Silvio Gesell

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Johann Silvio Gesell (* 17. März 1862 in Sankt Vith, Rheinprovinz; † 11. März 1930 in der Obstbau-Genossenschaft Eden bei Oranienburg) war ein deutscher Kaufmann, Finanztheoretiker, Sozialreformer und Begründer der Freiwirtschaftslehre. Sein Geburtshaus befindet sich in der St. Vither Rathausstraße 81.

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Leben

Silvio Jean Gesell war ein Sohn des Ehepaares Ernst und Mathilde Gesell und das siebte von neun Kindern.[3] Seine Mutter war die Tochter des Ehepaares Jeanette und Nicolas Joseph Talbots. Die Großmutter Jeanette, auf die der zweite Vorname Gesells verweist, war eine Tochter des bekannten St. Vither Baumeisters Josef Lentz.[4] Sie arbeitete vor ihrer Eheschließung in Verviers und Andenne als Erzieherin Don Carlos, des Prinzen von Capua und Bruder Franz des II., König beider Sizilien.[5] Ernst Gesell, Silvio Gesells Vater, war ein Sekretär des damals preußischen Kreises Malmedy und stammte aus Aachen.

Nach dem Besuch der Bürgerschule in Sankt Vith wechselte Gesell zum Gymnasium in Malmedy. Er musste schon früh für seinen Lebensunterhalt sorgen, verzichtete deshalb auf ein Studium und trat in den Dienst der Deutschen Reichspost ein. Die Beamtenlaufbahn lag ihm jedoch nicht. Er beschloss, bei seinen älteren Brüdern in Berlin den Beruf eines Kaufmanns zu erlernen. Danach lebte er zwei Jahre als Korrespondent in Málaga (Spanien). Widerwillig kehrte er nach Berlin zurück, um den Militärdienst abzuleisten. Anschließend arbeitete er als kaufmännischer Angestellter in Braunschweig und Hamburg.

Im Jahre 1887 ging Gesell nach Buenos Aires (Argentinien), wo er sich selbstständig machte und eine Filiale des Berliner Geschäfts eröffnete. Die heftigen Wirtschaftskrisen des Landes, die seine Geschäftstätigkeit stark beeinflussten, regten ihn zum Nachdenken über die strukturelle Problematik des Geldwesens an. 1891 veröffentlichte Gesell seine erste währungstheoretische Schrift: Die Reformation des Münzwesens als Brücke zum sozialen Staat. Es folgten Nervus rerum und Die Verstaatlichung des Geldes. Nachdem er 1890 sein argentinisches Geschäft seinem Bruder übereignet hatte, kehrte er 1892 nach Europa zurück.

Nach einem kurzen Zwischenaufenthalt in Deutschland ließ sich Gesell in Les Hauts-Geneveys im Kanton Neuenburg in der Schweiz nieder, wo er einen Bauernhof erworben hatte. Neben seiner Arbeit in der Landwirtschaft widmete er sich weiterhin volkswirtschaftlichen Studien und der Schriftstellerei. Der von ihm 1900 gegründeten Zeitschrift Die Geld- und Bodenreform war kein großer Erfolg beschieden; sie musste aus finanziellen Gründen bereits 1903 wieder eingestellt werden.

Von 1907 bis 1911 lebte Gesell wieder in Argentinien. Danach siedelte er nach Deutschland über und wählte als Wohnsitz die vegetarisch ausgerichtete, von Franz Oppenheimer mitbegründete Obstbaugenossenschaft Eden in Oranienburg nördlich von Berlin. Hier gründete er gemeinsam mit Georg Blumenthal die Zeitschrift Der Physiokrat. Im März 1916, während des Ersten Weltkriegs, wurde sie von der Kriegszensur jedoch endgültig verboten. Gesell verließ Deutschland und begab sich wieder auf seinen Bauernhof in der Schweiz. Durch seine Geschäfte hatte er ein gewisses Vermögen erworben, mit dem er so zu disponieren vermochte, dass Krisen ihm nicht in größerem Umfang schadeten. Außerdem wurde er von Freunden unterstützt, besonders von Paul Klemm in Siebenbürgen/Rumänien, einem wohlhabenden Holzfabrikanten, der zuweilen die Druckkosten für Gesells Veröffentlichungen übernahm.

Im April 1919 wurde Gesell von Ernst Niekisch in die Revolutionsregierung der Münchner Räterepublik nach München gerufen. Diese bot ihm zunächst einen Sitz in der sogenannten Sozialisierungskommission an und ernannte ihn – nach einem Vorschlag Erich Mühsams und Gustav Landauers – kurze Zeit später zu ihrem „Volksbeauftragten für Finanzen“ mit Sitz in München. In dieser Zeit arbeitete Gesell mit dem Jura-Professor Karl Polenske von der Universität Greifswald sowie mit dem schweizerischen Arzt und Mathematiker Theophil Christen zusammen. Seine Amtszeit dauerte allerdings nur sieben Tage. Nach dem blutigen Ende der Räterepublik wurde Gesell inhaftiert. Dort teilte er die Zelle mit dem Dichter Gusto Gräser, dessen Revolutionsschrift er finanzierte. Nach mehrmonatiger Haft wurde er im Juli 1919 in einem Hochverratsprozess vor einem Münchner Standgericht aufgrund seiner Selbstverteidigungsrede freigesprochen. Die Prozesskosten gingen zu Lasten der Staatskasse. Allerdings wurde er, zusammen mit Gräser und anderen, aus Bayern ausgewiesen. Unmittelbar nach seinem Freispruch nahm Gesell mit seinen Anhängern die Werbetätigkeit für seine Reformideen wieder auf.

Wegen seiner Beteiligung an der Münchner Räterepublik verweigerten ihm als „unerwünschtem Ausländer“ die Schweizer Behörden die Rückkehr auf seinen Bauernhof. Daraufhin zog sich Gesell zunächst nach Rehbrücke bei Berlin, später wieder nach Oranienburg-Eden zurück. Im Jahre 1924 folgte nochmals ein Aufenthalt in Argentinien. Ab 1927 wohnte er wieder in Eden, wo er am 11. März 1930 einer Lungenentzündung erlag und einige Tage später im kleinen Kreis beigesetzt wurde. Die Grabrede hielt Bertha Heimberg.

Silvio Gesell war verheiratet mit Anna, geb. Böttger und hatte mit ihr vier Kinder. Aus seiner Verbindung mit Jenny Blumenthal, geb. Führer, ging 1915 Hans-Joachim Führer hervor. Weitere Beziehungen hatte Gesell mit Wanda Tomys und Grete Siermann.

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