Ratingen

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Ratingen ist eine große kreisangehörige Stadt im nordrhein-westfälischen Kreis Mettmann.

Reklamemarken und Siegelmarken

Verzeichnis der sortierten Reklamemarken und Siegelmarken mit einem Bezug zu Ratingen.

Koppers

Sonstige

Geschichte

Frühgeschichte und Altertum

Der Beginn erster Besiedlung des Stadtgebietes ist nicht mehr genau feststellbar. Funde von etwa 150.000 Jahre alten Faustkeilen und anderen anthropogenen Gegenständen nahe dem heutigen Silbersee belegen, dass dort bereits zu Beginn der letzten Eiszeit Menschen lebten.[4] Es ist jedoch nicht klar, ob diese Menschen bereits fest siedelten.

Gräberfunde im Ratinger Zentrum lassen jedoch vermuten, dass es etwa 500 v. Chr. bereits eine feste Siedlung gab. Die Spornlage dieser Gegend auf einer flachen Anhöhe zwischen zwei Bächen war für die damaligen Bedürfnisse sehr günstig; noch dazu lag sie an der Kreuzung zwischen Mauspfad, einem antiken Handelsweg zwischen Köln und dem Niederrhein, und dem Hilinciweg, einer Verbindung zwischen Rhein und Bergischem Land.[5][6]

Mittelalter

Um 500 n. Chr. wurde Ratingen zum Kampfgebiet zwischen Sachsen und Franken.[4]

Die erste urkundliche Erwähnung der Siedlung fand vor 849 im Werdener Chartular statt,[5] wo Ratingen als „Hratuga“ bezeichnet wird.[7] Für den Namen existieren zwei Erklärungen: Er könnte eine Rodung im Wald oder eine „Siedlung des Hratan“ bedeuten.[8]

Seit dem Mittelalter gehörte das Ratinger Gebiet den Grafen, später Herzögen von Berg. Für diese hatte die Siedlung, die anfangs durch Holzpalisaden geschützt war, eine wichtige Bedeutung im Kampf gegen den Erzbischof von Köln. Vermutlich wegen seiner vorteilhaften strategischen Lage wurde Ratingen am 11. Dezember 1276 durch Graf Adolf V. von Berg die Stadtrechte verliehen. Elf Monate zuvor war der Kölner Erzbischof Siegfried von Westerburg in den Besitz von Stadt und Burg Kaiserswerth gelangt. Graf Adolf V. wollte durch die Stadterhebung Ratingens ein Gegengewicht schaffen und das nördliche bergische Gebiet sichern, indem er den alten Kirch- und Gerichtsort, an einem Kreuzungspunkt wichtiger Straßen gelegen, Stadtprivilegien verlieh und befestigen ließ.

Im Gegenzug für die damit verbundenen Privilegien wie zum Beispiel Zoll- und Steuerfreiheit und Monopole auf das Mahlen von Korn und die Herstellung von Grüt, ein damals zur Bierherstellung benötigter Stoff (Grütrecht), baute die Stadt die mächtige Stadtmauer mit großen Verteidigungstürmen und bis zu 8 m breiten Wassergräben.

Im weiteren Verlauf der Geschichte erlebte Ratingen als einer der vier Hauptorte von Berg eine wirtschaftliche Blütezeit. Ratingen hatte Marktrecht, Zunftrecht, eine eigene Münze und ein Gericht, das den Gerichten in Mettmann, Gerresheim und Düsseldorf aufgrund des älteren Stadtrechts in den Konsultationen übergeordnet war. Am 25. November 1377 besuchte Karl IV. die Stadt, etwa 100 Jahre später Christian I. von Dänemark.[4] Die Existenz von drei Vordörfern außerhalb der Stadtmauer (Oberdorf, Bechem und Vowinkel) ist ein Zeugnis des Bevölkerungswachstums. Sie wurden 1405 im Zuge der „2. Kalkumer Fehde“ niedergebrannt, aber bald darauf wieder aufgebaut und zumindest in Teilen auch befestigt.[9]

Die Entwicklung wurde dabei begünstigt durch Ratingens Lage nahe einigen Fernstraßen und dem Rheinhafen in Kaiserswerth, welche Ratingen Zugang zum Handel mit der Hanse verschafften; dass Ratingen selbst Hansestadt war, gilt jedoch als unwahrscheinlich.[10]

Die wichtigste überregionale wirtschaftliche Bedeutung hatte vermutlich die Zunft der Schmiede und Schleifer, die 1362 im Stadtbuch erwähnt wurde. Sie nutzten das Wasser von Anger und Schwarzbach zur Herstellung von Waffen, Werkzeugen (vor allem Messer und Scheren) und anderen Gebrauchsgegenständen wie Musikinstrumenten. Ihre Waren wurden auch im Ausland gehandelt, unter anderem in Antwerpen, im Baltikum und Skandinavien.[4][10] Im Jahre 1592 werden Juden erstmals urkundlich in Ratingen erwähnt.

Industrialisierung und Neuzeit

Ab dem 16. Jahrhundert endete der Jahrhunderte währende wirtschaftliche Höhenflug Ratingens: Das nahe Düsseldorf wurde 1511 zur Residenz, später zur Landesfestung. Die Pest kam über die Stadt, neue Waffen machten die Stadtmauer unwirksam, und 1641 wurde sie während des Dreißigjährigen Krieges vollständig zerstört, nachdem die Burg Haus zum Haus vom kaiserlichen Melchior von Hatzfeld besetzt wurde, welcher die Stadt angriff und Häuser rund um die Stadt in Brand setzen ließ.[11] Nur noch 140 Menschen lebten damals in Ratingen;[11] 200 Jahre zuvor waren es noch über 1000 gewesen.

Doch ausgerechnet in diesem damals fast bedeutungslos gewordenen Städtchen wird heute der Beginn der kontinentaleuropäischen Industrialisierung gesehen: Der Elberfelder Geschäftsmann Johann Gottfried Brügelmann errichtete 1783 an der Anger eine mechanische Baumwollspinnerei, die als erste Fabrik auf dem europäischen Festland gilt. Ihrer technikhistorischen Bedeutung wegen wird die ehemalige Textilfabrik Cromford heute vom Rheinischen Industriemuseum als Textilmuseum weiterbetrieben.

Während der Franzosenzeit Anfang des 19. Jahrhunderts war Ratingen Hauptstadt des Kantons Ratingen.

Ausdruck der wieder sehr langsam wirtschaftlich erstarkenden Stadt war auch die im 18. Jahrhundert eingerichtete Ratinger Stadtpost. Diese richtete der Ratinger Magistrat spätestens am 19. Juni 1727 ein.[12] Die Stadtpost verband die bergische Stadt Ratingen mit Düsseldorf und sorgte dort für den Anschluss an die von den Thurn und Taxis betriebene Kaiserliche Reichspost[13] und damit an die Welt des Handels und der Kommunikation.

Nach dem Wiener Kongress und der Übernahme der Stadt durch Preußen bestand noch bis 1816 eine Poststation der Thurn-und-Taxis-Post, bevor diese am 1. Juli 1816 zum preußischen Postwärteramt wurde.[14] Infolge des Wiener Kongresses gehörte Ratingen ab 1815 zu Preußen, dem Regierungsbezirk Düsseldorf und der Provinz Jülich-Kleve-Berg (Sitz in Köln), ab 1822 zur Rheinprovinz mit Sitz in Koblenz. 1817 erbauten die Ratinger Juden eine Synagoge an der Bechemer Straße.

Aufgrund von Formsandvorkommen entstand ab der Mitte des 19. Jahrhunderts eine Eisenindustrie. Auch weitere Industriebetriebe entstanden, etwa eine Papiermühle im Angertal, Dachpfannenbrennereien und mehrere Kalkbrennereien. Doch an Schwung gewann die Wirtschaft erst mit dem nahezu zeitgleichen Bau zweier Eisenbahnlinien, der Ruhrtal-Bahn im Osten (heute Strecke der S 6), die am 1. Februar 1872 ihren Betrieb aufnahm, und der 1873 fertiggestellten „Westbahn“ (Teil der Bahnstrecke Troisdorf–Mülheim-Speldorf), einer Konkurrenzverbindung von Düsseldorf nach Mülheim und Duisburg. Am 28. Mai 1903 wurde die Angertalbahn (heute meist als „Kalkbahn“ bezeichnet) eingeweiht, über die Kalk und Formsand, bis in die 1950er-Jahre auch Personen, aus Wülfrath und den dortigen Kalkwerken zur Westbahn transportiert wurden und noch heute werden.

Aufgrund der nunmehr geschaffenen Verkehrsanbindung siedelten sich im Umfeld der Bahnen zahlreiche kleinere und mittlere Betriebe an: 1883 der Dampfkesselhersteller Dürr, 1910 die Deutsche Lastautomobilfabrik AG (DAAG). In der kommunalen Neuordnung 1929 behauptete Ratingen seine Selbstständigkeit. Die Gemeinde Eckamp mit den heutigen Stadtteilen Tiefenbroich und Ratingen-West wurde 1930 eingegliedert.[15] Gedenktafel an die ermordeten Zwangsarbeiter

Nationalsozialismus und Zweiter Weltkrieg

Nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten 1933 wurden Stadtverwaltung, Kultur und Gesellschaft gleichgeschaltet. Sozialdemokratische oder kommunistische Funktionäre wie Josef Schappe wurden verhaftet und in „Schutzhaft“ verbracht, jüdische Bürger drangsaliert oder zur Emigration gezwungen. In der Nacht zum 10. November 1938 wurde der jüdische Friedhof an der Werdener Straße geschändet und verwüstet. Ab Sommer 1943 war die Staatspolizeileitstelle Düsseldorf (Gestapo) in Ratingen untergebracht (Lehrerseminar an der Mülheimer Straße 47, heute: Stadtarchiv und Anne-Frank-Schule), da sie in Düsseldorf ausgebombt war. Hier wurden politische Häftlinge, Zwangsarbeiter und Regimegegner verhört und gequält. Im Zweiten Weltkrieg fanden ab 1943 fünf Luftangriffe auf Ratingen statt, die insgesamt 291 Todesopfer unter der Zivilbevölkerung forderten. Insgesamt wurden 141 Häuser mit 264 von den im Mai 1939 vorhandenen 5945 Wohnungen (4,4 %) völlig zerstört und 224 Häuser mit 1700 Wohnungen (28,5 %) stark beschädigt, und rund 3000 Menschen wurden obdachlos.[16] Der schwerste Luftangriff am 22. März 1945 richtete mit 550 Spreng- und 14.000 Brandbomben vor allem in der Oberstraße, am Marktplatz und im westlichen Teil der Stadt starke Schäden an; 97 Menschen kamen ums Leben. Das Rathaus und mehrere Schulen wurden beschädigt, das Krankenhaus wurde zu drei Vierteln zerstört, die Pfarrkirche St. Peter und Paul stark beschädigt.

Der Krieg endete in Ratingen mit dem Zusammenbruch des Ruhrkessels am 16./17. April 1945, markiert durch die Selbsttötung des Ruhrkessel-Kommandeurs Walter Model im Wald bei Ratingen-Lintorf südlich von Duisburg.[17] Am 17. April 1945 wurde die unter Artilleriebeschuss liegende Stadt abends an den Panzerkommandeur Major W. Ashley Gray kampflos übergeben, ohne dass es zu Gegenaktionen von Werwolf oder Volkssturm kam.[18] Nach dem Kriege mussten 6300 m³ Trümmerschutt abgefahren werden.[19]

Während der letzten Kriegstage wurden noch Endphaseverbrechen der Gestapo auch in Ratingen (Kalkumer Wald) durchgeführt. Die damals erschossenen und im Kalkumer Wald verscharrten 11 Zwangsarbeiter/innen wurden im Mai 1945 auf Weisung der US-Amerikaner von Nazis ausgegraben, um dann öffentlich vor der Pfarrkirche St. Peter und Paul feierlich bestattet zu werden, wobei Nazis Hilfsdienste leisten mussten. Die Grabrede hielt Ratingens erster Nachkriegsbürgermeister Dr. Franz Josef Gemmert, Direktor der Brügelmannschen Baumwollspinnerei. Am 9. Juni 1948 wurden diese Toten in ein Grab auf dem Ratinger Waldfriedhof zur endgültigen Ruhe umgebettet. Eine Acrylglas-Tafel erinnert dort an sie mit dem folgenden Text:[20]

„Hier ruhen elf Zwangsarbeiter, die am 13. Mai 1945 auf Anordnung der Militärregierung aus einem Bombentrichter im Kalkumer Wald geborgen und vor der Kirche St. Peter und Paul beigesetzt wurden. Sie waren kurz vor Kriegsende durch die Gestapo ermordet worden. Am 9. Juni 1948 wurden die Toten mit Zustimmung der Militärregierung zur ewigen Ruhe in dieses Grab umgebettet. Aufgrund von Nachforschungen konnten die Namen von sechs Menschen ermittelt werden: Bernhard Fladerrack, Jan Johannes Frikke und Simon Zoelli aus den Niederlanden, Alex Kortum aus Russland, Ladimir Snihur aus Polen und Josefa Paplowitsch aus der Ukraine. Auch viele der anderen Toten, die dort bestattet sind, waren Zwangsarbeiter. Sie kamen durch Entkräftung, Krankheit oder infolge von Kriegshandlungen ums Leben.“

Nachkriegszeit

Nach relativ geringen Kriegsschäden erlebte Ratingen in den 1960er und 1970er Jahren die Entwicklung zur Schlafstadt (so der in den späten 1960er Jahren entstandene Stadtteil Ratingen-West mit 20.000 Einwohnern 1980) und zum Standort von Dienstleistungs- und Kleingewerbebetrieben für das nahegelegene Düsseldorf. 1973 wurde die Einwohnerzahl von 50.000 noch vor weiteren Eingemeindungen überschritten.

Die erfolgreiche Wirtschaftspolitik und die günstigen Infrastrukturvoraussetzungen haben jedoch seit den 1970er Jahren dazu beigetragen, dass Ratingen den Charakter einer Schlafstadt inzwischen wieder verloren und sich ins Gegenteil gewandelt hat: Seit einigen Jahren weist Ratingen trotz der gleich drei unmittelbar angrenzenden Oberzentren einen deutlich positiven Pendlersaldo aus (siehe Abschnitt: Wirtschaft).

Kommunale Neugliederung

Im Zuge der kommunalen Neugliederung wurden am 1. Januar 1975 durch das Düsseldorf-Gesetz sowohl die alte Stadt Ratingen als auch die bis dahin selbstständigen Gemeinden Breitscheid, Eggerscheidt, Hösel und Lintorf (alle zum ehemaligen Amt Angerland gehörig) sowie Homberg-Meiersberg und Hasselbeck-Schwarzbach (beide zum ehemaligen Amt Hubbelrath gehörig) aufgelöst und deren Gebiete ganz oder teilweise zu einer neuen Stadt Ratingen zusammengeschlossen.[21]


Text: Wikipedia

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