Bahnhof Görlitz

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Ansichtskarte Bahnhof Görlitz (1915)

Bahnhof Görlitz ist der zentrale Personenbahnhof der Stadt Görlitz in Sachsen. Er verknüpft im Eisenbahnknoten Görlitz die Strecken nach Berlin, Dresden, Breslau und Zittau miteinander. Die Strecke in Richtung Jelenia Góra (Hirschberg) ist hingegen im nahe gelegenen polnischen Bahnhof Zgorzelec (früher: Görlitz-Moys) angebunden.

Bis zum Zweiten Weltkrieg war der am 1. September 1847 eröffnete Bahnhof Görlitz ein bedeutender Knotenpunkt im deutschen Fernverkehr. Das steigende Verkehrsaufkommen erforderte in den 1860er Jahren sowie Anfang des 20. Jahrhunderts eine Erweiterung der Bahnhofsanlagen. Nach der Verschiebung der deutschen Ostgrenze an Oder und Neiße kam es zu einem enormen Bedeutungsverlust. Heute ist der Bahnhof Görlitz nur noch ein Regionalknoten im Schienenpersonennahverkehr. Fernverkehr in der einst bedeutsamen Relation (Paris–) Dresden – Breslau (– Warschau) gibt es seit 2004 nicht mehr.

Im grenzüberschreitenden Verkehr hat der Bahnhof Görlitz den Status eines Grenzbahnhofs zwischen Deutschland und Polen. Bis zum EU-Beitritt Polens erfolgte dort in allen internationalen Zügen die Pass- und Zollkontrolle.


Lage

Der Görlitzer Bahnhof liegt an Deutschlands Ostgrenze und ist Grenzbahnhof zum Nachbarland Polen. Der Bahnhof Hagenwerder sowie die Haltepunkte in Rauschwalde und Weinhübel sind weitere Bahnstationen der Stadt Görlitz.

Der Bahnhofskomplex befindet sich in der südlichen Innenstadt an der Stadtteilgrenze zur Südstadt. Das Empfangsgebäude steht in der verlängerten Nord-Süd-Achse der Berliner Straße, die den Bahnhof mit dem Stadtzentrum verbindet. Nördlich des Bahnhofs begrenzt die Bahnhofstraße und südlich die Sattigstraße das Bahnhofsareal. Im Osten führt das Neißeviadukt über die Lausitzer Neiße, die die deutsch-polnische Grenze nach Zgorzelec markiert.

Das Bahnhofsgelände gehörte einst zum Jannakschen Vorwerk und befand sich zum Zeitpunkt der Errichtung des Bahnhofs weit vor den damaligen Toren der Stadt. Dort richtete im Jahr 1641 der sächsische Kurfürst Johann Georg I. bei der Belagerung von Görlitz sein Hauptquartier ein. Zuletzt gehörte das Grundstück dem Viaduktbaumeister Gustav Kießler.

Straßenverkehr und Straßenbahn unterqueren im Jakobstunnel östlich des Bahnhofsgebäudes die Bahngleise. Westlich unterführt der Brautwiesentunnel die Bundesstraße 99 unter der Westausfahrt des Bahnhofs. Die Görlitzer Straßenbahn sowie die Busse des Regionalverkehrs besitzen vor dem Empfangsgebäude an der Bahnhofsstraße Haltestellen. Am Südausgang, dem südlichen Aufgang aus der Bahnsteigunterführung, befindet sich die gleichnamige Straßenbahn- und Bushaltestelle als Umsteigehaltestelle im städtischen Nahverkehr.


Geschichte

Der Weg zum Bahnanschluss

Mit dem Einsatz von Dampfmaschinen und dem beginnenden industriellen Aufschwung Mitte des 19. Jahrhunderts in der Region wurde ein effizienteres Transportsystem notwendig, um die Waren auf weitere Absatzmärkte zu verteilen. Pferdefuhrwerke kamen auf den unzureichend ausgebauten Straßen schnell an ihre Leistungsgrenze. Die neue Dampfeisenbahntechnologie aus England versprach hierfür eine Lösung. Noch vor der ersten Eisenbahnlinie in Deutschland schlug der Liegnitzer Regierungsbaurat Krause eine Bahnlinie von der schlesischen Hauptstadt Breslau nach Berlin und Dresden vor. Doch weil das Projekt nicht rentabel erschien, wurde es nicht realisiert. Der preußische Staat, zu dem Görlitz seit dem Wiener Kongress 1815 gehörte, setzte anfangs noch auf den Ausbau von Chausseen und Wasserstraßen.

Wie in anderen Regionen in Deutschland konstituierte sich 1841 ein Eisenbahnverein, der Verein zur Wahrnehmung der Interessen der Stadt Görlitz bei Anlegung einer Eisenbahn zwischen Breslau und der Elbe. Bereits am 7. Januar 1842 erteilte der preußische König der Berlin-Frankfurter-Eisenbahngesellschaft die Konzession für den Bau einer Strecke von Breslau über Liegnitz und Bunzlau nach Görlitz und weiter bis an die sächsisch-preußische Landesgrenze. Die Beschaffung des benötigten Aktienkapitals misslang jedoch und somit erlosch die Konzession am 8. Januar des Folgejahres. Ende des Jahres 1843 erhielt die Niederschlesisch-Märkische Eisenbahn-Gesellschaft (NME) die Konzession für eine Eisenbahn von Frankfurt/Oder nach Breslau und für eine Zweigbahn von Kohlfurt nach Görlitz. Im gleichen Jahr schlossen Preußen und Sachsen einen Staatsvertrag zum Bau der Eisenbahnstrecke von Dresden nach Görlitz.


Der alte Bahnhof

Die Ansicht zeigt den alten Inselbahnhof vor seiner westseitigen Erweiterung 1866 mit den beiden achteckigen Türmen und dem gusseisernen Haupteingang auf der Ostseite (um etwa 1860). Rechts neben dem Empfangsgebäude befindet sich der Perron der Sächsisch-Schlesischen Eisenbahn, links der der Niederschlesisch-Märkischen Eisenbahn.

Die Bahnstrecken verliefen damals an der südlichen und östlichen Stadtgrenze.

Im sächsisch-preußischen Staatsvertrag war Görlitz als Verknüpfungspunkt zwischen der Sächsisch-Schlesischen Eisenbahn (SSE) und der Niederschlesisch-Märkischen Eisenbahn (NME) festgelegt. Die anfänglichen Pläne beider Gesellschaften sahen außer separaten Güter- und Lokschuppen auch getrennte Empfangsgebäude vor. Dies wurde jedoch aus Kostengründen verworfen. Man einigte sich auf ein gemeinsames Empfangsgebäude. Der Auftraggeber und Bauausführende war die NME. Dies dürfte auch ein Grund dafür gewesen sein, warum der Haupteingang mit den beiden Türmen in Richtung der Bahnstrecke nach Kohlfurt bzw. damals auch noch in Richtung der preußischen Hauptstadt Berlin zeigte.

Die Grundsteinlegung für den kastellartigen Bahnhof erfolgte im Jahr 1845. Bereits am 1. September 1847 wurde er zeitgleich mit beiden Eisenbahnstrecken feierlich eröffnet. Der Neorenaissancebau stand auf einer Grundfläche von ca. 41,8×16,3 Metern und besaß drei Stockwerke. Markant waren seine beiden oktogonalen Türme an der Ostseite des Empfangsgebäudes, die den Haupteingang flankierten. Der heutige polnische Bahnhof in Węgliniec (Kohlfurt) ähnelt dieser Bauform. Der ostseitige Hauptausgang führte über den Vorplatz auf die Jacobsstraße. Der Jakobstunnel existierte damals noch nicht und die Bahntrasse nach Kohlfurt überquerte die Jacobsstraße niveaugleich.

Der Bahnhof wurde in Insellage errichtet. Südlich des Gebäudes verliefen die Gleise der Sächsisch-Schlesischen Eisenbahn und nördlich die der Niederschlesisch-Märkischen Eisenbahn. Jede Bahngesellschaft verfügte auf ihrer Bahnhofsseite über einen eigenen Lokomotiv-, Wagen- sowie Güterschuppen. Auch die Drehscheiben und Kohleschuppen waren getrennt. Die sächsische Strecke endete im Osten des Empfangsgebäudes an der Drehscheibe noch vor der Jacobsstraße. Westlich des Empfangsgebäudes verband ein Übergabegleis die beiden Eisenbahnstrecken und ermöglichte den durchgehenden Transport von Gütern zwischen Leipzig und Breslau. Reisende mussten umsteigen.

Die Fahrgäste gelangten durch eine gusseiserne Vorhalle am Haupteingang in die eigentliche Eingangshalle. In ihr befanden sich der Portier, die Polizei, der Fahrkartenschalter und die Gepäckannahme. Von der Eingangshalle führten Durchgänge zum nördlichen und südlichen Bahnsteig und zu den hinteren Wartesälen. Im ersten Stock befanden sich die Büros und die Dienstwohnung des Bahnhofsvorstehers. Im zweiten Stock wohnten weitere hohe Bahnhofsangestellte. Niedrigen Beamten und Tagelöhnern wiederum gehörten die Häuser an der Packhofstraße (heute: Berliner Straße). Der Bahnhof wurde von beiden Bahnbetreibern NME und SSE (ab 1852 Übergang in die preußische bzw. sächsische Staatsbahn) gleichberechtigt verwaltet und genutzt, obwohl die NME weiterhin alleiniger Eigentümer blieb. Im Adressbuch erschienen deshalb auch zwei unterschiedliche Anschriften: Eisenbahnhof der NME, An der Jacobsstraße 844 und Eisenbahnhof der SSE, Salomonstraße 13. Die gemeinsame Bahnhofsverwaltung endete mit dem Friedensschluss nach dem Deutschen Krieg zwischen Preußen und Österreich und dessen Verbündeten. Zu den Verbündeten zählte auch das Königreich Sachsen, das sich nun von Preußen nach der Niederlage die Friedensbedingungen diktieren lassen musste. Dazu zählte, dass die Bahnhofsverwaltung nur noch der Preußischen Staatseisenbahn oblag. Da die technischen Einrichtungen der sächsischen Staatsbahn auf dem Bahnhofsgelände, wie z. B. Lokomotiv-, Güterwagen- und Wagenschuppen, trotzdem unter sächsischer Verwaltung blieben, behielten die sächsischen Beamten im Bahnhof weiterhin ein kleines Dienstzimmer.

Aufgrund der nahen sächsischen Grenze bei Reichenbach war der Görlitzer Bahnhof schon damals eine Grenzstation, an der bis zur Reichsgründung im Jahr 1871 Pass- und Zollkontrollen durchgeführt wurden.


Die Bahnhofserweiterung 1867 bis 1869

Durch den rasch zunehmenden Verkehr und die beiden neu im Bahnhof einmündenden Eisenbahnstrecken, der Schlesischen Gebirgsbahn (Breslau–Waldenburg–Görlitz) und der Berlin-Görlitzer Eisenbahn, war eine Bahnhofserweiterung notwendig. Die niveaugleichen Bahnübergänge am Blockhaus, an der Jakob-, der Salomonstraße und der Rauschwalder Straße stellten ein Hindernis für den innerstädtischen Verkehr dar. Auf der finalen Konferenz mit Angehörigen des städtischen Magistrats und der Eisenbahnen am 8. Dezember 1866 einigte man sich auf die Einzelheiten des Umbaus. Ein für den städtischen Verkehr wichtiger Beschluss war die Unterführung der Jakobsstraße unter den Bahngleisen östlich des Bahnhofs, da der Bahnübergang wegen häufiger Rangier- und Zugfahrten oft geschlossen war. Die ausgehobenen Erdmassen für die 36 Fuß breite Unterführung wurden zur Aufschüttung des Bahnhofsareals und des Brautwiesendammes benutzt. Die im Volksmund als Jakobstunnel bezeichnete Unterführung wurde am 19. November 1868 eingeweiht. Etwa zur gleichen Zeit entstand am Blockhaus eine Straßenbrücke über die Gleise in Richtung des Neißeviadukts. Auch eine schmale Unterführung zwischen innerer (heute Bahnhofstraße) und äußerer Bahnhofstraße (heute Verlängerung der Sattigstraße) wurde angelegt. Sie war die Vorläuferin des Brautwiesentunnels. Andere schienengleiche Überführungen, wie z. B. zwischen Biesnitzer Kommunikationsweg (heute Melanchthonstraße) und Salomonstraße wurden geschlossen. Der Bau eines zusätzlichen Tunnels scheiterte, weil man sich über die Linienführung ab Salomon- oder Krölstraße nicht einig war.

Auch die Einbindung der Berlin-Görlitzer Eisenbahn (BGE) bereitete Schwierigkeiten, da es sich um eine private Gesellschaft handelte. Diese plante anfangs ein separates Empfangsgebäude, einigte sich jedoch später mit der preußischen und der sächsischen Staatsbahn auf einen Anbau an das bestehende Bahnhofsgebäude. Da die Gleisbereiche getrennt bleiben sollten, mussten die Gleisanlagen am Bahnhof umgestaltet werden. Die ehemals sächsische Bahnhofsseite im Norden mit ihrem Bahnsteig wurde von da an von der BGE genutzt. Die sächsische und die preußische Staatsbahn teilten sich den Südperron. Um dem erhöhten Fahrgastaufkommen gerecht zu werden, wurde das Empfangsgebäude durch einem Anbau im Grundriss um das Doppelte auf 1700 Quadratmeter vergrößert. Der neue Mitteltrakt, auch Vestibül genannt, erhielt einen Personentunnel, der die Unterquerung der Gleise bis zur Bahnhofsstraße in einer Achse mit der Packhofstraße (heute Berliner Straße) ermöglichte. Der umgebaute Bahnhofskomplex wurde am 31. Juli 1869 eröffnet.

Der Zugang zum Personentunnel an der Bahnhofstraße erhielt ein repräsentatives Vorempfangsgebäude. Eine breite Treppe führte in die Empfangshalle, deren Wände mit den Wappen von Berlin, Breslau, Cottbus, Dresden, Görlitz und Hirschberg geschmückt waren. Nachts wurden das Gebäude und der Fußgängertunnel durch mehr als hundert kugelförmige Gaslaternen erleuchtet. In der Halle sorgte ein fünfarmiger Leuchter für Licht. Der frühere Haupteingang an der Ostseite wurde verschlossen. Dort befand sich nun das Wachzimmer der Post, die mittlerweile den ganzen östlichen Trakt gepachtet hatte. Westlich folgten die BGE-Büros auf der Nordseite und die Büros der preußischen Staatsbahn auf der Südseite. An der Ostseite des neuen Vestibüls befand sich die Gepäckabfertigung, gegenüber dem Treppenaufgang die Fahrkartenschalter und auf der Westseite des Vestibüls schlossen sich die Wartesäle und ein Bahnhofsrestaurant an. Im Keller befanden sich Vorrats- und Wirtschaftsräume sowie die Restaurantküche. Im Obergeschoss wohnten der Bahnhofsvorsteher, hohe Beamte und der Bahnhofswirt. Die Bahnsteige erhielten Wellblechdächer. Im Jahr 1899 erhielt auch der Zittauer Bahnsteig eine Überdachung. Die Bahnstrecke aus Seidenberg wurde am 1. Juli 1875 eröffnet. Die in Hagenwerder abzweigende Strecke durch das Neißetal nach Zittau folgte am 15. Oktober des gleichen Jahres.

Mit der Bahnhofsumgestaltung entstanden auch neue Güterschuppen als Typenbauten, an der äußeren Bahnhofstraße (heute Sattigstraße) für die sächsische und preußische Staatsbahn und an der inneren Bahnhofstraße (heute Bahnhofstraße) für die BGE. Nach dem Umbau waren keine Wagenschuppen mehr vorgesehen. Nur die Lokomotiven wurden in Schuppen untergebracht, die für jede Eisenbahngesellschaft neu errichtet wurden. Es wurden drei Ringlokschuppen und jeweils eine Drehscheibe gebaut. Die NME errichtete ihr Lokdepot an der Bahnhofstraße in Höhe der Einmündung der Konsul- und Schillerstraße östlich des Bahnhofs. Die sächsische Staatsbahn baute ihr Depot an der Strecke nach Dresden im östlichen Bahnhofsvorfeld an der Rauschwalder Straße. Auf diesem Areal befindet sich noch das Bahnbetriebswerk Görlitz. Die BGE baute ihren Lokomotivschuppen an der Bahnhofstraße Ecke Jakobsstraße ungefähr dort, wo heute das Postamt steht. Die Stadtverwaltung und die Anwohner kritisierten den Bau wegen der befürchteten Lärm- und Schmutzbelästigung in der Nähe der Wohnhäuser. Die BGE führte als Kompromiss die Rauchabzugskamine überlang aus.

Das Bahnpostamt im Empfangsgebäude erreichte bald seine Kapazitätsgrenzen. Im Jahr 1886 entstand an der Bahnhofstraße zwischen Bahnhofsvorhalle und dem BGE-Lokschuppen für 29.000 Mark ein neues einstöckiges Bahnpostamt. 1877 wurde an der heutigen Sattigstraße etwa auf der Höhe der heutigen Kunnerwitzer Straße eine bahneigene Gasanstalt zur Leuchtgasversorgung des Bahnhofs und der Personenwagen errichtet. Sie verfügte über einen eigenen Gleisanschluss zum Transport von Kohle und Abtransport von Teer über eine Wagendrehscheibe. Bis Juni 1913 blieb das Werk in Betrieb. Neben diesen bahntechnischen Einrichtungen entstanden auch kommunale Einrichtungen in unmittelbarer Nähe des Bahnhofes, z. B. der städtische Packhof an der Bahnhofstraße Ecke Salomonstraße, der am 1. Oktober 1850 mit einer Lagerfläche von 2892 Quadratmetern eröffnet wurde. Die Stadt besaß seit 1834 das Packhofrecht, also das Recht, ein von der Zollverwaltung kontrolliertes und zur Niederlage von unverzollten Waren der Kaufleute bestimmtes Lager einzurichten. Einige Kaufleute wünschten sich schon bald einen neuen Packhof näher an den Gleisen, der im Jahr 1873 als Anbau an den preußischen und österreichischen Zollschuppen den Betrieb aufnahm. Er war mit 2379 Quadratmetern kleiner als der alte Packhof. Die Lagerflächen wurden mit einer dreimonatigen Kündigungsfrist vermietet. Während des Bahnhofsumbaus zwischen 1906 und 1917 musste der Packhof im Jahr 1913 wieder an seinen Ursprungsort zurückkehren.


Zweiter Umbau 1906 bis 1917

Bereits zur Jahrhundertwende reichten die Kapazitäten des Bahnhofs nicht mehr aus, um täglich 112 Reisezüge und 72 planmäßige Güterzüge abzufertigen. Hinzu kamen noch bis zu 26 Sonderzüge an Festtagen und in der Urlaubszeit sowie 24 Bedarfsgüterzüge. Den größten Engpass stellte der zunehmende Güterverkehr dar, weil einzelne Güterabfertigungsbereiche nicht mehr genutzt werden durften, so die Freiladegleise an der Äußeren Bahnhofstraße, da die Rangierabteilungen die Hauptstrecke hätten kreuzen müssen. Vor der Bahnhofserweiterung sollte der Güterverkehr eingestellt werden. Es gab Erwägungen, den Vorortbahnhof Posottendorf-Leschwitz (heute Görlitz-Weinhübel) im Süden als Güterbahnhof auszubauen. Wegen der schwierigen Geländeverhältnisse erhielt ein Standort bei Schlauroth und Rauschwalde den Vorzug. Die Bauarbeiten am Verschiebebahnhof Schlauroth im Westen der Stadt wurden 1906 aufgenommen. 1909 wurde er dem Verkehr übergeben.

Auch bei diesem Umbauprojekt gab es in der Planungsphase Schwierigkeiten, die Wünsche von Eisenbahn und städtischem Magistrat unter einen Hut zu bringen. So sollte z. B. der Gepäcktunnel nach dem Umbau als Personentunnel dienen, da laut Vorschrift der Treppenaufgang in der Mitte des Bahnsteigs enden musste. Das Empfangsgebäude hätte sich dann 16 Meter weiter westlich befunden. Dagegen erhob vor allem der damalige Stadtarchitekt Bedenken, denn der Haupteingang sollte sich in der Flucht der Berliner Straße befinden. Im Jahr 1907 einigte man sich auf einen östlichen Personentunnel und einen westlichen Gepäcktunnel. Weitere Kritikpunkte der Stadt waren der fehlende Zugang zur Südstadt in der Salomonstraße, ein fehlender Durchgang für Reisende zur Südstadt und die nur noch auf der Nordseite befindliche Güterabfertigung. Der Personendurchgang zur Südstadt in der Verlängerung des Personentunnels wurde mit dem letzten Plan vom März 1908 verwirklicht. Die anderen von der Stadt geforderten Änderungen wurden wegen des Betriebsablaufs im Bahnhof oder aus finanziellen Gründen nicht umgesetzt.

Der Umbau begann mit den Gleisanlagen vor allem im westlichen Bahnhofsvorfeld. Am beschrankten Bahnübergang an der Rauschwalder Straße wurde das Gleisniveau durch Aufschüttungen so weit gehoben, dass die Gleise über die Straße geführt werden konnten. Die Dresdner Strecke wurde auf den neuen südlichen Brückenträger verlegt. Der Zugverkehr konnte während der Bauarbeiten auf der heutigen Güterzugstrecke nach Schlauroth aufrechterhalten werden. Der südliche Brückenteil für die Dresdner Strecke konnte am 1. Juli 1907 und der nördliche Brückenteil für die Güterzugstrecke zum Schlaurother Güterbahnhof 1909 eröffnet werden. Auch die Berliner Strecke musste 1911 trotz Protesten auf die neue Brücke verlegt werden, die bis 1913 zweigleisig ausgebaut wurde. Die Bahningenieure entwarfen das Bahnhofsvorfeld nach damals neuesten Gesichtspunkten. Von allen Bahnsteigen sollten Ein- und Ausfahrten zu allen Strecken möglich sein. An Stelle der Ladestraße an der Sattigstraße entstand ein Abstellbereich für Reisezüge. Die neue Ladestraße und die Rampen wurden auf dem ehemaligen Gelände der BGE parallel zur Bahnhofstraße bis zum Brautwiesentunnel angelegt. Weitere Entladeplätze entstanden an der Rauschwalder Straße über der Eisenbahnbrücke. Auch die drei Lokschuppen wurden zum Großteil abgebrochen, dafür wurde auf dem Areal des ehemaligen sächsischen Lokschuppens ein modernes Bahnbetriebswerk (BW) eröffnet. Es verfügte über eine Drehscheibe und eine Schiebebühne. Ab 1912 begannen die Bauarbeiten an den neuen Bahnsteigen südlich des Empfangsgebäudes. Das Gleis 14 erhielt einen Behelfsbahnsteig mit einer Unterführung zum Bahnsteig 12. Dieser trug bis 1945 den Namen Militärbahnsteig, da dort die Militärtransporte abgewickelt wurden und sich die Militärküche befand. Das Gleis 13 diente als Güterzugdurchfahr- und Loklaufgleis. Der vierte neue Bahnsteig konnte erst 1917 nach dem Abriss des alten Bahnhofsgebäudes realisiert werden.


Elektrifizierung

Mit der Wende zum 20. Jahrhundert wurde die elektrische Traktion eingeführt. Bei der Preußisch-Hessischen Staatsbahn entschloss man sich, sie auf einer Flachlandstrecke und einer Gebirgsstrecke zu erproben. Die Wahl fiel auf die Strecke Dessau – Bitterfeld in Mitteldeutschland und die Bahnstrecke Nieder-Salzbrunn – Halbstadt in Schlesien. Ein Argument für die schlesische Strecke war die billige Waldenburger Steinkohle, die sich gut zur Verstromung eignete. Auch das preußische Kriegsministerium stimmte zu unter der Bedingung, dass genügend einsatzfähige Dampflokomotiven auf der Strecke vorzuhalten waren. Mit dem Kreditbewilligungsgesetz zur Elektrifizierung der Schlesischen Gebirgsbahn legte der preußische Landtag am 30. Juni 1911 die finanzielle Grundlage zur Elektrifizierung. Die Bauarbeiten begannen 1912. Schon am 2. April 1914 lieferte das Bahnkraftwerk Mittelsteine den ersten Bahnstrom und der elektrische Probebetrieb zwischen Niedersalzbrunn und Halbstadt konnte aufgenommen werden. Der Erste Weltkrieg verzögerte die Elektrifizierung, da das Kupfer für kriegswichtige Zwecke benötigt wurde. Nach dem Krieg wuchs das elektrifizierte Netz in Schlesien weiter an und Görlitz wurde über die Strecke Strecke Königszelt – Lauban angeschlossen. Am 1. September 1923 traf der erste von einer Elektrolokomotive gezogene Zug in Görlitz ein, der D-Zug 192 von Breslau über Hirschberg nach Berlin. In Görlitz mussten weiterfahrende Züge nach Norden, Süden oder Westen umgespannt werden, da Görlitz bzw. später der Verschiebebahnhof der westlichste Vorposten des elektrifizierten schlesischen Netzes war. Güterzüge aus Richtung Lauban konnten ab März 1924 bis zum Verschiebebahnhof Schlauroth elektrisch fahren.


Zweiter Weltkrieg und Nachkriegszeit

Da die Stadt an einer wichtigen Ost-West-Verbindung lag, rollten seit Kriegsbeginn verstärkt Militärtransporte durch den Bahnhof gen Osten. Von direkten Kriegseinwirkungen blieb der Bahnhof jedoch weitgehend verschont. Zwar überflogen bereits im August 1940 englische Flieger die Stadt und bombardierten verschiedene Ziele, der Bahnhof gehörte nicht dazu. Erst am 20. Februar 1945 gegen 11:47 griffen sowjetische Frontflieger den Bahnhof an, hinterließen jedoch nur geringe Schäden. Eine Bombe riss ein Loch in Dach und Wand des Lokschuppens des benachbarten Bahnbetriebswerks Görlitz. Das Werk besaß einen eigenen Luftschutzkeller. Andere Bahnhofsangestellte suchten bei Fliegeralarm den öffentlichen Luftschutzbunker am Südausgang unterhalb der Jakobuskathedrale auf.

Einschnitte im Betriebsablauf gab es vor allem beim elektrischen Betrieb auf der Schlesischen Gebirgsbahn gegen Ende des Krieges, wo wieder ein Mischbetrieb mit Dampf- und Elektrolokomotiven durchgeführt wurde. Im Februar 1945 wurde beim sowjetischen Vorstoß auf die Stadt das Unterwerk Lauban schwer beschädigt. Auch die Oberleitungen wurden in Mitleidenschaft gezogen. Mit der Rückeroberung Laubans durch Wehrmachtseinheiten am 9. März 1945 konnte kurzzeitig auf der Strecke Görlitz–Lauban noch einmal der Betrieb aufgenommen werden. Der elektrische Betrieb war jedoch aufgrund der zersörten Stromversorgung nicht mehr möglich. Auch die verbliebenen fahrbereiten E-Loks wurden nach Westen überführt, um sie vor der vorrückenden Roten Armee in Sicherheit zu bringen. Die Sprengung des Neißeviadukts am 7. Mai 1945 bedeutete das Ende des elektrischen Betriebs auf der Strecke in Richtung Hirschberg. Dabei fielen drei Bögen des Viadukts in die Tiefe des Neißetals. Auch der Fahrdraht wurde in das Tal gerissen. Noch bis Ende 1945 hingen die Gleise zwischen den beiden Brückenfragmenten und dienten Flüchtlingen aus dem Osten zur Flucht auf die Westseite der Neiße. Die stromlose Oberleitung zwischen Viadukt und Rangierbahnhof Schlauroth wurde bereits im Herbst 1945 demontiert. Die Fahrleitungsmaste hingegen wurden entweder einer neuen Funktion zugeführt oder fielen der Verschrottungsaktion zwischen 1968 und 1970 zum Opfer. Einige Obermasten wurden als Lademaß genutzt oder dienten noch bis in das Jahr 2011 als Beleuchtungsmasten an der Westausfahrt.

Am 8. Mai 1945 besetzte die Rote Armee die Stadt und brachte auch den Bahnhof unter ihre Kontrolle. Unter dem Stadtkommandanten Gardeoberst Iljitsch Nesterow wurde eine sowjetische Bahnhofskommandantur eingerichtet, die bis Mitte August 1945 den Verkehr um den Bahnhof kontrollierte und steuerte. Der Bahnhof lag nach der Sprengung des Neißeviadukts und aller anderen Neißebrücken der Strecken nach Seidenberg und Zittau im Süden, dem gesprengten Löbauer Viadukt im Westen und der durch die Neißeoffensive der Roten Armee im Norden bei Kodersdorf zerstörten Strecke nach Cottbus vollkommen isoliert. Am 23. Juli 1945 verkehrten wieder zwei Zugpaare bis ins nördlich von Görlitz gelegene Horka. Zwei Tage später konnte wieder bis Weißwasser gefahren werden. Am 6. August 1945 wurde der Pendelverkehr zwischen Löbau Ost, einem provisorischen Haltepunkt am östlichen Brückenkopf des Löbauer Viadukts, und Görlitz wieder aufgenommen. Nachdem das Löbauer und das Bautzner Viadukt wieder provisorisch befahrbar waren, verkehrte am 10. November 1945 der erste Personenzug von Görlitz bis Dresden-Neustadt. Die erste Zugverbindung von und nach Zittau bestand ab dem 9. September 1945. Die Neißetalbahn war damit die erste wieder durchgängig befahrbare Bahnlinie von Görlitz aus. Im Folgejahr sperrte die polnische Verwaltung die Streckenteile auf ihrem Territorium für den Durchgangsverkehr. Zwischen Görlitz und Hagenwerder wurde nun der Pendelverkehr aufgenommen. Während des Wiederaufbaus bis einschließlich 1946 ließ die Sowjetunion das zweite Streckengleis auf allen in den Bahnhof einlaufenden Bahnlinien und auch Gleise im Bahnhof demontieren und die abgebauten Schienen als Reparationsleistung abtransportieren.

Mit einem Befehl der Sowjetischen Militäradministration vom 11. August 1945 wurde der Eisenbahnbetrieb wieder den deutschen Behörden übergeben. Der Bahnhof gehörte nicht mehr zur Reichsbahndirektion Breslau sondern unterstand seitdem der Reichsbahndirektion Dresden. Auch bei der Gründung der Reichsbahndirektion Cottbus im Jahr 1946 verblieb der Bahnhof zunächst unter Dresdner Verwaltung.


DDR-Zeit und politische Wende

Mit einer Umstrukturierung am 1. Januar 1955 gelangte der Bahnhof zum Direktionsbezirk Cottbus; dort verblieb er bis zur Auflösung der Direktion im Oktober 1990. In den 1950er Jahren rollte der Eisenbahnverkehr bereits wieder in alle Richtungen. Seit dem 1. Juli 1948 endeten auch die Züge der Görlitzer Kreisbahn im Görlitzer Bahnhof. Zuvor fuhren die Züge nur bis zum Kreisbahnhof Görlitz West an der Rauschwalder Straße.

Der Bahnhof hatte auch zu DDR-Zeiten große Bedeutung im Fern- und Nahverkehr. Im Jahr 1952 begannen polnische Arbeiter mit dem Wiederaufbau des Neißeviaduktes. Grundlage für den Wiederaufbau des zerstörten Viaduktes war das 1950 geschlossene Görlitzer Abkommen, in dem die DDR und die Volksrepublik Polen die Oder-Neiße-Grenze als Staatsgrenze zwischen beiden Staaten anerkannten. Der grenzüberschreitende Reiseverkehr in das „sozialistische Bruderland“ – die Volksrepublik Polen – über das wiedererrichtete Neißeviadukt wurde am 22. Mai 1957 feierlich aufgenommen. Hierzu wurde der Bahnsteig IV mit den Gleisen 11 und 12 verlängert und 1957/58 durch die Hochbaumeisterei (Hbm) Görlitz ein Grenzzollgebäude auf der Westseite des Bahnsteigs errichtet. In der Mitte des Bahnsteigs sollte ein Metallzaun den Grenzübertritt ohne Kontrollen unmöglich machen. Deutsche Grenzbeamte und Zöllner kontrollierten die Züge direkt am Bahnsteig. In den 1960er Jahren hielten täglich bis zu sechs internationale Reisezugpaare in Görlitz. Der Lok- und Personalwechsel auf den Zügen fand bis zur Einstellung der letzten lokbespannten grenzüberschreitenden Interregiozugpaare am 11. Dezember 2004 im Bahnhof Görlitz statt.

Im Jahr 1956 konnten mit der Zuteilung von Drahtglas die durch den Krieg entstandenen Schäden an der Verglasung der Bahnsteighalle behoben werden. Ab 1985 hielt die Mikroelektronik am Bahnhof Einzug. Sämtliche Stellwerke, Rangierloks und das komplette Rangierpersonal wurden mit Funktechnik ausgerüstet. Die Fahrkartenausgabe erhielt einen rechnergestützten Fahrkartendrucker und Zugang zum elektronischen Platzkartenreservierungssystem. Auch die ersten Fahrkartenautomaten mit Dialogbetrieb kamen in die Bahnhofshalle. Mit der politischen Wende im Osten Deutschlands 1989 begann ein starker Ansturm auf die Züge nach Berlin und in die Bundesrepublik. Ab 1991 sank die Zahl der Reisenden stark, da immer mehr Bürger den Individualverkehr bevorzugten.

Obwohl 1988 die Dampftraktion bei der Deutschen Reichsbahn offiziell aufgegeben wurde, konnte man noch bis Anfang 1990 Dampflokomotiven der Baureihen 52.80 und 50 am Bahnhof Görlitz antreffen. Sie wurden bis zur Einführung einer elektrischen Zugvorheizanlage zum Vorwärmen von Reisezügen verwendet.


Entwicklung ab 1990

Nach der Wende verlor der Bahnhof an Bedeutung. Im Jahr 1993 wurde die Güterabfertigung geschlossen, zwei Jahre später das Bahnpostamt. Mitte der 1990er Jahre begann der umfassende Umbau der Gleisanlagen. Der Außenbahnsteig mit den Gleisen 3 und 4, zuletzt vor allem von den Zügen in Richtung Zittau genutzt, wurde im Jahr 2000 aufgegeben. Für die Zittauer Bahnlinie wurden die Gleise 7 und 8 benutzt. Die Umgestaltung des östlichen Gleisfeldes ermöglichte es, den nördlichen Teil des Jakobstunnels abzureißen und den südlichen Teil, über den nun alle nach Osten auslaufenden Gleise führen, durch einen Neubau zu ersetzen. Seit der Inbetriebnahme des Elektronischen Stellwerkes (ESTW) Görlitz am 25. Juni 2000 werden die Weichen und Signale von der Betriebszentrale in Leipzig aus gesteuert. Die örtlichen Stellwerke verloren damit ihre Funktion und wurden bis auf das Reiterstellwerk B5 im westlichen Gleisvorfeld im ersten Halbjahr 2004 abgebrochen.



Text: Wikipedia

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