Berchtesgaden
Berchtesgaden ist ein Markt im Landkreis Berchtesgadener Land im äußersten Südosten Oberbayerns.
Reklamemarken und Siegelmarken
Verzeichnis der sortierten Reklamemarken und Siegelmarken mit einem Bezug zu Berchtesgaden.
Sonstige
Geschichte
Frühgeschichte, Namensgebung und Ersterwähnung
Zur Früh- und Vorgeschichte der Region um Berchtesgaden existieren lediglich Streufunde (vorwiegend Lochäxte) aus der Jungsteinzeit, die den Aufenthalt von Fischern und Jägern vor 4000 Jahren belegen.[15] Ein Münzfund aus der Latènezeit (5. bis 1. Jahrhundert vor Chr.) könnte auch durch Verschleppung erklärt werden, da bislang keine Siedlungsreste aus dieser Zeit nachgewiesen werden konnten.[16]
Der erste Teil des Namens könnte sich entweder von der Perchta oder einem Siedler mit dem Namen Perther ableiten, der zweite Teil von Gaden, einem umzäunten Wohnsitz. Nach Manfred Feulner könnte dieser Perther auch ein Aribone gewesen sein, der dort ein einstöckiges Haus oder eine Jagdhütte unterhielt, in deren Nähe auch einige Hütten für Dienstleute errichtet worden waren.[17][2][18]
Erstmals urkundlich erwähnt wurde Berchtesgaden zwischen 1102 und 1105.[2] Der Besiedelung des Ortes war ein Gelübde der Gräfin Irmgard von Sulzbach vorangegangen. Nach einem Jagdunfall ihres Ehemannes Graf Gebhard II. von Sulzbach wollte sie als Dank für seine Errettung ein Kloster stiften. Nach Irmgards Tod am 14. Juni 1101 setzten sich ihre Söhne Berengar I. von Sulzbach und Kuno von Horburg-Lechsgemünd für die Erfüllung dieses Gelübdes ein. Sie reisten zusammen mit dem zum Propst des geplanten Klosterstifts berufenen Eberwin zwischen 1102 und 1105 nach Rom. Papst Paschalis II. bestätigte die Klosterstiftung und stellte das gräfliche Eigenkloster berthercatmen[2] unter seinen Schutz.[19]
Ab Ende des 12. Jahrhunderts ist in den Urkunden häufig von berthersgaden die Rede,[20] spätestens ab dem 18. Jahrhundert von Brechtolsgaden,[21][22] in Historische Abhandlungen der königlich-baierischen Akademie aus dem Jahr 1807 vom „vormaligen Stift Bertholdsgaden“ und in Herders Conversations-Lexikon von 1854 gibt es die alternierenden Stichwörter „Berchtesgaden“ und „Berchtoldsgaden“, was mit einer Berchtesgadener Sage korrespondiert.[23][24][25]
Vom Augustinerstift zum Hauptort einer Fürstpropstei
Für das Klosterstift entsendete Berengar um 1100 unter der Führung des zum Stiftspropst ernannten Eberwins Augustiner-Chorherren und Laienbrüder nach Berchtesgaden, die jedoch die Gegend als sehr unwirtlich empfanden. Da sich zudem die Errichtung des Klosters hinzog, auch weil Berengar zwischenzeitlich anderen politischen Interessen nachgab, gingen die Mönche zusammen mit Eberwin in das 1107/09 ebenfalls von Berengar gegründete Kloster Baumburg im Norden des heutigen Landkreises Traunstein. Eberwin kehrte aus eigenem Antrieb ca. 1112 (lt. Feulner vermutlich um 1116) nach Berchtesgaden zurück. Er veranlasste die ersten größeren Rodungen und die Augustiner-Chorherren ließen sich alsbald endgültig dort nieder. 1122 wurde zumindest ein erster Bauabschnitt der Stiftskirche St. Peter und Johannes der Täufer von dem Salzburger Erzbischof Konrad geweiht, was auch durch eine Inschrift der Jahreszahl 1122 an der Kirche angezeigt wird.[26][27]
Berchtesgaden wurde zum Hauptort eines kleinen geistlichen Territoriums, der in das baierische Stammesherzogtum eingebunden war. Kaiser Friedrich Barbarossa bestätigte 1156 in einer „Goldenen Bulle“ die Gebietsgröße des Stifts und gewährte ihm die Forsthoheit sowie die Schürffreiheit auf Salz und Metall. Wobei die jüngere Geschichtsforschung zu dem Ergebnis kam, dass es sich bei der Eintragung des Salzregals um ein in jener Zeit keineswegs unübliches „Interpolieren“ und dem Ergebnis nach um eine verfälschend nachträgliche Erweiterung der Urkunde durch die Empfänger handelte.[28][29] Diese in dem kaiserlichen Privileg enthaltenen Regalien sorgten jedenfalls für einen ersten wirtschaftlichen Aufschwung, der den Ort 1201 zu einer Pfarrei[30] und einige Jahrzehnte später zu einem Markt heranwachsen ließ. (Erstmals beurkundet ist die Bezeichnung „Markt“ im Jahr 1328 – eine offizielle „Markterhebung“ ist jedoch nicht anzunehmen, da auch keine eigenständige bürgerliche Rechtsentwicklung für den mit der Residenz eng verbundenen Ort belegt ist.)[31] Von 1294 bis 1380 stieg der Machteinfluss der Stiftspröpste stetig an und sie erlangten den Status von Reichsprälaten. Bereits seit den Tagen des Eberwin wegen Gebietsansprüchen im Konflikt,[32] vermochte das nahe Erzstift Salzburg sich erst die Schellenberger Saline als Pfand und von 1393 bis 1404 die lukrativen Ländereien der Fürstpropstei schließlich ganz einzuverleiben, so dass in jenen Jahren auch der Markt Berchtesgaden seiner Herrschaft unterstand.
1490 wurde ein Stiftsspital nahe der Pfarrkirche St. Andreas sowie 1565 ein Leprosenhaus urkundlich erwähnt.[33]
Im Jahr 1559 wurde das Stift unter der Regentschaft von Kaiser Ferdinand I. zur Fürstpropstei Berchtesgaden erhoben. Berchtesgaden war damit Hauptort des kleinsten Fürstentums, der einzigen Fürstpropstei des Bayerischen Reichskreises. Von 1594 bis 1723 unterstand sie jedoch der kurkölnischen Administration des bayerischen Hauses Wittelsbach, das als erster Ferdinand von Bayern mit einer über 50-jährigen Zuständigkeit vertrat. Als Kurfürst und Erzbischof von Köln konnte sich Ferdinand jedoch nur wenig um die Fürstpropstei kümmern. In seine Regierungszeit fiel der Dreißigjährige Krieg (1618–1648), von dessen zerstörerischen Folgen Berchtesgaden selbst „wie durch ein Wunder“ verschont blieb. Es wurde dafür aber „wiederholt zur Kasse gebeten“, um die kriegsbedingten Schäden in Köln wiedergutzumachen.[34]
Der Berchtesgadener Bürgerwald lag seit jeher außerhalb des jetzigen Berchtesgadener Gemeindegebietes. Doch erst 1689 wurde er in sein heutiges Gebiet verlegt, nachdem das seitens der Chorherren womöglich schon im Zuge des Landbriefes von 1377 den Berchtesgadener Bürgern zur eigenen Nutzung zugestandene Gebiet des Vorgängerwalds völlig ausgeholzt war. Denn auch Bauern aus Bischofswiesen und den anderen angrenzenden Gebieten hatten sich daraus mit Holz versorgt. Etwa 1800 gelangte der Bürgerwald in das „tatsächliche“ Eigentum des Marktes Berchtesgaden. Nach Auflösung der Fürstpropstei Berchtesgaden war der Berchtesgadener Bürgerwald neben anderen größeren Forstbezirken von 1812 bis 1982 gemeindefrei. Nach 1982 wurde das gemeindefreie Gebiet des Bürgerwaldes aufgelöst und der Gemeinde Bischofswiesen sowie zum kleinen Teil auch Ramsau bei Berchtesgaden angegliedert. Trotz der Eingemeindungen ist Berchtesgaden Grundeigentümer des Bürgerwaldes geblieben.[35]
1710 wurde der erste wissenschaftlich gebildete Arzt an den Ort berufen.[33]
Ab 1723 waren die Berchtesgadener wieder allein den von den Augustiner-Chorherren ernannten Fürstpröpsten untertan, die als erstes im Zuge der bereits von Ferdinand von Bayern eingeleiteten Gegenreformation nahezu alle Einheimischen evangelischen Bekenntnisses auswiesen. Mit der Säkularisation im Jahr 1803 endete die fürstpröpstliche Herrschaft über Berchtesgaden.
Säkularisation, Anschluss an Bayern
Innerhalb von sieben Jahren nach der Säkularisation und dem Ende der pröpstlichen Herrschaft wechselte Berchtesgaden viermal die landespolitische Zugehörigkeit. Ab 1803 gehörte es auf Anordnung Napoleons zum neuen Kurfürstentum Salzburg unter der Regentschaft des Habsburgers Ferdinand III., nach dem Frieden von Pressburg 1805 zum neu gegründeten Kaisertum Österreich und ab 1809 für kurze Zeit zum napoleonischen Frankreich. Nach der Neuordnung Europas im Jahr 1810 wurde Berchtesgaden als Hauptort des Berchtesgadener Landes zusammen mit Salzburg dem Königreich Bayern angegliedert und verblieb dort im Gegensatz zu Salzburg, das seit 1816 wieder zu Österreich gehört.[36]
Königliche Residenz und erster Tourismus
Mit der Einbindung in das Königreich Bayern war Berchtesgaden ab 1810 dem Salzachkreis zugeordnet und ab 1811 Sitz des Landgerichts Berchtesgaden, das für den Markt selbst wie auch für die anderen (heute vier) Gemeinden des Berchtesgadener Landes zuständig war. Ab 1817 wurde die Gemeinde Teil des neu geschaffenen Isarkreises, der seit 1838 Oberbayern heißt. Im Jahr 1862 erfolgte eine Unterteilung des Regierungsbezirks Oberbayern und die Eingliederung des Ortes in das Bezirksamt Berchtesgaden, in dessen Zuständigkeit nun auch die Gemeinden des ehemaligen Landgerichts Reichenhall fielen.
Die bayerischen Könige nutzten Berchtesgaden seit seiner Zugehörigkeit zu Bayern als Sommerresidenz und bauten das Chorherrenstift zu einem königlichen Schloss aus. Insbesondere Prinzregent Luitpold von Bayern (1821–1912), der jeden Herbst zum Jagen kam, war bei den Einheimischen als Gönner und Wohltäter sehr beliebt. So ließ er unter anderem 1892 die Freiung Kugelfeldfreie, die bis dahin für öffentliche Spiele und Viehmärkte und kurzfristig (1834–1835) auch als Exerzierplatz von der Nationalgarde genutzt wurde, in eine kleine Parkanlage mit Laubbäumen umwandeln. Im Luitpoldpark (zuvor: Luitpoldhain), heute zwischen der Kälbersteinstraße und der Von-Hindenburg-Allee, ließ ein Jahr später der District Berchtesgaden ein Bronzedenkmal aufstellen, das den Prinzregenten in Jagdkleidung darstellt.[37][38]
1842 wäre beinahe das ganze Marktzentrum einem „notorischen Brandstifter“ zum Opfer gefallen. Er hatte in der Schrannenhalle Feuer gelegt und in der Folge war auch der Turm der gegenüberliegenden Pfarrkirche St. Andreas in Brand geraten. In den Jahren 1873 bis 1875 wurde auf dem Platz der ehemaligen Schrannenhalle das noch heute genutzte Rathaus erbaut, dem bis 1972 die Doppelfunktion als Magistrats- und Schulgebäude zugedacht war.[39]
Nach dem Ende des Deutsch-Französischen Krieges 1870/71 und der Anbindung an das Eisenbahnnetz mit dem 1888 eröffneten Bahnhof Berchtesgaden entwickelte sich der Fremdenverkehr mit rapide steigenden Gästezahlen. Auch zahlreiche Industrielle sowie Künstler und Schriftsteller besuchten Berchtesgaden und seine Umgebung. Bei den Malern waren der Ort, die direkte Umgebung und der Blick auf das Watzmann-Massiv als Motive beliebt. Carl Rottmann hatte bereits in den 1820ern Gemälde der Berchtesgadener Alpen geschaffen; siehe auch das davon inspirierte Watzmann-Gemälde (1824/25) von Caspar David Friedrich. Stammgäste waren unter anderen Ludwig Ganghofer, der eine ganze Reihe seiner Romane in Berchtesgaden spielen ließ, sowie die norwegischen Schriftsteller Jonas Lie und Henrik Ibsen.
Nachdem das Holzhandwerk beziehungsweise der Vertrieb von Berchtesgadener War an Bedeutung verloren hatte, begann sich neben dem Salzabbau der Tourismus zu einer wichtigen Einnahmequelle zu entwickeln. Als erstes Quartier für zahlende Gäste eröffnete Mauritia Mayer 1877 die Pension Moritz auf dem Obersalzberg, in der sich Jahrzehnte später, noch vor seiner Machtergreifung, auch Adolf Hitler mehrere Male aufgehalten hat.
Nachdem immer mehr evangelische Gäste Berchtesgaden besucht und sich dort auch Zweitwohnsitze eingerichtet hatten, kam 1899 zu den drei römisch-katholischen Kirchen des Marktes eine evangelisch-lutherische hinzu.
1903 wurde in der einstigen Salzberger Gnotschaft Anzenbach in der Locksteinstraße ein Distriktkrankenhaus eröffnet und 1919 in Bezirkskrankenhaus umbenannt.[33]
Zeit der Weimarer Republik
Die Berchtesgadener Besitzungen der bayerischen Königsfamilie gingen 1923 an den Wittelsbacher Ausgleichsfonds über. Bis zu Hitlers Machtübernahme nutzte der ehemalige Kronprinz Rupprecht das Schloss als zeitweiligen Wohnsitz. Im Ort wurde 1923 seine Tochter Irmingard geboren, die in der Stiftskirche von Nuntius Eugenio Pacelli, dem späteren Papst Pius XII., getauft wurde. In Berchtesgaden heiratete 1930 auch Rupprechts Sohn Albrecht die Gräfin Drašković von Trakošćan.
Bereits am 14. Februar 1922 gründete der Reichsbahnbetriebsarbeiter Wolfgang Trimpl die NSDAP-Ortsgruppe Berchtesgaden, bei deren Versammlung am 1. Juli 1923 Adolf Hitler „Über die Zukunft unseres Volkes“ sprach.[40][41] Zuvor hatte Hitler im Mai 1923 das erste Mal den Obersalzberg besucht, um seinen Mentor Dietrich Eckart im Gebirgskurhaus Obersalzberg (vormals Pension Moritz, später Hotel Platterhof) zu treffen. Dieser hatte sich dort seit Anfang des Jahres mit Hilfe von Christian Weber einem Haftbefehl wegen Beamtenbeleidigung zu entziehen versucht. Eine Woche nach dem Hitlerputsch in München verhaftet, doch nach schweren Herzanfällen bald wieder entlassen, erlag Eckart Ende 1923 in Berchtesgaden einem Herzschlag.[42] Hitler ließ in den folgenden Jahren seinem ersten Obersalzberg-Aufenthalt noch viele weitere folgen.
Im Herbst 1923 kam es in Reichenhall und Berchtesgaden zu einem bewaffneten Zusammenstoß zwischen vaterländischen und kommunistisch organisierten Gruppen norddeutscher KPD-Leute.[43]
Am 9. Juli 1932, dem Tag der Reichstagswahl, nahm Hitler beim „Großdeutschen Tag“ in Berchtesgaden die Parade von 3000 bayerischen und 3000 österreichischen SA-Männern ab.[44] Insgesamt wählten in Berchtesgaden an diesem Tag 2000 Wahlkartenwähler und veränderten mehrheitlich das Stimmergebnis zugunsten Hitlers.[45]
Zeit des Nationalsozialismus
Nach der Machtergreifung erklärte das Regime den Obersalzberg, heute ein Gemeindeteil Berchtesgadens, zum Führersperrgebiet mit dem Berghof im Zentrum. Das Kehlsteinhaus und der überdimensionierte Bahnhof Berchtesgadens sind weitere Zeugnisse nationalsozialistisch geprägter Architektur. Die weitreichenden Baumaßnahmen in Obersalzberg wie auch die 1937 im benachbarten Bischofswiesener Gemeindeteil Stanggaß eingerichtete Reichskanzlei Dienststelle Berchtesgaden als zweiter Regierungssitz des NS-Staates waren meist mit dem Namen Berchtesgaden verbunden. Die Grundstücke, insbesondere auf dem Obersalzberg, wurden den Eigentümern auf Betreiben Martin Bormanns zum Teil abgepresst.[46] Das als Berchtesgadener Abkommen bekannt gewordene Abkommen vom 12. Februar 1938 zwischen dem Deutschen Reich und dem Bundesstaat Österreich war unter Druck zustande gekommen und hatte eine Reihe von Maßnahmen zur Begünstigung der österreichischen Nationalsozialisten festgeschrieben.
Im März 1933 wurden unter dem Vorwurf, die KPD habe die Reichstagsbrandstiftung unterstützt, auch in Berchtesgaden Mitglieder der KPD verhaftet.[47]
Die ersten „und noch einigermaßen freien“ Wahlen in Berchtesgaden während der NS-Zeit hatten am 5. Mai 1933 folgende Sitzverteilung im Gemeinderat zum Ergebnis: NSDAP 10, BVP 5, (den Deutschnationalen nahe) Schwarz-Weiß-Rote-Liste 1 und SPD 1. Den Ersten und Zweiten Bürgermeister stellte die NSDAP.[48]
Die dem christlichen Brauchtum verbundenen Berchtesgadener Weihnachtsschützen wehrten sich gegen eine Vereinnahmung ihres Brauches durch den Nationalsozialismus.[49] Insbesondere ihr Vorstand sprach sich zudem gegen die Auflösung des Franziskanerklosters Berchtesgaden durch die Nationalsozialisten aus mit der Folge, dass der Vereinigungsvorstand Brandner als einziger Berchtesgadener Postbeamter zur Wehrmacht eingezogen wurde.[50] Ihr späterer Ehrenvorsitzender Rudolf Kriß wurde wegen regimekritischer Äußerungen vom Volksgerichtshof zum Tode verurteilt, später jedoch zu lebenslanger Haft begnadigt.[51] Die Berchtesgadener Weihnachtsschützen wurden bei der Entnazifizierung als „widerstandsähnliche Gruppe“ anerkannt und die Berchtesgadener Poststraße 1945 in Weihnachtsschützenplatz umbenannt.[52]
Ende 1938 gründete sich auch in Berchtesgaden eine Zelle des seit 1933 bayernweit organisierten Harnier-Kreises. Die Widerstandsgruppe wurde bereits seit 1936 von der Gestapo bespitzelt und 1939 zerschlagen. In Berchtesgaden wurden vier Mitglieder verhaftet.[53]
Das für den Ort zuständige Bezirksamt Berchtesgaden wurde 1939 in Landkreis Berchtesgaden mit gleichem Zuständigkeitsbereich umbenannt.
Trotz der politischen Symbolwirkung Berchtesgadens beschränkte sich der Luftangriff am 25. April 1945 auf den Obersalzberg. Davon abgesehen erlitten Infrastruktur und Gebäude des Ortes nahezu keine Kriegsschäden. Der Abzug der bis dahin noch verbliebenen NS-Spitzen dürfte die Voraussetzung für die kampflose Übergabe an die Amerikaner gewesen sein. Bereits vor Kriegsende hatten sich die Amerikaner Berchtesgaden als einen ihrer Stützpunkte ausbedungen und unterhielten ihn dann bis 1996.
Sichtbares Zeichen einer kritischen Reflexion der Zeit des Nationalsozialismus in Berchtesgaden wurde nach dem Abzug der Amerikaner und gegen den anfänglichen Widerstand verschiedener Lokalpolitiker die 1999 eröffnete Dokumentation Obersalzberg.
Nachkriegszeit
Nachdem Landrat Karl Theodor Jacob den Süden des Landkreises Berchtesgaden am 4. Mai 1945 kampflos übergeben hatte, wurde der Markt Berchtesgaden von US-Truppen, die zum Teil der 3. US-Infanteriedivision angehörten, und einigen Franzosen besetzt. Die amerikanische Besatzungsmacht bestätigte Landrat Jacob und Bürgermeister Sandrock vorerst im Amt. Bereits am 7. Mai setzte sie jedoch den Juristen Karl Kollmann als neuen Bürgermeister ein, dem am 28. Mai 1945 der ebenfalls von der Besatzungsmacht berufene, als regimekritischer Brauereibesitzer bekannte einheimische Wissenschaftler Rudolf Kriß folgte; Kollmann war fortan Zweiter Bürgermeister.[54][55]
Als Folge des Krieges nahm die Gemeinde Flüchtlinge aus den Ostgebieten des ehemaligen Deutschen Reiches auf. Dadurch veränderte sich die Zusammensetzung der Bevölkerung Berchtesgadens deutlich. Die Heimatvertriebenen, insbesondere Deutschböhmen und Schlesier, konnten anfangs nur in ehemaligen Arbeiterbarackenlagern untergebracht werden. Sie lebten zum Teil bis in die 1960er-Jahre im Flüchtlingslager Vockenbichl in der Oberau, das für die SS errichtet worden und dann von der US-Army belegt war,[56] oder sie wurden in Privathäuser und -wohnungen eingewiesen.
Die NS-Grundstücke gingen 1947 formell in das Eigentum des Freistaates Bayern über, jedoch nutzten die Amerikaner einen Großteil der Gebäude und des Geländes weiterhin. Sie richteten im unzerstörten Berchtesgaden ab 1953 eines der drei Armed Forces Recreation Center (AFRC) in Bayern ein.
Nach dem Krieg wies die Entwicklung der Gästeübernachtungen im Berchtesgadener Land und damit auch in Berchtesgaden erneut eine rapide steigende Tendenz auf. Allein in den fünf Wirtschaftsjahren von 1948/49 bis 1952/53 stiegen sie bei durchschnittlich siebentägiger Verweildauer nahezu um das Vierfache auf insgesamt 1.127.272 Übernachtungen an.[57]
Gerade zu Beginn der 1950er-Jahre wurden auch die seinerzeit noch existierenden Hinterlassenschaften des NS-Regimes am Obersalzberg zu einem Anziehungspunkt für Touristen. Als die Sprengung und Entsorgung der Ruinen einstiger Wohnhäuser, unter anderem von Adolf Hitler, anstanden, wurden heftige Proteste seitens der Berchtesgadener laut, die „darin ausschließlich ein wirtschaftliches Problem“, ja eine „Existenzfrage“ des Fremdenverkehrs sahen. Damit das Abtragen der Ruinen nicht zum Anlass „spontaner neofaschistischer Erinnerungs- oder Abschiedsveranstaltungen“ wurde, hatte Bayerns Innenminister Wilhelm Hoegner dort 30 Landpolizisten postieren lassen. Am Ende verbuchte es Landrat Jacob als Erfolg, dass das Kehlsteinhaus erhalten blieb.[58] Dabei war Berchtesgaden und der Obersalzberg keineswegs nur „Wallfahrtsstätte für Ewiggestrige“,[3] sondern gehört regelmäßig zum Besuchsprogramm amerikanischer Salzburg-Touristen, die sich weit weniger von den Zeugnissen der Vergangenheit als zum Beispiel vom Kehlsteinhaus-Panorama „überwältigen“ ließen.[4]
Im Königlichen Schloss Berchtesgaden führte das Landgericht Traunstein 1952 einen Prozess gegen den Forstmeister Georg Küßwetter. Dessen im Mai 1946 angezettelte Brandstiftung und Sprengung des einstigen Wehrmachthauses auf dem Blaueisgletscher, das zur neuen Blaueishütte ausgebaut werden sollte, hatten wegen Küßwetters touristenfeindlicher Beweggründe bundesweites Aufsehen erregt.[59][60]
1962 wurde in der Locksteinstraße der Neubau des Kreiskrankenhauses Berchtesgaden eingeweiht. Nach der Eingemeindung Salzbergs saniert, ist dieses Krankenhaus seit 1997 als Kreisklinik Berchtesgaden Teil des Verbundes Kliniken Südostbayern.[33][61]
Vom 1. März 1968 bis 1991 war im Haus Glück Auf in Maria Gern eine sogenannte Kurzschule (Outward Bound School) untergebracht, die Jugendlichen eine sinnvolle Freizeitgestaltung u. a. unter dem Gesichtspunkt der Hilfsbereitschaft nahezubringen suchte.[62][63]
Von der Gebietsreform bis zur Gegenwart
Im Zuge der bayerischen Gebietsreform hatte sich am 1. Januar 1972 durch die Eingemeindung der drei vorher selbstständigen Gemeinden Au, Maria Gern und Salzberg[64] die Einwohnerzahl Berchtesgadens nahezu verdoppelt und die Gebietsfläche um ein Mehrfaches erweitert. Im Gegenzug musste der Markt Berchtesgaden am 1. Juli 1972 seinen Status als Kreishauptort und den Sitz des Landratsamtes an die Große Kreisstadt Bad Reichenhall abgeben. Das schloss die Auflösung des Amtsgerichts Berchtesgaden ein und die Übertragung seines Zuständigkeitsbereichs an das Amtsgericht Laufen. Aus dem 1939 begründeten Landkreis Berchtesgaden wurde der neue, erweiterte Landkreis Berchtesgadener Land, dem der Markt seitdem angehört.
Der Hauptsitz der Nationalparkverwaltung des 1978 gegründeten Nationalparks Berchtesgaden wurde zunächst im Rathaus eingerichtet, wechselte 1982 schließlich in das ehemalige Wohnhaus des Bezirks-Amtmannes am Doktorberg.[65] Nach anfänglich großen Widerständen der Bevölkerung und von Kommunalpolitikern wurde der Nationalpark Berchtesgaden zu einem der Markenzeichen des gesamten Talkessels. Zusammen mit seinem Vorfeld bildete er den Alpenpark Berchtesgaden. der 1990 von der UNESCO als Biosphärenreservats Berchtesgaden ausgewiesen wurde. Im Juni 2010 erfolgte seine Erweiterung zum Biosphärenreservat Berchtesgadener Land mit insgesamt 840 Quadratkilometern Fläche. An den Park, der sich mit 210 Quadratkilometern über Höhen von 603,3 (Königssee) bis 2713 m ü. NN (Watzmann) erstreckt, schließt sich im Norden ein auf rund 630 Quadratkilometern erweitertes Nationalparkvorfeld an, das neben dem Markt Berchtesgaden alle Kommunen des Landkreises Berchtesgadener Land umfasst. Nach Schließung des Nationalpark-Hauses (1988–2013) in den Räumen des Franziskanerklosters Berchtesgaden wurde am 24. Mai 2013 in der Hanielstraße ein neues Umweltbildungs- und Informationszentrum des Nationalparks Berchtesgaden als Haus der Berge eröffnet.
Mit dem Abzug der US-Streitkräfte 1996 ging die Nutzung der Liegenschaften auf dem Obersalzberg an den Freistaat Bayern als Eigentümer über. Die Landesregierung entschied sich für ein Zweisäulenkonzept, das auf der Einrichtung der Dokumentation Obersalzberg (Eröffnung: 1999) und dem Bau des Fünf-Sterne-Hotels InterContinental Berchtesgaden Resort (Eröffnung: 2005) beruhte. Dies bedingte den Abriss des Hotels General Walker, eines von der US-Armee genutzten und des seinerzeit größten Gebäudekomplex aus der NS-Zeit, sowie die Verlegung der Bushaltestelle zum Kehlsteinhaus.
Eine Bürgerinitiative beantragte 2004/2005 einen Bürgerentscheid mit dem Ziel, die fünf Gemeinden des Talkessels zu einer Großgemeinde zusammenzulegen. Lediglich in Berchtesgaden hatte der Bürgerentscheid mit über 60 Prozent Zustimmung Erfolg. In Schönau am Königssee und Bischofswiesen scheiterte er hingegen, so dass die Initiatoren auf Abstimmungen in Ramsau und Marktschellenberg verzichteten.
2010 beging Berchtesgaden das Jubiläum seiner 200-jährigen Zugehörigkeit zu Bayern u. a. mit der Ausstellung „Berchtesgadener Schicksalsjahre 1803–1820“ im Heimatmuseum Berchtesgaden.[66]
Anfang Juni 2013 waren auch der Markt und hier insbesondere die Gemeindeteile Maria Gern und Salzberg (Kläranlage) von dem „Jahrhundert-Hochwasser“ durch Überflutungen und Murenabgänge betroffen.[67]
Im Januar 2019 waren Bundesinnenminister Horst Seehofer und der Bayerische Staatsminister des Innern Joachim Herrmann zu Besuch, um sich anlässlich der damaligen Schneekatastrophe in dem als Einsatzzentrale genutzten Berchtesgadener Feuerwehrhaus ein Lagebild geben zu lassen und allen Einsatzkräften zu danken. Zu den Einsatzkräften gehörte die Feuerwehr, die u. a. von anderen Organisationen wie THW, Bundeswehr, Polizei und BRK unterstützt wurden.[68]
Text: Wikipedia
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