Hygienisches Institut Hamburg

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Siegelmarke Hygienisches Institut Hamburg

Gründung

Die Choleraepidemie des Jahres 1892, bei der in Hamburg von rund 17.000 erkrankten Menschen 8.605 starben, gab den Anlass zur Gründung des Instituts am 28. Dezember 1892. Um der Epidemie Herr zu werden, wurde Robert Koch an die Elbe gerufen. Über den Hygienezustand der Stadt äußerte er sich mit den Worten: „Meine Herrn, ich vergesse, dass ich in Europa bin“. Der immer größer werdende Handlungsdruck auf die Stadtregierung zwang den Senat, erste epidemiologische Gegenmaßnahmen einzuleiten. Auf Empfehlung Kochs wurden die Hygieniker Georg Gaffky und sein Assistent William Philipps Dunbar als Berater geholt. Sie richteten in der Stadthausbrücke 15 erste Untersuchungslaboratorien ein, die letztendlich in die Gründung des „Hygienischen Institut Hamburg“ mündeten. Als Direktor wurde 1893 der erst 29 Jahre alte William Philipps Dunbar ernannt. Das Aufgabengebiet umfasste im Wesentlichen schon damals das heutige Untersuchungsspektrum:

1.) Wasser, Luft, Boden, Schul- und Fabrikhygiene

2.) Nahrungsmittel und Gebrauchsgegenstände

3.) Aus- und Weiterbildung der Nahrungsmittelpolizei

Dunbar setzte durch, dass das Institut 1894 um die Außenstellen Kaltehofe zur Trinkwasseruntersuchung und 1903 die Untersuchungsstation für Importfleisch am Kuhwerder Hafen erweitert wurde. Mit dem Bezug des neuen Chemischen Staatsinstituts des Hygienischen Instituts in der Jungiusstraße 1899 konnten nun die immer umfangreicheren Aufgaben adäquat bewältigt werden. 1909 übernahm das Institut serologische Arbeiten und gründete die

4.) Serologische Abteilung.


Ära R. O. Neumann

1922 verstarb Dunbar. Im gleichen Jahr setzte die Gesundheitsbehörde den Geheimen Medizinalrat Rudolf Otto Neumann ein. 1923 wurde das Institut in Hygienisches Staatsinstitut umbenannt. Neumann war bis 1937 Direktor. Unter seiner Leitung expandierte das Institut weiter zum größten Institut seiner Art in Deutschland. So entstanden 1927 zwei weitere Abteilungen

5.) Stadtreinigung

6.) Gewerbe-, Bau-, Wohnungshygiene, Schädlingsbekämpfung, Sporthygiene, Heizung, Lüftung, Verkehrs- und Badewesen

Aus Platzmangel wurden 1930 die Serologie und Gewerbehygiene in ein Behördengebäude am heutigen Gorch-Fock-Wall ausgelagert. R. O. Neumann hat durch seine umfangreichen Lehr- und Forschungstätigkeiten und die umfangreiche, nach ihm benannte Sammlung maßgeblich an dem bis dahin guten Ruf des Instituts beigetragen.


Das Hygienische Institut zur Zeit des Nationalsozialismus

1935 entpflichtete (Rücktritt) sich Neumann, musste aber bis 1937 kommissarisch das Institut leiten, bis sein Wunsch-Nachfolger Karl Süpfle, der sich weigerte der NSDAP beizutreten, die Leitung übernehmen konnte. 1938 wurde das Institut wegen des Groß-Hamburg-Gesetzes wieder in Hygienisches Institut Hamburg umbenannt. Süpfle hatte kaum Zeit sich zu profilieren. Er wurde schon zu Beginn des Krieges als Hygiene-Berater eines Truppenverbandes eingezogen. 1942 fiel Süpfle bei Stalingrad. Während dessen Militärzeit und nach seinem Tod vertrat R. O. Neumann dessen Leitungsfunktion im Hygienischen Institut. Am 23. Juni 1943 wurde die jüdische Mitarbeiterin Frau Welker nach Theresienstadt deportiert.

Im Oktober 1943 übernahm das SS-Mitglied Horst Habs vom Hygienischen Institut der Universität Berlin die Leitung. Im Juli 1944 wurde das Hauptinstitut in der Jungiusstraße durch Bombenangriffe derart stark beschädigt, dass die Arbeit in vielen Bereichen stark reduziert, bzw. ganz eingestellt werden musste. Habs musste nach dem Krieg die Leitung an Friedrich Grunske, einen ehemaligen Flottenarzt, abgeben.


Nach dem Zweiten Weltkrieg

Friedrich Grunske übergab 1946 die Leitung dem Sozialhygieniker Hans Harmsen. Aufgrund der starken Beschädigung des Hauses in der Jungiusstraße musste das Institut in das Gebäude am Gorch-Fock-Wall umziehen. Das Haus an der Jungiusstraße wurde später abgerissen. Mit der wirtschaftlichen Erholung Deutschlands wurde auch das Arbeitspensum immer größer und spezialisierter. Als Folge wurde das Institut 1951 neu geordnet und in vier Anstalten gegliedert.

1.) Lehranstalt für Allgemeine und Soziale Hygiene

2.) Medizinaluntersuchungsanstalt (MUA)

3.) Chemische- und Lebensmitteluntersuchungsanstalt (CLUA)

4.) Untersuchung für Städtehygiene

Überlegungen, ein neues Institutsgebäude zu bauen, wurden 1962 aufgrund der Flutkatastrophe trotz weit vorangeschrittener Planung zurückgestellt und letztendlich verworfen. Andere Gesundheitsprojekte wie zum Beispiel der Bau von Krankenhäusern bekamen den Vorrang.

1969 endete das Arbeitsverhältnis Harmsens am Institut. Harmsen, hoch dekoriert und anerkannt, war im Nachhinein äußerst umstritten. Äußerungen vor und während der Nazi-Herrschaft bezüglich Euthanasie und rassistischer Ideen schadeten ihm. So musste er seine Mitgliedschaft in der von ihm gegründeten Pro Familia 1984 abgeben und von seiner Ehrenpräsidentschaft zurücktreten. Die Nachfolge übernahm der Leiter der Abteilung Untersuchung für Städtehygiene Effenberger. Nach kleineren Neustrukturierungen erfuhr das Hygienische Institut 1970 eine erneute Umorganistation.

1.) Anstalt für Hygiene (H)

2.) Medizinaluntersuchungsanstalt (MUA)

3.) Chemische- und Lebensmitteluntersuchungsanstalt (CLUA)

4.) Zentralinstitut für Arbeitsmedizin (ZfA)

Zusätzlich wurde die Leitung der Anstalt neu geregelt. Danach wurde die Geschäftsführende Leitung turnusmäßig alle zwei Jahre an die jeweiligen Abteilungsleiter vergeben. 1980 schied Effenberger aus, da die Anstalt für Hygiene (H) ausgegliedert und der 1978 neugeschaffenen Behörde für Bezirksangelegenheiten, Natur- und Umweltschutz (BBNU) angegliedert wurde. Vier Jahre später wurde die Desinfektionsanstalt dem Institut neu zugeordnet. Folgende Professoren leiteten bis 1995 das Institut: Winkle (MUA), Schneider (CLUA), Lehnert (ZfA), Bockemühl (MUA), und Montag (CLUA). Ab 1984 teilten sich Montag und Bockemühl alle zwei Jahre die Leitung.

Das Gebäude am Gorch-Fock-Wall wurde renovierungsbedürftig. Eine Renovierung zur Labornutzung wäre zu teuer geworden. So entschloss sich der Senat, das ehemalige Kinderkrankenhaus in der Marckmannstraße im Stadtteil Rothenburgsort als neuen Standort für das Hygienische Institut umzubauen. Im Februar 1986 begann der Umzug des Instituts. Im April geschah der AKW-Unfall in Tschernobyl, der das Institut auf eine leistungsmäßige Bewährungsprobe stellte. Es musste parallel zum Umzug unter Hochdruck Analytik auf radioaktive Kontamination betrieben werden.

Aufgrund der immer knapper werdenden Kassen wurde 1993 ein Organisationsgutachten erstellt, das 1995 in einer organisatorischen Straffung, besonders bei der CLUA, mündete. Zusätzlich gliederte man das ZfA wegen seiner wissenschaftlichen Andersartikeit aus. Die BBNU wurde aufgelöst und als Behörde für Gesundheit, Arbeit und Soziales (BAGS) neu organisiert. Auch wurde die Führungsstruktur geändert. Seither leitet das Institut ein kaufmännischer Geschäftsführer, dem beratend ein wissenschaftlicher Sprecher zur Seite steht. Die beiden einzelnen Anstalten mit ihren Unterabteilungen wurden aufgelöst und in insgesamt sechs Abteilungen gegliedert. Zwei Jahre später wurde die Veterinär-Untersuchungsanstalt aufgelöst und als siebte Abteilung dem Institut zugewiesen. Im gleichen Jahr 1997 wurde das Institut in Hygiene Institut Hamburg (HI) umbenannt. Ebenfalls neu wurde das Impfzentrum mit dem Umzug in die Nähe der U-Bahn Burgstraße als achte Abteilung neu geordnet. In der Folgezeit änderte der Senat die Zuordnung des Instituts häufiger. 2003 wurde die 1980 ausgegliederte Anstalt für Hygiene (H), die seit 1995 auf dem Gelände des Hygiene-Instituts in einem Neubau untergebracht ist, wieder dem Institut angeschlossen. So wurde die Struktur neu gegliedert. Die nun als Institut für Hygiene und Umwelt, kurz HU, bezeichnete Institution besteht heute aus vier Bereichen:

HU-1 Verwaltung,

HU-2 Lebensmittelsicherheit und Zoonosen,

HU-3 Hygiene- und Infektionsmedizin und

HU-4 Umweltuntersuchungen.


Gebäude

Das Gebäude besteht aus drei verschiedenen Baukomplexen. Der westliche Block ist eine ehemalige Realschule von 1914 im Heimatstil. Der Bauschmuck und der Brunnen stammen von Richard Kuöhl. Der östliche Block ist das ehemalige private Kinderkrankenhaus Rothenburgsort (1898–1982). An seinem Eingang erinnert eine Gedenktafel an die Tötung von mindestens 56 Kindern in der dortigen Kinderfachabteilung unter dem Leiter Wilhelm Bayer während der NS-Zeit vor dem Hintergrund der so genannten Kinder-Euthanasie:

„In diesem Gebäude wurden zwischen 1941 und 1945 mehr als 50 behinderte Kinder getötet. Ein Gutachterausschuss stufte sie als unwertes Leben‘ ein und wies sie zur Tötung in die Kinderfachabteilungen ein. Die Hamburger Gesundheitsabteilung war daran beteiligt. Hamburger Amtsärzte überwachten die Einweisung und Tötung der Kinder. Ärzte des Kinderkrankenhauses führten sie durch. Keiner der Beteiligten wurde dafür gerichtlich belangt.“

Noch mehr Hamburger Kinder wurden in Lagern und Tötungsanstalten umgebracht. Die Tafel wurde am 9. November 1999 von Sozialsenatorin Karin Roth enthüllt. Fast 10 Jahre später, am 9. Oktober 2009, wurden von Sozial- und Gesundheitssenator Dietrich Wersich sowie der hamburgischen Landesbischöfin Maria Jepsen 35 Stolpersteine im Gedenken an die ermordeten Kinder enthüllt. 33 Stolpersteine wurden den inzwischen namentlich bekannten Kindern gewidmet. Ein weiterer Stein wurde für all jene Kinder gesetzt, deren Namen noch nicht in Erfahrung gebracht werden konnten. Mit dem 35. Stolperstein wird an Carl Stamm erinnert. Der ehemalige Chefarzt des Kinderkrankenhauses Rothenburgsort wurde wegen seiner jüdischen Herkunft von den Nazis verfolgt. Der drohenden Deportation entzogt sich Stamm 1941 durch Suizid.

Über dem Eingang befindet sich die lebensgroße Statue einer Mutter mit Säugling, ebenfalls gestaltet von Richard Kuöhl.



Text: Wikipedia

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