Lindenhotel

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Lindenstraße 54/55 (1973)
Lindenstraße 54/55 (1990)
Potsdam Lindenhotel (1)
Innenhof (2)

Die Gedenkstätte Lindenstraße 54/55 in Potsdam erinnert an die politische Verfolgung in beiden deutschen Diktaturen. Das im Volksmund "Lindenhotel" genannte Haus diente in der Zeit des Nationalsozialismus als Untersuchungsgefängnis für politische Häftlinge und wurde nach dem Krieg durch den russischen Geheimdienst KGB und später die Stasi in gleicher Funktion übernommen. Im Rahmen der Wende wurde es zum Haus der Demokratie und ab 2007 als Gedenkstätte genutzt.


Das Gerichtsgebäude

1733 bis 1737 wurde das Gebäude als „Großes Holländisches Haus“ im Auftrag des Soldatenkönigs erbaut. Es handelte sich um ein barockes Stadtpalais und wurde vom Kommandeur der Leibgarde bewohnt. Das 2000 m² große Areal umfasste neben dem Wohnhaus noch Stallungen und Nutzgebäude.

Unter napoleonischer Besatzung wurde es als Kleiderkammer und Pferdelazarett genutzt. Die Preußischen Reformen 1808 führten zu einer völligen Umwidmung des Gebäudes. Ein Aspekt der Reformen war die Einführung der Kommunalen Selbstverwaltung. 1809 wurde das Haus zum ersten Tagungsort der ersten freigewählten Stadtverordnetenversammlung. Wobei freigewählt dahingehend eingeschränkt werden muss dass lediglich Männer wahlberechtigt waren und ein Zensus sowie die Stadtbürgerrechte gefordert waren.

Ab dem Jahr 1820 wurde das Haus als Stadtgericht und auch als Gefängnis genutzt. Zu diesem Zweck wurde das Haupthaus in ein Gerichtsgebäude und die Nebengebäude zu Gefängniszellen umgebaut. Mitte des 19. Jahrhunderts löste das Amtsgericht Potsdam als Nachfolger des Stadtgerichtes dieses als Nutzer ab.


Die Zeit des Nationalsozialismus

1935 wird im Gebäude durch die Nationalsozialisten ein "Erbgesundheitsgericht" eingerichtet. Seine Aufgabe war es, in scheinbar justizförmiger Weise über die Zwangssterilisation von Personen gemäß dem Gesetz zur Verhütung erbkranken Nachwuchses zu entscheiden. Die Entscheidungen waren typischerweise reine Formsache. Das Gericht folgte in der weitaus überwiegenden Zahl der Fälle der Empfehlung der Gutachter.

Seit 1939 wurde das Haus auch als Untersuchungsgefängnis für politische Häftlinge genutzt. Da auch der Volksgerichtshof nach der Zerstörung seines Sitzes in Berlin nach Potsdam verlegt wurde, wurden in Potsdam eine Vielzahl von Angehörigen verschiedener Widerstandsgruppen festgehalten, verurteilt und später andernorts hingerichtet.


Foltergefängnis während der sowjetischen Besatzung

Die sowjetische Besatzungsmacht übernahm 1945 das Untersuchungsgefängnis und führte es als Geheimdienstgefängnis des NKWD fort. Tausende missliebige Deutsche, die dem Regime in der SBZ kritisch gegenüberstanden, wurden hier durch ein Militärgericht der Besatzungsmacht zum Tode oder zur Arbeit in Gulags verurteilt. 1945 wurden zunächst Personen inhaftiert, denen Mitgliedschaft in nationalsozialistischen Organisationen und Mittäterschaft an deren Verbrechen vorgeworfen wurde. Vielfach wurden auch Unschuldige aufgrund von Denunziationen (z.B. unter dem Vorwurf der Werwolf-Tätigkeit) verhaftet. Bereits nach kurzer Zeit änderte sich die Stoßrichtung der Verhaftungen. Nun wurden vor allem Personen verhaftet, die sich dem Aufbau einer kommunistischen Diktatur entgegenstellten und Widerstand leisteten. Diese Vorwürfe wurden nicht nach rechtsstaatlichen Prinzipien untersucht. Ziel der Untersuchungshaft war es vielmehr, durch unmenschliche Haftbedingungen Geständnisse zu bewirken. Hierzu wurden die ungeheizten Zellen massiv überbelegt. Die durch Mangelernährung geschwächten Häftlinge erhielten keinerlei medizinische Versorgung. Kontakte zur Außenwelt waren konsequent abgeschnitten. Verhöre erfolgten grundsätzlich nachts. Da Schlaf tagsüber untersagt war, diente der Schlafentzug als eine Form der Folter. Daneben wurden weitere Formen der Folter angewandt. Als Folge der Haftbedingungen kam es zu einer Vielzahl von Todesfällen während der Untersuchungshaft. Am Ende der Untersuchungshaft stand ein Gerichtsverfahren, dass in der überwiegenden Zahl der Fälle langjährige Arbeitslagerstrafen verhängt wurde. Ebenfalls wurden Todesstrafen verhängt. Freisprüche kamen nur in seltenen Ausnahmen vor.


Stasi-Untersuchungsgefängnis in der DDR

1953 übernahm das Ministerium für Staatssicherheit das Gefängnis. In jedem der 16 Bezirke der DDR wurde ein Stasi-Untersuchungsgefängnis eingerichtet. Das "Lindenhotel" diente diesem Zweck im Bezirk Potsdam. Während die anderen Stasi-Untersuchungsgefängnisse in Randlagen der jeweiligen Orte lagen, liegt die Lindenstraße im Zentrum der Stadt. Der NKWD hatte zur Geheimhaltung einen zwei Meter hohen uneinsehbaren Zaun errichtet, der den Bürgersteig vor dem Gebäude weiträumig abriegelte. Später wurde er durch eine Eisenkette ersetzt, die den unbefugten Zugang zum Gebäude verhinderte. Hierdurch sollte der Bevölkerung unmöglich gemacht werden, sich ein Bild von den Ereignissen im Gefängnis zu verschaffen.

Auch unter den neuen Betreibern wurden ausschließlich politische Häftlinge in den Lindenstraße festgehalten. Im Laufe der Zeit verbesserten sich jedoch die Haftbedingungen spürbar gegenüber den unmittelbaren Nachkriegsjahren. Bis zum Ende der DDR blieb jedoch die Willkür, der die Häftlinge ausgesetzt waren, unverändert.

Die Zahl der einsitzenden politischen Häftlinge spiegelte die politische Lage der DDR wider. Nach dem Volksaufstand des 17. Juni 1953, dem Mauerbau 1963 und dem Niederschlagen des Prager Frühlings 1968 stieg die Zahl der Häftlinge jeweils spürbar an.


Die Wende

1989 wurde das Untersuchungsgefängnis nach der Wende aufgelöst und die politischen Häftlinge freigelassen. Das Haus wurde als "Haus der Demokratie" genutzt. In diesem Haus erhielten die neu entstandenen politischen Gruppen wie das Neue Forum oder der Demokratische Aufbruch Räume für ihre politische Arbeit zugewiesen.

Heute werden die Räume des ehemaligen Gerichtsgebäudes durch die Denkmalschutzbehörde und die des Gefängnisses als Gedenkstätte genutzt.





Text: Wikipedia

1. Bild: Wikipedia/Karsten11

2. Bild: Wikipedia/Karsten11

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