Friedrich Ludwig Jahn

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Johann Friedrich Ludwig Christoph Jahn, auch „Turnvater Jahn“ genannt (* 11. August 1778 in Lanz (Prignitz); † 15. Oktober 1852 in Freyburg (Unstrut)) war ein deutscher Pädagoge und Mitglied der Frankfurter Nationalversammlung. Zudem war er Initiator der deutschen Turnbewegung, die von Anfang an mit der frühen Nationalbewegung verknüpft war. Sie war u. a. mit der Zielsetzung entstanden, die Jugend auf den Kampf gegen die napoleonische Besetzung und für die Rettung Preußens und Deutschlands vorzubereiten.


Den ersten Turnplatz schuf er 1811 in der Berliner Hasenheide. Die von Jahn und seinen Mitstreitern auf dem Turnplatz in der Hasenheide demonstrierten Vorstellungen von der „Deutschen Turnkunst“ sind im heutigen Turnbetrieb noch wiederzufinden, ebenso grundlegende von Jahn eingeführte Begriffe und Bezeichnungen, die Eingang in die wissenschaftliche Terminologie des Gerätturnens gefunden haben. Damit hat Jahn die Grundlagen nicht nur für den Turnbetrieb, sondern zum großen Teil auch für den heutigen Sportbetrieb geschaffen.

Das von Jahn begründete Turnen (Geräte, Übungen) entwickelte sich zur heutigen Sportart Geräteturnen. Die Turngeräte Reck und Barren wurden von ihm eingeführt.

Reklamemarken

Verzeichnis der Reklamemarken mit einem Bezug zu Friedrich Ludwig Jahn.

Leben

Jugend und Studienzeit

Der Sohn eines Pfarrers wurde zuerst vom Vater unterrichtet. 1791 besuchte er das Gymnasium in Salzwedel (Altmark), das 1931 nach ihm benannt wurde (Jahngymnasium Salzwedel), ab 1794 das Gymnasium zum Grauen Kloster in Berlin, das er zwei Jahre später ohne Abschluss verließ.

Ohne das dafür erforderliche Abitur immatrikulierte er sich 1796 an der Universität Halle zum Theologiestudium und verbrachte sieben Jahre an verschiedenen Universitäten, darunter der Universität Greifswald und der Universität Göttingen, die er, wie schon die Gymnasien, wegen schlechter Führung und seines nie bestandenen Abiturs verlassen musste.[1]

Jahn nahm eine Stelle als Hauslehrer an und befasste sich intensiv mit deutscher Sprache und Geschichte. Er trat in Halle für die Reinheit der deutschen Sprache ein und verfasste die Schrift Patriotismus in Preußen, daraufhin musste er Halle verlassen und ging nach Breslau. Häufig verbarg sich Jahn um 1800 in Halle in einer Höhle in einem Felsen an der Saale, heute als Jahnhöhle bekannt.

1800 wurde ihm in Leipzig der Prozess gemacht und ein Verbot für alle deutschen Universitäten ausgesprochen. 1802 begegnete er Ernst Moritz Arndt an der Universität Greifswald; die vaterländische Idee des „Vereinigten Deutschland“ entstand. Von Juli 1801 bis Januar 1802 hielt er sich an der Brandenburgischen Universität Frankfurt ohne Immatrikulation auf.

Jahn gehörte dem Studentenorden der Unitisten an.

Entwicklung seiner Weltanschauung

Bald darauf verließ Jahn Greifswald wieder ohne Abschluss, ging zunächst nach Neubrandenburg, wo er 1803–1804 als Hauslehrer die Kinder von Baron Friedrich Heinrich Gottlieb von le Fort (1762–1833) unterrichtete. Danach ging er in die Glashütte Sophienthal bei Waren (Müritz) und schließlich als Privatlehrer nach Jena. 1807 traf er Johann Christoph Friedrich GutsMuths in Schnepfenthal, dem er Impulse für das Turnen in Deutschland verdankte. Während des Krieges (Schlacht bei Jena und Auerstedt) fungierte Jahn als Kurier im Regierungsauftrag. 1810 wurde er an der Plamannschen Erziehungsanstalt in Berlin tätig, scheiterte dann aber an einer Prüfung für die Oberlehrerstelle in Königsberg. Er wurde Hilfslehrer in Berlin und widmete sich der Turnerei.

In seiner 1808 verfassten Schrift Deutsches Volksthum,[2] 1810 in Lübeck publiziert, skizzierte er erstmals seinen entschiedenen Nationalismus, zu dem er während der französischen Besatzung gekommen war und den er mit scharfen Angriffen verband:[3]

„Unglückliches Deutschland! Die Verachtung deiner Muttersprache hat sich fürchterlich gerächt. Du warst schon länger dir unwissend durch eine fremde Sprache besiegt, durch Fremdsucht ohnmächtig, durch Götzendienst des Auslandes entwürdigt. Nie hätte dein Überwinder so vielfach in einem andern Lande gesiegt, wo die Vergötterung seiner Sprache nicht mitgefochten […] Diese Sprache hat deine Männer betört, deine Jünglinge verführt, deine Weiber entehrt. – – – Deutsche, fühlt wieder mit männlichem Hochsinn den Wert eurer edeln lebendigen Sprache, schöpft aus ihrem nieversiegenden Urborn, grabet die alten Quellen auf, und lasset Lutetiens stehende Lache in Ruhe!“

Seine Angriffe richtete er auch gegen die seiner Ansicht nach minderwertige Unterhaltungsliteratur der damaligen Zeit: „Diese sogenannten Unterhaltungsbücher werden zusammengeschmiert von elenden Hungerleidern …“[4]

Hier vertrat Jahn die Ansicht, Deutschland solle eine größere Rolle in Europa einnehmen; dies sei auch möglich, wenn man sich auf die Einheit der „Deutschen“ besinne. Ihm schwebte ein „Großdeutschland“ vor, zu dem auch die Schweiz, Holland und Dänemark gehören würden. Hauptstadt solle die neue Stadt „Teutonia“ werden, die in Thüringen gegründet werden solle, wo sich die Fernstraßen aus den dann „deutschen“ Grenzstädten Genf, Memel, Fiume, Kopenhagen, Dünkirchen und Sandomir treffen würden.[5]

Turn- und Nationalbewegung

Am 13. November 1810 gründete Jahn mit elf Freunden in der Hasenheide bei Berlin den geheimen Deutschen Bund zur Befreiung und Einigung Deutschlands. Aus den ausgedehnten Wanderungen, die Jahn mit seinen Schülern unternahm, entwickelte sich schließlich regelmäßiges Turnen. Am 19. Juni 1811 begann er an dem Treffpunkt der Schüler- und Freundesgruppe mit dem öffentlichen Turnen. So war die Hasenheide der erste deutsche Turnplatz, der mit Geräten nach dem Vorbild von GutsMuths ausgestattet wurde. Ebenso entstammten die Leibesübungen, die Jahn Turnen nannte, dem Vorbild GutsMuths’, allerdings meinte Jahn mit Turnen die Gesamtheit aller Leibesübungen: Geräteübungen wurden weiterentwickelt und durch Spiele, Schwimmen, Fechten und Wandern ergänzt.

Zunächst war das Turnen ein buntes Treiben auf den Turnplätzen mit dem Ausdruck einer romantischen Volksbewegung, um die „Feinde der Freiheit“ zu besiegen. Diese Feinde waren neben den Franzosen auch Fürsten aus Deutschland, die weiterhin die Einheit und Freiheit der deutschen Nation verhinderten. Jahn war gegen die Kleinstaaterei und für ein einheitliches Deutschland (weswegen er 1819 verhaftet wurde und sechs Jahre seines Lebens im Gefängnis verbrachte). Er richtete seine Aufmerksamkeit auf die Jugend und wollte diese für einen eventuellen Kampf vorbereiten. Er erfand das Turnen als eine körperliche Betätigung für jedermann mit einem durchaus wehrpolitischen Nutzen. Jahn entwickelte das Turnen weiter zur „patriotischen Erziehung zur Vorbereitung auf den Befreiungskrieg“. Er sah das Turnen in engem Zusammenhang mit politischen Zielen: der Befreiung Deutschlands von napoleonischer Herrschaft, der Idee eines künftigen deutschen Reiches unter preußischer Führung und der Teilnahme der einzelnen Staatsbürger am Wohl und Weh des Ganzen. Hierzu sollten die Turner als Guerilla-Kämpfer (die kurz zuvor in Spanien im Kampf gegen Napoleon erfunden worden waren) tätig werden.[6]

Auch das Turnen ordnete er politischen Gesichtspunkten unter. Jahn wollte die Jugend für den Kampf gegen Frankreich trainieren. Mit anderen versuchte er dem preußischen Königshof die Notwendigkeit des Aufstands deutlich zu machen. Offenbar verabredete er mit Scharnhorst und Hardenberg die Gründung eines Freikorps, denn er kam schon zum Sammelplatz, bevor dem König von den Ministern die Bitte um die Errichtung des Lützowschen Freikorps vorgelegt wurde. Mit einigen Turnern aus Berlin kam er dazu auch nach Breslau, viele weitere Freunde und Bekannte aus Studientagen konnte er darüber hinaus für das Korps gewinnen. Bei der Anreise regte er in Frankfurt (Oder) die Gründung des ersten Turnplatzes auf den Laudonsbergen der Frankfurter Dammvorstadt an.[7]

Im Freikorps leistete er vor allem bei der Verwaltung, der Ermutigung und Anfeuerung der Freiwilligen sowie durch seine Ortskenntnis in Mittel- und Norddeutschland besondere Dienste. Er war auch zeitweise als Anführer eines Bataillons eingesetzt.

Mit der Niederlage Napoleons 1813 wurde die Voraussetzung für die nationale Befreiung Deutschlands geschaffen. Mit dem Sieg in der Völkerschlacht bei Leipzig wurde Jahns Wunsch in gewissem Sinn Wirklichkeit.

1813, in der Zeit der Völkerschlacht bei Leipzig, forderte Jahn: „… freie Rede, Verfassung, Einheit des Vaterlandes …“ Im selben Jahr nahm Jahn in Berlin den in der Zwischenzeit von Ernst Eiselen geleiteten Turnbetrieb wieder in seine Hand. Er half bei der Verbreitung des Turnens, wo es ihm möglich war: Er schickte Vorturner und besuchte auf seinen Turnfahrten selbst verschiedene Turnplätze.

Am 12. Juni 1815 wurde in Jena die Urburschenschaft gegründet. 1816 erschien Jahns Buch Die Deutsche Turnkunst (mit Ernst Eiselen).[8] In diesem Buch beschreibt Jahn folgende Punkte:

Ziele, Inhalte und Formen

Verhaltens- und Kleiderordnung

allgemeine Verhaltensregeln

Dieses Buch ist aus der Praxis heraus für die Praxis entstanden. Für die Turner und Anhänger Jahns war es eine Art Bibel einer neuen volkstümlichen Erziehung über den Körper. Das Buch ist in mehrere Abschnitte unterteilt:

In einem Vorbericht wird die Entstehung des Buches als Ergebnis einer Gemeinschaftsarbeit beschrieben.

Die eigentlichen Turnübungen werden behandelt: Gehen, Laufen, Springen, Schwingen, Schweben, Reckübungen, Barrenübungen, Werfen, Ziehen, Schieben, Heben, Tragen, Strecken, Ringen.

Turnspiele

Musterbeschreibung eines Turnplatzes und der Turngeräte

Turnordnung, Turngesetze, das Verhalten und die Kleidung der Turner und Lehrer

Den Höhe- und Wendepunkt der frühen Turnbewegung konnte man in den Jahren 1817/18 vermerken. Nach den Befreiungskriegen gewannen die konservativen politischen Kräfte in Preußen wieder an Einfluss. Somit war der Reformfrühling vorüber.

Beginn der Restauration

Der Wiener Kongress enttäuschte Jahn, da sich dort eine Politik des europäischen Gleichgewichts durchgesetzt hatte. Der Deutsche Bund unterdrückte die liberalen Verfassungsbewegungen in den Einzelstaaten. Von den eigentlichen Zielen Jahns war nur die Befreiung von Frankreich erfüllt.

Er begann 1817 mit einer Vortragsreihe zum deutschen Volkstum, in dem er die Missstände im preußischen Heer anprangerte und die Beschränkung der bürgerlichen Rechte im Staat bedauerte. Damit schuf er sich nicht nur Freunde, sondern auch Feinde wie den Staatskanzler Hardenberg, der das Turnen unter staatliche Aufsicht an den Schulen übernehmen wollte. Außerdem gab er immer wieder in derben Worten seinem Patriotismus bzw. Nationalismus Ausdruck. Zuhörer waren von seiner Schroffheit nicht selten unangenehm berührt, etwa wenn Jahn auch noch nach dem Sieg über Napoleon die französische Sprache und ihr Erlernen verteufelte.

In engem Bezug zum Turnwesen stand auch die Bewegung der Burschenschaften. Sie und die Turner verfolgten im Grunde die gleichen politischen Ziele. Allerdings gab es auch kleine Gruppierungen, die sich von diesen Zielsetzungen abhoben. Es kam zur Spaltung des deutschen Liberalismus in eine demokratische und eine nationalliberale Richtung.

Auf dem Höhepunkt der Turnbewegung in Deutschland (mit über 100 Turnplätzen alleine in Preußen) fand am 18./19. Oktober 1817 das Wartburgfest statt. Dabei kam es auf Jahns Initiative zur ersten neuzeitlichen (rein symbolischen) Bücherverbrennung im deutschsprachigen Raum. Jahn war zwar nicht bei dem Fest anwesend, hatte aber die Liste der Bücher zusammengestellt, sein Schüler Hans Ferdinand Maßmann war maßgeblich an der Aktion beteiligt. Dieser symbolträchtige Akt der Bücherverbrennung zog den Argwohn Metternichs auf sich. Nachdem Jahn zudem bei einer Abendgesellschaft – mit nur gemischtem Erfolg – ein Hoch auf die Studenten des Wartburgfestes ausgebracht hatte, wurde er beim preußischen Ministerium zunehmend zur missliebigen Person. Seine Vorlesung über Deutsches Volksthum durfte er im Wintersemester nicht mehr offiziell an der Universität halten.

Turnverbot und Inhaftierung

Die Ermordung des Schriftstellers, Journalisten und russischen Generalkonsuls August von Kotzebue, zuvor schon durch die Bücherverbrennung betroffen, durch den Studenten und Turner (oder Burschenschafter) Karl Ludwig Sand im März 1819 löste letztendlich das Turnverbot aus (siehe Turnsperre). Im Zuge der sogenannten Demagogenverfolgung wurde dem Turner und Burschenschafter Jahn die Wiederaufnahme des Turnens auf der Hasenheide untersagt, da die Turnübungen im Rahmen des Unterrichts stattfanden und der Schulbehörde untergeordnet werden sollten. Im Sommer 1819 kam es zur Berliner und Breslauer Turnfehde, worin Kritik gegen das Turnen oder gegen seine religiös-patriotische Richtung laut wurde.

Die Auswirkung der Karlsbader Beschlüsse vom August/September 1819 trafen die Turnbewegung hart. Die Burschenschaften wurden verboten, Universitäten unter Staatsaufsicht und viele studentische Turner und Burschenschafter unter polizeiliche Aufsicht gestellt. Mehrere Turner aus Jahns Umfeld wurden festgenommen oder erhielten ein Berufsverbot, so dass sie ins Ausland (vor allem Amerika) auswanderten. Ein Turnverbot in ganz Preußen und anderen deutschen Staaten wurde erlassen. Somit war offiziell in Preußen 1820 das Turnen eingestellt, allerdings fanden weiterhin vielerorts trotz dieser Sperre Leibesübungen statt.

Jahn, der schon am 13. Juli 1819 verhaftet worden war, verbrachte die nächsten fünf Jahre in Haft in Spandau, Küstrin und Kolberg. Der Dichter und Richter E. T. A. Hoffmann leitete die Ermittlungen im Fall Jahns und seines Umfeldes. Jahn verharmloste seine Rolle im vergangenen Jahrzehnt, was durch seine ebenfalls verhörten Freunde gedeckt wurde. Hoffmann fällte 1820 ein mildes Urteil, trotz Beschuldigung des Regierungsrats Johann Ernst Theodor Janke, eines ehemaligen Mitglieds des geheimen Deutschen Bundes. Jahn solle freigelassen werden, da keine hochverräterischen Tendenzen bei ihm sichtbar geworden seien. Jedoch wurde Jahn auf höhere Anweisung noch fünf Jahre in Haft gehalten, da man in ihm nicht ganz zu Unrecht neben Fichte und Arndt den geistigen Vater der studentischen Freiheits- und Einheitsbewegung sah.

Am 15. März 1825 wurde er freigesprochen, unter der Bedingung, in keiner Universitäts- oder Gymnasialstadt zu wohnen.

Rehabilitation

1825 bis 1852 lebte Jahn unter Polizeiaufsicht in Freyburg an der Unstrut (heute in Sachsen-Anhalt). Hier steht heute noch die älteste Turnhalle Deutschlands, deren Bau Jahn nach der politischen Rehabilitation initiiert hatte. Im September 1828 wurde er wegen des Kontakts mit Schülern und Lehrern bis 1835 nach Kölleda ausgewiesen.

Im Laufe der Jahre wurden die Bestimmungen gelockert, und Ärzte und Pädagogen unterstützten das Wiederaufleben der Leibesübungen. 1837 wurden in den Gymnasien Leibesübungen gestattet.

1840 erfolgte Jahns Amnestierung und vollkommene Rehabilitierung durch Friedrich Wilhelm IV. Jahn erhielt das ihm aberkannte und vorenthaltene Eiserne Kreuz aus den Befreiungskriegen. 1842 hob Friedrich Wilhelm IV. den Erlass seines Vaters auf und beendete damit offiziell die Turnsperre. Turnen wurde in Preußen zugelassen und sogar Schulfach.

1848 wurde Jahn in die Frankfurter Nationalversammlung in der Paulskirche gewählt. Er wandte sich vom patriotischen Turnen ab, engagierte sich für Ruhe und Ordnung und vertrat die Idee eines preußischen Erbkaisertums. Damit büßte er seine Volkstümlichkeit zwar weitgehend ein, gelangte aber in der Folgezeit zu voller Anerkennung als Bahnbrecher der Leibeserziehung.

Im Alter von 74 Jahren starb Jahn am 15. Oktober 1852 in Freyburg (Unstrut). Dort wurde er an der Stirnseite der ersten deutschen Turnhalle beigesetzt. Aus Anlass der Olympischen Spiele in Berlin 1936 wurden seine Gebeine umgebettet. Sie fanden ihre letzte Ruhestätte im Ehrenhof seines Wohnhauses, das er 1838/39 erbaut hatte. Dieses Gebäude beherbergt heute das Friedrich-Ludwig-Jahn-Museum.

Frisch, fromm, fröhlich, frei

Der Turnerwahlspruch geht auf einen Reimspruch des 16. Jahrhunderts zurück (Frisch, frey, fröhlich, frumb – Sind der Studenten Reichthumb!), den Jahn 1816 im Turnlehrbuch Die deutsche Turnkunst zur sittlich-moralischen Maxime der Turner erhob (Frisch, frei, fröhlich und fromm – ist des Turners Reichtum).

Ende 1843 erklärte Jahn der Frankfurter Turngemeinde die Bedeutung des Wahlspruches, den er am Giebel seines Wohnhauses in Freyburg, dem heutigen Friedrich-Ludwig-Jahn-Museum, anbringen ließ:

„frisch nach dem Rechten und Erreichbaren streben, das Gute thun, das Bessere bedenken, und das Beste wählen“;

„frei sich halten von der Leidenschaft Drang, von des Vorurtheils Druck, und des Daseins Ängsten“;

„fröhlich die Gaben des Lebens genießen, nicht in träumerisch vergehn über das Unvermeidliche, nicht in Schmerz erstarren, wenn die Schuldigkeit gethan ist, und den höchsten Muth fassen, sich über das Mißlingen der besten Sache zu erheben“;

„fromm die Pflichten erfüllen, leutseelig und volklich, und zuletzt die letzte, den Heimgang. Dafür werden sie gesegnet sein, mit Gesundheit des Leibes und der Seele, mit Zufriedenheit so alle Reichthümer aufwiegt, mit erquickenden Schlummer nach des Tages Last, und bei des Lebens Müde durch sanftes Entschlafen.“[9]

Aus den Anfangsbuchstaben des Turnerwahlspruches, den vier F, formte der Darmstädter Kupferstecher Heinrich Felsing 1843/46 das Turnerkreuz.

Der 1893 gegründete sozialistische Arbeiter-Turnerbund wandelte das Jahnsche Motto in einen neuen Wahlspruch um (Frisch – Frei – Stark – Treu).

Kunstgeschichte

Der Maler Caspar David Friedrich (1774–1840) stellt in seinem 1819 entstandenen Gemälde Zwei Männer in Betrachtung des Mondes Jahn zusammen mit dem Neubrandenburger Pastor Franz Christian Boll (1776–1818) dar.[10] Es handelt sich hier um eines der Gedächtnisbilder für den verstorbenen Boll, dem man die etwas untersetzte Figur mit Umhang zuordnen kann. Die andere, sportlich wirkende Figur ist aus den historischen Umständen heraus als Friedrich Ludwig Jahn in jungen Jahren zu identifizieren, während seiner Hauslehrerzeit in Neubrandenburg.[11]

Friedrich-Ludwig-Jahn-Gesellschaft e. V.

Der Förderverein zur Traditionspflege und Erhaltung der Friedrich-Ludwig-Jahn-Gedenkstätten (gegründet 1992) hat sich 2008 durch Satzungsänderung umbenannt und setzt nun seine Aktivitäten als Friedrich-Ludwig-Jahn-Gesellschaft mit Sitz in Freyburg (Unstrut) fort. Die Aufgaben des Vereins sind jetzt weiter gefasst und formulieren einen höheren Anspruch: Die Gesellschaft widmet ihre Tätigkeit dem Ziel, das Leben und Wirken des Gründers der Turnbewegung in Deutschland und seines Umfeldes zu erforschen, seine Bedeutung in Geschichte und Gegenwart zu interpretieren, sein Erbe zu bewahren und zu verbreiten. Dazu unterhält die Gesellschaft Beziehungen zum Deutschen Turner-Bund und den Landesturnverbänden, zu Hochschulen, Schulen, Museen und Organisationen, die sich dem Anliegen verpflichtet fühlen. Jahn soll als einer der großen Deutschen in das Blickfeld einer größeren Öffentlichkeit gerückt werden.

Dem Schaffen Friedrich Ludwig Jahns widmet sich auch die Friedrich-Ludwig-Jahn-Bibliothek in Freyburg (Unstrut), eine Einrichtung der Friedrich-Ludwig-Jahn-Gesellschaft.

Nationalismus und Antisemitismus

Der Jahn-Biograph Carl Philipp Euler verwahrte sich 1891 gegen völkisch-nationalistische und antisemitische Turner des Kaiserreichs mit der Behauptung, Jahn habe unter den „Feinden des Deutschtums“ nicht die Juden verstanden.[15] Ein weiterer Biograph war der Hamburger Turnlehrer und Ehrenamtliche Wolfgang Meyer, der 1913 die Briefe Jahns herausgab und zu jenen Autoren gehörte, die später auch im Nationalsozialismus über Jahn publizierten.[16] Zu ihnen zählte auch der Dresdner Oberlehrer Fritz Eckardt, der mit der Briefedition arbeitete,[17] eine umfassende Glorifizierung Jahns betrieb und „einer der meistzitierten Biographen Jahns im Nationalsozialismus“ war.[18] Eckardt bezeichnete 1937 Jahn als „Vorläufer des Nationalsozialismus“.[19] Seine rhetorische Verquickung mit dem Stil Heinrich von Treitschkes – der im Übrigen Jahn keinesfalls schätzte – führte dazu, dass der Satz „Polen, Franzosen, Pfaffen, Junker und Juden sind Deutschlands Unglück“ als angebliches Zitat aus Deutsches Volksthum in Literatur und Presse aufgegriffen wurde, aber weder in Jahns Publikationen noch bei Eckardt selbst vorkommt.[20]

Trotz dieser polemischen und historisch nicht belegbaren Zuspitzung finden sich ähnlich stereotype Wendungen in den Briefen Jahns, so am 24. August 1816 an Theodor Müller: „Und darauf verlaß Dich: So wird die preußische Landwehr noch nie geklopft haben, als im Gottesgericht wider Junker, Juden, Gauner, Gaukler und Garden. Gott verläßt keinen Deutschen.“[21] In einem Brief vom 18. Januar 1839 und bezogen auf Friedrich von Raumers Buch über Polens Untergang: „Da sieht doch die Welt, was an der Dreieinigkeit von Junkern, Pfaffen und Juden ist.“[22] Im Februar 1834 bündelte Jahn seine Abneigung gegen Frankreich, Weltbürgertum und Juden, als angebliche Vertreter der von ihm beargwöhnten „Moderne“, in einer abfälligen Bemerkung über Varnhagen von Enses Gedenkbuch für seine Frau Rahel: „Aus dem ganzen dickbogigen Buch weht der veilchenartige Leichenduft neuzeitiger fürnehmer Weltbürgerschaft. Es ist die Leichenbühne (Lustrum doloris) des neuen volkstumslosen, jüdelnden und junkernden Weltbürgertums.“ Ein Jahr zuvor befand er in seinen Briefen an Auswanderer: „Ihr Ohioschreier und Missourimesser macht den Deutschen zum Überall und Nirgends, zum Obenhinaus und Nirgendsan und haltet dafür seinen wahren Beruf, daß er die Welt durchjude und durchnegere und mit Kopf, Hand und Fuß herzlos verzigeunere.“[23]

Nach Werner Bergmann erwiesen sich Jahns „Vordeutungen“ einer modernisierungskritischen Judenfeindschaft, sein übersteigerter völkischer Nationalismus und die Gleichsetzung von Deutschtum und Christentum als wirkungsmächtig für die weitere Entwicklung des Antisemitismus.[15]

In der historischen Antisemitismusforschung wird häufig darauf hingewiesen, dass Jahn sich „nur am Rande“, „verhältnismäßig tolerant“, „nicht eindeutig antisemitisch“, usw. über „die Juden“ geäußert habe. Eine aggressive Judenfeindlichkeit könne ihm daher nicht unterstellt werden, doch seien ihm Juden und Judentum fremd gewesen, nicht integrierbar in die deutsche Nation. Bezeichnend ist, dass er öffentlich weder gegen noch für die bürgerliche Gleichstellung der Juden auftrat und sich nie mit klärenden Worten einbrachte. Auch blieb seine offenbar aufmerksame Wahrnehmung von Johann Jacobys Inhaftierung und Freispruch in zweiter Instanz 1843, bei der er auf Seiten der konstitutionellen Forderungen Jacobys stand,[24] auf den privaten Briefverkehr beschränkt.

Ob und welche persönlichen Kontakte er zu Juden pflegte, außer dass er in der Frühzeit den Turnplatz in der Hasenheide durchaus auch für junge, patriotische Juden offen hielt, ist nur für einen Fall überliefert. Bekannt ist, dass er die seit 1811 bestehende, lockere Verbindung mit dem jüdischen Studenten Salomon Friedrich Stiebel aus Frankfurt – einem späteren Arzt, der 1828 konvertierte – 1848 als Paulskirchen-Abgeordneter wiederbelebte.[25] Erwies er sich hier persönlich als ein Freund, so war Jahn, wie Werner Bergmann resumiert, doch kein Freund der Juden, auch wenn von einem ausgesprochenen Judenhass oder Frühantisemitismus bei Jahn, zumal in seinen Publikationen, nicht gesprochen werden könne.[15] Im Deutschen Volksthum griff Jahn die biologistische Rhetorik früher Rassentheorien und der entstehenden Naturwissenschaften auf, um sie in seinem Sinne für die Beschreibung „kultureller Differenzen“ nutzbar zu machen.[26]

Der Turnfunktionär Theobald Scholem schrieb 1902 in der Jüdischen Turnzeitung: „Auf uns Juden ist er nie gut zu sprechen gewesen, alles was nicht ganz deutsch war, bis auf einige antike Beispiele, die er gern heranzog, war ihm in der Seele zuwider.“[27][15] Gleichwohl würdigte Scholem Jahns Bedeutung für das deutsche Turnen und diese Leistung sich zu vergegenwärtigen sei auch für jüdische Turner ein Muss.[28]

Kritiker lehnen Ehrungen Jahns mit dem Verweis auf seine nationalistische und antisemitische Einstellung ab. In mehreren Städten existieren Initiativen, nach Jahn benannte Plätze umzubenennen. So gibt es in Graz (Steiermark) seit 2006 immer wieder Aktionen zur Umbenennung der Jahngasse bei der Landessportanstalt, wo auch ein Jahn-Denkmal steht.[29] In Berlin tritt die Initiative „Sport ohne Turnväter“ für die Umbenennung des Jahnsportparks in Prenzlauer Berg ein. Dagegen steht in der öffentlichen Diskussion etwa die Auffassung des Soziologen und Sporthistorikers Sieghard Below, Jahns Nationalismus und „radikaler Franzosen- und Judenhass“ müsse als „Überreaktion seiner Zeit“ verstanden werden. Eine kritische Diskussion Jahns sei zwar wichtig, einen ideologischen „Bildersturm“ hält Below indes für unausgewogen. Letztlich sei Jahn als eine ambivalente historische Persönlichkeit vom preußisch-deutschen Kaiserreich über das NS-Regime bis hin zur DDR vereinnahmt worden.[30] Aber auch in der Weimarer Republik wie auch in der BRD wurde Jahn zahlreich und vielfältig als Namensgeber und Gedenkpersönlichkeit geehrt und gefeiert, wie – was die BRD angeht – beliebigen Straßenverzeichnissen auf kurzem Weg zu entnehmen ist.

Nach Beschluss der Schulkonferenz und mit Zustimmung des Pankower Bezirksamts wurde 2015 die Turnvater-Jahn-Schule in Prenzlauer Berg in Bötzow-Grundschule umbenannt, unter anderem mit der Begründung, die Persönlichkeit Jahns werde „zwiespältig wahrgenommen“ und sei für Grundschulkinder „schwer vermittelbar“.[31]

Wohnsitz: Unterwasserstraße 7, später 10, von 1817 bis 1819 in der Wallstraße 21, Berlin-Mitte, Geburtshaus Dorfplatz am Ring 3 in Lanz

Text: Wikipedia

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