Lippstadt

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Lippstadt ist eine große kreisangehörige Stadt in Nordrhein-Westfalen.

Reklamemarken und Siegelmarken

Verzeichnis der sortierten Reklamemarken und Siegelmarken mit einem Bezug zu Lippstadt.

C.F.W. Siegels

Sonstige

Geschichte

Lippstadt wurde im Jahr 1184 oder 1185 (das genaue Gründungsjahr ist nicht sicher bekannt) vom Edelherrn Bernhard II. zur Lippe unter dem Namen Lippe als erste echte Planstadt Westfalens gegründet. Die Erlaubnis zum Bau der Stadt erhielt Bernhard von Kaiser Friedrich I., genannt Barbarossa.

Erste Siedlungsansätze

Bereits vor dieser Gründung gab es allerdings erste Ansiedlungen im heutigen Stadtgebiet; vor allem das heutige Nicolaiviertel und der Vorgängerbau der heutigen Nicolaikirche waren als Ansiedlung von Kaufleuten und als Marktviertel bedeutend. Diese Bedeutung rührte von der Lage her, welche die Stadt an der Lippefurt für den Handel in Deutschland hatte: Sie lag am Kreuzungspunkt der Handelsstrecke zwischen Frankfurt am Main und Lübeck und der Straße zwischen Paderborn und Münster. Des Weiteren gibt es Annahmen, nach denen im nordwestlichen Bereich der Stadt bereits seit 1120 eine Wasserburg der Herren zur Lippe gestanden haben soll, einen archäologischen Nachweis dafür gibt es nicht. Bereits 1139 wurde das Prämonstratenserinnenkloster im heutigen Stadtteil Cappel von Bernhard I. und seinem Bruder Hermann I. gegründet. Die Annahme, dass der Stammsitz der Edelherren zur Lippe sich in der Burg Lipperode an der Lippe, nordöstlich der heutigen Kernstadt, befunden habe, gilt als widerlegt. Die dortige Burg ist nur kurz vor ihrer ersten urkundlichen Erwähnung 1248, also lange nach der Stadtgründung, errichtet worden.[3] Es wird angenommen, dass Bernhard II. in dem von ihm gegründeten Stift oder in unmittelbarer Nachbarschaft residierte.[4]

Im Laufe des Sächsischen Krieges (1177 bis 1181) wurden die bereits bestehenden Teile der Siedlung, vor allem das Nikolaiviertel und die dort vorhandene Kirche, von den Truppen des Kölner Erzbischofs Philipp I. von Heinsberg 1179 zerstört, der sich damit für die Unterstützung der Truppen von Heinrich dem Löwen durch Bernhard II. rächen wollte. Nach der Verbannung des Sachsenherzogs und der Rückkehr Bernhards II. gelang es diesem im Jahr 1184, von Kaiser Friedrich I. die Erlaubnis für den Bau einer Stadt zu bekommen. 1185 gründete Bernhard II. daraufhin die Stadt Lippe, die heute als Lippstadt bekannt ist.

Gründung und Stadtentfaltung

Bernhard II. plante seine Gründungsstadt nach den Vorbildern Braunschweig und Heidelberg, die er während des Sächsischen Krieges studieren konnte. Das im Wiederaufbau begriffene Nicolaiviertel war in diesem Plan erst nicht enthalten und wurde erst später aufgenommen, gemeinsam mit der seit 1182 im Neubau befindlichen Nicolaikirche. Ab 1185 wurde das freie Land zwischen der Lippe und den heutigen Straßen Marktstraße, Rathausstraße und Poststraße in Parzellen unterteilt und aufgebaut, fast gleichzeitig begann der Bau der Stiftskirche St. Marien (die heutige Stiftsruine) sowie der Marktkirche St. Marien (die heutige große Marienkirche).

Die neu entstehende Stadt taucht in historischen Quellen dann erstmals 1194 als „nova civitas“ auf, zu diesem Zeitpunkt besaß sie bereits eine Befestigung in Form von Wällen, Gräben und Palisaden aus Holz und Erde. Auf dem ehemaligen Burggelände der Herren zur Lippe, dem Hermelinghof, entstand ein Augustinerinnenstift, welches ab 1207 ebenfalls im Inneren der Stadt lag. Die schnell wachsende Bevölkerung der Stadt Lippe siedelte dabei vor allem in der Marienstadt um die Marktkirche St. Marien sowie um St. Nicolai und die Stiftskirche St. Marien, welche bei einer Erweiterung der Stadtfläche im Jahr 1229 ebenfalls in den befestigten Bereich einbezogen wurden.

Bernhard II. hatte die Regierung des Besitzes zu dem Zeitpunkt bereits an seinen Sohn Hermann II. übergeben, während er selbst als Abt von Dünamünde in Livland lebte. Zwischen 1220 und 1222 verlieh er den Lippstädtern ihr erstes Stadtrecht und weihte die Marktkirche St. Marien. Spätestens ab 1231 führte der Lippstädter Rat ein eigenes Stadtsiegel, und in den 1260er Jahren begann der Bau der Stadtmauer, welcher 1292 abgeschlossen war. Diese Mauer ersetzte die alten Wallanlagen und legte zugleich die Grenze zwischen der Bürgerstadt „Lippe“ und dem Agrarland des Umkreises bis in das 19. Jahrhundert fest.

Aufgrund der Erbstreitigkeiten nach dem Tod Bernhards V. und einer nachfolgenden Fehde zwischen dessen Neffen Simon III. und dem Grafen Otto von Tecklenburg als Gemahl der Tochter Bernhards V. ging die Herrschaft über Lippstadt im Jahr 1376 an den Vermittler Graf Engelbert III. von der Mark über und gelangte nachfolgend als Pfandherrschaft an weitere Häuser. Der Zustand, dass die Herrschaft der Stadt nicht in der Hand der Landesherren lag, dauerte über die Soester Fehde im Jahr 1444 bis zum Jahr 1666, als die Grafen zur Lippe und die Kurfürsten von Brandenburg ein Kondominium begründeten, d. h. gemeinsam Herren über Lippstadt wurden.

Lippstadt als Handelsstadt

Bereits vor der Gründung der Stadt war Lippstadt aufgrund der Lage an der Lippefurt ein bedeutender Handelsknotenpunkt. Durch die Bestimmungen zum Stadtrecht von 1220 und die Verleihung der Stadtprivilegien 1244 wurden die Aussichten für Handel und Gewerbe in der Stadt weiter verbessert. So existierte spätestens seit 1244 ein Jahrmarkt in der Stadt, auf dem vor allem Fernhändler Waren anbieten konnten. Die Stadt profitierte vom Angebot der Händler sowie vom Standgeld derselben. Im 16. Jahrhundert fanden nachweislich vier Jahrmärkte im Jahr statt, im Jahr 1691 bereits sechs und bis zum Ende des 18. Jahrhunderts waren es acht dieser Märkte, die über das Jahr verteilt waren. Als Marktplatz diente der alte Marktplatz zwischen der Marktkirche St. Marien und dem Rathaus der Stadt, der heutige Rathausplatz.

Ein weiterer wichtiger Faktor für die Handelsentwicklung einer mittelalterlichen Stadt war das Vorhandensein eigener Münzprägungen. Nachweislich gab es bereits 1231 zwei Münzmeister in der Stadt, die zuerst englische Münzen nachprägten. Um die Mitte des 13. Jahrhunderts tauchten dann erstmals eigene Münzen mit der Lipperose als Prägung auf. Besonders der Lippstädter Pfennig aus der Zeit von 1290 bis 1310 tauchte in vielen Münzfunden in Dänemark, England, Polen und Mecklenburg auf.

Am 17. Juli 1253 gehörte Lippstadt neben Münster, Soest und Dortmund zu den Gründungsmitgliedern des Werner Bundes, dem 1268 auch Osnabrück beitrat. Dieses Bündnis sollte vor allem den Landesherren die wirtschaftliche Macht der Städte signalisieren.

Im 12. und 13. Jahrhundert war Lippstadt auch Hansestadt, wobei Lippstädter Kaufleute schon in der Hanse tätig waren, als die Organisation selbst erst im Entstehen begriffen war. Wie fast alle Städte Westfalens war es Mitglied dieser großen Gemeinschaft von Städten, die zeitweise die Wirtschaftspolitik im gesamten norddeutschen Raum bestimmte. Für Lippstadt waren besonders die Dittelstage in Köln sowie die Regionaltage von Bedeutung, obwohl die Stadt auch zu den „Großen“ Hansetagen in Lübeck Vertreter schickte. 1494 wurde Lippstadt die Handelsmatrikel nachgetragen und 1540 wurde die Stadt zur Prinzipalstadt erhoben. Am letzten Hansetag in Lübeck am 18. April 1669 nahm Lippstadt jedoch nicht mehr teil, obwohl es bis zum letzten Tag zu den Mitgliedern des Handelsbundes gezählt wurde.

Reformation und danach

Die Lehren Martin Luthers und mit diesen die Reformation wurden von den beiden Mönchen des Lippstädter Augustinereremiten-Klosters Johannes Westermann und Herrmann Koiten nach Lippstadt gebracht. Diese studierten zwischen 1520 und 1524 an der Universität Wittenberg, die von den neuen Ideen Luthers geprägt war. Am 3. Februar 1523 promovierte Westermann gemeinsam mit dem Herforder Augustinereremiten Gottschalk Kropp.

Johannes Westermann kehrte im gleichen Jahr zurück nach Lippstadt und predigte dort die neue Lehre, im Jahr 1524 wurden die von ihm in der Brüderkirche gehaltenen Fastenpredigten in Lippstadt gedruckt. Dieses Buch ist die erste Dokumentation der Reformationsbewegung in Westfalen, im gleichen Jahr erschien auch ein Katechismus Westermanns, ebenfalls in Mittelniederdeutsch geschrieben. Die Veränderungen in der Bürgerschaft Lippstadts durch die neue Lehre blieben jedoch auch dem Kölner Erzbischof nicht verborgen, der daraufhin den Dominikaner Johannes Host von Romberg nach Lippstadt schickte. Dieser predigte am 16. März 1526 in der großen Marienkirche gegen die Predigten der Lippstädter.

In der Folgezeit kam es zu tiefgreifenden Veränderungen im religiösen und kirchlichen Leben Lippstadts. Vor allem das Begehren der Lippstädter Zünfte, mehr Mitspracherecht im Stadtregiment zu bekommen, führte zu maßgeblichen Veränderungen. Im Februar 1531 begannen die Zünfte gemeinsam mit den Anhängern der lutherischen Lehre einen Aufstand, bei dem sie die Magistrate der Stadt vertrieben und einen neuen Rat bildeten. Ein Jahr später verhängten die Stadtherren des lippschen Grafenhauses und die Herzöge von Kleve ein Verkehrsrecht über die Stadt, unterstützt vom Kölner Erzbischof und den Bischöfen von Münster, Osnabrück und Paderborn.

Die Vermittlungsversuche scheiterten bis 1535, als die Bürger der Stadt aufgrund der schlechter werdenden Versorgung am 13. Juli 1535 aufgaben und ihre Geistlichen absetzten. Daraufhin wurde ein Vertrag zwischen Graf Simon V. zur Lippe, Herzog Johann III. von Jülich-Kleve-Berg und der damals noch Lippe genannten Stadt geschlossen. Die kirchlichen Neuerungen der Stadt wurden weitgehend zurückgenommen, die Messe durfte jedoch auch weiterhin auf Deutsch gehalten werden. Die Prediger wurden der Stadt verwiesen und später anderswo tätig, Johannes Westermann etwa in Hofgeismar, wo er 1542 starb. Die Beteiligung der Zünfte an der Regierung wurde jedoch festgeschrieben und angeordnet. Da sich in den Folgejahren beide Landesherren der Reformation zuwandten, blieben die Lippstädter Bürger auch nach dem Augsburger Religionsfrieden lutherisch, die kleine katholische Gemeinde im Kloster St. Annen-Rosengarten wuchs in den Folgejahren vor allem durch den Zuzug aus dem Umland zu einer neuen katholischen Gemeinde.

Dreißigjähriger Krieg Während des Dreißigjährigen Krieges (1618 bis 1648) blieb auch Lippstadt nicht von den Kriegswirren verschont. Im Winter 1621/1622 wurde Lippstadt von Christian von Braunschweig-Wolfenbüttel und seinen Truppen als Quartierstadt besetzt. Von hier führte der Feldherr regelmäßige Raubzüge in die umliegenden katholischen Nachbarterritorien Paderborn und Münster durch. In Lippstadt ließ „der tolle Christian“, wie er auch genannt wurde, angeblich den Pfaffenfeindtaler aus geraubten und eingeschmolzenen Teilen des Paderborner Domschatzes prägen. Nach seinem Abzug versuchten Truppen Kaiser Ferdinands II. die Stadt zu erobern, was ihnen am 24. Oktober 1623 auch gelang. Die Truppen unter Johann Graf von Rietberg wurden in der Stadt einquartiert und blieben bis 1633; von dem eigentlichen Krieg blieb die Stadt jedoch verschont.

1633 hatte sich die Bündnissituation im Krieg massiv gewandelt, und diesmal war es der Landgraf von Hessen-Kassel, Wilhelm V., der die Stadt nach der Zerstörung Salzkottens einnehmen wollte. Bereits nach einem Tag ließ die Stadtbevölkerung die Truppen einmarschieren, die bis zum Kriegsende 1648 hier blieben. Die Besatzer nutzten die günstige Lage der Stadt sowie die Festungswerke, die weiter verstärkt wurden. Die Hessen verließen die Stadt erst 1650, nach 1666 traten die Kurfürsten von Brandenburg infolge des Vertrags von Kleve als Samtlandesherren in Lippstadt auf.

Hexenprozesse

Im Jahr 1565 fanden in Liesborn Hexenprozesse gegen die drei Frauen Aleke, Anna und Katharina auf der Burg Stromberg statt. Sie wurden der Zauberei angeklagt, gefangen genommen, gefoltert und verbrannt. Um 1573 gab es etliche weitere Hexenverfolgungen in Lippstadt in der Zeit Graf Simons VI., dabei sind „etliche Burgers Weiber hinaus geführt und verbrannt worden“.

Hierzu berichtete Pfarrer Anton Praetorius 1613, dass bei diesen Hexenprozessen „der Nagel-Schmidt Ebert Balve und seine Schwester, eine Bäckerin, die Freytägische genannt, nach langen Foltern nach dem Widerruf ihres Geständnisses trotz Protesten aus der Bevölkerung freigelassen wurden.“ Dieser Hexenprozess beeindruckte Anton Praetorius stark und trug zu seinem Denken entscheidend bei, als er sich 1597 unter Lebensgefahr dafür einsetzte, dass eine Frau aus der Folterkammer entlassen wurde, und er diesen Kampf gegen Hexenverfolgung und Folter literarisch fortsetzte.

Im Jahr 1630 kam es in Lippstadt erneut zu einem großen Hexenprozess mit 23 weiblichen und 6 männlichen Angeklagten. Darunter waren zwei Jungen im Alter von 11 und 14 Jahren sowie der Erwitter Pastor Jodocus. Hierüber berichtete auch der Superior der Jesuitenniederlassung in Lippstadt P. Kuinken an den Provinzial Bavingh in Köln in einem Brief vom 27. Dezember 1630.[5] Laut Prozessakten des Stadtarchivs Lippstadt wurden von diesen die letzten sieben am 10. und 22. September verurteilt, mit dem Schwert hingerichtet und verbrannt. Hierüber berichtete der zu der Zeit in Lippstadt anwesende Söldner Peter Hagendorf in seinem Tagebuch. Darunter waren mit Elschen Koch und Elschen Bockhoff zwei junge Mädchen, auf die die Beschreibung von Hagendorf passt.[6][7]

Weitere Hexenprozesse fanden 1677 statt.

Festungszeit

Nach dem Vertrag zwischen Hessen und Brandenburg wurden in Lippstadt fünf kriegsstarke Kompanien der Brandenburger einquartiert, ohne die lippischen Ortsherren zu involvieren. Diese wurden erst 1669 hellhörig, nachdem der Kurfürst von Brandenburg weitere militärische Verstärkung einsetzte und die Festungen der Stadt weiter verstärkte. Dabei wurden allein an der Südmauer bis zu 700 Arbeiter eingesetzt, um das Bollwerk zu verstärken. Lippstadt wurde Teil der brandenburgischen Expansion und lieferte auch die Truppen im Krieg gegen den französischen König Ludwig XIV. zwischen Soest und Lippstadt.

Innerhalb der Festung gab es zu dieser Zeit eine Reihe Katastrophen. So wird von zwei Großbränden in den Jahren 1656 und 1676 sowie einer Fleckfieberepidemie 1673 berichtet, die 2000 Tote forderte. Am 4. März 1679 übernahmen die Franzosen die Stadt, nachdem sich die Brandenburger nach Bielefeld und Minden zurückgezogen hatten. Über die verschiedenen Besetzungen und Katastrophen hinweg verschlechterte sich die finanzielle Situation in Lippstadt bis zum Ende des 17. Jahrhunderts drastisch und die Abgaben an die Landesherren in Lippe und in Brandenburg konnten nicht bezahlt werden. Das Interesse Brandenburg-Preußens an Lippstadt stieg jedoch, und es versuchte mehrfach, Lippstadt ganz für sich zu gewinnen. 1730 musterte der Soldatenkönig Friedrich Wilhelm I. die Stadt, zehn Jahre später König Friedrich II.

1757 zogen die französischen Truppen im Siebenjährigen Krieg gegen Hannover, welches mit Preußen verbündet war; Lippstadt lag inmitten des Durchmarschgebietes. Am 26. April des Jahres zogen die Franzosen mit 1300 Mann in Lippstadt ein, die Preußen hatten die Stadt bereits vorher verlassen. Im Anschluss an den Abzug der Franzosen 1758 kamen preußische Husaren in die Stadt, die im darauffolgenden Jahr wiederum von Franzosen eingekesselt wurden. 1761 fand in Vellinghausen bei Hamm die bedeutendste Schlacht der Region statt, bei der die Franzosen zurückgeschlagen werden konnten. Nach dem Frieden von Hubertusburg 1763 wurden die Festungswerke Lippstadts vollständig abgebrochen.

Da Preußen nach dem Frieden von Tilsit im Jahre 1807 alle Besitzungen westlich der Elbe abtreten musste, gelangte Lippstadt nun unter französisch-lippische Herrschaft. Am 8. August 1808 wurde der Rat der Stadt auf Napoleon vereidigt. Die französische Regierung sprach der seit 250 Jahren ohne Kirche existierenden katholischen Gemeinde 1807 die Nicolaikirche als Gotteshaus zu und setzte den Pfarrer Jodocus Denker als Seelsorger ein. Die unmittelbare französische Besetzung endete bereits 1808; die Stadt stand aber als Teil des Großherzogtums Berg weiter unter direktem Einfluss Napoleons. Erst die Erfolge der verbündeten Russen und Preußen vertrieben die französisch-bergische Verwaltung und der Wiener Kongress beließ es bei dem preußisch-lippischen Kondominium.

Industrialisierung

Die Barrikadenkämpfe der Revolution 1848 führten am 12. März auch in Lippstadt zu Unruhen, die jedoch aufgrund der ruhigen und besonnenen Reaktion des Stadtmagistrats nicht eskalierten. Im gleichen Jahr erschien die erste eigene Lippstädter Tageszeitung „Der Patriot“. Am 17. Mai 1850 verzichtete Lippe in einem Vertrag mit Preußen gegen eine Entschädigung auf die Herrschaft in Lippstadt, das dadurch preußisch wurde. Die heutigen Ortsteile Lipperode und Cappel blieben jedoch auch nach dem Ende des Kondominiums beim Fürstentum Lippe.

Ab etwa 1820 wuchs im Zuge der Industrialisierung die Einwohnerzahl der Stadt rapide an, die ansonsten seit dem Höhepunkt im 13. Jahrhundert relativ konstant bei 3000 Einwohnern geblieben war. 1850 lebten bereits 5000 Bürger in der Stadt Lippstadt, 1865 waren es 7000 und im Jahr 1902 bereits 13.000. Durch diesen Zuwachs war die Grundlage für die Ansiedlung von Industrie und den Ausbau der Verkehrswege gelegt. So wurde ab 1819 die Lippe-Schifffahrt bis nach Lippstadt ausgedehnt und eine Hafenanlage sowie 1830 auch ein Schifffahrtskanal angelegt. Aufgrund der Konkurrenz mit der Bahn wurde die Schifffahrt jedoch bald wieder aufgegeben, 1868 kamen nur noch vier Lastschiffe nach Lippstadt und 1870 wurde die Schifffahrt oberhalb Hamms gänzlich eingestellt.

Die Eisenbahnanbindung bekam Lippstadt 1850 durch die Königlich-Westfälische Eisenbahn-Gesellschaft, die heutige Bahnstrecke Hamm–Warburg; weitere Anbindungen erfolgten 1883 nach Warstein, 1887 nach Rheda und Münster sowie 1898 nach Beckum. Lippstadt wurde so zu einem Eisenbahnstern und baute neben dem Hauptbahnhof 1898 den Nordbahnhof. Die erste wichtige Straße stellte 1823 die Strecke Erwitte–Lippstadt–Wiedenbrück dar, die als Teilstück der Strecke Koblenz–Minden entstand, die heutige Bundesstraße 55. 1878 wurde die Cappeler Chaussee (heute Beckumer Straße) ausgebaut. Diese beiden Straßen stellten bis in die 1880er Jahre die einzigen befestigten Straßen dar, die Lippstadt mit dem Umland verbanden.

Um 1860 siedelte sich in Lippstadt das erste größere eisenverarbeitende Werk an, welches später in die „Westfälische Union“ überging. Bis 1900 entwickelte es sich so gut, dass es bereits 800 Arbeiter beschäftigte und Drahtwaren bis Japan exportierte. Bedingt durch dieses Werk entstand im Süden der Stadt ein großes Wohnviertel gemeinsam mit der Josefskirche. 1902 wurde der Grundstein für einen weiteren Großbetrieb, die „Königlich Preußische Artilleriewerkstatt“ an der Beckumer Straße gelegt, die 1905 mit 400 Arbeitern die Produktion aufnahm. 1912 entwickelte sich aus einer mittelgroßen Laternenfabrik Sally Windmüllers die Westfälische Metallindustrie, die an die Lüningstraße umzog.

20. Jahrhundert

Nach der beginnenden Industrialisierung Ende des 19., Anfang des 20. Jahrhunderts wurden in Lippstadt eine Reihe kleiner und mittelgroßer Gewerbebetriebe gegründet, etliche davon entwickelten sich zu regional relevanten Großbetrieben, darunter die Lippstädter Brauereien Weißenburg, Nies und Tannenberg. Der aufkommende Reichtum der Bürgerschaft zeigte sich auch im Bau neuer Villen der Gründerzeit, wie sie heute noch vor allem in der Langen Straße und der Cappelstraße sowie in verschiedenen vorgelagerten Vierteln zu finden sind.

Nach dem verlorenen Ersten Weltkrieg und der am 9. November 1918 erfolgten Ausrufung der Republik wurde wie vielerorts auch in Lippstadt ein Arbeiter- und Soldatenrat gegründet, für die Entwicklung und das Leben der Stadt änderte sich jedoch nicht viel. Versorgungsengpässe der 1920er Jahre führten zu sozialen Ungerechtigkeiten, und durch die Wirtschaftskrise und die Inflation 1923 verschärften sich die sozialen Probleme wie in ganz Deutschland.

Mit der Einführung des Frauenwahlrechts in Deutschland im November 1918 wurden von den Lippstädter Parteien zur Wahl der Stadtverordnetenversammlung am 2. März 1919 insgesamt elf Kandidatinnen aufgestellt. Fünf davon waren auf der Liste der DDP zu finden; gewählt wurde lediglich Helene Venema als Kandidatin für das Zentrum. Die Gründe ihres Ausscheidens 1920 sind nicht bekannt; bereits 1923 rückte mit Pauline Schmidt für die SPD erneut eine Frau in die Stadtverordnetenversammlung, nach Ausscheiden eines Abgeordneten, ein.[8]

Im Winter 1923/24 wurde die erste größere Notküche in der Wilhelmschule eingerichtet, die Wohnungsnot sowie die Arbeitslosigkeit verschärften die Situation jedoch weiter. 1929 gründete sich in Lippstadt eine Ortsgruppe der NSDAP. Die Bevölkerung Lippstadts wählte bis 1933 vorwiegend die etablierte Zentrumspartei, nur im heutigen Lippstädter Stadtteil Lipperode, der damals zum Freistaat Lippe gehörte, entschied sich bereits bei den letzten Wahlen vor der „Machtergreifung“ die Mehrheit der Wähler für Hitler.

Bedingt durch die Nähe zum psychiatrischen Krankenhaus in Eickelborn und zum Provinzialarbeitshaus Benninghausen, das bereits 1933 für kurze Zeit als Konzentrationslager diente und in dem später zeitweise lungenkranke Jugendliche aus dem KZ Moringen untergebracht waren, wurde Lippstadt in den folgenden Jahren zum Ort medizinischer Verbrechen. Im evangelischen Krankenhaus der Stadt fanden in der Zeit des Nationalsozialismus zahlreiche Zwangssterilisationen statt; die Zustände in den Anstalten gipfelten in körperlichen Misshandlungen sowie in umfangreichen Euthanasieprogrammen.[9]

Lippstadt wurde im Zuge der Militarisierung Deutschlands auch wieder Garnisonsstadt: Im Süden der Stadt wurde die sogenannte „Flak-Kaserne“, im Norden der Fliegerhorst Lipperbruch aufgebaut.

Am 9. November 1938 kam es in Lippstadt wie in allen Teilen Deutschlands zu organisierten Ausschreitungen gegen die jüdischen Bürger und ihren Besitz (siehe: Novemberpogrome 1938). Dabei wurde auch die Synagoge bis auf die Außenmauern vernichtet. 1942 wurden alle verbliebenen Mitglieder der jüdischen Gemeinde deportiert. Ein Großteil von ihnen wurde von den Nationalsozialisten in der Shoa ermordet.

Mit dem Beginn des Zweiten Weltkriegs änderte sich auch die industrielle Ausrichtung Lippstadts. Im Vordergrund der Produktion stand die Rüstungsproduktion, bei der auch Zwangsarbeiter – u. a. in zwei örtlichen Außenlagern des Konzentrationslagers Buchenwald („Lippstädter Eisen- und Metallwerke“ und „Westfälische Metallindustrie“) – eingesetzt wurden.[10]

Wie überall in Deutschland wurde in Lippstadt ein Großteil der einheimischen Männer zum Militärdienst eingezogen. Vom Bombenkrieg der letzten Kriegsjahre blieb die Stadt bis auf kleinere Attacken verschont, der Fliegerhorst in Lipperbruch wurde mehrfach angegriffen und weitestgehend zerstört. Am 1. April 1945 marschierten US-amerikanische Truppen in Lippstadt ein und schlossen damit den Ruhrkessel. Die Stadt wurde nahezu ohne Widerstand und unversehrt übergeben. Am selben Tag kam es in Kaunitz zur Befreiung von über 700 jüdischen Zwangsarbeiterinnen, die wenige Tage zuvor aus Lippstadt auf einen Todesmarsch ins KZ Bergen-Belsen geschickt worden waren.

Die Verwaltung Lippstadts erfolgte in den Folgejahren erst durch die amerikanischen, später durch britische Besatzungstruppen. Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs gehörte die Stadt zur Britischen Besatzungszone. Die Militärverwaltung richtete ein DP-Lager ein zur Unterbringung so genannter Displaced Persons (DP). Die meisten stammten aus der Sowjetunion, Polen und Ungarn.

Erstmals politisch teilhaben konnten die Bürger ab dem 15. September 1946 bei einer „Urwahl“ mit politisch unbelasteten Bürgern. Die zu diesem Zeitpunkt etwa 3.000 Vertriebenen, die in Lippstadt lebten, waren bei dieser Wahl jedoch ausgeschlossen. 1948 wurde der Polsterermeister und SPD-Politiker Jakob Koenen der erste Nachkriegsbürgermeister der Stadt und blieb es bis zu seinem Tod 1974. Eine Straße im Norden der Innenstadt ist nach ihm benannt, sowie das (alte, 2011 abgerissene) Hallenbad Lippstadts, das Jakob-Koenen-Bad.

Am 1. Januar 1975 wurde die Fläche Lippstadts durch Eingemeindung der umliegenden Ortschaften von ehemals 29,82 km² auf 113,3 km² erweitert. Zugleich wurde der alte Kreis Lippstadt dem neu gebildeten Kreis Soest zugeschlagen, dessen größte Stadt Lippstadt heute ist. Die Wahl der Kreisstadt war von großen Differenzen begleitet und fiel schließlich auf Soest, da dieses zentraler im neuen Kreisgebiet lag.

Im Jahr 1987 war Lippstadt Gastgeber des Europaschützenfestes, einer Veranstaltung der Europäischen Gemeinschaft Historischer Schützen.


Text: Wikipedia

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