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Sarstedt

Sarstedt (lat. Kertzstadensis; nds. Sassti’e) ist eine am Fluss Innerste gelegene Kleinstadt im (süd)östlichen Niedersachsen (West-Ostfalen).

Reklamemarken und Siegelmarken

Geschichte

Name

Sarstedt hat eine wechselvolle Benennung, die bereits Jacob Grimm auffiel. Die Varianten des Sarstedter Ortsnamens lauten „Zerstede (1221), Schirstede (1225–1247), Tzerstede (1302), Cerstede (1367), Tzerstede (1434) und Cerstidde (1474)“.

Urgeschichte und Prähistorie

Auf dem Gebiet des heutigen Sarstedt befand sich vor 130–134 Millionen Jahre ein Meer. In der Tongrube Moorberg wurde Nanoplankton[5] gefunden, hummerartige Krustentiere (Hoploparia dentata),[6] sowie Seeschwämme (Achilleum morchella) aus dem in Sarstedt zu findenden Plänerkalk,[7] der aus der Unterkreide stammt.

Die Anwesenheit von Neandertalern auf dem Gebiet der heutigen Gemarkung Sarstedt konnte anhand von Knochenfunden nachgewiesen werden, darunter drei Schädel-Fragmente,[8] Eine genaue Altersbestimmung dieser Funde ist bislang nicht gelungen, anhand von anderen Fossilien und von Steinwerkzeugen wurde jedoch geschätzt, dass die Neandertalerfunde nicht wesentlich älter als rund 100.000 Jahre sind.[9]

Erste dauerhafte Besiedlungen durch den modernen Menschen (Homo sapiens) fanden in der Gegend in und um Sarstedt nachweislich vor etwa 7000 Jahren statt. Für die Jungsteinzeit wurde die bäuerlicher Kultur der Bandkeramik sowohl für Sarstedt, als auch in den Nachbargemeinden Barnten, Jeinsen und Algermissen archäologisch nachgewiesen.[10]

Mittelalter

Zwischen 772 und 802 lag das heutige Gebiet Sarstedt in dem Einzugsbereich der Feldzüge der Franken unter Karl dem Großen gegen die Sachsen. In Heisede wurden Gräber altsächsischer Reiterkrieger mit Pferden aus dem 8. Jahrhundert auf dem Flurstück „Heidenkirchhof“ gefunden

Sarstedt liegt auf einem alten Handelsweg, dem Hellweg vor dem Santforde, der im Mittelalter die Bistümer Minden und Hildesheim verband. Der Ort besaß wahrscheinlich im 9. und 10. Jahrhundert einen Marktflecken und lag an einer Furt an der Innerste. Der Sarstedter Siedlungskern dürfte sich im Bereich des „Alten Dorfs“ (1279 Altendorp) als Grundbesitz des Hildesheimer Domkapitels entwickelt haben,[11]

Zu den frühesten schriftlichen Quellen, die auf das Gebiet Sarstedt hinweisen, gehört eine Quelle aus dem Jahr 993. Als kirchlicher Siedlungs- und damit auch Missionspunkt wird Sarstedt (Kertzstadensis) zum ersten Mal im Jahr 1075 und im Vergleich mit dem älteren Missionsstützpunkt Elze lobend erwähnt.[12]

Seit 1200 wird die Stadt Sarstedt sich zwischen der vermutlich bei St. Nicolai gelegenen Kirche und der Bischofsburg ausgebreitet haben. Die Bischofs- oder Retburg (später auch Rietburg oder Rittburg im Besitz derer v. Alten) hatte die Aufgabe, das bischöfliche Hildesheimer Land gegen die Welfen im Westen, den Leineübergang bei Ruthe und die Innerstefurt bei Sarstedt zu schützen. Der bischöfliche Hof wird unter dem Hildesheimer Bischof Siegfried I. in dessen letztem Amtsjahr 1221 erstmals urkundlich erwähnt. Herzog Albrecht von Braunschweig eroberte die Burg 1256 und brannte sie während der Regierungszeit Ottos I. um 1279 nieder. In einem Vertrag vom 10. Dezember 1283 konnte deshalb auch von einem „von dem Bischofe zu erbauenden Schloss Sarstedt“ die Rede sein.[13][14] 1485 wurden Burg und Stadt Sarstedt in den Kämpfen des Bischofs gegen die Stadt Hildesheim erneut zerstört.

Sarstedt wurde zur Stadt um das Jahr 1296, als Sarstedt von Bischof Siegfried II. (1279–1310) territorial erweitert wurde; denn nach der Einbeziehung der älteren Dörfer oder Siedlungen „Wennerde und Helperde“ traten die Stadtrechte in Kraft.[15] Vermutlich gingen mit der prosperierenden materiellen Bedeutung von Sarstedt seit dem 12./13. Jahrhundert auch die verstärkten baulichen Anstrengungen der Sicherung der Stadt einher, allem voran die Errichtung von Stadtmauer, Wall und Graben sowie der Bau der beiden Stadttore „Ostertor“ (im Osten) und „Holztor“ (im Westen vor der Innerste-Brücke).[16]

Als Stadt erstmals erwähnt wird Sarstedt in einer Urkunde in einer Aufzählung mit anderen Ortschaften wie Braunschweig, Goslar oder Hildesheim im Jahr 1339 (31. Januar). Für 1250 ist ein Leutpriester oder Pfarrer (lat. plebanus) belegt, 1258 wird in einer Urkunde ein Sarstedter Bürger benannt. Ab 1319 wird Sarstedt als civitas bezeichnet, 1327 ist der Ort als Archidiakonatssitz verbürgt, und von 1428 stammt das erste Siegel der Stadt.[14] Wiederholt wurde die Stadt zerstört und musste mühsam wieder aufgebaut werden: zuerst 1283, nach der Großen Fehde 1485, der Hildesheimer Stiftsfehde 1521, 1556, 1580, 1716[17] und 1798.[18]

Frühe Neuzeit und Reformation Die Hildesheimer Bischofschronik beziffert für den Zeitraum von 1412 bis 1580 fünf Brandschatzungen oder natürliche Feuersbrünste, die Sarstedt in seiner Entwicklung zurückgeworfen haben (29. Januar 1412: Brand bis auf den Grund mit vielen Todesopfern; 23. September 1485: Große Fehde, bei der Sarstedt mit Feuerkugeln völlig zerstört wurde; 1522: Hildesheimer Fehde, bei der Leute aus Braunschweig und Hannover die Stadt geplündert und zahlreiche Häuser niedergebrannt haben; 1556: Brannte nach Einbringung der Ernte Mittwoch nach Michaelis die ganze Stadt nieder; und vom 8. September 1580 berichtet die Bischofschronik: ist Sarstedt zum fünfftenmahl von Grund aus verbrannt, daß nichts als die Kirche, und der Friesen- und der Barner Höfen stehen geblieben. Des letztern grossen Brandes, welcher anno 1716. fast die gantze Stadt Sarstedt abermals in die Asche gelegt, hier nicht zu gedencken).[20]

In der Mitte des 14. Jahrhunderts sind für Sarstedt erstmals auch Einwohner jüdischen Glaubens belegt.

Bei der Hildesheimer Stiftsfehde ab 1519 ging Sarstedt ging ein weiteres Mal in Flammen auf. Danach wurde Sarstedt welfisch und dem Amt Coldingen unterstellt.

Die Reformation hielt um die Jahreswende 1542/43 in Sarstedt Einzug.

Während des Dreißigjährigen Krieges kam es zu verschiedenen Kriegshandlungen bei Sarstedt. Am 9. Juli 1634 trafen kaiserlich-katholische Truppen zur Verteidigung Hildesheims „am Hülpersberge“ bei Sarstedt (heute „am Kipphut“) mit der Belagerungsarmee zusammen und wurden von dieser vernichtend geschlagen.

Gegen Ende des 16. Jahrhunderts wurden in Sarstedt 131 Bürger (dazu neun Schutzbefohlene und drei Sattelhöfe) gezählt (1593).[21]

Von 1653 bis 1815 war der Ort wieder Teil des Bistums Hildesheim, bevor die Stadt zusammen mit dem Bistum zum Königreich Hannover kam.

Neuere Geschichte

Während der Zeit der französischen Besetzung (1807 und 1813) gehörte Sarstedt zum Departement der Oker (mit Hauptstadt Braunschweig) als Teil des Königreichs Westphalen.

Von 1815 bis 1866 gehörte Sarstedt zum Königreich Hannover, ab 1866 zur preußischen Provinz Hannover. Um 1850 war Sarstedt eine Stadt im Amtsbezirk Ruthe des Fürstentums Hildesheim.[14][22] Sarstedt erlangte 1852 den Status einer Titularstadt und somit eine gewisse amtliche Eigenständigkeit;[21] die Gerichtsbarkeit ging erst 1859 vom Amt Ruthe auf das Amtsgericht Hildesheim über. Seinerzeit wurde im Umland der Stadt vor allem Flachs (für die Herstellung von Leinen) angebaut, das vom Mittelalter bis ins 19. Jahrhundert neben Hanf, Nessel und Wolle die einzige Textilfaser war. 1890 hatte Sarstedt 2.768 Einwohner, darunter „561 Katholiken und 34 Israeliten“.[23]

Die Landwirtschaft und das Kleingewerbe prägte Sarstedt die meiste Zeit im 19. Jahrhundert. Sarstedt wurde 1852 Titularstadt, 1929 erhielt es den offiziellen Stadt-Status gemäß der seinerzeit gültigen preußischen Gemeindeverordnung.

Sarstedt hatte bereits Mitte des 19. Jahrhunderts einen Bahnhof als Halt an der Hannöverschen Südbahn, deren Abschnitt Hannover-Alfeld 1853 eröffnet wurde.[24] Durch den Bahnanschluss entstand eine Seifen- und eine Lichterfabrik. Die bischöfliche Mühle wurde 1854 durch den Kaufmann Ernst Malzfeldt übernommen. Eine Schlosserei von 1844 bildete die Grundlage für eine Ofen- und Herdfabrik in den 1870er Jahren, die spätere Vosswerke AG. In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts entstanden zwei Zündholzfabriken in Sarstedt. Es gab im 19. Jahrhunderts sechs Ziegeleien in Sarstedt.

Von Mitte des 19. Jahrhunderts bis zum Ersten Weltkrieg hatte sich die Sarstedter Bevölkerung vervierfacht (von zirka 1.500 auf 5.700);[25] nach dem Zweiten Weltkrieg hatte sie sich abermals verdoppelt. Dieser Zuzug war zum einen mit der Industrialisierung und der damit verbundenen wirtschaftlichen Prosperität verbunden. Obwohl eine kleine Stadt in der preußischen Provinz, konnte Sarstedt früh an der industriellen Entwicklung durch den Bahnanschluss teilnehmen.

Südlich der Vosswerke AG entstanden ab 1898 durch den „Gemeinnützigen Bauverein“ Wohnungen für den privaten Bedarf. Auf dem Dehnberg errichtete man 1938 zwanzig Eigenheime, in den 1950er Jahren kamen um die 1200 neue Wohnungen hinzu. Weitere Siedlungen entstanden in den 1960er und 1970er Jahren auf den bis dahin landwirtschaftlich genutzten Flächen.[21]

Zu Beginn des 20. Jahrhunderts gehörte Sarstedt im Landkreis Hildesheim zum Königreich Preußen im Deutschen Reich. Zeitgenössische Nachschlagewerke erwähnen in dieser Zeit das Telegraphenamt, die Zucker-, Kochherd- und Zündholzfabrik, die Eisengießerei, fünf Dampfziegeleien sowie zwei Dampfmühlen.

Eine wichtige Rolle im Wirtschaftsleben im Kreis Sarstedt spielte seit Anfang des 20. Jahrhunderts der Kalibergbau, bei dem Kalisalze zur Herstellung von Dünger unter Tage abgebaut wurden. Beide unmittelbar zu Sarstedt gehörende Kalischachte „Glückauf-Sarstedt“ und „Siegfried-Giesen“ verfügten über eine Grubenanschlussbahn und dienten seit 1904/06 für Beschäftigung, bis sie beide 1987 geschlossen wurden.


Text: Wikipedia

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