Jever

Aus veikkos-archiv
Version vom 13. Januar 2022, 12:11 Uhr von WikiSysop (Diskussion | Beiträge)
(Unterschied) ← Nächstältere Version | Aktuelle Version (Unterschied) | Nächstjüngere Version → (Unterschied)
Wechseln zu: Navigation, Suche

Jever ist die Kreisstadt des Landkreises Friesland in Niedersachsen.

Reklamemarken und Siegelmarken

Verzeichnis der sortierten Reklamemarken und Siegelmarken mit einem Bezug zu Jever.

Maria Clementine Martin

Sonstige

Geschichte

Archäologische Funde lassen auf eine sehr frühe Besiedlung des jeverschen Stadtgebietes schließen. Mehrere Hügelgräber in der Nähe von Nobiskrug bei Sandelermöns,[5] die gegen Ende des 19. Jahrhunderts noch vorhanden waren, sowie weitere Werkzeugfunde (zum Beispiel der Feuersteindolch von Addernhausen und die Feuersteinsichel aus Mennhausen) belegen eine Besiedlung des Jeverlandes für die jüngere Steinzeit.[6] Auch für die späteren Epochen lassen sich eine große Zahl von Kultur- und Siedlungsspuren nachweisen. Dazu gehören eine Bronzelanzenspitze (Fundort: Möns), ein Tüllenbeil (Fundort: Grappermöns) sowie zahlreiche Urnenfunde (Urnenfriedhof von Gottels, Urnenfriedhof Jever). Sie verweisen auf das 6. Jahrhundert vor Christus.

Um die Zeitenwende – so vermutet man[7] – war das Jeverland Siedlungsgebiet der Chauken. Um 826 kam Jever unter die Herrschaft des dänischen Fürsten Hariold. Er hatte sich taufen lassen und war dafür von Ludwig dem Frommen mit der Grafschaft Rüstringen, zu der damals auch Jever gehörte, belehnt worden. Das legendäre Kudrunlied aus dem 13. Jahrhundert berichtet über die Dänenherrschaft in Friesland und vom dänischen Sänger Horand, der gen „Givers“ auf dem Sande ritt. Eine weitere Nennung des Stadtnamens erfolgte 1158 als „Geverae“, der latinisierten Form des niederdeutschen Geveren oder Gaveren („Weideland“, im übertragenen Sinne auch „Thingstätte“).

In Jever geprägte Münzen,[8] die am Finnischen Meerbusen und im Wartheland gefunden worden sind, lassen die Bedeutung Jevers als Handelsort erahnen. Im 10. und 11. Jahrhundert war Jever Seehafen und hatte Seezugänge zur Harlebucht und zur Jade. Allerdings versandeten die Seezugänge im Laufe der Zeit, später sorgten Eindeichungen dafür, dass die Stadt heute tief im Binnenland liegt. Dennoch behielt Jever seine Bedeutung als Handelsort und Endpunkt eines bedeutenden Heerweges. Über das Hooksieler Tief konnte der Hafen an der Schlachte weiterhin von kleineren Schiffen angelaufen werden.

Aus den Zeiten Jevers als Seehandelsplatz stammt die bisher nur wenig erforschte Burg auf dem Woltersberg am Nordostrand der Stadt. Der mächtige Burghügel erbrachte bei Begehungen Fundmaterial des 9. bis 14. Jahrhunderts. Seine historische Rolle ist unklar, in ihm wird der Sitz der Amtsgrafen von Östringen gesehen.[9]

1546 entstand Hooksiel als Vorhafen von Jever. Mit dem Ausbau befestigter Straßen von Jever nach Hooksiel verlor der Schiffstransport und somit der Hafen an Bedeutung. Heute erinnert nur ein Spielschiff mit einem Kinderspielplatz, der einem Hafenbecken nachempfunden ist und der Platzname Schlachte an den ehemaligen Hafen.

Ungeklärt ist die Rolle der Burgstelle Dannhalm am Nordwestrand von Jever. Möglicherweise war sie der Standort einer Burg der Östringer, die nach der historischen Überleiferung 1149 kurzzeitig von den Harlingern besetzt worden war. Als weitere Möglichkeit wurde aufgrund des Namens angenommen, dass es sich um eine Verteidigungsanlage gegen die Dänen aus dem 8./9. Jahrhundert handelte. Da bislang keine Ausgrabungen stattgefunden haben und solche wegen der weitgehenden Zerstörung des ca. 50 m breiten Hügels durch militärische Einbauten des Zweiten Weltkriegs auch wenig erfolgsversprechend wären, bleiben alle Annahmen zum historischen Kontext bloße Hypothesen. Ein noch 1786 vorhandener, breiter Wassergraben ist heute ebenso verschwunden wie ein noch im 19. Jh. existenter zweiter Hügel, der Kleine Dannhalm.[10]

Herzöge aus Sachsen und anschließend die Welfen waren weitere Herren des Jeverlandes. Spätestens am Ende des 12. Jahrhunderts kam Jever unter die Herrschaft Oldenburgs. Ein Schreiben, das die Östringer zwischen 1271 und 1285 an König Philipp III. von Frankreich richteten, lässt auf eine „Demokratisierung“ des Östringerlandes schließen. Darin heißt es, dass die Östringer keinem Fürsten Untertan sind, sondern ihre Richter und Häuptlinge selbst wählen (Friesische Freiheit).

1347 wurden die Einwohner Jevers bereits als Stadtbürger bezeichnet. Um 1400 sind enge Handelsbeziehungen zu den Vitalienbrüdern bezeugt. Bekannteste Vertreter dieser Piratengenossenschaft, die sich auch die „Likedeeler“ nannten, waren Klaus Störtebeker und Goedeke Michels.

Der letzte Häuptling des Jeverlandes war Edo Wiemken der Jüngere, der 1505 den Bau des Schlosses vollendete und dessen Grabmal sich in der Stadtkirche befindet. Für eine Interimszeit kam Jever unter die Herrschaft des ostfriesischen Grafen Edzard des Großen. Fräulein Maria, Erbtochter Edo Wiemkens, stellte jedoch die jeversche Unabhängigkeit ab 1532 kurzzeitig wieder her. Unter ihrer Regentschaft erhielt Jever 1536 offiziell die Stadtrechte (kodifiziert 1572) und bezeichnet sich bis heute als „Marienstadt“. Am 20. Februar 2016 wurde vom Landesfrauenrat Niedersachsen in Jever der frauenORT Maria von Jever eröffnet.[11]

Nach Maria fielen Jever und das Jeverland, die Herrschaft Jever, 1575 an Oldenburg. 1667 kam Jever zum Fürstentum Anhalt-Zerbst. Da in Anhalt-Zerbst die männliche Erbfolge galt, wurde 1797, nach dem Tod des letzten männlichen Erben in der Zerbster Fürstenfamilie im Jahre 1793, dieses Fürstentum zwischen den anderen anhaltischen Fürstentümern aufgeteilt. Jedoch wurde das Jeverland aufgrund seines Sonderstatus als Kunkellehen an die nächstfolgende Erbin, die russische Zarin Katharina II., eine Schwester des letzten Zerbster Fürsten, weitergegeben. Somit wurde Jever bis zur Besetzung durch französische Truppen von 1807 „über Russland regiert“. 1807 wurde es mitsamt Ostfriesland als Département Ems-Oriental an das Königreich Holland angegliedert, 1810 kam es mitsamt Holland direkt zum Kaiserreich Frankreich und stand dann bis 1813 unter napoleonischer Herrschaft. Nach dem Sturz Napoleons kehrte Jever in den Besitz der russischen Krone zurück, die es 1818 an das Großherzogtum Oldenburg abtrat.

1844 erhielt Jever ein neues Stadtrecht, am 1. Mai 1856 das Stadtrecht 1. Klasse (ähnlich einer heutigen „kreisfreien Stadt“).

1871 wurde Jever von Sande aus an das Eisenbahnnetz angeschlossen. Bereits zwei Jahre später kam es zu einem Ausbau der Strecke in Richtung Wittmund. Ab 1881 bestand eine durchgängige Eisenbahnverbindung über Wittmund, Esens und Dornum nach Norden und ab 1888 ein Bahnanschluss nach Carolinensiel. Das jeversche Bahnhofsgebäude besitzt bis heute einen repräsentativen Charakter und verfügte über einen ausschließlich für den Oldenburger Großherzog bestimmten Wartesaal.

Auch der Straßenbau wurde im 19. Jahrhundert vorangetrieben. 1836 wurde zwischen Sande und Jever die erste gepflasterte Landstraße angelegt und in der Folgezeit bis an die oldenburgische Staatsgrenze in Richtung Wittmund verlängert. Anfang der 50er Jahre des 19. Jahrhunderts ließ der Großherzog eine sogenannte Staatschaussee anlegen, die Jever mit Oldorf und Hohenkirchen verband. Etwas später folgte eine Pflasterstraße nach Waddewarden und von dort über Federwarden und Heppens ins neu entstehende Wilhelmshaven.

Nach dem Ersten Weltkrieg wandelte sich das bis dahin liberale politische Klima der Stadt. Verantwortlich dafür war unter anderem der Gymnasiallehrer Oskar Hempel, der einen völkischen Extremismus vertrat und mit seinen antisemitischen Ansichten in der Folgezeit einen starken Einfluss auf die jeversche Oberschicht gewann.[12] 1920 kam es zur Gründung einer Ortsgruppe des rassistischen und antisemitischen Deutschvölkischen Schutz- und Trutzbundes, der am 6. Juli für den Freistaat Oldenburg verboten wurde. Zu seinen 34 Mitglieder gehörten fast ausschließlich bekannte jeversche Bürger, darunter Beamte, Lehrer des Mariengymnasiums und der Direktor des städtischen Lyzeums. Auch die ehemals liberale Tageszeitung Jeversche Wochenblatt stellte sich unter ihrem Chefredakteur Friedrich Lange ganz in den Dienst der deutschvölkischen Bewegung, die 1924 als Völkisch-sozialer Block an den Reichstagswahlen teilnahm. Während im Reich der Völkisch-soziale Block nur 6,6 % der Stimmen erhielt, gaben im Jeverland 22,6 % der Wähler ihre Stimme dieser nationalsozialistischen Sammlungsbewegung. Bei den Reichstagswahlen 1928 erzielte die NSDAP zwar nur 10,9 % der jeverländischen Wählerstimmen, 1930 waren es aber schon 44,8 %. Die jeversche Kommunalwahl von 1930 brachte der NSDAP ein Drittel der Stadtratsitze und das Amt des Vorsitzenden. Die traditionellen Parteien der Gewerbetreibenden und Landwirte wurden bedeutungslos. Nur die Sozialdemokraten und die Kommunisten konnten bei diesen Wahlen ihren Anteil von etwa 25 % der abgegebenen Stimmen halten. Bei den Wahlen zum Oldenburger Landtag 1931 erreichte die NSDAP über 55, bei den Neuwahlen 1931 knapp 64 Prozent insgesamt. In der Stadt Jever waren es 57,2 % der Wähler, die den Nationalsozialisten 1931 ihre Stimme gaben. Am 12. Mai 1931 stattete Adolf Hitler der Stadt Jever einen Besuch ab und sprach in der Landwirtschaftshalle vor rund 4000 Zuhörern. Fotos von der Rede wurden in dem 1932 erschienenen Propagandabuch Hitler wie ihn keiner kennt verwendet.[13] Gut ein Jahr nach Hitler besuchte Joseph Goebbels die Marienstadt und hielt einen Propagandavortrag im vollbesetzten Saal des Schützenhofes. Die Reichstagswahlen im März 1933 erbrachten für die NSDAP 60,1 % und für die Deutschnationale Volkspartei 12,6 % der jeverschen Stimmen. Damit unterstützten knapp 73 Prozent der Wähler in Jever den Nationalsozialismus. Im Reichsdurchschnitt waren es nur knapp 52 Prozent.[14]

Kurz vor Ende des Zweiten Weltkriegs wollte die NSDAP-Kreisleitung Jever trotz der aussichtslosen militärischen Lage gegen die anrückenden alliierten Kräfte verteidigen. Am 3. Mai 1945 versammelten sich rund 2000 Jeveraner vor dem Schloss und protestierten gegen die sinnlose Verteidigung der Stadt. Mutige Bürger unter ihnen hissten die weiße Fahne auf dem Schlossturm, entwaffneten die NSDAP-Kreisleitung und erreichten so die Aufgabe weiterer sinnloser Verteidigungsmaßnahmen. An das Ereignis erinnert eine 1995 zum 50. Jahrestag eingeweihte Bronzetafel an der Schlossmauer.

Im Rahmen der Oldenburgischen Verwaltungsreform von 1933 wurde das Amt Jever mit dem größten Teil des Amtes Varel zum Amt Friesland vereinigt. Am 1. Januar 1939 erhielt das Gebiet seine heutige Bezeichnung „Landkreis Friesland“, immer noch im Land Oldenburg, das erst 1946 zum neu gegründeten Land Niedersachsen kam.

Am 1. August 1977 trat eine weitere Kreisreform in Kraft, durch die der Landkreis Friesland in seiner bisherigen Form aufgelöst wurde. Die Gemeinden Bockhorn und Zetel sowie die Stadt Varel wurden dem Landkreis Ammerland angegliedert. Die Stadt Jever und die Gemeinden Sande, Schortens, Wangerland und Wangerooge wurden mit dem ostfriesischen Landkreis Wittmund zum neuen Großlandkreis Friesland zusammengefasst. Jever verlor seinen Kreissitz, neuer Kreissitz des Großlandkreises Friesland wurde stattdessen Wittmund.[15]

Aufgrund verschiedener Verfassungsklagen vor dem niedersächsischen Staatsgerichtshof in Bückeburg wurde die Kreisreform in Teilen für verfassungswidrig erklärt und dem niedersächsischen Landtag eine Überarbeitung des Gesetzes für den Raum Ammerland/Friesland nahegelegt. Zum 1. Januar 1980 wurde die Neugliederung des Raumes Friesland/Wittmund zurückgenommen und die Landkreise Ammerland, Friesland und Wittmund in ihrer bisherigen Form wiederhergestellt. Kreisstadt ist seitdem wieder die Stadt Jever.

Im Jahr 2008 begannen die Planungen einer privaten Investorengruppe zur Errichtung eines neuen Altstadtquartiers in Jever. Einbezogen wurde der Innenstadtbereich zwischen der Großen und Kleinen Wasserpfortstraße sowie der St. Annen- und Steinstraße. Nach dem Abriss der vorhandenen Bebauung im Jahr 2010 wurden zwei Wohn- und Geschäftsblöcke mit einem Supermarkt und einem Seniorenzentrum errichtet. Wichtigster Baustein des Projektes sollte neben der Belebung der Altstadt die Schaffung von ausreichend Parkraum für diesen Bereich sein. Erreicht werden soll dies durch eine neue Tiefgarage unterhalb des Altstadtquartiers. Das Bauprojekt, das Anfang 2011 den Namen St.-Annen-Quartier erhielt, wurde am 14. September 2013 eingeweiht.[16]

Im Jahr 2011 feierte Jever mit verschiedenen Veranstaltungen das Jubiläum „475 Jahre – Stadt Jever“ und damit die Vergabe der Stadtrechte von 1536.[17]


Text: Wikipedia

Liste der Autoren

Der Text ist unter der Lizenz „Creative Commons Attribution/Share Alike“ verfügbar; zusätzliche Bedingungen können anwendbar sein. Einzelheiten sind in den Nutzungsbedingungen von Wikipedia beschrieben.