Justus-Liebig-Universität Gießen

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Die Justus-Liebig-Universität Gießen (JLU) ist mit über 26.000 Immatrikulierten die zweitgrößte hessische Hochschule. Die Universität in Gießen wurde 1607 von Landgraf Ludwig V. von Hessen-Darmstadt gegründet und hieß bis 1945 nach ihrem Gründer Ludwigsuniversität (latinisiert Ludoviciana). Nach dem Zweiten Weltkrieg bestand sie zunächst als Hochschule für Bodenkultur und Veterinärmedizin weiter. Um an die Tradition ihrer Vorgängerin anzuknüpfen, nannte sie sich nach deren berühmtestem Wissenschaftler, dem Chemiker Justus Liebig. 1957 erlangte sie wieder den Status einer Volluniversität. Sie ist die zweitälteste Universität ihres heutigen Bundeslandes. Im Gegensatz zur Philipps-Universität Marburg, der ältesten Volluniversität in Hessen, war die JLU Gießen kontinuierlich Landeshochschule.

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Geschichte

Die Universität Gießen gehört zu den alten Hohen Schulen des deutschen Sprachgebiets. Sie entstand im zweiten großen Gründungszeitalter der mitteleuropäischen Universitäten, dem konfessionellen, das von der 1527 errichteten evangelischen Marburger Universität eingeleitet wurde. Nachdem die Universität Marburg, die nach der Teilung Hessens zunächst als hessische Samtuniversität gegolten hatte, 1605 calvinistisch geworden war, gründete Landgraf Ludwig V. von Hessen-Darmstadt eine eigene Hohe Schule in Gießen, die als lutherische Anstalt vorrangig die Ausbildung von Pfarrern und Beamten gewährleisten sollte. Ausgestattet mit einem Privileg Kaiser Rudolfs II, erteilt am 19. Mai 1607, konnte sie im Oktober 1607 ihren Lehrbetrieb aufnehmen. Während des Dreißigjährigen Krieges, als Hessen-Darmstadt vorübergehend das Gebiet um Marburg für sich in Besitz nehmen konnte, kam es zur Aufhebung der Universität in Gießen und ihrer Verlegung an den traditionsreicheren Standort Marburg (1624/25). Der Westfälische Friede führte zur Wiederherstellung der alten Verhältnisse und 1650 zur Rückführung der Universität nach Gießen.

Im 17. und 18. Jahrhundert war die Ludoviciana eine typische kleine Landesuniversität mit den damals üblichen vier Fakultäten (Theologie, Jurisprudenz, Medizin und Philosophie). Der Lehrbetrieb war überschaubar, etwa 20 bis 25 Professoren unterrichteten mehrere hundert Studenten, letztere waren meist „Landeskinder“. Im 18. Jahrhundert kam es – maßgeblich beeinflusst vom landesherrlichen Hof in Darmstadt – zu einer allmählichen Modernisierung der Lehrinhalte und zu Reformen im Lehrbetrieb. Vorbild für die auf den Weg gebrachten Reformmaßnahmen waren die beiden „Musteruniversitäten der Aufklärung“, die 1694 gegründete Universität Halle und mehr noch die 1734/37 in Göttingen errichtete Georgia Augusta. Allerdings waren allen Reformbestrebungen durch die knappen Finanzen des Trägerstaats Hessen-Darmstadt von vornherein Grenzen gesetzt. So war auch der beachtenswerte Aufbau einer Ökonomischen Fakultät (1777–1785) letztlich aus der Not geboren. In ihr waren neue praxisnahe Fächer zusammengefasst (Veterinärmedizin, Land- und Forstwissenschaft, Kameralwissenschaft), die die Universität „brauchbar“ und „einträglich“ machen sollten. Nach dem frühen Ende dieser Fakultät konnten einige dieser jungen, noch um Anerkennung ringenden Disziplinen in der Medizinischen und in der Philosophischen Fakultät fortdauern. Sie begründeten das bis heute bestehende ungewöhnlich vielfältige Fächerprofil der Universität Gießen.

Den Übergang vom 18. zum 19. Jahrhundert überstand die Ludoviciana unbeschadet, sie war weiterhin die einzige Universität eines nun größer gewordenen Landes, des Großherzogtums Hessen. Neben Jena war Gießen der Prototyp der politisierten Vormärz-Universität, die „Gießener Schwarzen“ mit Karl Follen und Georg Büchner kennzeichnen den revolutionären Geist dieser Jahrzehnte. Mit der Berufung des 21-jährigen Justus von Liebig 1824 durch den Großherzog – gegen den Willen der Universität auf Empfehlung Alexander von Humboldts – begann eine neue Ära in den Naturwissenschaften, nicht nur in Gießen. Junge, viel versprechende Wissenschaftler bewirkten neue Impulse in ihren jeweiligen Wissensgebieten; zu nennen sind hier unter anderem der Altertumswissenschaftler Friedrich Gottlieb Welcker, der Jurist Rudolf von Jhering, der Theologe Adolf von Harnack und der Physiker Wilhelm Conrad Röntgen.

An der Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert begann der Ausbau der Ludoviciana zur modernen Universität, es wurden die neuen Kliniken der Humanmedizin und Veterinärmedizin errichtet und die Universitätsbibliothek erhielt ihr erstes zweckmäßiges Gebäude. Mit der Errichtung des Universitäts-Hauptgebäudes (eingeweiht 1880) und den angrenzenden Neubauten für die Chemie und Physik entstand am Rande des damaligen Stadtgebiets ein neues Zentrum. Maßgeblicher Förderer dieser Bauprojekte war der letzte Großherzog Ernst Ludwig, dem die Universität aus Dankbarkeit den ehrenvollen Titel eines „Rector Magnificentissimus“ verlieh. Im Jahr 1902 überschritt die Studentenzahl die Grenze von eintausend. Erstmals befanden sich unter den Studierenden nun auch Frauen, die seit 1900 als Hospitantinnen und seit 1908 zum ordentlichen Studium an der Universität Gießen zugelassen waren.

Mit dem Ende des Ersten Weltkriegs begann für die Ludoviciana eine Zeit der Krisen. Unter schwierigen Rahmenbedingungen im Volksstaat Hessen seit 1919 musste die Universität mehr und mehr um ihre Existenz fürchten. Diese Situation verstärkte sich noch während des NS-Regimes, als die zunächst noch bei den Ländern verbliebenen Hoheitsrechte 1934 an das Reich übergingen und man eine einheitliche Hochschulverwaltung aufzubauen begann. Die bald nach der Machtergreifung erklärte Absicht der Reichsregierung, die Zahl der Universitäten zu verringern, bedrohte gerade kleinere Hochschulen vom Zuschnitt Gießens. Um eine mögliche Schließung abzuwenden, waren die Professoren und Dozenten der Ludwigs-Universität – teils aus Überzeugung, oft aus Opportunismus – besonders bemüht, den nationalsozialistischen Machthabern entgegenzukommen. Bücherverbrennung, die Vertreibung von Professoren aus dem Amt, die Ausgrenzung jüdischer Studierender, ein Rektor in Uniform, die Aberkennung von Doktorgraden – alles dieses führte dazu, dass akademische Werte in beschämender Weise missachtet wurden. Der starke Rückgang der Studentenzahlen und extreme Umschichtungen, durch die einzelne Fakultäten entgegen dem universitären Grundgedanken bevorzugt wurden, stellten den Fortbestand der Ludwigs-Universität weiter in Frage, bevor im Dezember 1944 Stadt und Universität Gießen durch Bombenangriffe zu einem großen Teil zerstört wurden. In langwierigen Verhandlungen mit der Regierung des neuen Landes Groß-Hessen und dem Universitätsoffizier der amerikanischen Besatzungsmacht zeichnete sich in den ersten Nachkriegsmonaten das Ende der Ludwigs-Universität ab. An ihre Stelle trat im Mai 1946 die „Justus-Liebig-Hochschule für Bodenkultur und Veterinärmedizin“, in der zunächst nur diejenigen Disziplinen überlebten, die an den übrigen hessischen Hochschulen nicht vertreten waren. Erst im Jahr 1957 wurde der Universitätsstatus wiederhergestellt. Es begann eine beispiellose Wachstumsphase, die die Professorenzahl verzehnfachte und die Studentenzahl verzwanzigfachte. So wuchs die Justus-Liebig-Universität zur zweitgrößten hessischen Hochschule heran. Zu diesem Wachstum trugen auch die Studentinnen bei, die seit Anfang der 1960er Jahre in nie gekanntem Ausmaß an die Universität Gießen strömten (heute liegt der Anteil der weiblichen Studierenden in Gießen bei ca. 66 %). Dieses Wachstum endete erst durch die Konjunkturwende von 1973/74.

Von der JLU ausgehend begann im Herbst 1997 eine bundesweite Protestwelle: der Studentenstreik 1997, genannt Lucky Streik. Die mehrwöchige Schließung der Universität, bei der unter anderen das Hauptgebäude besetzt wurde, ging einher mit Demonstrationen und Protesten, die bis zum Beginn des Frühjahrs 1998 anhielten. Gründe für den Streik waren u. a. die geringe finanzielle Ausstattung der Hochschulen und überfüllte Veranstaltungen.

Am 26. April 2006 sprach sich der Senat mit großer Mehrheit gegen die Einführung von Studiengebühren aus. Entgegen diesem Votum begann die Universitätsleitung aber bereits früh damit, die zusätzlichen Mittel zu verplanen. Darüber hinaus legte die Universität Beschwerde gegen eine Entscheidung des Gießener Verwaltungsgerichts ein, dem zufolge Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit des Studienbeitragsgesetzes bestehen (30. November 2007). Im abschließenden Urteil vom 27. März 2008 erklärte der Hessische Staatsgerichtshof die Studiengebühren für verfassungskonform; sie wurden aber zum 1. Juli 2008 durch den Hessischen Landtag wieder abgeschafft.



Text: Wikipedia

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