Bahnbetriebswerk Görlitz

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Bahnbetriebswerk Görlitz

Vorgeschichte

Mit der Bahnhofserweiterung von 1867 entstanden auf dem Gelände des Görlitzer Bahnhofes drei Bahnbetriebswerke. Der Begriff Bahnbetriebswerk entstand jedoch erst während der Reichsbahnzeit. Damals wurde er noch nicht verwendet. In Preußen sprach man damals noch von Lokomotivbahnhof, Lokomotivschuppen oder Betriebswerkstätte und in Sachsen von Heizhäusern. Die Berlin-Görlitzer-Eisenbahn (BGE) besaß ihren Lokschuppen an der Ecke Bahnhof-/Jakobstraße und die Preußischen Staatseisenbahnen auf Höhe der Einmündung der Konsulstraße. Die Königlich Sächsische Staatseisenbahnen bauten ihr Heizhaus in etwa am heutigen Standort des Bahnbetriebswerkes.

Um die Jahrhundertwende wurde auf Grund des wachsenden Verkehrs eine Trennung von Güter- und Personenverkehr notwendig. Für den Güterverkehr baute man westlich der Stadt den Güterbahnhof Schlauroth samt dem Bahnbetriebswerk Schlauroth für Güterzuglokomotiven. Die Anlagen für den Güterverkehr gingen bis November 1909 in Betrieb. Auch für Reisezuglokomotiven sollte einigten sich die preußischen und die sächsischen Staatseisenbahnen auf den Bau eines gemeinsamen Betriebswerks. Die Standorte des preußischen und des ehemaligen BGE-Lokschuppens kamen jedoch für einen Neubau nicht mehr in Frage, da das angrenzende Gelände mittlerweile eine dichte Wohnbebauung aufwies. Man entschied sich für den Standort des sächsischen Heizhauses. Die preußischen Staatsbahnen erwarben für den Bau des Bahnbetriebswerkes zusätzlich das Grundstück Rauschwalder Straße 3387 für 34.500 Mark von der Spedition Schubert & Co.


Bau und Betrieb bis Ende des Zweiten Weltkriegs

Danach begann man mit dem schrittweisen Umbau des Geländes. Das sächsische Heizhaus blieb zunächst bestehen, da bereits zwei Gleise (Gleis 37 und 38) an ihm vorbei in den neuen Teil des Bahnbetriebswerks führten. Erst im Jahr 1912 wurde es abgerissen. Im Folgejahr begannen die Abrissarbeiten am BGE-Lokschuppen, der bis 1915 komplett verschwand.

Im Jahr 1911 wurden die Entwürfe für das gemeinsame Bahnbetriebswerk der preußischen und sächsischen Staatsbahnen genehmigt. In dem neuen Werk waren die Bereiche beider Länderbahnen jedoch noch immer getrennt. Über den südlichen Teil verfügte die preußische und über den nördlichen Teil die sächsische Staatsbahn. Beide Eisenbahngesellschaften verfügten über ein eigenes Magazin, eine Werkstatt, einen Kohlebansen sowie eine Ladebühne, ein Wasserkran und eine Löschgrube. Auf den Ladebühnen beider Kohlebansen befand sich jeweils ein Turmdrehkran, der die kippbaren Kohlelohren in die Tender hob. Die sächsischen Einrichtungen befanden sich an der Dresdner Strecke zwischen Gleis 38 und 39 sowie die preußischen zwischen Gleis 40 und 41. Auch im Übernachtungs- und Verwaltungsgebäude an der Rauschwalder Straße haben beide Staatsbahnen ihre eigenen Schlaf- und Aufenthaltsräume. Im Keller des Gebäudes befanden sich auf der Straßenseite acht Wannen- und vier Duschbaderäume sowie ein Aufenthaltsraum. Auf der gegenüberliegenden Seite befanden sich der Heizungskeller, ein Küche, ein Inventarraum und ein Reservekeller. Im Erdgeschoss befand sich ein großer Unterrichtsraum und daneben richtete sich später die Lokleitung ein. Auf der Hofseite wiederum befinden sich die Büros für Vorsteher, Werkmeister, Schreiber und Oberputzer. Im Obergeschoss befanden sich die Übernachtsräume getrennt für Lokführer und Heizer. Zur Straßenseite hinaus schliefen das sächsische und zur Hofseite das preußische Personal. Auch ein Trocken- und Waschraum befand sich im Obergeschoss.

An der Gleiszufahrt des BW aus Richtung des Görlitzer Bahnhofes entstand eine Drehscheibe mit einem Durchmesser von 20 Metern. Beide Länderbahnen nutzten die Drehscheibe ebenso wie die Schiebebühne in der 20-ständigen Werkstatt gemeinsam und teilten sich die Unterhaltskosten für das BW. Über einen Schornstein südlich des Lokschuppens wurden die Rauchgase der Lokomotiven aller Stände innerhalb der Werkstatt zentral abgeführt. Auch die Görlitzer Maschinenbauanstalt und Eisengießerei (heute: Siemens Dampfturbinenwerk) an der Lutherstraße erhielt noch vor dem Ersten Weltkrieg einen Gleisanschluss, der auf das Werksgelände führte. Die Übergabefahrten auf das Fabrikgelände geschahen über eine Spitzkehre. Im Jahr 1916 wird das Werkstattgebäude in Richtung Norden durch den Anbau eines Kompressorgebäudes erweitert. In der Reichsbahnzeit entsteht 1920 neben dem Kompressoranbau das Kesselhaus und in der bisherigen sächsischen Schmiede wurde ein Lampen- und Transformatorenraum eingerichtet. Im Jahr 1936 erhielt das BW vor dem Werkstattgebäude zusätzlich zur Drehscheibe eine 23 Meter breite Schiebebühne. Sie wurde damals in einigem Abstand zum Gebäude errichtet, da Planungen vorsahen die Werkstatt nochmals um 16 Stände zu erweitern. Dies geschah jedoch nie, so dass später die Schiebebühne direkt an das Gebäude angesetzt wurde.

Im Zuge der Elektrifizierung der Bahnstrecke Görlitz–Lauban und weiter bis zum Verschiebebahnhof in Schlauroth erhielten die Gleise 36 und 37 eine Oberleitung bis zur Lokschuppeneinfahrt. Die Elektrolokomotiven waren jedoch nicht im Görlitzer Bw beheimatet, sondern im Bw Schlauroth. Im Görlitzer Bw sind lediglich Wende- und Reserveloks aus Hirschberg und Lauban zu Gast.

Ab 1930 war das Bw bis Kriegsende Standort eines Hilfszugs, der am äußersten Gleis an der WUMAG-Abteilung Maschinenbau stand. Im Jahr 1932 kamen auch erstmals die ersten Dampflokomotiven der Baureihe 03 aus Breslau nach Görlitz. Sie konnten jedoch auf der 20 Meter-Drehscheibe nicht gedreht werden, da sie mit fast 24 Metern Länge nicht auf die Drehscheibe passten. Werktags fuhren die Lokomotiven ins Bw Schlauroth zum Drehen. Während der Sonn- und Feiertagsruhe sind jedoch weder die Stellwerke in Schlauroth, noch das Stellwerk am Abzweig Svt an der Berliner Strecke besetzt. Somit ist anfangs auch keine Dreiecksfahrt vom Bahnhof Görlitz über die Güterbahn nach Schlauroth, rückwärts auf die Berliner Strecke und anschließend weiter vorwärts zurück in den Bahnhof Görlitz. Den Lokomotiven fuhren anfangs als Lokzug (Lz) nach Kohlfurt um dort zu wenden. Nach einigen Wochen wurde dieses aufwendige Verfahren aufgegeben und auf einem Gleis auf der Güterbahn alle Weichen so gestellt, wie es für eine Fahrt zur Drehscheibe des Schlaurother Bw's nötig war. Die Drehscheibe wurde zu festgelegten Zeiten von einem Wärter bedient. Im Jahr 1936 wird im Bw Görlitz die erste Baureihe 03 beheimatet und dafür auch eine 23 m-Drehscheibe installiert. Der Drehmittelpunkt wird dafür um 1,5 Meter nach Westen verschoben.

Der Zweite Weltkrieg verschonte die Stadt und das Bahnbetriebswerk weitgehend. Eine Blindgänger traf das Bw und riss ein Loch in Dach und Lokschuppenwand. Das Personal kam jedoch nicht zu Schaden, da das Werk über einen eigenen Luftschutzbunker im Berg zu Roschers Maschinenfabrik verfügte.


Neubeginn nach dem Krieg bis heute

Am Morgen des 8. Mai 1945 liegt der gesamte Eisenbahnknoten vollkommen isoliert, da am Vorabend das Neißeviadukt und sämtliche Bahnbrücken im Süden und Westen von der Wehrmacht gesprengt wurden. Die Berliner Strecke wurde bei Kämpfen gegen die vorrückende Rote Armee bei Kodersdorf so stark beschädigt, dass auch sie nicht mehr befahrbar war. Deshalb wurde der Großteil der verbliebenen Eisenbahner durch die sowjetische Militäradministratur anfangs nur zu Aufräum- und Wiederaufbauarbeiten herangezogen. Zur gleichen Zeit suchte das Bw Sagan Lokpersonale für die Züge, mit denen die sowjetische Verwaltung Reparationsgüter in Richtung Osten transportieren wollte. Bis teilweise 1954 transportierten auch Görlitzer Personale die oftmals als Beutezüge bezeichneten Reparationszüge bis zur polnisch-sowjetischen Grenze bei Brest.

Nach dem Krieg wurden alle ehemals aktiven und führenden Nationalsozialisten aus dem Dienst entlassen. In den 1950er Jahren entstanden zahlreiche Neubauten, so z. B. die neue Lokleitung mit Umkleideräumen (1953) an der Grundstücksgrenze zum Maschinenbau an der Lutherstraße. Im Jahr 1954 folgte die Werkstatt mit Kulturraum und weitere drei Jahre später bezog nebenan die neue Küche und Kantine ihre Räumlichkeiten. 1961 schufen die Eisenbahner im Rahmen des Nationalen Aufbauwerks (NAW) mit Spitzhacke und Schaufel die erste Straßenanbindung zum Bw. Sie bauten die Straße von der Brautwiesenunterführung an der Lutherstraße vorbei am Werk des Maschinenbau bis zum Bw. Bis dahin bestand lediglich ein Treppenzugang von der Rauschwalder Straße zum Verwaltungs- und Übernachtungsgebäude. Erst im Jahr 1966 erfolgte auch die Straßenanbindung an die Rauschwalder Straße. Mit Baggern und Raupenschleppern wurde der felsige Untergrund an der Straßenseite und zum Gelände der Firma Roscher abgetragen und danach planiert. An der neuen Zufahrt entsteht auch ein Pförtnerhäuschen.

Im Jahr 1958 entstand zwischen den Gleisen 41 und 42 ein neuer Kohlehochbunker, aus dessen zwei Bunkersilos die Kohle nach zwei Seiten in die Tender fiel. Während der Bestückung der Tender konnte die geladene Kohle gleichzeitig gewogen werden. Am 19. April 1967 wurde der Schornstein im Süden des Lokschuppen am Gleis 43 – dem sogenannten Schornsteingleis gesprengt. Zehn Jahre später entstand zwischen den Gleisen 40 und 41 ein neuer Schornstein, der zu einem neuen zentralen Heizwerk gehören sollte, das jedoch nie gebaut wurde. Auch dieser Schornstein wurde später gesprengt. Am Standort des alten Schornsteins am Lokschuppen entstand das mehrstöckige Sozialgebäude mit Umkleide- und Waschräumen.

Für die Diesellokomotiven V 15 und V 60 entstand 1968 eine Tankanlage. Vorher tankten die Diesellokomotiven an einer normalen Zapfsäule. Am Gleis 38 wurde 1970 eine Besandungsanlage errichtet. Sie wurde notwendig, da an jeder Lokomotive mehrere Sandkästen auf Drehgestellhöhe befüllt werden mussten. Auch wurden zahlreiche Erleichterungen für die Mitarbeiter in den Hallen installiert. So erhielt der Ölkeller einen Lastenaufzug, die Dreherei wurde erweitert und in der Werkhalle wurde ein 5-Tonnen-Demag-Kran aus der Bundesrepublik aufgebaut. Dieser half bei der De- und Montage schwerer Anbauteile. Die Schweißerei erhielt eine Absauganlage sowie ein Durchflutungsgerät, mit dem Schweißnähte auf eventuelle Einschlüsse und Risse untersucht werden konnte.

Für die seit 1983 in Görlitz beheimateten dieselelektrischen Lokomotiven der Baureihe 132 wurde im Süden am Maschinenbau eine Rheostatanlage gebaut. An diese Anlage, die einem großen regelbaren Widerstand gleicht, konnten die elektrischen Fahrmotoren der Lokomotive angeschlossen und einer Leistungsprüfung unterzogen werden. Die Leistungsprüfung war bei jeder Frist vorzunehmen. Die kompletten Dieselaggregate konnten mit Hilfe eines 8-Tonnen-Portalkran aus dem Lokkasten gehoben werden. Er überspannte die Gleise 38 bis 40. Für kleinere Hebearbeiten gab es an den Gleisen 38 und 39 ein 2-Tonnen-Bockkran.

Die Außenschiebebühne wurde im September 1991 durch eine neue Anlage mit der gleichen Länge ersetzt. Im November 1992 demontierte man den Kohlehochbunker auf dem Bw-Gelände, da nun auch keine Dampfloks zum Vorheizen der Personenzüge mehr vorgehalten wurden.[2]

Das Görlitzer Bw sollte nach Plänen aus Anfang der 1990er Jahre eines von drei verbleibenden Bahnbetriebswerken in der Reichsbahndirektion Dresden bleiben. Ab dem 1. Januar 1994 unterstand dem nunmehrigen Betriebshof Görlitz das einstige Bw Zittau.[7]

Die Deutsche Bahn verkaufte das Bahnbetriebswerk am 15. Dezember 2008 an die Ostdeutsche Instandhaltungsgesellschaft (ODIG). Die ODIG ist eine hundertprozentige Tochterfirma der Ostdeutschen Eisenbahn (ODEG). Seit Dezember 2008 lässt die ODEG hier ihre Triebwagen warten.



Text: Wikipedia

Bild: Wikipedia/Südstädter

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