Rinteln

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Rinteln ist eine Stadt und selbständige Gemeinde im Weserbergland an der Weser im Landkreis Schaumburg in Niedersachsen.

Reklamemarken und Siegelmarken

Verzeichnis der sortierten Reklamemarken und Siegelmarken mit einem Bezug zu Rinteln.

C. Schraders Nachfolger

Sonstiges

Geschichte

Mittelalter

Die Anfänge der Stadt Rinteln lassen sich zurückverfolgen bis in das späte 11. Jahrhundert. Bereits im Jahre 896 wurde ein Benediktinerinnen-Stift, das Kloster Möllenbeck, am Rand der Weseraue angesiedelt. Auf dem rechten, nördlichen Weserufer hatte sich in Höhe einer Überfahrt das kleine Dorf Rentene (später: Alt-Rinteln) entwickelt. Im Jahre 1223 bestanden bereits eine feste Brücke und ein gräfliches Gericht. Um 1230 gründete Graf Adolf IV. von Holstein und Schaumburg Neu-Rinteln auf dem gegenüber liegenden, südlichen Weserufer. Im Jahre 1239 wurden die Stadtrechte verliehen.[2] Durch das Recht, Wegezoll zu erheben (1391), und das Messeprivileg (1392) gewann Rinteln an Bedeutung auch für das Umland. Die günstige Verkehrslage an der Weserbrücke unterstützte den Aufschwung. Bald nach Gründung der Stadt wurde mit dem Bau einer Stadtmauer begonnen, die anfangs aus Palisaden bestand und 1257 erstmals erwähnt wurde. Während der Wüstungsphase des 14. Jahrhunderts wurden zahlreiche Siedlungen im Umfeld der Stadt aufgegeben. Die Bewohner zogen in den Schutz der Rintelner Stadtbefestigung und bewirtschafteten von hier aus als Ackerbürger ihre Felder. Rinteln blieb jedoch in erster Linie eine Handwerker- und Handelsstadt. Um 1450 war Rinteln mit einem umfangreichen Landwehrsystem und drei Warttürmen umgeben. Zum städtischen Besitz gehörte seit dem 15. Jahrhundert auch ein Stadtwald im Norden Lippes, der „Rintelsche Hagen“.

Vor allem die Lage an der Weser war dem Handel förderlich. So genannte „Bremer Waren“ kamen mit den Schiffen flussaufwärts: Tabak, Butter, Stockfisch, Kolonial- und Haushaltswaren. Für Frachten mit dem Ziel Rinteln richtete die Stadt einen Zollschuppen ein. Stromab befördert wurden Holz, Steinkohle und Getreide, ebenso wie der in der Nähe abgebaute Obernkirchener Sandstein. Auch das Handwerk mit seinen verschiedenen Zünften, insbesondere das Schuhmacherhandwerk, hatte seinen Anteil am Aufschwung der Stadt, die bis ins 17. Jahrhundert hinein eine wirtschaftliche Blütezeit erlebte. Wohlhabende Bürger und die zahlreichen in der Stadt ansässigen Adelsfamilien errichteten in dieser Zeit stattliche Bauten im Stil der Weserrenaissance.[3] Diese Epoche endete mit dem Dreißigjährigen Krieg, der 1623 die Grafschaft erreichte. Allein in den Jahren 1624 und 1625 starb rund ein Drittel der ca. 2500 Einwohner an der von Soldaten eingeschleppten Pest, es folgten Drangsale durch Einquartierung, Plünderung und Kriegskontributionen.

Neuzeit

Dass sich Rinteln nach dem Ende des Dreißigjährigen Kriegs ab 1648 recht zügig erholte, lag unter anderem an der Universität, die von 1619 bis 1810 bestand. An ihr lehrten rund zwölf bis 15 Professoren in vier Fakultäten (Theologie, Jura, Medizin und Philosophie). Im Mittel waren etwa 100 bis 130 Studenten eingeschrieben. Der Hochschulbetrieb mit Sitz im Kollegiengebäude, dem früheren Jakobskloster, verfügte über zwei Hörsäle, eine „Kommunität“ (Studentenwohnheim), ein „Konviktorium“ (Mensa), eine Bibliothek, ein Instrumentenzimmer, eine Buchdruckerei, eine Apotheke, einen botanischen Garten, eine Propstei (Güterverwaltung), ein „Anatomicum“ sowie ab 1762 eine regelmäßig erscheinende Zeitung. Zu den so genannten „Universitätsverwandten“ gehörten Tanz- und Fechtmeister, Reit- und Französischlehrer. Die Universitätskommisse war Herberge und Schanklokal der Akademie: Hier konnten Professoren und Studenten unbehelligt vom städtischen Schankmonopol zu niedrigen Preisen Bier und Wein trinken.

Während des Dreißigjährigen Kriegs und anschließend, um 1654, war Rinteln Schauplatz intensiver Hexenverfolgungen. Die Professoren der Juristenfakultät der Universität Rinteln verstärkten durch ihre Beratung von Stadt- und Amtsgerichten im ganzen Nordwesten die Hexenprozesse. Zwischen 1621 und 1675 sind rund 400 Gutachten überliefert, die durchweg die rücksichtslose Verfolgung von vermeintlichen Hexen und Hexenmeistern anordneten.[4] In Rinteln wurden von 1560 bis 1669 mindestens 88 Menschen in Hexenprozessen angeklagt, von denen viele mit der Hinrichtung endeten. Höhepunkte waren die Jahre 1635 bis 1655.[5]

Von 1652 bis 1689 war Daniel Wilhelmi Prediger an der St.-Nicolai-Kirche in Rinteln. Er war auch Beichtvater von Angeklagten in Hexenprozessen, z. B. im Prozess gegen Lucie Kunschopper. Gegen Lucie Kunschopper, geb. Hagemann, Witwe des Kunschoppers,[6] erhob der Peinliche Amtsankläger in Rinteln am 4. September 1668 die Anklage wegen Zauberei.[7]

Ab 1680 sorgten junge, von der Frühaufklärung geprägte Professoren wie Heinrich Bodinus und Henrich Ernst Kestner für eine Abschaffung der Prozesse und stellten sich an die Spitze der Gegner.

Im Jahre 1640 wurde die alte Grafschaft Schaumburg zwischen den Grafen zur Lippe (nun Grafschaft Schaumburg-Lippe) und den Landgrafen von Hessen-Kassel (nun Grafschaft Schaumburg) aufgeteilt. Rinteln erhielt 1651 wegen seiner entfernten Lage zur Residenzstadt Kassel eine eigene Regierung mit Obergericht. Im selben Jahr wurde es hessische Garnisonsstadt und in den Jahren 1665 bis 1680 zu einer Festung ausgebaut.

Ab 1665 wurde die Stadt Rinteln auf Geheiß der vormundschaftlich regierenden Landgräfin Hedwig Sophie von Hessen-Kassel zur Festung Rinteln nach altniederländischer Manier ausgebaut. Die Erdwerke mit Haupt- und Vorwall sowie einem rund 30 m breiten Graben umfassten sieben Bastionen zwei Redouten und zwei Ravelins. Rund 200 Mann ständige Garnison bildeten die standardmäßige Besatzung, die im Belagerungsfall einer erheblichen Aufstockung bedurft hätte. In Ermangelung dieser ausreichenden Besatzung ergab sich die Festung während des Siebenjährigen Krieges und in den napoleonischen Kriegen (1806) kampflos einer französischen Übermacht und wurde jeweils für mehrere Jahre besetzt. Am 13. November 1806 befahl Napoleon, die Festungsanlagen zu schleifen. Ein weiterer Rückschlag war die Schließung der Rintelner Universität Ostern 1810 durch Jérôme, den jüngsten Bruder Napoléons und König des neu gegründeten Königreichs Westphalen.[8]

Ab 1807 war Rinteln für wenige Jahre der Distriktshauptort (Chef-lieu) innerhalb des Weserdepartements.[9] Nach dem Ende der napoleonischen Besetzung wurde die Grafschaft Schaumburg wieder Exklave des Kurfürstentums Hessen-Kassel und Rinteln Sitz einer Regierung, ab 1848 herabgestuft zu einer Regierungsdeputation. Im Jahre 1866 wurden die Stadt und die Grafschaft Schaumburg mit der Annexion Hessens durch Preußen Teil der Provinz Hessen-Nassau. Rinteln blieb noch der Sitz des Kreises Rinteln, ab 1904 umbenannt in Landkreis Grafschaft Schaumburg und seit 1932 Teil der preußischen Provinz Hannover.

In den Jahren 1848 und 1849 machte sich ein Klima oppositioneller Bewegung in der hessischen Exklave Schaumburg besonders bemerkbar. Albrecht von Bardeleben und Karl Wilhelm Wippermann spielten dabei bedeutende Rollen in der hessischen Politik dieser Jahre. Wippermann gehörte zudem als Abgeordneter der liberalen Casino-Fraktion dem verfassungsgebenden 17er-Ausschuss im Frankfurter Paulskirchenparlament an.

Im Jahre 1863 wurde in Rinteln eine der ältesten Freiwilligen Feuerwehren Norddeutschlands gegründet. Sie ging aus einer zwei Jahre zuvor gegründeten Freiwilligen Turner-Feuerwehr hervor. 1865 stellte man einen Organisationsplan auf und richtete an die Stadt ein Gesuch, Gelder für die Geräte zur Verfügung zu stellen. Die Feuerwehr bestand aus einem Hauptmann, dem ein Adjutant beigegeben war, zwölf Steigern, 15 Rettungsmannschaften und 24 Mann für die Bedienung der Spritzen; sie war also 53 Mann stark. Am 26. November 1865 wurden die Statuten, die nach dem Muster der Hamelner Feuerwehr aufgestellt waren, dem Rat zur Genehmigung vorgelegt.[10]

Mitte des 19. Jahrhunderts ging es mit der Stadt wieder aufwärts. Vor allem förderte die Eröffnung der Löhne–Vienenburger Eisenbahn durch die Hannover-Altenbekener Eisenbahngesellschaft (1875) und die dadurch günstige Verbindung in die großen Wirtschaftszentren Berlin und Köln die Ansiedlung von Industriebetrieben. So entstand unter anderem eine Glashütte. Weitere Bahnstrecken verbanden die Stadt mit Stadthagen (Rinteln-Stadthagener Eisenbahn) und ab Ende der 1920er Jahre mit Barntrup (Extertalbahn). Die noch bis in die 1970er Jahre zweigleisige Strecke Bünde/Löhne–Hameln–Hildesheim/Bodenburg wird heute eingleisig vornehmlich im Personenverkehr als Weserbahn im Stundentakt (an Wochenenden im Zwei-Stunden-Takt) durch die Deutsche Bahn befahren.

1933 bis 1945

Im Jahre 1918, nach der Kapitulation und der Thronentsagung Kaiser Wilhelms II, übernahm ein sogenannter Arbeiter- und Soldatenrat die Macht in Rinteln, später, mit der Stabilisierung der Weimarer Demokratie, konnte sich die SPD auf eine stabile Mehrheit im Stadtrat stützen. Die Kommunisten blieben ohne besondere Bedeutung. Im Jahre 1924 gründete sich in Rinteln die erste Ortsgruppe der NSDAP. Immer wieder kam es ab diesem Zeitpunkt zu Zusammenstößen zwischen Nationalsozialisten, Sozialdemokraten und Kommunisten, die zwischen 1930 und 1933 massiver wurden. Bei der Reichstagswahl am 5. März 1933 erreichte die NSDAP in Rinteln 1991 Stimmen, die SPD 959 Stimmen und die KPD 294 Stimmen. Die Stadt Rinteln verlieh schon am 12. April 1933 Adolf Hitler das Ehrenbürgerrecht. Es wurde am 28. März 1946 formell widerrufen. Wie überall dienten die Jahre nach 1933 der Machtfestigung der Nationalsozialisten, die auch in Rinteln einen immer stärker werdenden Druck und eine immer umfassendere Überwachung der Bevölkerung ausübten. Sozialdemokraten und Kommunisten wurden vielfach verhaftet und teilweise in Konzentrationslager verbracht (hauptsächlich KZ Moringen). Die 700-Jahr-Feier der Verleihung der Stadtrechte im Sommer 1939 wurde von den Nationalsozialisten zur Inszenierung einer großen Propagandafeier genutzt.

Mit Ausbruch des Zweiten Weltkrieges erhielt die Stadt den Status einer Lazarettstadt, in der rund 1000 Verwundete untergebracht waren. Am Nordufer der Weser entstand im Rahmen der Aktion Brandt aus dem Rohbau einer Kaserne ein großes Militärhospital, das nach Kriegsende von den Briten übernommen und als British Military Hospital Rinteln bis 1998 weitergeführt wurde.

Judenverfolgungen 1933–1945

Im Jahre 1933 waren in Rinteln 73 jüdische Bürger gemeldet, von denen den meisten die Auswanderung oder die Flucht noch rechtzeitig gelang. Mehrere verübten unter dem wachsenden seelischen Druck Selbstmord. Im Jahre 1940 wurden noch 29 Rintelner Juden gezählt, von denen 25 zwischen März und Juli 1942 in die Gartenbauschule Ahlem (Sammelstelle für Juden aus den Regierungsbezirken Hannover und Hildesheim) verbracht und später in Konzentrationslager deportiert wurden. Insgesamt sind 34 jüdische Bürger Rintelns während der nationalsozialistischen Herrschaft ermordet worden. Heute erinnern der jüdische Friedhof in der Ostertorstraße, eine Tafel am Haus Bäckerstraße 1 sowie einige Stolpersteine an die jüdischen Mitbewohner und ihre Gemeinde in Rinteln.

Kriegsende 1945

Anfang April 1945 entging Rinteln knapp der Zerstörung. Am 4. April, bei der Annäherung der Amerikaner aus Richtung Möllenbeck, wurde zunächst die Südstadt kampflos geräumt. Die deutschen Truppen unter dem Kommando des Majors Alfred Picht zogen sich auf das Nordufer der Weser zurück. Amerikanische Unterhändler, die die Übergabe der Rintelner Weserbrücke verhandeln wollten, wurden am Nordufer der Weser festgehalten und die Brücke gesprengt. Ein amerikanisches Ultimatum forderte daraufhin die sofortige Freigabe der Unterhändler bei Androhung der Zerstörung der gesamten Stadt, deren Bewohner daraufhin zusammen mit mehr als tausend Verwundeten aus den Lazaretten eilig in die benachbarten Dörfer evakuiert wurden. Erst nach zweimaliger Verlängerung des Ultimatums und unter Vermittlung des Rintelner Gymnasialdirektors und damaligen Standortkommandanten der Rintelner Sanitätskompanie Friedrich-Wilhelm Ande sowie mehrerer Rintelner Bürger gelang es, eine Freilassung der amerikanischen Parlamentäre in letzter Minute zu erwirken und so die Zerstörung Rintelns zu verhindern. Am Nordufer der Weser, im sogenannten Wesergebirgskessel, kämpften deutsche Truppen noch bis zum 11. April 1945.

1945 bis heute

Nach Ende des Zweiten Weltkrieges verdoppelte sich die Einwohnerzahl Rintelns durch die Aufnahme von Vertriebenen vor allem aus Ostpreußen und Schlesien. Zunächst südlich der Stadt, im Bereich Bruchwiesenweg und Kleines Löök, dann am Nordufer der Weser, in der Mönchsbreite, entstanden um 1950 neue Wohngebiete. Bis in die 1970er Jahre wuchs die Stadt rapide und erreichte den Südhang des Wesergebirges.

Der Kreis Grafschaft Schaumburg wurde 1946 Bestandteil des Landes Niedersachsen. Durch die Eingliederung von 18 benachbarten Gemeinden in die Stadt am 1. März 1974 wurde Rinteln zur größten Kommune des 1977 gebildeten Landkreises Schaumburg, dessen Sitz seither Stadthagen ist. Nach der Aufnahme Rintelns in das Städtesanierungsprogramm des Landes Niedersachsen 1979 konnte mit einer umfangreichen Sanierung der Altstadt begonnen werden, die mit der Einrichtung einer Fußgängerzone im Jahr 2003 beendet war.

Nachdem die seit 1929 durch die Innenstadt geführte, elektrisch betriebene Extertalbahn ihren Betrieb 1970 endgültig eingestellt hatte, konnte dann durch den 1980 vollendeten Bau einer Umgehungsstraße östlich der Stadt die bis dahin noch durch den Verkehr auf der Bundesstraße völlig überforderte Innenstadt nachhaltig entlastet werden. Bis Ende 2010 war Rinteln zudem staatlich anerkannter Erholungsort.


Text: Wikipedia

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