel selten außerhalb der Sonntagskonzerte öffentlich auf. Ihr herausragendes pianistisches Können ist in ihren Klavierstücken reflektiert.[5] Während ihrer Italienreise im Jahre 1839/1840 hatte sie insbesondere künstlerischen Austausch mit dem jungen französischen Komponisten Charles Gounod, den sie mit dem Vortrag von Werken Beethovens und Bachs aus dem Gedächtnis beeindruckte und ihm damit Beispiele deutscher Kompositionskunst nahebrachte. Gounod besuchte sie im Mai 1843 in Berlin. Erst kurz vor Lebensende fasste sie mit Hilfe eines neuen guten Freundes, des jungen Robert von Keudell, den Entschluss, einige Werke ohne die Erlaubnis ihres Bruders und entgegen dem Familiendogma zu veröffentlichen (op. 1–7).

Tod

Am Nachmittag des 14. Mai 1847 verstarb Fanny plötzlich an den Folgen eines Schlaganfalls. Sie leitete gerade die Probe zu einer ihrer Sonntagsmusiken, es wurde Felix Mendelssohn Bartholdys „Die erste Walpurgisnacht“ einstudiert.

Wilhelm Hensel, der die kompositorische Begabung Fannys immer außerordentlich gefördert und unterstützt hatte, bat danach seinen Schwager um die Veröffentlichung einiger ihrer Werke (op. posthum 8–11). Felix Mendelssohn überlebte seine Schwester um ein halbes Jahr. Zeit ihres Lebens hatten sie in engem musikalischen, brieflichen und persönlichen Austausch gestanden.

Werk

Unter den weit mehr als 450 Werken - ohne skizzierte oder verschollene Werke und Skizzen–[6] Fanny Hensels finden sich Kammermusikwerke, Chöre, Kantatenkompositionen, szenische Werke, Orchestermusik und ihre Lieder, der „neben den Klavierwerken wichtigste Schaffensbereich Fanny Hensels“,[7] von denen sie etwa 250 verfasste. Nur ein Bruchteil davon wurde bislang veröffentlicht, die ersten hatte Felix Mendelssohn unter seinem Namen drucken lassen. Katalog der Lieder Fanny Hensels, 1997

Die musikwissenschaftliche Forschung hat sich seit den 1970er Jahren verstärkt Fanny Hensel zugewandt. Jedoch steht die vollständige Entdeckung, Bearbeitung, Interpretation und historisch-kritische Publikation ihrer Kompositionen[8] und Schriften noch aus. Unter der Dirigentin und Musikjournalistin Elke Mascha Blankenburg erlebten einige der Werke Hensels zwischen 1984 und 1987 ihre Welturaufführung, u.a. die Ouvertüre in C-Dur durch das Clara-Schumann-Orchester unter Leitung Blankenburgs am 7. Juni 1986 in der Frankfurter Alten Oper.

Die unter dem Namen des Bruders Felix Mendelssohn erschienen Lieder, Nos. 2, 3 u. 12 aus dessen Liederheft op. 8 (1827) und die Nos. 7, 10 u. 12 aus dessen zweibändigem Liederheft Der Jüngling und Das Mädchen op. 9 (1830) sind Fanny Hensels früheste Drucke, freilich nicht unter ihrem Namen.

Das erste unter ihrem eigenen Namen gedruckte Werk erschien 1834 in der Londoner Musikzeitschrift The Harmonicon. Es ist das Lied Ave Maria über Worte von Sir Walter Scott und trägt die Autorenangabe Mad.elle Mendelssohn Bartholdy, now Madame Hensel.[9]

Die Autographen ihrer Werke befinden sich im Mendelssohn-Archiv der Stiftung Preußischer Kulturbesitz, Berlin sowie in Privatbesitz.

Werke mit Opuszahl

Es handelt sich dabei um ihre mit Opuszahlen 1–11 versehenen Kompositionen, fast alles Lieder, unter ihnen ein großer Teil Lieder ohne Worte für Klavier.[10]

Im Berliner Verlag Bote & Bock erschienen zu Weihnachten 1846 drei Hefte mit ausgewählten Werken:[11]

Sechs Lieder für eine Singstimme mit Begleitung des Pianoforte, op. 1

Vier Lieder für das Pianoforte, vol. 1, op. 2

Gartenlieder. Sechs Gesänge für Sopran, Alt, Tenor und Baß, op. 3[12]

1847 folgte die Veröffentlichung weiterer vier Hefte im Verlag A. M. Schlesinger (op. 4 u. 5) und Bote & Bock (op. 6 u. 7):

Six Mélodies pour le Piano, vol. 1, op. 4

Six Mélodies pour le Piano, vol. 2, op. 5

Vier Lieder für das Pianoforte, vol. 2, op. 6 mit dem Finalstück Il saltarello romano

Sechs Lieder für eine Stimme mit Begleitung des Pianoforte, op. 7

Nach ihrem plötzlichen Tod erschienen 1850 postum im Leipziger Verlag Breitkopf & Härtel noch vier Bände nachgelassener Werke:

Vier Lieder für das Pianoforte, op. 8

Lieder mit Begleitung des Pianoforte, op. 9

Fünf Lieder mit Begleitung des Pianoforte, op. 10

Trio für Pianoforte, Violine und Violoncello, op. 11

Werke ohne Opuszahl

Vokalmusik: Zahlreiche Lieder, Duette und andere Solobesetzungen. Chorwerke mit und ohne Begleitung durch Klavier bzw. Orchester, insb. Kantaten (Lobgesang, Hiob, Oratorium nach Bildern der Bibel: Cantate für die Toten der Cholera-Epidemie 1831), Dramatisches Szene Hero und Leander nach Goethe, Szene aus Faust II für Frauenchor und Sopransolo mit Klavierbegleitung.

Klaviermusik: Zahlreiche einzelne Klaviersätze, sowie zwei vollständige Klaviersonaten c-moll und g-moll; Klavierzyklus Das Jahr.

Kammermusik: Einige Stücke für Violine bzw. Violoncello mit Klavierbegleitung, Klavierquartett As-Dur, Klaviertrio d-moll, Streichquartett Es-Dur.

Orchesterstücke: Ouvertüre für Orchester C-Dur.

Denkmale und Erinnerungsorte

Fanny Hensel und ihr Bruder Felix Mendelssohn Bartholdy wurden im Familiengrab auf dem Dreifaltigkeitskirchhof I, Feld 1 in Berlin-Kreuzberg beigesetzt. Die Grabstätte ist ein Ehrengrab des Landes Berlin.

Fanny Hensel zu Ehren trägt heute die ehemalige Musikschule Berlin den Namen Musikschule Fanny Hensel. Der Fanny-Hensel-Weg und die Fanny-Hensel-Grundschule in Berlin-Kreuzberg wurden zur Erinnerung an die Komponistin nach ihr benannt.

Am 20. März 2002 enthüllte der Regierende Bürgermeister von Berlin, Klaus Wowereit, die Gedenktafel für Fanny Hensel und Felix Mendelssohn Bartholdy am heutigen Bundesratsgebäude in der Leipziger Straße, wo einst das Wohnhaus der Familie Mendelssohn Bartholdy stand. Sie wurde auf Initiative der Mendelssohn-Gesellschaft dort angebracht.

In Fanny Hensels Geburtsstadt Hamburg wurden 1997, anlässlich ihres 150. Todestages, in der Nähe ihres im Zweiten Weltkrieg zerstörten Geburtshauses in der Große Michaelisstraße 14, zwei Gedenktafeln mit den Porträtreliefs von Fanny Hensel und ihrem Bruder Felix Mendelssohn Bartholdy in einer kleinen Grünanlage an der Ludwig-Erhard-Straße aufgestellt.[13] Der Platz beim U-Bahnhof Osterstraße heißt Fanny-Mendelssohn-Platz.

Der am 16. August 1990 von dem belgischen Astronomen Eric Walter Elst entdeckte Kleinplanet Nr. 9331 trägt den Namen Fannyhensel.

Im Gedenken an Fanny Hensel und ihren Bruder Felix wird in jedem Jahr in der Mendelssohn-Remise in Berlin-Mitte vom Chorverband Berlin und der Mendelssohn-Gesellschaft für herausragende Verdienste um das Berliner Laienchorschaffen die Geschwister-Mendelssohn-Medaille verliehen.

Im März 2015 wurden die Bronzebüsten von Fanny Hensel und Felix Mendelssohn Bartholdy der Künstlerin Lore Plietzsch vor der Mendelssohn-Remise in Berlin-Mitte aufgestellt.


Text: Wikipedia

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Bild: Wikimedia/Moritz Daniel Oppenheim

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