Hermann Schulze-Delitzsch

Aus veikkos-archiv
Wechseln zu: Navigation, Suche
Hermann Schulze-Delitzsch (1863)

Hermann Schulze-Delitzsch, eigentlich Franz Hermann Schulze (* 29. August 1808 in Delitzsch; † 29. April 1883 in Potsdam) war ein deutscher Sozialreformer, Jurist und Politiker.

Schulze gehört neben Eduard Pfeiffer, Victor Aimé Huber, Karl Korthaus, Wilhelm Haas und Friedrich Wilhelm Raiffeisen zu den führenden Gründervätern des deutschen Genossenschaftswesens und als wichtigster Protagonist der gewerblichen Genossenschaftsorganisation.

Reklamemarke

Leben

Hermann Schulze-Delitzsch wurde am 29. August 1808 als erster Sohn des damaligen Bürgermeisters und Justizrates August Wilhelm Schulze (1779–1861) und seiner Frau Wilhelmine Schulze, geb. Schmorl (1784–1866) im Haus Markt 11 in Delitzsch geboren. Er wuchs in einer gutbürgerlichen und von Leistungsstreben bestimmten Familie auf. Wenige Tage nach seiner Geburt wurde er durch den Diakon Theophilus August Mohring getauft. Von seinen neun Geschwistern erreichten nur die drei Brüder Rudolf Schulze (1812–1860), Wilhelm Schulze (1814–1843) und Heinrich Schulze (1817–1871) das Erwachsenenalter. Zu ihnen hatte er im späteren Leben, auch aufgrund der weit voneinander entfernt gelegenen Wohnorte, kaum näheren Kontakt.

Für die Zeit von 1814 bis 1821 ist nicht genau überliefert, ob Schulze die unweit seines Geburtshauses gelegene Bürgerschule besuchte oder Hausunterricht erhielt. Ab Oktober 1821 begann er seine von den Eltern finanzierte höhere Schulausbildung in der Alten Nikolaischule in Leipzig, welche er im Frühjahr 1827 abschloss. Gemäß der Familientradition ließ sich Schulze 1827 in der juristischen Fakultät der Universität Leipzig immatrikulieren. Die progressive Reformpolitik und künftigen Berufschancen im Königreich Preußen brachten ihn womöglich dazu, sein Studium der Rechtswissenschaften außerhalb des Königreichs Sachsen an der Universität Halle ab 18. Mai 1829 fortzusetzen. 1827 schloss er sich der Leipziger Burschenschaft an, deren Vorsteherkollegium er angehörte. Da Burschenschaften unter der Beobachtung von Regierungsvertretern standen, beendete Schulze sein Studium.

1838 wurde er zum Oberlandesgerichtsassessor ernannt und war anschließend in Naumburg (Saale) und beim Berliner Kammergericht angestellt.

1841 bis 1849 war er als Patrimonialrichter über mehrere Rittergutsbezirke in seiner Heimatstadt Delitzsch tätig. Dadurch lernte er die Probleme der kleinen Handwerksbetriebe auf dem Lande kennen, die mit der fortschreitenden Industrialisierung nicht mithalten konnten. Nach einer Missernte 1846 wirkte er bei der Gründung eines Hilfskomitees zur Beschaffung von Getreide und zur Unterhaltung einer Mühle und einer Bäckerei mit. Sein soziales Engagement war wohl nicht ohne Einfluss darauf, dass er 1848 als linksliberaler Abgeordneter der Kreise Delitzsch und Bitterfeld in die Preußische Nationalversammlung gewählt wurde. Er nahm den Doppelnamen Schulze-Delitzsch an. Seinen Lebensmittelpunkt hatte Schulze bis 1861 in Delitzsch, dann bis zu seinem Tod in Potsdam.

In der Preußischen Nationalversammlung wirkte er an Kommissionen mit, die sich mit der Situation der Gewerbetreibenden befassten. Dort kam er zu dem Schluss, dass die Situation der Handwerker nur dadurch zu verbessern war, dass es ihnen ermöglicht wurde, durch genossenschaftliche Zusammenschlüsse zu der sich rasch entwickelnden Industrie aufzuschließen.

Wegen der Reaktion nach der gescheiterten Revolution 1848 war er an jeder politischen Betätigung gehindert. Er verabschiedete sich deshalb vom Staatsdienst, um sich der Verbreitung der Genossenschaftsidee zu widmen. Schulze-Delitzsch stand in dieser Zeit in reger Korrespondenz mit dem Eilenburger Arzt Anton Bernhardi, der ebenfalls konkrete Ideen zum Aufbau von genossenschaftlichen Organisationen entwickelte und umzusetzen begann. Bernhardis Arbeit hatte nicht unwesentlichen Einfluss auf Schulze-Delitzsch. In Delitzsch und in Eilenburg entstanden etwa zeitgleich erste Genossenschaften.

Mit der Gründung der Schuhmachergenossenschaft in Delitzsch 1849 hatte Schulze-Delitzsch die Genossenschaft als unternehmerische Rechtsform begründet. Nun propagierte er Spar- und Konsumvereine zur Gewährleistung der Lebensgrundlagen, Vorschuss- und Kreditvereine (die heutigen Volksbanken) zur Beschaffung von Geld für Investitionen und die Gründung von Distributiv- und Produktionsgenossenschaften. Außer mit der Idee der Produktionsgenossenschaften war er damit so erfolgreich, dass er als Dachverband den „Allgemeinen Verband der auf Selbsthilfe beruhenden Deutschen Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaften“ schaffen konnte. Das System seiner Genossenschaften beruhte auf der Solidarhaftung, dem Erwerb von Genossenschaftsanteilen, der Beschränkung aller Leistungen auf die Genossen und der Ablehnung direkter Unterstützung durch den Staat. Diese Idee von Selbsthilfe und Selbstverantwortung verteidigte er in Auseinandersetzungen mit Friedrich Wilhelm Raiffeisen und Ferdinand Lassalle.

1859 wurde er in das preußische Abgeordnetenhaus gewählt, 1861 gehörte er zu den Gründern der Deutschen Fortschrittspartei und zog mit seiner Familie nach Potsdam. Als Landtags- und – seit 1867 – Reichstagsabgeordneter setzte er das Genossenschaftsgesetz in Preußen und im Norddeutschen Bund durch, wodurch die Genossenschaften eine gesetzliche Basis bekamen und als juristische Personen die Rechtsfähigkeit erhielten.

1871 wurde er in den Deutschen Reichstag gewählt – das Mandat behielt er bis zu seinem Tod. Im Reichstag setzte er sich mit mehreren – abgelehnten – Gesetzentwürfen für ein demokratisches Vereins- und Versammlungsrecht ein. 1873 wurde ihm von der Universität Heidelberg die Ehrendoktorwürde verliehen. Er war Mitglied der Freimaurerloge Zur Beständigkeit in Berlin, einer Tochterloge der Großen Landesloge der Freimaurer von Deutschland.

Am 29. April 1883 verstarb Schulze-Delitzsch im Alter von 75 Jahren. Am 3. Mai fand in Anwesenheit seiner Familie und 150 Gästen eine Trauerfeier im Gartensaal des Reichstages statt. Anschließend führte eine Pferdegespann den Sarg unter Begleitung von über 10.000 Trauergästen zum Alten Stadtfriedhof Potsdam.

Adressen: Potsdam Friedrich-Ebert-Straße 67, Schulze-Delitzsch-Platz in Berlin mit Denkmal aus dem Jahr 1899 von Hans Arnoldt


Text: Wikipedia

Liste der Autoren

Bild: Wikimedia

Der Text und das Bild sind unter der Lizenz „Creative Commons Attribution/Share Alike“ verfügbar; zusätzliche Bedingungen können anwendbar sein. Einzelheiten sind in den Nutzungsbedingungen von Wikipedia beschrieben.