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Kaltennordheim

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altennordheim ist eine Kleinstadt in der Rhön im Landkreis Schmalkalden-Meiningen in Thüringen.

Reklamemarken und Siegelmarken

Geschichte

Grafen von Henneberg

Der Ort wurde bei einer Güterschenkung als „Nordheim im Tullifeld“ im Jahre 795 erstmals urkundlich erwähnt, der Ort ging in den Besitz des Fuldaer Reichsklosters über. Kaltennordheim befand sich in einer Grenzregion des Ostfrankenreiches, die militärisch durch einen Markgrafen verwaltet wurde; dessen Burg befand sich wohl oberhalb Neidhartshausen. Der Verwaltungsmittelpunkt der Cent befand sich im Nachbarort Kaltensundheim. 1145 wurde Kaltennordheim das Marktrecht erteilt. Die Grafen von Nithardishusen waren vermutlich mit den Grafen von Henneberg verwandt, die nach ihrem Aussterben im 13. Jahrhundert den Grundbesitz erbten.

Die Errichtung der Merlinsburg fand wohl noch im 13. Jahrhundert statt, in einer von Bürgerkriegen und Kämpfen geprägten Zeit (Thüringer Erbfolgekrieg). Im 14. Jahrhundert war das Henneberger Grafengeschlecht in mehrere Seitenlinien aufgeteilt, ein Graf Berthold von Henneberg-Schleusingen erwarb von seinen Vettern die Cent Kaltensundheim mit Reichenhausen, Erbenhausen, Oberweid, Unterweid, Kaltenwestheim und Kaltennordheim. 1334 wurde das erste Mal ein Amt Kaltennordheim erwähnt. Graf Johann I. von Henneberg-Schleusingen († 1361), der nach dem Tod seines Bruders Heinrich VIII. 1347 Kaltennordheim bei der Erbteilung mit seiner Schwägerin Jutta von Brandenburg erhielt, versetzte es mit Roßdorf und Barchfeld im Jahre 1350 dem Stift Fulda. Die Wiedereinlösung geschah erst durch Graf Wilhelm II. von Henneberg-Schleusingen († 1426) im Jahre 1419.

Diesem folgte sein Bruder, der streitsüchtige Graf Heinrich XI. (VIII.) von Henneberg-Schleusingen (* 1422; † 1475) (der Unruhige). Seine von 1445 bis 1475 dauernde Regentschaft war von zahlreichen Fehden und Konflikten mit den Nachbarherrschaften geprägt. Als Amtssitz diente die Merlinsburg, eine 1634 zerstörte Wasserburg.

Der Bauernkrieg von 1525 erreichte auch das obere Feldatal und hatte die Erstürmung des Klosters Zella zur Folge. Die Bauern bedrohten auch die Merlinsburg, Sitz des Amtmanns Tham von der Tann. Eine Belagerung wurde rasch abgebrochen, die Bauern zogen nach Oberweid ab.[4]

Am 12. Oktober 1562 erhielt Kaltennordheim vom Graf Wilhelm von Henneberg das Stadtrecht verliehen. Zu den Privilegien gehörte das Recht auf eine politisch selbständige Stadtverwaltung, ein Stadtwappen, das Stadtrecht sowie eigene (Handels-)Maße und andere Bestimmungen. Seit 1563 wird in Kaltennordheim zu Pfingsten der „Heiratsmarkt“ abgehalten. Ursprünglich war es ein gewöhnlicher Warenmarkt von überregionaler Bedeutung. Die Bauernsöhne der abgelegenen Höfe und Landgemeinden nutzten die seltene Gelegenheit, ihre Höfe auch zur Brautschau zu verlassen, daraus entwickelte sich das größte Volksfest in der Thüringer Rhön.[4]

Sachsen-Weimar-Eisenach

Mit dem Tod des Grafen Ernst von Henneberg im Jahr 1583 erlosch das einst mächtige Henneberger Grafenhaus, ein Erbvertrag regelte die Erbfolge der einzelnen Landesteile. Das Amt Kaltennordheim und das Amt Fischberg fielen an das Herzogtum Sachsen (1547–1572) (Ernestiner). Die neuen Landesherren hoben 1601 die bestehenden Centbezirke auf und veranlassten die Aufwertung Kaltennordheims durch die Einrichtung eines Amtsgerichts. Im Dreißigjährigen Krieg wurde das Gebiet mehrfach von Durchzügen und Kampfhandlungen betroffen. Die Leidenszeit begann 1622 mit Truppendurchmärschen, auch die Pest und andere Seuchen wurden eingeschleppt. Als Höhepunkt der Leiden blieb der Einfall der in kaiserlichen Diensten stehenden Reiter Isolanis in Erinnerung. Die Burg und ein Großteil der Stadt wurden am 12. Oktober eingenommen, eingeäschert und ausgeplündert, viele Einwohner der umliegenden Orte hatten sich zuvor in die als sicher eingeschätzte Stadt geflüchtet. 1635 raffte die Pest den Großteil der verbliebenen Bevölkerung hinweg, es kam zu Hungersnöten. 1993 fand man bei Schachtarbeiten an der Friedhofsmauer eine Grube mit zahlreichen Skeletten, die als Massengrab von Pesttoten gedeutet wurde.[4]

Nach der Aufteilung der Grafschaft Henneberg im Jahr 1660 fiel die Stadt an die Herzöge von Sachsen-Weimar. Nach dem zögerlichen Wiederaufbau der Stadt fielen 1719 erneut 42 Wohngebäude, 47 Stallungen und 18 Scheunen einem Großbrand zum Opfer. Für die Amtsverwaltung wurden 1752 bis 1754 im ehemaligen Schlossgelände Neubauten errichtet, auch ein Amtsgefängnis entstand. 1780 besuchte der Weimarer Herzog die neu angelegten Bergwerksanlagen von Kaltennordheim. Mit dem Abbau von Braunkohle waren große Erwartungen verbunden. Im Auftrag des Herzogs Carl August wurde auch Johann Wolfgang von Goethe als Staatsminister mehrfach nach Kaltennordheim beordert, im Jahr 1780 schrieb er in seinem Quartier das Gedicht „Meine Göttin“.[4] Ebenfalls um 1780 wurde im Turm des Schlosses der Rhönpaulus eingekerkert, der nach Desertion aus der preußischen Armee in den Wäldern gelebt und Reiche bestohlen hatte, um den Armen zu helfen; er wurde dem Scharfrichter übergeben.

19. Jahrhundert

Im 19. Jahrhundert hemmten erneut Naturkatastrophen, Brände und Kriege die Stadtentwicklung. Nach der französischen Besatzungszeit (1806–1813) erholte sich das Gebiet von der wirtschaftlichen Auspressung durch Steuern und Plünderungen nur langsam. Die erste Typhus-Seuche wurde von der geschlagenen napoleonischen Armee eingeschleppt, die Bevölkerung litt Missernten und Hungersnöten. Zwei Großbrände verursachten 1858 große Schäden in der Altstadt, 700 Menschen wurden obdachlos, auch die Stadtkirche brannte aus. 1866 fanden bei den Nachbarorten Roßdorf und Wiesenthal Gefechte zwischen preußischen und königlich bayerischen Einheiten statt. In Kaltennordheim hatte zuvor eine bayerische Einheit Quartier bezogen. An die Opfer erinnert ein Gedenkstein bei der Kirche.[4] Mit dem 1875 erfolgten Ankauf des Gemeindebrauhauses durch Friedrich Christian Diettmar begann die Firmengeschichte der Rhönbrauerei Kaltennordheim.

In den 1870er Jahren fand die größte Auswanderungswelle in der Rhön statt, die Mehrzahl der Auswanderer entschloss sich für eine Ausreise in die Vereinigten Staaten.[5] Mit dem Bau der zunächst meterspurigen Feldabahn wurde 1878 begonnen. Die Unternehmer der Rhön setzten große Erwartungen in dieses neue Transportmittel. 1880 erfolgte die Einweihung der Bahnlinie mit Endpunkt in Kaltennordheim. Ein mehrfach geforderter Ausbau der Strecke mit Anbindung an die Bahnstrecke Mellrichstadt–Fladungen und der zu Sachsen-Weimar-Eisenach gehörenden Exklave Ostheim vor der Rhön wurde von der großherzoglichen Verwaltung als unwirtschaftlich bewertet und unterblieb. Ein Brand zerstörte 1882 das Rathaus, der Neubau wurde 1884 eingeweiht.[4]

Erste Hälfte des 20. Jahrhunderts

1904 wurde die Einführung der elektrischen Beleuchtung durch einen Stromgenerator an der Neumühle ermöglicht. Die noch störanfällige Anlage wurde vom Gerbermeister Dietrich mit einem zusätzlichen Ölmotor versehen und war dadurch unrentabel. Der Bau des ersten Kraftwerkes erfolgte 1910 durch die Firma Ernst.[4]

Im Ersten Weltkrieg fanden 74 Soldaten aus Kaltennordheim den Tod. Die wirtschaftliche Entwicklung wurde nach dem Kriegsende durch Inflation und Massenarbeitslosigkeit gebremst. Viele Einwohner wanderten in die benachbarte Kalibergbauregion ins Werratal um Merkers und Heringen ab.

In der Zeit des Nationalsozialismus wurde die Bevölkerung der Rhön-Orte durch die Ankündigung von wirtschaftlichen Großprojekten und Arbeitsfördermaßnahmen beeindruckt. In der Nachbarschaft der Stadt wurden Arbeitsdienstlager eingerichtet, der Bau von Straßen und die Anlage von Gehöften, wie zum Beispiel der Marschlerhof, sowie Notstandsarbeiten schufen Arbeitsgelegenheiten. In vielen Orten entstanden neue Verwaltungsgebäude und Wohnhäuser. Der Umbau der Feldabahn auf Normalspurbetrieb wurde vorgenommen und 1934 vollendet.

120 Soldaten aus Kaltennordheim wurden im Fronteinsatz im Zweiten Weltkrieg getötet oder gelten als vermisst. Zehn jüdische Familien wurden verfolgt, ihre Geschäfte enteignet und die meisten ihrer Angehörigen der Vernichtung ausgeliefert. Während des Krieges mussten 27 Frauen und Männer, vorwiegend „Ostarbeiter“, bei der Firma Ernst Burghard & Wagner Zwangsarbeit verrichten.[6]

Zweite Hälfte des 20. Jahrhunderts

Die nach dem Kriegsende wirksame Einteilung Deutschlands in vier Besatzungszonen hatte die Unterbrechung der Verbindungen der zur Sowjetischen Besatzungszone gehörenden Stadt Kaltennordheim zu den nahen hessischen und bayerischen Nachbarregionen zur Folge. Die ab 1952 bis 1961 beginnende Grenzlage war mit der Errichtung einer 5-km-Sperrzone verbunden. In dieser Zeit waren in der Stadt noch viele Übersiedler und Heimatvertriebene untergebracht, die Wohnungsnot war trotz einsetzender staatlich geförderter Baumaßnahmen (u. a. Landambulatorium und Schule) groß. 1958 wurde eine Kaserne der Grenzpolizei am Stadtrand erbaut. Zahlreiche Einwohner der Stadt flüchteten noch bis 1961 in den Westen. In der DDR-Zeit gewann Kaltennordheim durch seine Grenzlage im Süden des Kreises Bad Salzungen an Bedeutung. Der Ort wurde durch die 1953 einsetzende Verstaatlichungen und die wirtschaftliche Konzentration auf die Möbelindustrie und die Rhönbrauerei sowie der Erweiterung der Basaltsteinbrüche auf dem Berg Umpfen entwickelt.[7] In den 1980er Jahren wurde das Schloss durch Auslagerung der Schule für eine kulturelle Nutzung freigegeben. Es entstanden die Bibliothek, ein Standesamt und ein Kulturzentrum. Im Schlosshof fand 1987 die 425-Jahr-Feier der Verleihung des Stadtrechts statt.

Mit der Grenzöffnung im November 1989 begann ein neues Kapitel der Stadtgeschichte. Schon am 14. November 1989 traf als erster Vertreter einer westdeutschen Kommune der Bürgermeister der hessischen Nachbarstadt Tann (Rhön) in Kaltennordheim ein. Die Bevölkerung von Kaltennordheim hatte in den folgenden zwei Jahrzehnten eine gewaltige Aufgabe der Stadterneuerung und der sozialen Umwälzungen zu bewältigen.[7]

1994 kam Kaltennordheim zum Wartburgkreis und wurde Mitglied und Sitz der Verwaltungsgemeinschaft Oberes Feldatal.

21. Jahrhundert

Am 31. Dezember 2013 fusionierte Kaltennordheim mit den benachbarten Gemeinden Andenhausen, Fischbach/Rhön, Kaltenlengsfeld und Klings zur Stadt Kaltennordheim, wodurch die Verwaltungsgemeinschaft Oberes Feldatal, der alle Gemeinden angehörten, aufgelöst wurde.[8] Vom 31. Dezember 2013 bis 31. Dezember 2018 war Kaltennordheim zudem erfüllende Gemeinde für Diedorf und Empfertshausen.

Im Zuge der Gebietsreform Thüringen 2018 bis 2024 wurden die Gemeinden Aschenhausen, Kaltensundheim, Kaltenwestheim, Melpers, Oberkatz und Unterweid zum 1. Januar 2019 in die Stadt Kaltennordheim eingemeindet. Die Verwaltungsgemeinschaft Hohe Rhön wurde um die Stadt Kaltennordheim erweitert, dort befindet sich auch der Sitz der Verwaltungsgemeinschaft. Kaltennordheim wechselte hierfür vom Wartburgkreis in den Landkreis Schmalkalden-Meiningen.

Gegen den von der Landesregierung vorgesehenen Wechsel Kaltennordheims in den Landkreis Schmalkalden-Meiningen regte sich erheblicher Widerstand, einerseits seitens der Bevölkerung insbesondere der nördlichen Ortsteile Andenhausen und Fischbach,[9] andererseits auch des Wartburgkreises. Dieser reichte umgehend nach der Entscheidung des Thüringer Landtages einen Antrag auf Erlass einer einstweilige Anordnung beim Thüringer Verfassungsgerichtshof ein.[10] Jedoch scheiterte der Wartburgkreis mit diesem Eilantrag vor dem Thüringer Verfassungsgerichtshof.[11]



Text: Wikipedia

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