Orsoy

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Orsoy ist ein Stadtteil der nordrhein-westfälischen Stadt Rheinberg am linken Niederrhein.

Reklamemarken und Siegelmarken

Verzeichnis der sortierten Reklamemarken und Siegelmarken mit einem Bezug zu Orsoy.

Geschichte

Urgeschichte und frühes Mittelalter Erste Siedlungsspuren weisen, wie für den gesamten Niederrhein, auf ab 750 v. Chr. vordringende Germanen hin, die zunehmend die ansässigen Kelten verdrängt oder assimiliert haben dürften.

Zur Zeit der caesarischen Gallieneroberung dürften Menapier in der Gegend des heutigen Orsoy gesiedelt haben. Später wurden dann von Tiberius Cugerner, die zuvor als Sugambrer gegenüber Köln zu finden waren, zwischen Krefeld und Kleve zwangsangesiedelt. Mit dem 4. Jahrhundert dürfte sich an der Stelle des späteren Orsoy dann (neben der vorbeiführenden Römerstraße) noch zumindest eine Fährstelle und wahrscheinlich eine villa rustica gefunden haben. Dieses Gehöft könnte auch die Keimzelle einer dann schon begonnenen Besiedelung gewesen sein.

Mit den 401/402 abrückenden Römern, die nun Italien gegen die Westgoten verteidigten, gelangten zunehmend die salischen Franken zu Macht. (Köln wurde 454 erobert). Zu den Cugernern, die nun zu den Franken zählten, kamen die aus dem Ruhr-Lippe-Gebiet rheinabwärts ziehenden Hattuarier, die sich zunehmend mit jenen vermischt haben dürften.

Etwas außerhalb von Orsoy in Richtung auf Rheinberg-Eversael zu wurden 1938 nahe am Rhein neun Gräber aus dem frühen Mittelalter ergraben (ca. 500–630 n. Chr.). Darunter einige außerordentlich reiche Bestattungen („Fürstengräber“) aus der zweiten Hälfte des 6. Jahrhunderts, mit Beziehungen nach Skandinavien im Fundgut.[1]

Der Hof Ruberg, auf den der Ruberger Weg bis heute hinweist, ist als erste mögliche fränkische Siedlung jedoch weiterhin streitig.[2] Um 700 dürfte der Niederrhein dann christianisiert worden sein.

Hoch-/Spätmittelalter (1139–1579)

Erst ab dem 12. Jahrhundert lässt sich Orsoy dann als Gemeinde oder Stadt ausmachen und belegen. Die früheste Erwähnung findet sich in einer Urkunde der Abtei Hamborn, die 1139 ihren Besitz in „Hersougen“ benannte.[3] Schon hier scheint jedoch von einer entwickelten Gemeinde ausgegangen zu werden.

1225 beurkundete auch das 1123 gegründete Kloster Kamp seine Besitztümer in „Orsoie“. Daneben hielten im Laufe der Zeit auch das Kloster Werden und das Kloster Siegburg (Benediktiner), dann das Kloster Bedburg bei Kleve und das Kloster Fürstenberg bei Xanten (Nonnen) sowie die Damenstifte Sankt Maria im Kapitol bei Köln und Gerresheim bei Düsseldorf und das Ordenshaus der Johanniter in Duisburg und deren Kommende in Walsum Besitztümer in und um Orsoy.

1233 erwähnte dann eine Urkunde des Grafen Dietrich IV. von Kleve vom 19. Mai Orsoy als gräflichen Fronhof (curtis Orsoie), dessen Einkünfte dieser seiner Schwiegertochter Elisabeth, der Tochter des Herzogs von Brabant, in der für diese Zeit üblichen Weise zur freien Verwendung überschrieb. Von 1238 bis 1240 ist Orsoy dann als (Rhein)Zoll-Station für Kleve belegt. Über den Beginn dieser Privilegierung fehlt jedoch jede Nachricht. Von Dietrich V. von Kleve, der 1260 bis 1275 herrschte, dürfte Orsoy dann zur Stadt erhoben worden sein (vgl. Kastner, 42, der 1263 für möglich, aber frühesten 1270 für wahrscheinlich hält), um eine südliche Befestigung gegen den Kölner Erzbischof, der in Rheinberg präsent war, aufzubauen. Dietrich VII. begründete auch die Städte Dinslaken, Büderich und Huissen bei Arnheim.

Die Stadt Orsoy dürfte jedoch im 14. Jahrhundert kaum hinreichend von den Zollrechten (sofern es sie noch innehatte) profitiert haben, da sich die Stadt in zunehmender, von einem Brand 1347 und/oder 1351 beschleunigter Verarmung befand. Dennoch bestätigte am 1. September 1347 Kaiser Ludwig IV., genannt „der Bayer“, noch einmal die Stadternennung mit den zugehörenden „Freiheiten“ und die Zollstätte für den Rheinzoll.[4]

Dass diese zweite Stadtwerdung nötig war, mag die rechtliche Unsicherheit erklären, in der die durchaus nicht zur Blüte gereifte Stadt sich fand. Auch nach dem Brand 1351 privilegierte Graf Johann von Kleve die Stadt erneut.

Dass Orsoy jedoch nie das Marktprivileg verliehen worden zu sein scheint, mag diese zurückhaltende Entwicklung der Stadt erklären, wenngleich dieser Mangel unter der ansonsten reichlichen Privilegierung ein Kuriosum bleibt, für das eine schlüssige Erklärung bis heute fehlt.

Die Verwaltung der Gemeinde (universitas) erfolgte anfänglich noch durch sieben Schöffen (scepen, scabini), die aus den Vornehmen heraus sich selbst kooptativ ergänzten, und einem Richter (judex), den der Klever Graf ernannte. Der Übergang zur Ratsverwaltung dürfte Ende des 13. Jahrhunderts vollzogen worden sein (Wesel 1271, Duisburg 1274), ist aber erst für 1351 bezeugt. Für 1364 findet sich dann erstmals ein Amtmann belegt. Nachdem der judex zunehmend auf die Rechtsprechung beschränkt worden war, trat dann Ende des 14. Jahrhunderts ein Bürgermeister an die Spitze der Stadt. Ende des 15. Jahrhunderts ist dann der Übergang von der Oligarchie zu einer Honoratioren-Demokratie vollzogen:

Zu den sieben Schöffen und dem Bürgermeister traten die Geschworenen (Gemeinleute, Ratsfreunde), die aus vier Vierteln, in die die Stadt hierzu unterteilt worden war, gewählt wurden. Im Gegensatz zu dem üblichen Verfahren in größeren Städten, das auf ein Viertel drei oder vier Geschworene kommen ließ und zu deren Wahl wiederum zehn Wahlmänner pro Viertel aus dem Volk wählen ließ, sind für Orsoy jedoch nur vier „Ratsfreunde“ gewählt worden.

Ab 1419 lag der klevische Rheinzoll wieder in Orsoy. Bis 1438 hatte Herzog Adolf von Kleve eine zweite Burg, das so genannte „große Schloss“ in Orsoy errichtet. Für 1452 findet erstmals ein Lehrer (Schulmeister) in der Stadt Erwähnung. 1461 war der große Rheindeich („Egerdeich“) fertig gestellt.

Neuzeit (etwa ab 1580)

Die neuzeitliche Festung Orsoy entstand in den Jahren 1565–1581. Festungsbaumeister war der Italiener Johann Pasqualini der Ältere (verantwortlich für den Bau des 2. Befestigungsrings). Die Befestigung entstand im Rahmen eines ehrgeizigen Bauprogramms des Landesherren Herzog Wilhelms des Reichen als Hauptwaffenplatz im Herzogtum Kleve, während Düsseldorf und Jülich als Hauptwaffenplätze für die Herzogtümer Jülich und Berg ähnlich verstärkt wurden.

1586 eroberten spanische Truppen Orsoy und zerstörten die Stadt bis auf die Grundfesten.

Ab 1609 – brandenburgische Verwaltung.

1632–1640 (während des Dreißigjährigen Kriegs) Niederländische Besatzung. Die Festung wurde im altniederländischen Stil ausgebaut und um den 3. Befestigungsring erweitert.

1666 kam Orsoy erneut unter Verwaltung von Brandenburg-Preußen.

Ab 1672 stand Orsoy für einige Jahre unter französischer Herrschaft. Nachdem Truppen Ludwigs XIV. Orsoy erobert hatten, zerstörten sie große Teile der Festungsanlagen. Sie sprengten die vom Herzog von Kleve am Nordwall errichtete große Burg mit drei Türmen (Grundfläche 100 m × 70 m); erhalten blieben nur Teile der äußeren Umfassungsmauern.

1685 wurde der erste Rheinhafen in Orsoy angelegt.

Um 1750 endete die militärische Nutzung der noch erhaltenen Festungsteile. (vgl. Klöffler 2005: Festungs-Inventar)

Im 18. Jahrhundert gab es in Orsoy eine bedeutende Tuchindustrie. Um 1700 wurde am Ort die erste Tuchmanufaktur gegründet, der weitere folgten. Ab etwa 1750 hatte Orsoy eine führende Stellung im klevischen Tuchgewerbe, bis ein Großfeuer 1818 fast die gesamte örtliche Tuchindustrie vernichtete, was große wirtschaftliche Not verursachte.

Wirtschaftliche Rückschläge erfuhr Orsoy außerdem infolge des Siebenjährigen Krieges (1756–1763). Während der Franzosenzeit (1794 bis 1814) war das linke Rheinufer von französischen Truppen besetzt und zeitweise von Frankreich annektiert. 1805 wurde der Rheinzoll nach Homberg verlegt. Beim Wiener Kongress 1815 kam die Region zu Preußen. 1816 bis 1823 gehörte Orsoy zum Kreis Rheinberg, 1823 bis 1856 zum Kreis Geldern und 1856 bis 1974 zum Kreis Moers.

Aus Havanna, Java oder Sumatra kam Tabak per Schiff nach Holland und von dort über den Rhein nach Orsoy. 1851 begann mit der Zigarrenproduktion eine Zeit wirtschaftlichen Aufschwungs. Bis zum Zweiten Weltkrieg lebte davon ein Großteil der Orsoyer Bürger. Zahlreiche Bürgerhäuser erinnern heute noch an die Blütezeit der Stadt. Nach dem Zweiten Weltkrieg kam das Aus für die Orsoyer Tabakindustrie. Ursachen waren fehlende Vorräte, im Krieg zerstörte Produktionsstätten und Lagerräume sowie zunehmender Konkurrenzdruck aus anderen Regionen.

1935/36 wurde das Hafenbecken neben der heutigen Grundschule im Zuge der Erhöhung des Rheindeiches zugeschüttet. 700 Meter flussabwärts wurde ein neuer Hafen als Stromhafen gebaut.

Ab 1938 wurden Orsoyer Juden aus ihrer Heimatstadt vertrieben und später deportiert. Die bis zur Machtübernahme des NS-Regimes sehr respektierte Familie Friedemann (sie war für ihr großes soziales Engagement bekannt) wurde von ihren Mitbürgern gemieden und denunziert; Orsoyer Sozialdemokraten und Kommunisten wurden im SA-Heim in der Rheinstraße verprügelt. Simon und Emma Friedemann sowie zwei ihrer Kinder wurden im KZ Auschwitz ermordet, ihre drei übrigen Kinder in Lodz.[5]

Am 5. März 1945 besetzten Truppen der US Army Orsoy.[6] Die deutsche Wehrmacht beschoss während ihrer Kämpfe mit den US-Truppen den Kirchturm der katholischen Kirche vom rechten Rheinufer aus; durch seine Zerstörung sollte eine Nutzung als Beobachtungsturm verhindert werden.

Geschichte seit 1945

Ab 1956 lebte in Orsoy der Raketenkonstrukteur Berthold Seliger. Er besaß in Orsoy eine Mopedwerkstatt und baute hier auch die Raketen, die er von 1962 bis 1964 im Wattengebiet von Cuxhaven startete. Von 1961 bis 1972 hatte der General a. D. und ehemalige wehrpolitische Berater der FDP Gerhard Graf von Schwerin in Orsoy am Rheindamm einen Zweitwohnsitz.

Die einstmals florierende Tabakverarbeitung ist nicht mehr existent. Eine große ehemalige Tabakfabrik am Südwall wurde in den 1990ern zu Wohnraum umgebaut. Die wichtigsten Nahversorgungseinrichtungen sind über die Jahre in Orsoy erhalten geblieben. Es gibt eine Grundschule, zwei Kindergärten, mehrere Ärzte, Bäckereien, eine Sparkasse sowie diverse kleinere Läden. Das Gastronomieangebot profitiert von den Wochenendgästen. Ein ehemaliges Krankenhaus (Marienhospital mit geriatrischem Schwerpunkt) wurde geschlossen. Es diente bis September 2015 als geriatrische Rehabilitationseinrichtung und wurde anschließend als zentrale Unterbringungseinrichtung zur Bewältigung der Flüchtlingskrise in Deutschland 2015/2016 genutzt.[7]

Eingemeindungen

Am 1. Januar 1972 wurde die einwohnerschwache Gemeinde Orsoy-Land in die Stadt Rheinberg eingegliedert. Die Stadt Orsoy kam am 1. Januar 1975 hinzu.[8] Gleichzeitig wurde die Stadt Rheinberg in den neu zugeschnittenen Kreis Wesel eingegliedert.


Text: Wikipedia

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