Romperit (Dresden)

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Siegelmarke Dynamitfabrik
Abb. 1 Zentrale der Dresdner Dynamitfabrik
Abb. 2 Dynamitfabrik Muldenhütten in Hilbersdorf
Abb. 3 Bauzeichnung vom Dynamitmagazin Muldenhütten
Abb. 4 Romperitpaket
Abb. 5 Preisliste von 1924
Abb. 6 Blech-Werbeschild von 1929
Abb 7. Baumpflanzgruben im Vergleich des Wurzelwachstums
Abb. 8 Anzeige 1925
Abb. 9 Ladungsanbringung bei Baumstubben
Abb. 10 Findling vor und nach der Sprengung
Abb. 11 Erste öffentliche Vorführung 9. Juli 1912 in Merten bei Bonn
Abb. 12 Schema der Herstellung zylinderförmiger Mastenlöcher
Abb. 13 Romperit-Sprengmeister-Zeugnis
Abb. 14 Anstecknadel für einen Romperit C Sprengmeister

ROMPERIT - Sprengstoff made in Dresden

Der Autor analysiert historische Dokumente und Firmenprospekte sächsischer Dynamitfabriken Anfang des 20. Jahrhunderts. Im Beitrag zur Zeitgeschichte wird der damals bedeutsame Sprengstoff Romperit und das danach benannte Sprengkultur-Verfahren sowie dessen frühere Anwendung dargestellt. Erläutert werden neben den Sprengverfahren die Ausbildung und Ausrüstung eines Sprengmeisters in dieser Zeitepoche.


1 Die Dynamitfabriken im Raum Dresden

Dynamit und Semtex sind Sprengstoffnamen, die jeder Sprengtechniker kennt! Doch wer weiß schon, dass vor 100 Jahren ein Sprengstoff aus Dresden mit dem Namen ROMPERIT der Renner in Deutschland war?

Die Königlich Sächsische Regierung im Deutschen Kaiserreich wollte den sächsischen Bergbau und den Verkehrswegebau durch Bereitstellung des von Alfred Nobel eingeführten Sprengstoffs Dynamit fördern. Sie genehmigte 1882, nach Ablauf von Nobel’s sächsischen Dynamit-Patentrechten, den Bau zweier privater Dynamitfabriken:

• die „Sächsische Dynamitfabrik Freiberg“ des Dr. Gustav Aufschläger (1853 - 1934) in Hilbersdorf bei Freiberg und

• die „Dresdner Dynamitfabrik AG“ bei Radeberg.

Die Genehmigungen für diese beiden Fabriken, die übrigens die ersten Dynamitfabriken außerhalb Preußens im Kaiserreich waren, wurden trotz massiven Widerstandes des sächsischen Kriegsministeriums erteilt. Das Militär, das damals ausschließlich Schwarzpulver verwendete, begegnete dem zum Gebrauch in Schusswaffen ungeeigneten Dynamit mit großem Misstrauen …

Auf Empfehlung Nobels fusionierten 1884 die beiden heftig konkurrierenden sächsischen Unternehmen und firmierten danach unter dem Namen „Dresdner Dynamitfabrik AG” mit Fabriken bei Radeberg und bei Freiberg in Sachsen. Die Verwaltung und Leitung erfolgten von einer Zentrale im Zentrum Dresdens unter der Leitung des Direktors Dr. G. Aufschläger.

Auf Betreiben Alfred Nobels wurde 1885 die „Deutsche Union“ vereinbart, in der sich neben der Dynamit-Actien- Gesellschaft, vormals Alfred Nobel & Co. Hamburg (DAG), der Rheinischen Dynamitfabrik Opladen und der Deutschen Sprengstoff Actien-Gesellschaft (DSAG) Hamburg auch die Dresdner Dynamitfabrik „zum Zwecke einer ersprießlichen Zusammenarbeit“ vereinten. 1886 ging die „Deutsche Union“ im „Nobel Dynamite Trust Company London“ auf. Damit gehörte die Dresdner Dynamitfabrik zu den Fabriken der Nobel-Kartelle.

Im Werk Muldenhütten wurden zunächst Dynamite für den Bergbau im Westerzgebirge erzeugt. Der durch einen eigenen (!) „Sprengtechnischen Dienst“ (Ingenieure zur Anwendungsberatung) angekurbelte Absatz florierte. Anfang der 1890er Jahre erreichte die Fabrik Monatsproduktionen bis zu 40 Tonnen. Dann kam der Rückschlag.

Durch das Entstehen kartellfreier Sprengstoffhersteller, das Aufkommen von AN-Sprengstoffen und die Zulassung zum Eisenbahnversand tauchten billigere Sprengstoffe im Erzgebirge auf. Die Dynamitproduktion in Muldenhütten fiel auf die Hälfte zurück. Nach einem Explosionsunglück im März 1897 wurde die Fabrik beim Wiederaufbau erheblich erweitert und im Oktober 1897 konnte die Produktion wieder aufgenommen werden.

Sicherheitssprengstoffe wurden wahrscheinlich erst ab 1899/1900 gefertigt, obwohl man die Konzession zu deren Herstellung bereits 1895 beantragte. 1907 erreichte das Werk Muldenhütten mit einer Monatsproduktion von 66 Tonnen in 16 verschiedenen Sorten (vor allem Sicherheitssprengstoffe „Romperite“) die Kapazitätsgrenze. Weiterhin wurden Chloratsprengstoffe, Koronite und der Perchlorat-Sprengstoff „Perdit“ produziert. Die Erzeugung gewerblicher Sprengstoffe ging auch während des ganzen 1. Weltkrieges weiter. Die Belegschaft wuchs von 125 Beschäftigten vor dem Krieg auf 170 im Jahre 1917.

Nach Kriegsende war die Fabrik damit beschäftigt, Munition zu delaborieren und die so gewonnenen Ammonale für zivile Zwecke umzuarbeiten. 1921 wurde die Fertigung des brisanten gewerblichen Sprengstoffs „Silvit“ aus angelieferten militärischen Pikrinsäurekörpern aufgenommen. 1923 kamen aus Muldenhütten Dynamite, Ammongelite, Ammoniumnitratund Perchlorat-Sprengstoffe. Nach einer Stilllegung des Werkes 1926 erfolgte 1927 eine Reaktivierung als Pachtwerk durch die Dynamit-Actien-Gesellschaft (DAG). 1931 fusionierte die Dresdner Dynamitfabrik mit der DAG, die das Werk Muldenhütten im Herbst desselben Jahres endgültig stilllegte. Die meisten Gebäude wurden gesprengt, andere als Sprengstofflager weiter benutzt.

Die andere Produktionsstätte der Dresdner Dynamitfabrik befand sich östlich von Dresden, bei Radeberg. Das dortige Sprengstoffwerk wurde 1882 errichtet - Verwaltung und Werksleitung erfolgten ebenfalls von Dresden aus. Doch schon 1891 zählte das Werk zu den „nichtausgelasteten Fabriken“ und wurde wahrscheinlich 1892 außer Betrieb gesetzt. Vermutlich sollte es lediglich als „Vorhaltekapazität“ für Stoßzeiten dienen. Noch in den 1920iger Jahren führte die Dresdner Dynamitfabrik AG in ihrem Briefkopf die Radeberger Fabrik mit auf.

Erst im Jahre 2010 erfolgte der Abbruch der letzten Gebäude der Dresdner Dynamitfabrik bei Radeberg und nur noch die überwucherte Erdwallanlage erinnert an die alte Fabrik …


2 Der Sprengstoff Romperit

ROMPERIT gehört zu den sogenannten Sicherheitssprengstoffen, die um 1888 auf dem Sprengstoffmarkt erschienen. Diese handhabungssicheren Ammonsalpeter-Sprengstoffe waren dringend erforderlich geworden, nachdem es in vielen Bergwerksbetrieben, seit der Einführung des Dynamits, zu verheerenden Unglücksfällen mit zahlreichen Toten und Verletzten gekommen war.

Die Lieferung des ROMPERIT erfolgte in 25-kg-Kisten mit 10 Paketen zu je 2,5 kg. Jedes Paket enthielt 25 Patronen á 100 g und einem Durchmesser von 30 mm (Abb. 4). Für nasse Bohrlöcher wurde der gegen Nässe sehr widerstandsfähige Ammonsalpeter-Sprengstoff GELATINEROMPERIT verwendet.

ROMPERIT C und Gelatine-ROMPERIT waren zum Stückgut- und Eilgut-Transport in unbeschränkten Mengen mit der Eisenbahn zugelassen. Zweifelslos ist ROMPERIT C der bekannteste Sprengstoff der Dresdner Dynamitfabrik, doch es wurden auch noch andere ROMPERIT-Sorten, wie z. B. ROMPERIT A, B, D und G produziert.

Die Zusammensetzung einzelner ROMPERIT-Sorten:

• ROMPERIT A: 55,5 % Ammonsalpeter, 12,0 % TNT, 7,0 % Kochsalz, 9,5 % Kalisalpeter, 5,0 % Magnesit, 6,0 % Holzmehl (in anderen Quellen werden noch Salmiak und Roggenmehl als Bestandteile genannt)

• ROMPERIT C: 80,0 % Ammonsalpeter, 12,0 % TNT, 3,0 % Holzmehl, 4,0 % Nitroglycerin (gelatiniert), 0,5 % Kohle, 0,5 % Harz

• ROMPERIT D: 67,0 % Ammonsalpeter, 7,0 % TNT, 4,0 % Holzmehl, 1,5 % Dextrin, 20,5 % Kochsalz

In der Preisliste des Generalvertreters der Dresdner Dynamitfabrik (Friedrich Kübler, Untertürkheim) vom März 1924 finden sich 6 verschiedene ROMPERIT-Sorten.


3 Sprengstoffe in der Landwirtschaft

Die Hauptaufgabe der Landwirtschaft besteht darin, die Fruchtbarkeit des Bodens zu erhalten und zu erhöhen oder auch erst eine Ertragsfähigkeit des Bodens zu schaffen. Dies geschieht durch Regulierung der Wasserverhältnisse, zweckmäßige Düngung, Anbau geeigneter Pflanzen, sowie auch vor allem durch gründliche und zweckmäßige Bodenbearbeitung.

Trotz wachsender technischer Möglichkeiten konnte der Boden damals nur bis in eine Tiefe von ca. 60 cm aufgelockert werden. Auch die Kultivierung mittels Schwarzpulver brachte keine nachhaltigen Erfolge. Doch schon wenige Jahre, nachdem das Dynamit die gesamte Sprengtechnik revolutionierte, tauchte der Gedanke wieder auf, in der Land- und Forstwirtschaft Sprengstoffe zu verwenden.

Anlass bot der Vergleich des Schwarzpulvers mit diesem neuen Sprengmittel, dessen enorme Wirkung eine völlig neue Dimension darstellte. Beim Eisenbahnbau und im Bergbau wurden seit der Einführung des Dynamits gewaltige Fortschritte gemacht.

Beim Stollenvortrieb in sehr festem Gestein, zum Beispiel, betrug die Tagesleistung beim Einsatz von Schwarzpulver höchstens 0,4 - 0,6 m, bei der Verwendung von Dynamit (mit gleichem Arbeitskräfteeinsatz) dagegen 1,0 - 1,5 m! Warum sollte dann das Dynamit nicht auch eine Hilfe für Landwirte und Forstarbeiter sein?

Isidor Trauzl (Ingenieur und k. k. Hauptmann der Reserve) hat in seinem 1876 erschienenen Buch über die Dynamite und ihre Anwendung in der Land- und Forstwirtschaft [1] alle bis zu diesem Zeitpunkt veröffentlichten Versuchsresultate - die zum großen Teil für „Nicht-Militärs“ unzugänglich waren - ausgewertet und aufgearbeitet. Er beschreibt in seinem Werk sehr detailliert Sprengungen von Holzpfählen, Bäumen, Baumstubben (Stockrodungen) mit Dynamit und vergleicht den Aufwand bei den Sprengarbeiten mit der bis dahin üblichen manuellen Arbeit. Am Schluss seines Buches widmet sich Trauzl der „Tiefcultur durch Sprengen“ und beschreibt Sprengversuche in Österreich, bei denen mit Dynamit Bodenlockerungen durchgeführt wurden.

Doch erst, nachdem die Sprengtechnik über Sicherheitssprengstoffe wie ROMPERIT verfügte, die bei ausreichender Detonationsgeschwindigkeit handhabungssicher waren, wurden die früheren Versuche auf breiterer Basis wieder aufgenommen. Den Anstoß hierzu gab der Direktor der Dresdner Dynamitfabrik und spätere Generaldirektor der Dynamit-Actien-Gesellschaft, Dr. Gustav Aufschläger, in dessen Auftrag der amtierende Direktor der Dresdner Dynamitfabrik, E. Boldt, diese Versuche unternommen und damit die Grundlagen für das im Jahre 1910 eingeführte ROMPERIT-Sprengkultur-Verfahren geschaffen hatte.


4 Das ROMPERIT-C-Sprengkulturverfahren

Der Inhalt des Sprengkulturverfahrens mit ROMPERIT C bestand in der praktischen Ausführung von verschiedensten Sprengarbeiten in der Land- und Forstwirtschaft, die leicht zu erlernen waren und bei denen mit relativ geringem Aufwand großer Nutzen erzielt werden konnte und die dazu noch billiger als Handarbeit waren.

Die Anwendungsarten des ROMPERIT-C-Sprengkulturverfahrens teilten sich zunächst in zwei Gruppen.

Gruppe 1 (gestreckte Ladungen in Bohrlöchern) umfasste folgende Arbeiten:

• Herstellung von Baumgruben

• Neubelebung jüngerer oder älterer noch mit dem Spaten gepflanzter Obstbäume

• Tieflockerung des Untergrundes

• Durchbrechen harter Unterschichten

• Durchmischung des Bodens

• Entsumpfung

• Ziehen von Gräben

Gruppe 2 (geballte Ladungen/gebündelte Patronenladungen) umfasste:

• Roden von Baumstubben

• Zertrümmern von Findlingen

In zahlreichen Broschüren, Prospekten und Handbüchern, die von der Dresdner Dynamitfabrik kostenlos an Interessenten verschickt wurden, erfolgte eine ausführliche Beschreibung der einzelnen Anwendungsgebiete, Angaben über das Herstellen der Bohrlöcher, Abschätzen der Ladung, Fertigmachen der Zündpatrone (Schlagladung), Besetzen, Verdämmen und Zünden [3 - 5; 7 - 9].


5 Anwendung des Sprengkulturverfahrens mit ROMPERIT aus Sicht des Herstellers

Die Verfahrensbeschreibung zur Herstellung von Baumpflanzgruben enthielt Folgendes:

• Weil eine gesprengte Pflanzstelle für den Obstbaum zehnmal soviel Nährboden erschließt und nicht mehr kostet, als die veraltete Spatenpflanzgrube (Blumentopfpflanzung).

• Weil 2 Arbeiter an einem Tag 200 - 300 Obstbaumpflanzlöcher mit ROMPERIT sprengen können …

• Je trockener der Boden ist, desto erfolgreicher die Anwendung des ROMPERIT-Sprengkulturverfahrens. Besonders geeignete Zeit für diese Arbeiten ist der Herbst.

Ähnlich wurde für die Tiefenlockerung des Untergrundes geworben:

• Weil Wasser die Hauptvoraussetzung des Pflanzenwachstums ist und die Tieflockerung mit ROMPERIT C größte Wasseraufnahmefähigkeit und größtes Wasserspeicherungsvermögen des Bodens bewirkt …

• Weil der Boden tiefer als mit jedem anderen Verfahren gelüftet wird und weil die Düngemittel schneller und wirkungsvoller zur Geltung kommen …

• Durch die vertikale Tieflockerung des Untergrundes mittels ROMPERIT C kann eine tiefgründige Bodenlockerung bis zu einer Tiefe von etwa 1,50 m erzielt werden. Alle wasser- und wurzelundurchlässigen Schichten werden hierbei zertrümmert.

Beim Roden von Baumstubben wurde auf stark gelockerten Untergrund bei herausgesprengten Stubben verwiesen, wobei zu beachten sei:

• Die Stärke der Sprengladung richtet sich nach den Bodenverhältnissen, der Stubbengröße, der Holzart und ganz besonders nach der Wurzelbildung (Flach-oder Pfahlwurzel).

• In schwerem Boden wurde als Norm für die Ladung 1 Patrone (100 g) auf je 10 cm Durchmesser des Stubbens angenommen. Aus heutiger Sicht kaum mehr nachvollziehbar, wurde für das Zertrümmern von Findlingen geworben, weil jeder der oft riesigen Findlingsblöcke in wenigen Minuten zerkleinert und beseitigt wird und die Trümmer vortreffliches Material zu Wegebauten, Mauern und Fundamenten ergeben. Dabei wurde auf die Varianten der Durchführung, ohne anbohren zu müssen, Bezug genommen:

3 Arten der Zertrümmerung:

1. ROMPERIT wird in Patronenbündeln auf den Stein gelegt und mit einer ca. 15 cm starken Schicht von feuchtem Lehm oder Erde bedeckt, also Aufleger

2. Anbringung der Ladung unter dem Stein (mittels Erdbohrer bzw. Schlageisen)

3. Bei großen und zum Teil noch im Erdreich eingebetteten Steinen empfiehlt sich eine Kombination der beiden ersten Verfahren Bei einem Gewicht der Findlinge zwischen 50 und 200 kg rechnete man mit 1 - 2 Patronen (100 bis 200 Gramm ROMPERIT C).

Später kamen noch weitere Anwendungsarten dazu wie z. B.:

- Rigolarbeiten im Weinbau,

- Beseitigung von Wildhecken,

- Herstellen von Mastenlöchern und Brunnenschächten,

- Schädlingsbekämpfung,

- Beseitigung von Bohrhindernissen bei Tief- und Brunnenbohrungen.

Nach eingehenden Studien, jahrelangen praktischen Versuchen und Anlernung geeigneter Leute fand am 09. Juli 1912 in Merten bei Bonn, anlässlich der 1. Deutschen Gartenbauwoche, die erste größere Vorführung des Romperit-C-Sprengkultur-Verfahrens statt.

Nach dieser Vorführung, die ein voller Erfolg war und mit Beifall der Anwesenden endete, gingen hunderte von Anfragen und Bestellungen in der Dresdner Dynamitfabrik ein. Zunächst waren 3, später 5 Sprengtechniker-Gruppen deutschlandweit unterwegs, um zahlreiche instruktive Vorführungen zu veranstalten. Man beachte jedoch den Abstand der Zuschauer zu den detonierenden Sprengladungen - immerhin wurden vom Hersteller 50 - 100 m Gefahrenbereich angegeben!

Innerhalb des ersten Jahres nach der Premiere in Merten wurden etwa 600 Vorführungen in allen Teilen Deutschlands in Kreisen der Forst- und Landwirtschaft, des Garten-, Obst- und Weinbaues und der Teichwirtschaft veranstaltet. Auch der Landwirtschaftsminister in Berlin und König Friedrich August III. von Sachsen wohnten Vorführungen des neuen Sprengkultur-Verfahrens bei.


6 Weiterentwicklung der Romperit-Anwendung und militärischer Einsatz

Die Sprengtechniker der Dresdner Dynamitfabrik tüftelten an weiteren Einsatzgebieten für ihr ROMPERIT: um 1913 beschrieb Direktor Boldt in einem Firmenprospekt ein neues patentiertes Verfahren zur Bekämpfung tierischer Kultur-Schädlinge wie Reblaus, Kaninchen, Hamster und Wühlmaus.

Das Prinzip des Verfahrens bestand darin, einen Behälter mit Flüssigkeit oder auch vergasbaren Flüssigkeiten und einer eingelassenen Sprengstoffpatrone unterirdisch zu zünden und damit die Flüssigkeiten im Boden gleichmäßig zu verteilen. So würde sich diese Methode zur Bekämpfung der Reblaus mit Schwefelkohlenstoff in Weinanbaugebieten und gegen Nagetiere eignen. Ebenso könnten auch nichtvergasende Flüssigkeiten wie flüssiger Dünger, Jauche o. ä. gleichmäßig und kostengünstig unterirdisch im durch die Sprengung aufgelockerten Boden verteilt werden.

Während des 1. Weltkrieges (1914 - 1918) wurde ROMPERIT fast ausschließlich an das deutsche Militär geliefert, das es an allen Fronten einsetzte. In einer Broschüre der Dynamitfabrik bedankten sich Offiziere bei den Sprengmeistern Esche und Nentwich der Dresdner Dynamitfabrik, die von 1915 - 1918 sprengtechnische Lehrgänge und Sprengvorführungen für das Militär durchführten. In derselben Broschüre ist ein Foto von Direktor Boldt zu sehen, das ihn im Februar 1915 an der Front zusammen mit Militärs zeigt, denen er sein neues Verfahren zum schnellen Herstellen von Telegrafen-Mastenlöchern vorstellte.

Das Prinzip dieses, in mehreren Ländern Europas zum Patent angemeldeten, Verfahrens (Abb. 12) besteht darin, dass mit einem Schlageisen bzw. Erdbohrer ein 1 m bis 1,5 m tiefes Bohrloch hergestellt wird. In dieses Loch wird eine spezielle Pappröhre versenkt, deren unteres Ende geschlossen ist. In diese Pappröhre werden halbe Sprengstoffpatronen mit nach oben zeigenden und offenen Sprengkapseln eingeführt. Der Abstand zwischen diesen Patronen wird mit im Durchmesser kleineren Pappröhren als Distanzstücke hergestellt. Die Anzahl der kleinen Sprengladungen ergibt sich aus der Länge des Bohrloches und der Bodenbeschaffenheit. Die letzte und oberste Sprengstoffpatrone wird als Schlagpatrone mit einem elektrischen Zünder oder Sprengkapsel und Zündschnur versehen.

Ein Verdämmen des Bohrloches ist nicht erforderlich. Bei der Zündung der obersten Patrone werden auch die anderen Ladungen - trotz der Abstände von ca. 25 cm - durch die eingeführten Sprengkapseln zur Explosion gebracht.

Hierdurch entsteht ein zylinderförmiges Mastenloch, das von oben bis unten gleichmäßig breit ist, um einen Telegrafen-Mast aufzunehmen. Erleichtert wird das Einführen des Mastes durch eingefettete Schutzeisen, die verhindern sollen, dass der Mast beim Einführen das Loch beschädigt bzw. verschüttet.

Zur wissenschaftlichen Untermauerung und zur Untersuchung der Wirtschaftlichkeit des Untergrund-Sprengkultur-Verfahrens führte auch Friedrich Weichelt ab 1931 eine große Anzahl von Versuchssprengungen durch.


7 Ausbildung von Romperit-Sprengmeistern

Die Dresdner Dynamitfabrik bildete damals in ganz Deutschland Sprengmeister aus, die Sprengarbeiten für Andere übernahmen oder wiederum geeignete Leute auf Gütern, in Forsten, Obstplantagen, Weinbaugebieten usw. ausbildeten. Sie erhielten behördliche Erlaubnisscheine, die im Jahre 1913 zwischen 3 und 10 Mark kosteten.

In einem Schreiben der Dresdner Dynamitfabrik aus dem Jahre 1926 wurden jeden Dienstag oder Freitag einen Vormittag lang Ausbildungen im Sprengkultur-Verfahren im Werk Muldenhütten kostenlos angeboten, „nur das Fahrgeld hin und zurück müssen Sie natürlich selbst bezahlen …“.

In den 1930er Jahren hielt die Sprengstoff-Verkaufs-Gesellschaft, Berlin, in allen Teilen Deutschlands kostenlose Sprengmeister-Lehrkurse ab. Es wurden Kenntnisse über das Wesen, die Wirkung und die Handhabung der beim ROMPERIT-Sprengkultur-Verfahren zur Verwendung kommenden Sprengstoffe durch Belehrung und praktische Übungen vermittelt. Weiterhin bildeten die Gesetze, die Polizeiverordnungen und die Unfallverhütungsvorschriften über den Verkehr mit Sprengstoffen einen wichtigen Teil des Lehrstoffes. Für die bestandene Prüfung wurde dem Kursteilnehmer eine Bescheinigung (Sprengmeister-Zeugnis) ausgestellt, mit der bei der Behörde ein Sprengstofferlaubnisschein beantragt werden konnte.

Regelmäßige, zweitägige Ausbildungskurse fanden auch bei der Deulakraft GmbH in Zeesen bei Königswusterhausen statt. Durch diese zahlreichen Lehrgänge wurden Tausende von Sprengkulturmeistern ausgebildet.

Für nur 3 Pfennig Porto auf einem „Bücherzettel“ konnte jeder einen kostenlosen Sprengmeister-Leitfaden für das Romperit-Sprengkultur-Verfahren bei der Sprengstoff-Verkaufs-Gesellschaft anfordern …


8 Ausrüstung des Romperit-Sprengmeisters

Ein Romperit-Sprengmeister muss außer dem Sprengstoff-Erlaubnisschein und den Spreng- und Zündmitteln bei der praktischen Ausübung seines Berufes folgendes Handwerkzeug besitzen:

- Sprengstoff-Transportbehälter mit Schloss und Tragriemen. Bei Bestellung von der Sprengstoff-Verkaufs-Gesellschaft im Transportbehälter mitgeliefert:

- Sprengkapselzange und Sprengkapselkästchen, Signalhorn, Holzdorn

- Schraubenzieher, Holzhammer

- Hartholz- oder Messingkeil

- hölzerner Ladestock

- Taschenmesser, Taschenuhr

- Zollstock, Streichhölzer

- Bindfaden und Isolierband

- Papier für Besatzpatrone

- rote Flagge für Absperrung

- bei Elektrischer Zündung: Ohmmeter, Schießleitung, Zündmaschine mit Schlüssel

- Bohrgeräte


9 Schlussbetrachtung

Das ROMPERIT-Sprengkulturverfahren der Dresdner Dynamitfabrik war ein vor dem 1. Weltkrieg mit großem Aufwand und viel Engagement entwickeltes Verfahren, mit dessen Hilfe zahllose Baumstubben zu Brennholz, unzählige Baumpflanzgruben ausgesprengt und große Ödlandflächen fruchtbar gemacht wurden.

Das Verfahren hatte seine Blütezeit in Deutschland in den 1920er und 30er Jahren, also zwischen den beiden Weltkriegen, in einer Zeit der Knappheit und Not. Das Sprengkulturverfahren war anschaulich in Handbüchern der Dynamitfabrik bzw. der Sprengstoff-Verkaufsgesellschaft, beschrieben, leicht zu erlernen und mit einfachsten Mitteln sicher auszuführen. Tausende Landwirte, Forstarbeiter, Gärtner usw. wurden so zu ROMPERIT-C-Sprengmeistern ausgebildet.

Mit den Romperit-Sprengstoffen wurden moderne ANSprengstoffe mit und ohne Sprengöl auf den Weg gebracht. Auch das Sprengen - aus heutiger Sicht - mit Hohlraumbesatz wurde eingeführt. So trug das Romperitverfahren wesentlich zur Entwicklung der Sprengtechnik bei. Die in den Quellen zu lesenden Hauptgebote für den „Romperit-Sprengkultur-Meister“ formulierten vor fast 100 Jahren noch für die Gegenwart aktuelle Arbeitsschutzgrundsätze:

- ruhiges, sachgemäßes Arbeiten,

- kein Alkoholgenuß vor und während der Arbeit,

- kein Tabackrauchen an der Arbeitsstelle und kein offenesFeuer in ihrer Nähe,

- strenge Fernhaltung Unbeteiligter, insbesondere von den Sprengmaterialien,

- keine Sprengungen nach Eintritt der Dunkelheit und bei Nebel,

- sorgfältige Beachtung der (nachfolgenden) Anleitungen, insbesondere gewissenhafte Einhaltung aller gesetzlichen und sonstigen Vorschriften.

Nach 1945 war in Deutschland allgemein nur noch von Kultursprengungen und Untergrundkultursprengungen die Rede und in der 1. Auflage seines Handbuches [10] beschreibt F. Weichelt mit fast identischen Abbildungen die Herstellung von Baumpflanzlöchern, Stubbensprengungen usw.

Im Laufe der letzten Jahrzehnte ist das Kultursprengen durch die immer mehr fortschreitende Technisierung in allen Bereichen fast völlig in Vergessenheit geraten und nur das gelegentliche Sprengen von Stubben und das Aussprengen von Feucht-Biotopen erinnern an alte Zeiten …


10 Literaturverzeichnis

[1] Trauzl, Isidor: Die Dynamite, ihre Eigenschaften und Gebrauchsweise sowie ihre Anwendung in der Landwirthschaft und im Forstwesen, Berlin 1876

[2] Denkschrift der Actien-Gesellschaft Dynamit Nobel: Das Dynamit und seine culturhistorische und technische Bedeutung, Wien 1896

[3] Das Romperit C-Sprengkultur-Verfahren der Dresdner Dynamitfabrik, Selbstverlag (ohne Jahresangabe, wahrscheinlich 1913)

[4] Vervollständigtes Handbuch über die Anwendung und Vorteile des Romperit C Sprengkultur-Verfahrens der Dresdner Dynamitfabrik Dresden (ohne Jahresangabe, wahrscheinlich 1914)

[5] Erfolgreiche Arbeiten ausgeführt seit 1911 mit unserem Romperit C-Sprengkultur-Verfahren und dessen Bedeutung für die deutsche Volkswirtschaft, Selbstverlag der Dresdner Dynamitfabrik, 1916

[6] NOBEL HEFTE, Sonderheft September 1926

[7] Das Romperit C-Sprengkultur-Verfahren“ Sprengmeister- Leitfaden, Sprengstoff-Verkaufs-Gesellschaft mbH, Berlin, (ohne Jahresangabe, wahrscheinlich 1929)

[8] Das Romperit-Sprengkultur-Verfahren, Sprengmeister- Leitfaden, 4. Auflage, herausgegeben von der Sprengstoff- Verkaufs-Gesellschaft mbH, Berlin 1934

[9] Das Romperit-Sprengkultur-Verfahren, 5. Auflage, herausgegeben von der Sprengstoff-Verkaufs-Gesellschaft mbH, Essen/Berlin 1938

[10] Weichelt, Friedrich: Handbuch der gewerblichen Sprengtechnik, Halle 1949

[11] Trimborn, F.: Explosivstofffabriken in Deutschland, Köln 1995

[12] Archivmaterialien von Dr. D. Rettig, Großerkmannsdorf

[13] Privatmitteilung von D. Keller, Hilbersdorf

[14] Archivmaterialien von WECO, Freiberg

Adressen der genannten Firmen:

Dresdner Dynamit Fabrik AG Zentralbüro Bürgerwiese 1, Dresden von 1916 -1929, davor Ferdinandstrasse 16

Generalvertretung Friedrich Kübler, Cannstatterstraße 156, Untertürkheim (heute Augsburger Straße)

Sprengstoff Verkaufs GmbH, Versandabteilung, Briennerstraße 9, München

Deulakraft GmbH, Zeesen

Dynamitfabrik Muldenhütten, Hilbersdorf

Danksagung

Der Autor bedankt sich ganz besonders bei Dr. D. Rettig, der die Recherchen mit Rat und einem Berg interessanter Dokumente unterstützt hat.

Der Beitrag wurde in der SPRENGINFO 33(2011) veröffentlicht.


Anschrift des Autors:

Jürgen Bartsch

EUROVIA Beton GmbH

NL Abbruch und Erdbau

Saalestr. 54 - 57

39126 Magdeburg