Haus Lichtenstein

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Haus Lichtenstein, Foto von C. Abt, ca. 1910

Das Haus Lichtenstein, häufig nur Lichtenstein oder auch Kleiner Römer genannt, war ein historisches Gebäude in der Altstadt von Frankfurt am Main. Es befand sich am Römerberg südlich des Römers in einem Häuserblock; die Hausanschrift war Römerberg 11.

Neben seiner interessanten Baugeschichte zwischen Gotik und Barock war es im Mittelalter ein beliebtes Messequartier, in der frühen Neuzeit begehrter Aussichts- und Treffpunkt der europäischen Hofgesellschaften anlässlich der am Römerberg stattfindenden Kaiserkrönungen und in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts eines der Zentren der Frankfurter Künstlerszene.

Im März 1944 brannte Haus Lichtenstein nach den alliierten Bombenangriffen auf Frankfurt vollständig aus. Die weitestgehend intakten Umfassungsmauern wurden erst 1946 durch einen Sturm niedergerissen. Wenig später wurde die Parzelle des Gebäudes modern überbaut, so dass es zu den verlorenen Baudenkmälern der Frankfurter Altstadt gezählt werden muss.


Entstehungszeit bis zum barocken Umbau (1326 bis 1725)

Die zwei urkundlichen Ersterwähnungen des Hauses Lichtenstein fallen in das Jahr 1326. Ferner ist es laut dem entsprechenden Faszikel des Instituts für Stadtgeschichte bereits in jener Zeit als Stammhaus der Patrizierfamilie Schurge zu Lichtenstein benannt – ohne jedoch eine Aussage über die damalige Erscheinungsform des Hauses zu treffen. Tatsächlich fehlen konkrete Angaben aus der Entstehungszeit des Gebäudes völlig, andererseits fiel es als nachweislich im Kern gotisches Steinhaus einem Typus von nur etwa 20 Frankfurter Gebäuden mit untereinander so großen Ähnlichkeiten zu, dass die frühe Baugeschichte anhand von Analogien näherungsweise rekonstruiert werden kann.

Der Kern der Altstadt mit dem Römerberg war bereits um 1150 so dicht besiedelt, dass eine erste Stadterweiterung nötig wurde. Die Ersterwähnung der Steinbauten des nahen Römerkomplexes fällt in das frühe 14. Jahrhundert, womit es wahrscheinlich ist, dass auch der Kernbau des Lichtensteins in jener Zeit anzusiedeln war. Ein Blick auf die Größe der Parzelle im Vergleich zu den umgebenden Parzellen, etwa der Häuser Schrothaus (Hausanschrift: Römerberg 13) und Jungfrau (Hausanschrift: Römerberg 15) legt zudem nahe, dass das Gebäude auf zwei für den Neubau zusammengefassten Parzellen von Vorgängerbauten errichtet wurde. Ein derartiges Vorgehen ist für einen weiteren gotischen Steinbau, das Steinerne Haus am Markt sogar urkundlich belegt.

Walter Sage hielt dagegen, dass die Traufstellung sowie die Dachtürmchen, die erst in der Spätgotik in Frankfurt an Gebäuden nachweisbar sind, für einen Neubau Endes des 15. Jahrhunderts sprechen. Andererseits sprach sich auch der Kunsthistoriker und Kenner der Frankfurter Altstadt, Fried Lübbecke, in seinem Hauptwerk für eine Erbauung im 14. Jahrhundert aus.

Beide Auffassungen sind aber problemlos darin vereinbar, dass ein im frühen 14. Jahrhundert erbautes Haus Lichtenstein um 1500 im Dachbereich unter Erhalt der restlichen Konstruktion umgebaut wurde. Ob allerdings in der Patrizierfamilie Schurge, die wie einige spätere Hausbesitzer den Hausnamen zum Nachnamen hinzufügte, oder der etwas bekannteren Patrizierfamilie Glauburg, der das Lichtenstein ab 1460 gehörte, die Bauherren des Gebäudes zu suchen sind, ist aufgrund der lückenhaften Überlieferung nicht mehr eindeutig zu klären.

Wie bei der Mehrzahl der Häuser der Frankfurter Altstadt dürfte die Etymologie des Hausnamens in einem auf das Gebäude übergangenen Familiennamen zu suchen sein. Der allein stehende Familienname Lichtenstein kommt in erhaltenen Urkunden des 14. Jahrhunderts mehrfach vor, wenn auch aufgrund der damals noch fehlenden Rechtschreibung in den verschiedensten Schreibweisen. Ein direkter Zusammenhang zwischen der eigenständigen Familie Lichtenstein und dem gleichnamigen Haus ist nicht zu belegen. Es bleibt somit Spekulation, dass ihr die Vorgängerbauten gehörten, die die Familie Schurge im frühen 14. Jahrhundert für den Neubau erwarb.

Unabhängig davon zeichnete sich das Lichtenstein wie seine baulichen Verwandten, etwa das 1362 an der Fahrgasse erbaute Haus Fürsteneck oder das bereits genannte, 1464 errichtete Steinerne Haus allem voran durch die kluge und vorausschauende Ortswahl des Bauherren aus. Nahe dem Fahrtor gelegen, durch das über den Main nach Frankfurt eingeschiffte Handelswaren in die Stadt gebracht wurden, war es mit seinen feuerfesten Gewölben ein willkommener und mit Sicherheit gut bezahlter Schutz vor den ständig drohenden Feuersbrünsten der hölzernen Fachwerkstädte.

Dass die Angst hiervor selbst in der Stadtverwaltung umging zeigt, dass diese, bis das 1405 am Römerberg erworbene Rathaus 1438 um einen eigenen steinernen Archivturm erweitert wurde, alle wichtigen Dokumente und Privilegien im Gewölbe des 1808 abgebrochenen Festungsturms am Leonhardstor lagerte.

Eng mit Handelsgütern verknüpft war die im 14. Jahrhundert bereits äußerst wichtige Frankfurter Warenmesse. Mit der Unterbringung der Messegäste verdiente, wie es die Steuerbücher dieser Zeit belegen, mancher Hausbesitzer mehr als im ganzen restlichen Jahr. Die für jene Zeit luxuriösen Raumgrößen des Lichtensteins dürften wiederum insbesondere wohlhabende Messebesucher angezogen haben. So verwundert auch nicht ein Beleg aus dem Jahr 1474, nach dem im ganzen Haus 48 Gästebetten zur Verfügung standen.

In der Reformationszeit wohnte Johann von Glauburg im Lichtenstein, der zu den wichtigsten politischen Persönlichkeiten des 16. Jahrhunderts in Frankfurt zu zählen ist. Nach seinem Studium kehrte er 1526 in seine Heimatstadt zurück und war dort bereits 1532 Schöffe, später mehrfach Älterer Bürgermeister und ein geschickter Diplomat.

Als Frankfurt ab 1562 neben der Wahl- auch zur Krönungsstadt der Kaiser des Heiligen Römischen Reiches und der Römerberg zum Ort dieser regelmäßig stattfindenden Zeremonie wurde, dürfte sich der Wert des Gebäudes nochmals vervielfacht haben. Die zu den Feiern übliche Vermietung von Fensterplätzen in guter Lage bescherte, ähnlich wie die bereits erwähnte Möglichkeit der Unterbringung von Messegästen, dem jeweiligen Besitzer erhebliche Einnahmen. Obgleich für das Lichtenstein keine genauen Zahlen hierzu erhalten sind, lassen sich auch hier wieder Analogien zu anderen Gebäuden in gleicher Lage ziehen. Dabei kann bereits die Tatsache, dass der enorme Fensterreichtum der meisten zum Römerberg gewandten Gebäude einzig in der hohen dadurch erzielbaren Fenstermiete erklärbar ist, als weitere Bestätigung gelten.

Wohl nur wenig später entstand ein sich westlich des Lichtensteins bis zur Kerbengasse erstreckender Hofbau, dessen spätgotische Reste mit dem Wappen der Familie Glauburg noch Carl Theodor Reiffenstein Mitte des 19. Jahrhunderts in einigen Skizzen festhielt. Er diente in seinen schmucklosen Nutzformen vermutlich längste Zeit mehr als Lager denn als Wohnstätte und verfügte auch über einen sehr geräumigen, von ausnahmslos allen Besitzern des Lichtensteins für die Weinlagerung genutzten Gewölbekeller.

Auf dem berühmten Vogelschauplan von Matthäus Merian, der das Frankfurt des Jahres 1628 zeigt, wurde die Hausrückseite zum ersten Mal detailliert abgebildet. Demnach befand sich im Hof zwischen Lichtenstein und dem Hinterhaus zur Kerbengasse auch ein markanter, an der Rückseite angebauter Treppenturm, der sich stilkritisch ebenfalls zwischen Spätgotik und Frührenaissance bewegte.


Vom barocken Umbau bis zum Zweiten Weltkrieg (1725 bis 1944)

1694 wechselte das Lichtenstein abermals den Besitzer und ging an die im selben Jahrhundert aus dem niederländischen Breda nach Frankfurt eingewanderte Familie Leerse über. In dieser Zeit kam auch der alternative Hausname Zum kleinen Römer vor, was mit Sicherheit auf die Treppengiebel der nördlichen und südlichen Brandmauern sowie die ansonsten am Römerberg nicht wiederholte Steinarchitektur zurückzuführen war.

Im Zeitgeschmack des bald angebrochenen 18. Jahrhunderts galten die Bauten der Gotik als wenig sehenswert und wurden massenhaft abgebrochen oder massiv barock umgebaut. Insofern ging der damalige Hausherr, Johann Georg Leerse, beim 1725 vorgenommenen Umbau des Hauses vergleichsweise sorgsam vor, den der Darmstädter Baumeister Louis Remy de la Fosse ausführte. De la Fosse hatte sich zuvor bereits durch den Baus des Darmstädter Schlosses ausgezeichnet und erwarb sich auch in Frankfurt durch seine Arbeit am Römerberg schnell große Anerkennung.

So beauftragte ihn nur zwei Jahre später, 1727, die Frankfurter Adelsfamilie Holzhausen mit dem nach ihr benannten, bis heute im Holzhausenpark erhaltenen Schlösschen. Dieses wurde interessanterweise auf den Grundmauern einer mittelalterlichen Wasserburg errichtet, die Ende des 14. Jahrhunderts den möglichen Bauherren des Lichtensteins, der Familie Schurge zu Lichtenstein gehörte.

Wie vielleicht schon mehr als zwei Jahrhunderte zuvor veränderte der Umbau nur das Dach des Lichtensteins in seiner Substanz wirklich tiefgreifend, indem man diesem ein Zwerchhaus vorblendete. Die Fassade wurde in ihrem Erscheinungsbild vereinheitlicht und Architekturteile wie Fenster und Portale barockisiert. Innerlich versah man die zum Römerberg gewandten Räume des ersten Obergeschosses mit Stuckdecken von außerordentlich hoher Qualität, ihre Ausführung lässt allerdings vermuten, dass sie erst gegen Mitte des 18. Jahrhunderts entstanden.

1774 wechselte das Gebäude erneut den Besitzer und ging an die Frankfurter Weinhändlerfamilie Manskopf über. Unter ihr wurde das Gebäude 1777 abermals sorgsam umgebaut. Das Hinterhaus an der Kerbengasse legte man bis auf sein spätgotisches Erdgeschoss nieder, die Strassenzugänge wurden vermauert und in Fenster umgewandelt. Die Geschosse darüber errichte man architektonisch unscheinbar neu und schuf vom Hof her ein Zugang über eine im Stil des Rokoko verzierte Treppe.

Das Heilige Römische Reich befand sich zu jener Zeit bereits im Niedergang, und der Römerberg erlebte nur noch zwei pompöse Kaiserkrönungen in den 1790er Jahren. Noch einmal rückte das Gebäude ins Zentrum der europäischen Geschichte: der zukünftige König einer der neuen europäischen Großmächte, Friedrich Wilhelm III. von Preußen, lernte am 14. März 1793 auf einem Ball im Lichtenstein seine Frau, die Herzogin Luise von Mecklenburg-Strelitz kennen.

1806 war das Heilige Römische Reich nach fast einem Jahrtausend zerfallen, und mit dem Ende der Kaiserkrönungen und der schwindenden Bedeutung der Messe setzte im 19. Jahrhundert ein rascher Niedergang der Frankfurter Altstadt ein. Mit ihr verfiel auch das Haus Lichtenstein in einen Dornröschenschlaf, aber auch eine Zeit, in der es im abermals gewandelten Zeitgeschmack nur noch wenig Wertschätzung genießen konnte. Die Schaufassade wäre 1822 fast wie einige Häuser am Römerberg einem klassizistischen Umbau zum Opfer gefallen, der jedoch nie zur Ausführung kam.

Wohl am ehesten die massive Bauweise bewahrte es mehr als die zahllosen Fachwerkbauten der Altstadt insbesondere in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts vor dem totalen Verfall und hielt die Mieten auf einem Niveau, das es nicht der totalen Zweckentfremdung preisgab. Dennoch zeigen es zeitgenössische Bilder des Fotografen Carl Friedrich Mylius mit zerbrochenen Fenstern und durch großflächige Werbeschilder an der Schaufassade entstellt.

Wie ein Adressbuch Frankfurts aus dem Jahre 1877 verrät, war das Lichtenstein, in dem Anfang des Jahrhunderts noch der Frankfurter Historiker und Schulreformer Anton Kirchner als Hauslehrer der Familie Manskopf gewirkt hatte, längst nur noch eine Immobilie, die an einfaches Bürgertum und Arbeiter vermietet wurde. Die Eigentümerfamilie hatte zu diesem Zeitpunkt bereits eine Wohnanschrift im Fischerfeld, wo großangelegte und für die Zeit luxuriöse Neubauviertel im klassizistischen Zeitgeschmack entstanden waren. Das damalige Familienoberhaupt, Gustav D. Manskopf, wirkte dennoch als großzügiger Mäzen: Zu seinen bekanntesten Stiftungen zählte der 1887 auf dem Römerberg eingeweihte neue Gerechtigkeitsbrunnen in Bronze.

Kurz vor dem Ersten Weltkrieg wurde das Gebäude von der Stadt gekauft und umfassend saniert. Dabei zeigte sich, wie gut in den vergangenen Jahrhunderten mit ursprünglichen Bausubstanz umgegangen worden war: Unter den Stuckdecken befanden sich noch die ursprünglichen Holzbalken mit gotischer Bemalung, hinter dem Verputz der Rundbögen des Erdgeschosses waren noch die einstigen Spitzbögen sichtbar.

Nach Abschluss der sorgsamen Renovierung stellte die Stadt das Lichtenstein der Frankfurter Kunstwelt zur Verfügung. Im Hof wurde in den frühen 1920er Jahren die so genannte Künstlerküche abgehalten, die Räumlichkeiten dienten Frankfurter Künstlern wie Rudolf Gudden, Hans Brasch oder Wilhelm Reiss gleichermaßen als Wohnraum und Galerie für Ausstellungszwecke.


Zweiter Weltkrieg und Gegenwart (1944 bis heute)

Im Zweiten Weltkrieg wurde das Dach des Gebäudes bereits beim ersten schweren Luftangriff am 4. Oktober 1943 durch Brandbomben schwer beschädigt. Bei der Bombardierung Frankfurts im März 1944, die die gesamte mittelalterliche Altstadt in wenigen Stunden vernichtete, brannte auch das Lichtenstein bis auf Bodenniveau herab aus. Die Umfassungsmauern blieben aufgrund der massiven Bauweise und mangels direkter Sprengbombentreffer fast vollständig stehen, womit das Haus noch verhältnismäßig gut erhalten war.

Aus kunsthistorischer und städtebaulicher Sicht ist die mangelnde Sicherung der Ruine direkt nach dem Krieg zu bedauern, wie sie etwa beim nahen Römerkomplex nach Ende der Kampfhandlungen sofort stattfand. Bis Ende 1945 waren vor allem infolge von Frostschäden immer mehr, jedoch nur kleine Teile der instabilen Fassade eingebrochen. Anfang 1946 riss ein schwerer Sturm dann alles bis auf die Bogenöffnungen zum Römerberg nieder, sodass man sich 1948 für ein Abräumen der Reste entschied, obwohl man den Wiederaufbau bereits auf 380.000 Reichsmark veranschlagt hatte.

In den 1950er Jahren wurden die Grundstücke der einstigen Häuser Römerberg 3–17 und damit auch des Lichtensteins historisierend überbaut. Obgleich die Häuser die Architektur ihrer Vorgänger zumindest ansatzweise zitieren, etwa durch leichte Vorkragungen gegenüber dem Erdgeschoss, ist die ursprüngliche Parzellierung des Gebiets an ihnen nicht mehr ablesbar. So erscheint der versäumte Wiederaufbau des Lichtensteins in Anbetracht seiner historischen und architektonischen Bedeutung und des Zerstörungsgrades anderer nach dem Krieg rekonstruierter Bürgerhäuser (z. B. Goethehaus, Steinernes Haus) aus heutiger Sicht unverständlich. Andererseits hat sich die Parzellierung des Gebiets gegenüber dem Vorkriegszustand relativ wenig geändert, sodass eine Rekonstruktion des Gebäudes mittelfristig möglich wäre.



Text: Wikipedia

Bild: Wikipedia/Carl Abt

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