Bückeburg

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Bückeburg ist eine Stadt im niedersächsischen Landkreis Schaumburg.

Reklamemarken und Siegelmarken

Verzeichnis der sortierten Reklamemarken und Siegelmarken mit einem Bezug zu Bückeburg.

Johann Gottfried Herder

Sonstige

Geschichte

Vorgeschichtliche Zeit

Die Spuren erster Besiedlung weisen in die Zeit um 4000 v. Chr. zurück. Im Heimatmuseum zeugen kugelförmige Mühlenläufer (Hand-Mühlsteine) sowie auch die zahlreich im Raum Bückeburg gefundenen Steinbeile von den Menschen der Jungsteinzeit. Diese lebten in den damals lichten Wäldern und betrieben bei mildem Klima eine eher dem Gartenbau vergleichbare Ackerwirtschaft; waren die Böden erschöpft, zogen die Menschen weiter.[3](S. 18)

Als mit Beginn der Bronzezeit um das Jahr 2000 v. Chr. das Klima trockener und wärmer geworden war, lebten auch im Bückeburger Raum die Menschen vor allem von der Waldweide. Mit Einsetzen der Eisenzeit gegen 800 v. Chr. wurde das Klima spürbar feuchter, die Wälder wurden dichter und sumpfiger. Die geringe Anzahl an Funden aus der Bronze- und der Eisenzeit werten Wissenschaftler als Hinweis, dass die natürlichen Bedingungen eine längere Besiedlung nicht mehr zuließen. Bekannt ist auch, dass der dort ansässige germanische Stamm der Cherusker um 200 n. Chr. dieses Gebiet kampflos aufgab.[3](S. 19)

Mittelalter

Im Mittelalter wurde die sich bis etwa zur Leine hin erstreckende sumpfig-moorige Waldlandschaft um Bückeburg Bukkigau genannt. Daraus leitet sich der Ortsname von Bückeburg ab. Er überliefert das verklungene Wort buk, das Moder, Moor, Sumpf bedeutet.[4](S. 63) Eine Namensableitung von den in den damaligen Wäldern häufig wachsenden Buchen (Rotbuchen) liegt bei Bückeburg nicht vor.

Zur Zeit der Sachsen wurde der Bukkigau erstmals urkundlich erwähnt. Karl der Große zog im Jahr 775 nach einem Feldzug gegen die Ostfalen auf der durch dieses Gebiet führenden Heerstraße Hellweg vor dem Santforde zurück zum Rhein. Zu dieser Zeit und in den folgenden Jahrhunderten beherrschten mehrere Edelherren die Gegend. Die Arnheimer kontrollierten von ihrer Niederungsburg Hus Aren bei Nordholz im heutigen Raum Bückeburg insbesondere die altsächsischen Siedlungskerne in Petzen, Röcke, Jetenburg, Müsingen, Scheie, Warber und Achum. Dies sind Wohnplätze, die bereits in der Jungsteinzeit bewohnt waren. Die Schaumburger Grafen herrschten bei Rinteln über weite Landstriche rechts und links der Weser. Letztlich setzte sich das Adelsgeschlecht der Schaumburger auch im Bückeburger Gebiet durch.[3](S. 12, 18f)[5](S. 120 f., 212 f.)

Die Bückeburg

Adolf VI. Graf von Schauenburg und Holstein-Pinneberg ließ nahe den schon länger bestehenden, kleinen Siedlungen Sutherem und Jetenburg um das Jahr 1300 eine Wasserburg errichten. Die 1304 erstmals erwähnte Bückeburg sowie Sutherem und Jetenburg sind die Keimzellen der heutigen Stadt. Nach und nach ließen sich rund um die Burg Bauern, Handwerker und Lehnsleute der Schaumburger Grafen nieder. 1365 erhielt Bückeburg das Fleckenrecht. In dieser Zeit entstanden vier Burgmannshöfe: an der Langen Straße (heute: Landesmuseum), am Sablé-Platz (heute: Hubschraubermuseum), an der Trompeterstraße (nur noch ein Torbogen ist erhalten) und der vierte an der Stelle der heutigen Stadtkirche. Der mit Wall und Graben gesicherte Flecken wuchs in den nächsten drei Jahrhunderten nur schleppend. Seit 1498 residierte dort Graf Johann IV., der 1510 die Marienkirche errichten ließ, die aber nach dem Brand von 1541 nicht wieder aufgebaut wurde. Graf Otto IV. ließ in der Mitte des 16. Jahrhunderts die Wasserburg zum vierflügeligen Schloss Bückeburg umgestalten. Der Flecken vor dem Schloss hatte im Jahr 1561 gerade einmal etwa 300 Einwohner, 40 Jahre später waren es rund 500.[6](S. 2)[5](S. 120f)[7](S. 2)[3](S. 59)

Erster Wachstumsschub

Das Bild änderte sich mit Graf Ernst zu Holstein-Schaumburg (später Fürst Ernst), der im Jahr 1607 Bückeburg zu seiner ständigen Residenz machte.[8] Seither ist die Entwicklung der Stadt eng mit der des Hauses Schaumburg verknüpft. Unter Ernst wurde das Schloss ein weiteres Mal umgebaut und mit dem Hofkammergebäude samt Marstall, Ballhaus und Schlosstor erweitert. Die Neue Straße, die Sackstraße und die südliche Bahnhofstraße entstanden, die Straßen wurden gepflastert. An der Schulstraße entstand die Knabenschule (heute: Stadtbücherei), nicht weit vom Schlosstor das alte Rathaus (Vorgängerbau des heutigen Rathauses) und das gegenüberliegende Renthaus (heute: Stadthaus). An der Hauptverbindungsachse, welche die gut gesicherte Stadtfestung durchzog, wurden zu dieser Zeit Torhäuser gebaut: im Westen im Bereich Mindener Straße/Lange Straße das Untere Tor (auch Mindener Tor), im Osten das Obere Tor im Bereich Obertorstraße/Lange Straße.

Zwei Daten markieren den Höhepunkt von Bückeburgs Entwicklung in dieser Zeit. Im Jahr 1609 verlieh Ernst dem Flecken das Stadtrecht. Auf damals noch freier Ackerfläche wurde in den Jahren 1611 bis 1615 die Bückeburger Stadtkirche errichtet. Sie gilt als zweites nach der Reformation gebautes protestantisches Gotteshaus überhaupt.[3](S. 62)[5](S. 121)[7](S. 2–12)

Dreißigjähriger Krieg

Während des Dreißigjährigen Krieges kam es in Bückeburg zu Einquartierungen von Söldnertrupps. Das Ausmaß war geringer als in der Nachbarstadt Rinteln. Bückeburg überstand den Krieg halbwegs unbeschadet, eine Zeit lang als Außenstelle der Festung Minden. Eine Kriegsfolge war, dass die bisherige Grafschaft Schaumburg zweigeteilt wurde: Ihr nördlicher Teil wurde zur Grafschaft Schaumburg-Lippe, weil seit Philipp I. Adlige aus einer Nebenlinie des Hauses Lippe in der Herrschaft folgten, die die Stadt erneut zur Residenz wählten.[6](S. 5 f.)

Barock und Aufklärung

Mit der architektonischen Prachtentfaltung wie unter Graf Ernst war es zwar vorbei, dafür blühte in den folgenden 150 Jahren das geistige Leben auf. Der Denker der Aufklärung, Voltaire, war Gast am Bückeburger Hof; der Philosoph Thomas Abbt, der Theologe und Philosoph Johann Gottfried Herder sowie der Musiker und Komponist Johann Christoph Friedrich Bach lebten in der Stadt. Eine wichtige Figur dieser Zeit war Graf Wilhelm. Der Militärtheoretiker ließ im Steinhuder Meer die Festung Wilhelmstein und im Schaumburger Wald das Jagdschloss Baum und sein Mausoleum als Stufenpyramide errichten. Die zweite Frau seines Nachfolgers Philipp II., Gräfin Juliane, holte den hessischen Arzt Bernhard Christoph Faust als Leibarzt und Hofrat nach Bückeburg, der sich um die Gesundheit der Landbevölkerung Verdienste erwarb. Die Stadt profitierte von dieser kulturellen Blüteperiode durch die Anwesenheit zahlreicher zahlungskräftiger Bewohner ökonomisch.[6](S. 7 ff.) 1787 besetzte die Landgrafschaft Hessen-Kassel im Bückeburger Streit das Land, konnte aber durch kurhannoversches und preußisches Eingreifen zum Rückzug gezwungen werden.[9]

Zweiter Wachstumsschub

Aus der Zeit Napoleons und des Wiener Kongresses ging die kleine Grafschaft Schaumburg-Lippe unter dem Grafen Georg Wilhelm ohne jede territoriale Erweiterung hervor. Sein wirtschaftliches Geschick legte die Grundlage dafür, dass das bis dahin finanzschwache Haus Schaumburg-Lippe unter seinen Nachfolgern ein „steinreiches Unternehmen“ wurde.[6](S. 11) Georg Wilhelm beteiligte sich mit einer Million Reichstaler (über einen Kredit finanziert) am Bau der Bahnstrecke Minden–Hannover, die daraufhin am Stadtrand Bückeburgs vorbeigeführt wurde. Das Empfangsgebäude des Bahnhofs im Rundbogen-Stil (von Julius Eugen Ruhl[10]) und der Schlosskomplex wurden durch die herrschaftlich breite Bahnhofstraße miteinander verbunden. Der einstige Stadtwall hatte seine Funktion eingebüßt, die Stadt war über ihn hinaus gewachsen. Unter Georg Wilhelm wurden die drei Stadttore und der Brunnen auf dem Marktplatz abgerissen, auch als Tribut an den zunehmenden Verkehr.[6](S. 11f) Der weithin sichtbare Idaturm auf dem Harrl entstand 1847. Georg Wilhelm ließ ihn auf Bitten seiner Gattin Ida errichten, damit die Ärmsten der Armen Lohn und Brot hatten. Noch kurz vor seinem Tod wurde 1858 der Grundstein für das Krankenhaus Bethel gelegt, eine Stiftung der Beamtentochter Luise von Vincke.[5](S. 127)

Unter seinem Nachfolger Adolf Georg wurde Bückeburg preußische Garnison. Zwischen Ulmenallee und Bergdorfer Straße entstand 1867 die Jägerkaserne für das Westfälische Jägerbataillon Nr. 7, die „Bückeburger Jäger“, deren Name in den Bezeichnungen zweier Orchester weiterlebt.[11][12] Nicht weit davon entfernt wurde in den Jahren 1874 bis 1876 an der Ulmenallee das Gymnasium Adolfinum errichtet. Im Todesjahr Adolf Georgs begannen zwei weitere Großbauprojekte. Das Schloss wurde erheblich erweitert und erhielt seine heutige Gestalt. Gegenüber dem Krankenhaus wurde das Herminen-Palais gebaut, ein umfangreicher Komplex mit repräsentativem Wohnhaus, Orangerie und erst 2004 wieder hergerichtetem und öffentlich zugänglichem[13] Park im englischen Landschaftsgartenstil. Unter Georg erhielt das Landesparlament im Jahr 1894 an der Herminenstraße ein neues Regierungsgebäude; heute ist dort das Justizzentrum untergebracht. Am Nordharrl entstand zwischen Ulmenallee, Adolfstraße, Lülingstraße und Herminenstraße ein Wohnviertel mit großen Villen für wohlhabende Bürger. 1906 wurde am Marktplatz das neue Rathaus eingeweiht.

Bückeburg wurde gegen Ende des 19. Jahrhunderts zwar zu einem kulturellen Zentrum Norddeutschlands, zur Garnisonsstadt und als Residenz zu einer repräsentativen Regierungs- und Behördenstadt, in der im Jahr 1904 bereits 5625 Menschen lebten.[14](S. 110) Auswirkungen auf die industrielle Entwicklung hatte das jedoch kaum. Trotz Ansiedlung einiger Betriebe fiel Bückeburg hinter die wirtschaftlich prosperierenden Nachbarstädte Stadthagen (Bergbau), Obernkirchen (Bergbau, Glashütte) und Rinteln (Glashütte) zurück. Auch der Bau des Mittellandkanals, der die Stadt im äußersten Norden durchquert, wirkte sich ökonomisch nicht aus.[6](S. 14–17) Verwaltungsmäßig gehörte Bückeburg im Fürstentum Schaumburg-Lippe erst dem Amt Bückeburg, ab 1879 dem Amt Bückeburg-Arensburg an, das 1884 Landratsamtsbezirk wurde und 1899 zum Kreis Bückeburg umgewandelt wurde. Die Stadt Bückeburg blieb zunächst kreisfrei und wurde 1934 in den Kreis eingegliedert.

Letzte Prachtentfaltung

Adolf II., der 1911 an die Macht kam, veränderte das Gesicht der Stadt erheblich. Rund um den Schlosspark ließ er das Mausoleum, die Orchesterschule (später Heeresmusikschule Bückeburg), das Palmenhaus und die „Fürst-Adolf-Werkstätte“ errichten. Im östlich gelegenen Bad Eilsen entstand das neue Kurzentrum mit dem mondänen „Fürstenhof“, der damals eines der elegantesten und größten Hotels Europas war. Die Kurfrische wurde 1918 mit der 6,7 Kilometer langen Kleinbahnlinie des Bad Eilser Minchens an die Residenzstadt angebunden. Im Eveser „Gevatterfeld“ sollte eine riesige Pferderennbahn entstehen. Das Projekt wurde nach der Novemberrevolution aufgegeben. Nicht so das Projekt einer weiteren Kleinbahn, mit der die herrschaftlichen Besucher direkt vom Mindener Bahnhof über die 12,5 Kilometer lange, mitten durch das Dorf Petzen führende Trasse zur Rennbahn gelangen sollten. Der erste Zug fuhr am 29. Juli 1919 – der letzte nur anderthalb Jahre später, denn ohne Rennbahnpublikum konnte die Bahn wirtschaftlich nicht überleben.[15]

Um 1900 lebten und arbeiteten einige bekannte Persönlichkeiten in der Stadt. Richard Sahla galt als einer der besten Geiger seiner Zeit. Im Jahr 1888 kam er an den Bückeburger Hof und leitete bis 1918 als Chefdirigent die fürstliche Hofkapelle.[16] Die Schriftstellerin Lulu von Strauß und Torney machte mit Gedichten und Novellen auf sich aufmerksam.

Der schon damals als Heidedichter bekannte Schriftsteller und Journalist Hermann Löns war von 1907 bis 1909 Chefredakteur der Schaumburg-Lippischen Landes-Zeitung.[17] Er wollte in der Ruhe der Provinz seine Romanprojekte verwirklichen. Einen großen Teil seiner Zeit verbrachte er in der Gaststätte „Zur Falle“ beim Redigieren seiner Manuskripte. Das Gebäude ist noch heute eine Traditionsgaststätte und war früher eine Bank. Das Bankhaus Heyne wurde in den Jahren ab 1799 von einem Vetter des Großvaters von Heinrich Heine betrieben. Löns Erfahrungen in der provinziellen Residenz mündeten in der bissigen Satire Duodez[18] über die Kleinstaaterei. Dieses Werk von Löns führt bis zum heutigen Tage dazu, dass die Bückeburger Bevölkerung ein gespaltenes Verhältnis zu ihm hat.

Als Prinzenerzieher war Adolf Holst von 1901 bis 1913 am Bückeburger Hof tätig, von 1915 bis 1918 leitete er die Hofbibliothek. Nach seiner Bückeburger Zeit wurde er als Autor von Kinderliedern und -erzählungen bekannt.

Weimarer Republik

Als Adolf II. 1918 abdankte, übernahm zunächst ein Arbeiter- und Soldatenrat die Regierungsgewalt. In den folgenden 15 Jahren lenkten sozialdemokratisch beeinflusste Regierungen die Geschicke des in seiner Selbstständigkeit eingeschränkten kleinen Landes. Dennoch wurde die Stadt weiterhin vom konservativen Bürgertum geprägt. Pensionäre, die aus den Großstädten zuzogen, ließen Bückeburg weiter wachsen. Zum 1. April 1928 wurde Jetenburg nach Bückeburg eingemeindet. Das nordöstlich der Stadt gelegene Dorf blockierte deren Entwicklung. Adolf II. kehrte 1927 nach Bückeburg zurück, er wurde begeistert empfangen.[19] Als Großinvestor war er jedoch innerhalb der demokratischen Strukturen ausgefallen. So stagnierte die Entwicklung der wirtschaftlich ohnehin rückständigen Stadt. Unzufriedenheit in der Bevölkerung war die Folge.[20][6](S. 18f)

Zeit des Nationalsozialismus und Zweiter Weltkrieg

Die Stadt war längst eine NSDAP-Hochburg, als die Nazis 1933 die Macht übernahmen.[6](S. 19) Einer der ersten, die das zu spüren bekamen, war Karl Wiehe: Der seit der Kaiserzeit amtierende deutschnationale Bürgermeister wurde 1935 entmachtet, nachdem er sich schützend vor die Bückeburger Juden gestellt hatte.[21] Auch andere erfuhren den neuen Geist. Im Röcker Feld wurde am 1. Oktober 1936 ein „Exerzierplatz“ (der ehemalige Truppenübungsplatz) für die Wehrmacht eingerichtet. Die dort gelegenen Höfe der Dörfer Röcke und Nammen wurden zwangsweise umgesiedelt, die meisten zur „Kornmasch“ im Nordwesten der Stadt.[22] Die Dörfer Knatensen und Selliendorf wurden 1939 nach Bückeburg eingemeindet.

Wiehes Nachfolger, der NSDAP-Bürgermeister Albert Friehe, tat sich dadurch hervor, dass er politische Gegner und Juden schärfer als anderswo verfolgen und drangsalieren ließ.[23] Am 9. November 1938 brannte auch Bückeburgs Synagoge, ohne dabei völlig zerstört zu werden. Ab 1939 wurden viele jüdische Familien in aus jüdischem Besitz beschlagnahmten Gebäuden – darunter auch die Synagoge – zwangsweise einquartiert.[24] Das auf einen Wert von 22.000 Reichsmark geschätzte Gotteshaus sollte später für 8300 Reichsmark in den Besitz der Stadt übergehen, jedoch kam die Übertragung nicht zustande.[25][26] Die Bückeburger Juden, die sich nicht rechtzeitig hatten absetzen können, wurden ab Dezember 1942 deportiert. Von 71 Verschleppten überlebten nur fünf den Holocaust.[27]

Ein ganz anderes Beispiel als Friehe gab der Petzer Gemeindepastor Wilhelm Mensching. Er versteckte von Oktober 1943 bis März 1944 in seinem Pfarrhaus eine Jüdin vor den Nazihäschern.[28]

Bei drei alliierten Bombenangriffen auf Bückeburg gab es 55 Tote. Der Angriff am 26. Oktober 1944 galt der Jägerkaserne. Getroffen wurden einige Nebengebäude, 29 Menschen starben. Am 5. November 1944 hatten die Bomber eine Gruppe Arbeitsdienstleistender auf dem Weinberg im Visier, es gab 20 Tote. Am 31. Dezember 1944 folgte ein dritter Angriff, der wohl ebenfalls der Jägerkaserne galt. Die Luftmine ging jedoch in Bergdorf nieder, zerstörte etliche Häuser und tötete sechs Menschen.[29]

Das Kriegsende nahte für Bückeburg am 7. April 1945. Ein US-amerikanischer Truppenverband stand vor der Stadt und nahm diese zur Vorbereitung des Einmarsches unter mehrstündiges Artilleriefeuer. Am frühen Morgen des 8. April gingen der Hofapotheken-Pächter Wilhelm Kroseberg, der Kaufmann Herbert Jöns, der Gastwirt Albert Schütz und der Schuhmachermeister Karl Schütte dem auf dem Weinberg postierten Kampfverband mit einem weißen Bettlaken entgegen. Gleichzeitig begann der Zimmermeister Friedrich Steinhof damit, die in Sichtweite der Soldaten an der Zufahrt zur Stadt errichteten Panzersperren von der Straße zu räumen. Die US-Soldaten konnten die Stadt kampflos einnehmen.[30]

Stunde Null

Nach Abzug der Kampfverbände wurde Bückeburg von britischen Truppen besetzt. In der Stadt und ihrer Umgebung konfiszierten sie 80 Häuser. Sie verstärkten damit die herrschende Wohnungsnot, denn noch war die Stadt voll mit Kriegsevakuierten, und es strömten zugleich immer mehr Vertriebene aus dem Osten heran.[31] Eine schlimme Episode in diesem Zusammenhang war das Schicksal der Menschen, die mit dem als „Todeszug“ bekannt gewordenen Vertriebenentransport aus Schlesien am Morgen vor Heiligabend 1946 Bückeburg erreichten. Mit 16 ungeheizten Viehwaggons war der Zug samt seinen 1543 Insassen – darunter mehr als 1100 Alte, Kinder und Jugendliche – eine Woche zuvor in Breslau losgefahren. Unterwegs sanken die Temperaturen auf minus 15 Grad. Mehr als 70 Menschen kamen um, davon 17 noch, nachdem sie Bückeburg erreicht hatten.[32]

In Bückeburg und im benachbarten Bad Eilsen lag von 1945 bis 1954 der Stab mit dem Hauptquartier der Britischen Luftwaffe (BAFO) als Teil der Besatzungskräfte in Deutschland. 1946 bauten die Briten zwischen Bückeburg und Achum einen Militärflugplatz und benutzten dafür Pläne der ehemaligen deutschen Luftwaffe. Der Platz wurde unter anderem für eine Kurierstaffel des Stabes genutzt.[33] Während der Berlin-Blockade starteten von dort außerdem Frachtflugzeuge, die im Rahmen der Luftbrücke Berlin versorgten.[34]

Aus seinen Erfahrungen während der NS-Zeit Konsequenzen ziehend, gründete Pastor Wilhelm Mensching 1948 auf dem Weinberg das Internationale Freundschaftsheim, eine (Bildungs-)Einrichtung, die bis in die frühen 1990er-Jahre Friedensarbeit organisierte. Mensching wurde für sein mutiges Verhalten während der Nazizeit im Jahr 2001 posthum von der israelischen Gedenkstätte Yad Vashem als „Gerechter unter den Völkern“ geehrt.[35]

Dritter Wachstumsschub

1950er- und 1960er-Jahre

Krieg und Nachkriegszeit hatten die Einwohnerzahl emporschnellen lassen. So begann der größte Siedlungsschub der Stadtgeschichte. Zählte Bückeburg 1939 noch 7850 Einwohner, lebten 1952 mehr als 12.000 Menschen in den Stadtgrenzen. Zu dieser Zeit gab es noch 700 Wohnungssuchende, fehlender Wohnraum war also das drängendste Problem. Siedlungsschwerpunkte eines groß angelegten Wohnbauprogramms waren die freien Flächen beiderseits der Petzer Straße, wo Reihen- und Mietshausquartiere entstanden. Ähnliche Wohnviertel entstanden am Südharrl sowie zwischen der Jägerkaserne und Bergdorf. Zwischen Nordharrl und Jägerkaserne wurden für die Angehörigen der britischen Besatzungsmacht große Siedlungen gebaut („Klein-London“).[3](S. 22f)[36] Der Bau von Wohnraum ging in den 1960er-Jahren unvermindert weiter. Wohnsiedlungen entstanden an den Hofwiesen, zwischen Plettenbergstraße und Brandenburger Straße, im Höppenfeld und im Bergdorfer Feld. Auch im Petzer Feld wurde weiter gebaut. Am Südharrl wuchs ein großes Wohn- und Villenviertel. Die Folge: 1961 gab es in Bückeburg bereits doppelt so viele Wohnhäuser wie 1931.[6](S. 21) Die Bundeswehr übernahm 1960 den Flugplatz in Achum und errichtete dort die Heeresfliegerwaffenschule samt der Schäfer-Kaserne, die nach dem deutschen Jagdflieger Emil Schäfer (1891–1917) benannt wurde.[37] Für die vielen Soldaten entstanden Wohnsiedlungen unter anderem im Höppenfeld.

Parallel zur Wohnraumbeschaffung versuchte man, Arbeitsplätze zu schaffen. Ein Teil des Neubaugebietes Petzer Feld wurde – entlang der Windmühlenstraße – als Gewerbegebiet ausgewiesen. 1952 nahmen dort eine Lampenschirmfabrik (Liebener), eine Drahtwarenfabrik (Ellenbeck) und die Glasmanufaktur Bückeburg GmbH den Betrieb auf. Später kamen eine Folienfabrik (Neschen) und eine Maschinenfabrik (Berlin) hinzu. 1958 nahm dort auch die Keksfabrik Beste ihren Betrieb auf. Ein Hosenhersteller (Heinecke und Klaproth) siedelte von Hannover, eine Optik-Fabrikation (Optische Werkstätten) von Helmstedt nach Bückeburg um. Am Südharrl ließ sich das Unternehmen Mania-Straßenbau nieder. Eine Abteilung des Bundesbahn-Versuchsamtes zog in das Gebäude der heutigen Marienschule ein; für die Beschäftigten entstanden Wohnblocks an der Petzer Straße.[3](S. 22f)[36]

Die gewachsene Bevölkerung erforderte einen Ausbau der sozialen Einrichtungen. Ein erster Schritt war der Bau des Bergbades: Das Freibad im Harrl wurde am 27. Juni 1959 eröffnet und ersetzte das bisherige kleine Freibad an der Friedrich-Bach-Straße, auf dessen Gelände später weitere Wohnblock entstanden.[38] Anfang der 1960er-Jahre entstand an den Hofwiesen das Evangelische Altersheim als Ersatz für eine bis dahin im „Münchhausen“-Burgmannshof untergebrachte Einrichtung. Am Neumarktplatz wurden Herderschule (1963) sowie anschließend Dr.-Faust-Halle (Turnhalle und Hallenbad) und Dr.-Faust-Sportplatz errichtet. Seit 1918 hatte das „Eilser Minchen“ Menschen von Bückeburg nach Bad Eilsen und zurück befördert; am 21. Mai 1966 wurde der Zugbetrieb eingestellt.[39]

1955 wurde Bückeburg Sitz des Niedersächsischen Staatsgerichtshofes; die Behörde nahm zwei Jahre später ihre Tätigkeit auf.[40] Im Palais an der Herminenstraße ließen sich Mitte der 1960er-Jahre die Pharmazieschulen Dr. Kurt Blindow nieder. Das ehemalige schaumburg-lippische Ministerialgebäude an der Herminenstraße, in dem seit Beginn der 1950er-Jahre bereits Landgericht und Staatsanwaltschaft untergebracht waren, sowie die benachbarte Kruse-Villa wurden 1969 durch einen Anbau verknüpft und zum Justizzentrum ausgebaut. Dort zog nun auch das Amtsgericht ein, das bis dahin im ehemaligen Renthaus (heute Stadthaus II) seinen Sitz hatte.[41]

Die Stadt knüpfte jetzt auch internationale Bande. Die Partnerschaft mit der französischen Kleinstadt Sablé sur Sarthe wurde 1966 besiegelt.[42]

1970er- und 1980er-Jahre

Im Osten Bückeburgs wurde 1970 das Gewerbegebiet Kreuzbreite ausgewiesen. An dessen Rand errichtete das Land Niedersachsen eine Justizvollzugsanstalt, die im selben Jahr erstmals belegt wurde. Ebenfalls 1970 stellte die Stadt den Münchhausen-Burgmannshof für eine umfangreiche Hubschraubersammlung zur Verfügung. Am 9. Juni 1971 wurde dort das Hubschraubermuseum eingeweiht, dessen Ausstellungsfläche in den Jahren 1978 bis 1980 um einen 2000 Quadratmeter großen Anbau erweitert wurde.[43] An den Hofwiesen entstand das Schulzentrum, in welches 1975 das Gymnasium Adolfinum Bückeburg einzog. Das Gebäude an der Ulmenallee, in dem das Gymnasium zuvor untergebracht war, wurde saniert und beherbergt seither die Grundschule Am Harrl. 1976 wurde der Verein Unabhängiges Jugendzentrum gegründet. Er kam zunächst an der Herderstraße, später in der provisorisch hergerichteten ehemaligen Lateinschule an der Schulstraße unter, bis er – wie andere Vereine auch – in den frühen 1980er-Jahren in ein zur städtischen Jugendfreizeitstätte umgebautes Großhandelshaus am Bahnhof einzog. Um Stellflächen für den rasch wachsenden Kraftverkehr zu schaffen, wurde 1978 am Ostrand des Schlossparks die innenstadtnahe Parkpalette gebaut.[44] 1979 investierte die Stadt in ihre Sportstätten: Das Jahnstadion erhielt einen Kunstrasen, die zwischenzeitlich am Schulzentrum errichtete Kreissporthalle erhielt eine Freisportanlage.[45]

Ein wichtiges Jahr war 1974: Durch die Gebietsreform wuchs das Stadtgebiet von 1000 auf annähernd 7000 Hektar an.[46] Im selben Jahr wurde die Partnerschaft mit der niederländischen Stadt Nieuwerkerk besiegelt.

1985 begann die Sanierung der alten Lateinschule an der Schulstraße, in die anschließend die Stadtbücherei einzog.[47] Dies war das erste Projekt der Stadtsanierung, eines umfangreichen Förderprogramms, bis zu dessen Ende im Jahr 2004 etliche städtebauliche Maßnahmen verwirklicht wurden. Zu den ersten gehörten der Umbau des ehemaligen Windt-Anwesens zur Begegnungsstätte, die Umgestaltung des Sablé-Platzes sowie die Renovierungen von Münchhausen-Burgmannshof (Hubschraubermuseum), ehemaliger Hof-Apotheke und Landesmuseum, ebenfalls ein ehemaliger Burgmannshof. Am westlichen Rand des Stadtzentrums wurde Ende der 1980er-Jahre das Gewerbegebiet Schmiedeweg ausgewiesen, in dem sich 1988 als erstes Unternehmen eine Fabrik für Fleisch- und Wurstwaren der Edeka-Gruppe niederließ.

Gegenwart

Die Bundesstraße 65 lief früher in westöstlicher Richtung mitten durch das Stadtzentrum, an der Stadtkirche zweigte von ihr die B 83 in südöstlicher Richtung ab. Jahrzehntelang hatte die Stadt unter dem stetig zunehmenden Kraftverkehr zu leiden, bis 1990 die beiden Umgehungsstraßen (Nordumgehung B65, Südumgehung B83) fertig gestellt wurden. Anschließend wurde der westliche Teil der Langen Straße zur Fußgängerzone ausgebaut und der Marktplatz wurde umgestaltet, welcher auch wieder einen Brunnen erhielt.

1998 wurden die ersten Häuser im Baugebiet Sprekelsholzkamp am Südharrl errichtet, der vorletzten größeren Fläche, die im Bereich der Kernstadt überhaupt noch als Bauland erschlossen wurde. Seit etwa der Mitte der 1990er Jahre konzentrierte man sich darauf, Neubaugebiete in den Ortsteilen auszuweisen, im Stadtzentrum stattdessen Baulücken zu schließen. In der sogenannten Siedlung „Klein London“ – insgesamt 110 Häuser mit rund 150 Wohnungen – wurden ab 2001 nach dem Auszug der britischen Soldaten 64 Häuser privatisiert.[48] Das letzte innerstädtische Baugebiet wurde 2006 erschlossen: Das Falkingsviertel entstand auf einer Industriebrache, auf dem bis 1993 das Unternehmen Kögel Karosserieaufbauten für Lkw produziert hatte.[49]

Freiflächen am Rande des Zentrums wurden von den Stadtplanern vor allem dem Ansiedeln von Gewerbe und Industrie vorbehalten. Im Jahr 2000 wurde das Gewerbegebiet Kreuzbreite erheblich erweitert (Kreuzbreite II); auf der Fläche der ehemaligen Molkerei am nordöstlichen Stadtrand sowie an der Steinberger Straße wurden zur selben Zeit weitere kleinere Gewerbegebiete ausgewiesen.[50] Außerdem kaufte die Stadt 1997 die Flächen des Mittellandkanal-Hafens in Berenbusch und wies diese ebenfalls als Gewerbegebiet aus.[51]

Weitere wichtige Entwicklungen: Das Bergbad am Harrl wurde von September 1994 bis Juni 1995 umfangreich saniert; seither wird das Wasser in den Schwimmbecken solar beheizt. In das leerstehende Gebäude der ehemaligen Berufsschule an der Hinüberstraße zogen 1992 die Dr.-W.-Blindow-Schulen ein. In der ehemaligen britischen Schule in „Klein London“ nahm im August 2000 die erste christliche Schule des Landkreises Schaumburg ihren Betrieb auf. Die Stadt selbst errichtete 1996 auf einem zuvor von der Bundeswehr genutzten Areal die Grundschule Im Petzer Feld, die 2002 um eine Turnhalle erweitert wurde.[52]

Derzeit erlebt Bückeburg einen regelrechten „Bauboom“. Insbesondere Einfamilienhäuser und Gewerbeflächen sind stark nachgefragt. Die Stadtverwaltung konzentriert sich zwar in erster Linie darauf, Baulücken in der Kernstadt zu schließen; sie musste allerdings weitere Neubaugebiete, wie z. B. das Neubaugebiet Am Bergdorfer Wege ausweisen, um der starken Nachfrage gerecht zu werden. Um den ebenfalls stark steigenden Bedarf an Gewerbeflächen abdecken zu können, hat die Stadtverwaltung Anfang 2017 das 45.000 Quadratmeter umfassende Gebiet Kreuzbreite III nördlich der Hans-Neschen-Straße ausgewiesen.[53][54]

2017 wurde das Bückeburger Krankenhaus Bethel nach Obernkirchen verlegt, wo es mit den Kliniken aus Stadthagen und Rinteln zum neuen Agaplesion Klinikum Schaumburg fusioniert wurde.


Text: Wikipedia

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