Balve

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Balve eine Kleinstadt in Nordrhein-Westfalen mit Stadtrecht seit 1430, liegt im Hönnetal, einem Flusstal im Sauerland.

Reklamemarken und Siegelmarken

Verzeichnis der sortierten Reklamemarken und Siegelmarken mit einem Bezug zu Balve.

Wieland der Schmied

Sonstige

Geschichte

Vor- und Frühgeschichte

In Balve befindet sich eine der größten Dinosaurier-Fundstellen in Deutschland. Es wurden Dinosaurier-Zähne (Iguanodon), Frühsäuger-Knochen, Stücke von Schildkröten-Panzern gefunden[3]. Einheimische Mineraliensammler stießen im Jahr 2002 auf Überreste von insgesamt acht identifizierten Spezies der Dinosaurier, die sämtlich in die Kreidezeit datiert werden können. Wissenschaftler schätzen das Alter der Knochen, die heute im LWL-Museum für Naturkunde in Münster aufbewahrt werden, auf 140 Millionen Jahre. Das von dort ausgeliehene Modell eines Triceratops befindet sich heute im Museum für Vor- und Frühgeschichte[4] in Balve-Wocklum[5]. In der gleichen Fundstelle wurden auch zwei neue Nagetierarten der sogenannten Multituberculata aus der Kreidezeit entdeckt. Die Arten Bructerodon alatus und Cheruscodon balvensis waren in etwa so groß wie Mäuse oder Ratten. Balve ist der einzige Ort neben Großbritannien in ganz Euro wo überhaupt Fossilien von Multituberculata gefunden wurden.[6][7]

Älteste menschliche Siedlungsspuren aus der Umgebung Balves stammen aus der Altsteinzeit. In der Balver Höhle lagerten bereits in der frühen Weichsel-Eiszeit zur Zeit der Neandertaler vor 100.000 bis 40.000 Jahren Jägergruppen, die im Hönnetal eiszeitliche Großsäuger jagten. Daher ist die Balver Höhle als Kulturhöhle einzuordnen.

Auch in der Jüngeren Altsteinzeit wurden die Balver Höhle und auch andere Höhlen im Hönnetal, wie die Volkringhauser Höhle vor dem Hochglazial der Weichsel-Eiszeit, vor rund 35.000 bis 30.000 Jahren, von Jägergruppen des Aurignacien und Gravettien aufgesucht. Hier gehörten Wildpferde, Wollnashörner und Rentiere zu den beliebten Jagdzielen. Tatsächlich jedoch gibt es keine archäologischen Belege, dass auch Mammuts gejagt wurden.

In der späten Weichsel-Eiszeit vor rund 12.000 Jahren waren es spezialisierte Rentierjäger, die in Balve ihre Lager aufschlugen. Im Holozän bewohnten Jäger und Sammler der Mittelsteinzeit die Höhlen um Balve. Sie errichteten auch auf den Flussterrassen der Hönne ihre Lager. In der Umgebung von Balve fanden sich in Höhlen und auf den Flussterrassen der Hönne Belege für eine Besiedlung in der Jungsteinzeit.

Auf dem Höhenrücken "In den Gleiern" befinden sich die sogenannten Hünengräben, eine vorgeschichtliche Wallanlage, die durch archäologische Ausgrabungen in den Jahren 2007 und 2008 in die Latènezeit des 2. bzw. 1. vorchristlichen Jahrhunderts datiert werden konnte.[8]

Besiedlung in der römischen Kaiserzeit

Grabungen des Westfälischen Museums für Archäologie Außenstelle Olpe in den Jahren 1984–86 ergaben in Balve-Garbeck ein Großgebäude, mehrere Grubenhäuser und Pfostenspeicher, drei Urnengräber und Spuren eines umfangreichen Eisenhandwerkes (siehe auch Laumann, H. (1987): Eine germanische Siedlung des 1. Jahrhunderts n. Chr. in Balve-Garbeck. Der Märker 36, S. 75–79[9]). An verschiedenen Stellen wurden insgesamt zehn „Spinnwirtel“ aus Blei zusammengetragen, so dass man hier auch von einer Textilfabrikation ausging (nach heutiger Erkenntnis handelt es sich hierbei und bei den vielen anderen im westfälischen Raum zusammengetragenen „Spinnwirteln“ aller Wahrscheinlichkeit nach um Bleigussreste). Die begleitende Keramik erlaubte die Datierung in die erste Hälfte des 1. Jahrhunderts n. Chr. Ebenfalls wurden am Fundplatz zehn Kleinbarren und Gussreste entdeckt. Die Gussreste lassen vermuten, dass die Bleiobjekte am Ort gegossen wurden.[10]

Das Haus, erbaut an der höchsten Stelle im Areal des Hofes über der Hönne, stand in Ost-West-Richtung und verfügte über eine große Halle mit 17 m Länge und sechs Metern Breite, nur wenige Pfosten konnten noch mit Sicherheit erkannt werden. Von den Eingängen oder der inneren Aufteilung sind keine Spuren vorhanden. Ein typischer Gegenstand der Garbecker Grabung, der die Befunde für das frühe 1. Jahrhundert festschreibt, ist die Situla, ein pokalähnliches Gefäß.

Mittelalter

Der Ort Balve hat sich im frühen Mittelalter aus drei Höfen (Oberhof bei der Kirche, Niederhof an der Hönne und Salhof/Selhof neben der Höhle) entwickelt. Die Olle Borg bei Wocklum stammt wahrscheinlich nicht aus karolingischer, sondern erst aus ottonischer Zeit.

Über den Ortsnamen "Balve" wurde viel spekuliert, gesicherte Erkenntnisse liegen nicht vor (zur Deutungsgeschichte siehe Ausführungen zum Ortsnamen bei H.H. Hochkeppel & T. Schmitz 2007[11]).

Die angeblich älteste schriftliche Erwähnung stammt aus der Vita Liudgeri III, Buch II, Kapitel 31. Nach der Legende wurde im Jahr 864 ein blindes Mädchen aus Balve („de villa quae Ballova“) am Grab des Liudger in der Krypta des Klosters Werden sehend.[12] Die lateinische Wortgruppe ist vieldeutig. Sie wird allgemein mit „Dorf namens Balve“ übersetzt, obwohl es damals eine dörfliche Ansiedlung im heutigen Sinne nicht gegeben haben kann. Sachsen lebten im 9. Jh. auf Einzelhofanlagen.

Im Jahr 890 bat Bischof Wigbert von Verden auf der Synode zu Forchheim Kaiser Arnulf, ihm unter anderem Güter zu „Ballava“, die er bisher als königliches Lehen besaß, als Eigentum zu überlassen.[13]

Balve wurde 946 als Ballova, 980 als Ballava erwähnt. Der Name wandelte sich über Ballevan (1010) und Baleve (1196) zu Balve, dem heutigen Namen, der 1348 erstmals genannt wird.[14]

Der Name „Ballova“ wird in der isländischen Handschrift A der Thidrekssaga erwähnt. Nach dieser Sage sollen dort zwei „Zwerge“ in einem Berg dieses Namens als Schmiede gearbeitet haben.[15] Der Name des Schwertes von Siegfried in der Nibelungensage war übrigens „Balmunc“ bzw. „Balmung“.

Im Jahr 1202 wurde in einer Urkunde ein „Albertus de Balleve“ genannt.[16] 1329 ist vom „Dorp te Balve“ die Rede.[17]

1368 kam der Ort durch den Kauf der Grafschaft Arnsberg durch die Kölner Erzbischöfe für die nächsten Jahrhunderte zum territorialen Bestand des Herzogtums Westfalen. Für die weitere Entwicklung spielte die Grenzlage zur Grafschaft Mark eine wichtige Rolle. 1430 verlieh Erzbischof Dietrich von Moers dem Ort die Stadtrechte.[18] Hiermit verbunden waren Marktprivilegien, eine eingeschränkte Gerichtsbarkeit und vor allem eine weitreichende kommunale Autonomie. Die Urkunde zur Verleihung der Stadtrechte ist vor wenigen Jahren abhandengekommen, ihr Text[19] ist allerdings durch Abschriften überliefert. Bürger der Stadt Balve hatten wie in anderen Städten des Herzogtums Westfalen üblich einen „Bürgereid“ abzulegen. Hierüber gibt ein aus 17. Jahrhundert überliefertes Dokument Zeugnis.[20]

Am 24. September 1480 bestätigte Erzbischof Hermann IV. von Köln die städtischen Privilegien.[21] Für 1482 ist erstmals namentlich ein Bürgermeister überliefert.[22]

Neuzeit

Hexenprozesse in Balve

Ein Zentrum der Hexenverfolgung im Herzogtum Westfalen war Balve. Hier wurden nachweislich zwischen 1592 und 1666 mehrere Hundert Menschen als Zauberer und Hexen verurteilt und ermordet.[23] Allein zwischen 1628 und 1630 wurden fast 300 Menschen hingerichtet. Diese Massenvernichtung war das Werk eines besonders fanatischen Hexenjägers, der vor allem im Westen und Südwesten des Herzogtums wirkte und dem mehr als 500 Menschen zum Opfer fielen. Es war der Lizentiat Kaspar Reinhard (1596–1669), der so viel Angst und Schrecken verbreitete, dass auf ihn 1630 in Balve ein Attentat verübt wurde, als er mit Honoratioren der Stadt zu Abendessen saß. Er selbst wurde nur verletzt; der Gerichtsschreiber und ein Diener starben. Drei der Attentäter wurden gefasst und hingerichtet.[24]

Auf dem Galgenberg oberhalb des Wachtloh brannten die Scheiterhaufen. Man schätzt, dass etwa jeder 20. Einwohner aus dem Amt Balve wegen Hexerei hingerichtet wurde. Von vielen kennt man die Namen. Darunter sind ein Heinrich Balke zu Beckum, Rentmeister auf Schloss Melschede, Jörg Schulte aus Mellen, Kutscher und Baumeister des Drosten, der drei Wochen nach seiner Hochzeit umgebracht wurde, sowie die Frau eines Bürgermeisters.

Im Gedenken an die Hexenverfolgung ließ die Balver Heimwacht im Jahr 2006 eine sogenannte Hexenstele nicht weit von der Stelle errichten, an der die Opfer zu Tode gebracht wurden. Der Text lautet: „Hier starben durch Schwert, Feuer und Galgen zirka 300 Frauen und Männer aus dem Balver Land im Hexenwahn im 16. bis 17. Jahrhundert.“ Die Betonstele hat eine Höhe von 2,50 Meter und befindet sich am Galgenberg.[25] Der Rat der Stadt Balve hat am 24. Juni 2015 die Opfer der Hexenprozesse rehabilitiert.[26]

Stadtbrände

Zahlreiche Stadtbrände zwischen 1584 und 1789 zerstörten immer wieder große Teile der Stadt. Zur schnellen Verbreitung des Feuers trug die Bauart (Strohdächer) und die enge Bebauung der Häuser innerhalb des Festungsgevierts bei. Beim Brand von 1789 wurden von 85 Häusern 64 zerstört. Danach wurde die Stadtmauer abgetragen und die Häuser mit größeren Abständen zueinander neu aufgebaut. Die Steine aus der Mauer wurden zum Wiederaufbau verwendet. Die Ausdehnung der Stadt erfolgte in Richtung Mühlenkamp, da die anderen Flächen Gärten und Wiesen von guter Qualität enthielten. Der Stadtplan wurde von dem Landvermesser Gipperich entworfen. Festgelegt war, dass jeweils nur zwei Häuser unmittelbar aneinander gebaut werden durften, dann erfolgte ein Zwischenraum von 40 Fuß. Ein Jahrzehnt später wurde die breite und gerade Magistrale durch die Mitte des Ortes angelegt.[27]

Im Siebenjährigen Krieg wurde Balve zehn Tage lang von den Franzosen besetzt, die am 24. Juni 1761 auf dem Kirchhof eine Feldbäckerei und eine Metzgerei anlegten. Dazu wurde die 2,5 m hohe Kirchhofsmauer „aus dem Grund gebrochen“, die Kirchenbänke aus der Kirche gerissen, das Mehlmagazin in die Kirche verlegt und zahlreiche Bäume gefällt.[28] Altes Amtsgericht (1884)

Von 1802 bis 1816 war Balve Teil der Landgrafschaft (später Großherzogtum) Hessen-Darmstadt. 1816 gelangte Balve an Preußen. Von 1819 bis 1832 gehörte Balve zum Kreis Iserlohn, danach bis 1975 zum Kreis Arnsberg.

20. Jahrhundert bis heute

Vom 2. bis 4. September 1922 fand in Balve die erste Tagung des Sauerländer Heimatbundes statt. Bei dieser Gelegenheit wurden auch die Festspiele Balver Höhle ins Leben gerufen. 1930 wurde die 500-Jahr-Feier zum Bestehen der Stadt (und historisch unbegründet gleichzeitig eine 1000-Jahr-Feier zum Bestehen des Ortes) begangen. Ab 1933 wurden ortsansässige Vereine und Gruppierungen wie andernorts auch der Kontrolle der nationalsozialistischen Diktatur unterworfen. Der einzige in Balve wohnende Mitbürger jüdischer Abstammung wurde 1943 nach Theresienstadt deportiert.

In den letzten Kriegsjahren wurde in den Steinbrüchen der RWK im Hönnetal das Rüstungsprojekt Schwalbe I der Organisation Todt mit mindestens 10.000 Zwangsarbeitern und KZ-Häftlingen betrieben, von denen viele Hunderte starben.[29]

1975 wurde das alte Amt Balve aufgelöst und zu großen Teilen in die erweiterte Stadt Balve eingemeindet. Gleichzeitig wurde die Stadt zum Märkischen Kreis überführt.

Am 18. und 19. Januar 2007 wurde auch Balve von einer Naturkatastrophe, dem Orkan Kyrill, heimgesucht. Dabei wurden die Wälder um Balve, insbesondere der Balver Wald, zu großen Teilen verwüstet. Besonders in den Höhenlagen blieb kaum ein Baum stehen. Menschen kamen in Balve nicht zu Schaden. Das Erscheinungsbild der Landschaft um Balve hat sich durch den Orkan grundlegend verändert.



Text: Wikipedia

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