Bleyle

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Die Firma Bleyle (Wilhelm Bleyle oHG) mit Sitz in Stuttgart wurde 1889 gegründet und war in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts einer der größten deutschen Hersteller von Strick- und Wirkwaren.

Reklamemarken

Katalog der Reklamemarken welche die Firma Bleyle Ausgegeben hatte.

Geschichte

Das Unternehmen erlangte bereits Ende des 19. Jahrhunderts große Bekanntheit durch damals beliebte Matrosenanzüge für Knaben. Nach einer langen Periode wirtschaftlicher Erfolge bis in die späten 1970er Jahre - ab den 1950er Jahren mit eigenem Filialnetz - musste Bleyle 1988 Konkurs anmelden. Der Markenname Bleyle wurde aber von zwei verbliebenen Tochterfirmen im österreichischen Pinggau und im schwäbischen Brackenheim fortgeführt. Die Bleyle-Damenoberbekleidung aus Pinggau wurde 2009 nach der Insolvenz der dortigen Tochter eingestellt; die Bleyle-Unterwäsche aus Brackenheim gibt es bis heute.

Gründerjahre

Die Firma Bleyle wurde im Jahr 1889 von Wilhelm Bleyle (1850–1915) aus Feldkirch (Österreich) gegründet. Nach einer Ausbildung zum Einzelhandelskaufmann im Zigarrenhandel in Ulm und beruflichen Erfahrungen als Buchhalter und Handelsvertreter für ein Stuttgarter Unternehmen musste Bleyle zunächst den Gemischtwarenladen eines Bruders in Feldkirch weiterführen, als dieser in die USA auswanderte. 1885 kaufte sich Bleyle eine Strickmaschine, zunächst nur für den privaten Gebrauch, um seine sechs Kinder preiswert einzukleiden. Daraus entwickelte sich eine Geschäftsidee, die er 1889 in Stuttgart umsetzte. Er eröffnete eine Garnhandlung „mit Fabrikation und Verkauf von gestrickten Waren“. Zu diesem Zeitpunkt hatte Bleyle fünf Strickmaschinen, etwa 5000 Goldmark Eigenkapital und acht Beschäftigte. Im Unterschied zu anderen Strickwarenherstellern dieser Zeit ließ Bleyle keine kompletten Kleidungsstücke am Stück stricken, sondern große Bahnen, aus denen er die einzelnen Teile zuschneiden und dann zusammennähen ließ. Dieses Verfahren erwies sich in der Folgezeit als sehr erfolgreich.

Erfolgsjahre

Zu den ersten Produkten, die die Firma Bleyle herstellte, gehörten gestrickte Matrosenanzüge für Knaben, die zu dieser Zeit sehr populär waren. Die Produktion weitete sich bald aus, und 1901 bezog der Betrieb die erste eigene Fabrikhalle. 1903 folgte ein Zweigbetrieb in Brackenheim, 1905 in Ludwigsburg. 1912 wurde ein neuer Firmensitz in der Rotebühlstraße (Ecke Röte- und Seyffertstraße) in Stuttgart bezogen. Ein Jahr später übergab Bleyle die Geschäftsführung an seine Söhne Max und Fritz; die Firma war nun eine Offene Handelsgesellschaft. 1905 betrug der Umsatz des Unternehmens schon eine Million Goldmark, im Jahr 1913 waren es fünf Millionen. Auch die Mitarbeiterzahl hatte rasant zugenommen. 1910 hatte Bleyle zirka 1000 Mitarbeiter, 1918 waren es gut 2000. Der Erste Weltkrieg brachte zwar keinen Rückgang der Nachfrage mit sich, hatte aber spürbare Auswirkungen auf die Qualität der Wolle. Bleyles Vorräte waren im Herbst 1914 für die Armee beschlagnahmt worden. Die danach zugeteilte Wolle war meist von relativ schlechter Qualität, so dass das Unternehmen ab 1916 bis in die 1920er Jahre keine Kleidung mehr unter seinem Markennamen verkaufte, um seinen Ruf nicht zu beschädigen. Das wichtigste Produkt war weiterhin der Matrosenanzug.

Nach dem Zweiten Weltkrieg stand Damenbekleidung im Vordergrund, auch Unterwäsche. Ab den 1950er Jahren wurden deutschlandweit eigene Bleyle-Geschäfte mit Bekleidung für die ganze Familie eröffnet, beispielsweise in Berlin. Bleyle beschäftigte inzwischen 3200 Mitarbeiter, unterhielt fünf Produktionsstandorte, exportierte in 35 Länder und erzielte 1955 einen Jahresumsatz von 75 Millionen DM. Ab Anfang der 1960er Jahre begann Bleyle mit dem Aufbau eines Netzes von Franchise-Ladengeschäften. In den 1980er Jahren unterhielt Bleyle elegante Einzelhandelsgeschäfte, so auf der Königstraße 68 in Stuttgart, in Osnabrück, Baden-Baden oder Konstanz, wo zuletzt im puristisch-eleganten Ambiente hochpreisige Bekleidung angeboten wurde. Bleyle positionierte sich im Premium-Segment und versuchte mit hochpreisigen Marken wie Escada, Rodier oder Bogner zu konkurrieren.

Krisenzeiten

Ab Anfang der 1980er Jahre geriet das Unternehmen zunehmend in eine Krise. Es existierten zu dieser Zeit über 45 eigene Bleyle-Geschäfte und 60 Franchise-Läden. Man versuchte die als etwas altbacken empfundenen Kollektionen modisch zu verjüngen. Diese Strategie wurde allerdings aufgegeben, nachdem die Stammkundschaft verschreckt reagierte und jüngere Kunden nicht gewonnen werden konnten. Mit Hans Dieter Steinke, ehemaliger IBM-Manager und Sanierer der Firma Aigner, übernahm 1985 erstmals ein Nicht-Familienmitglied die Geschäftsführung. Mitte der 1980er Jahre beschäftigte Bleyle noch knapp über 1000 Mitarbeiter und erzielte bei einem Gesamtumsatz von 230 Millionen DM einen Verlust von 25 Millionen DM. Im Mai 1986 wurde die Firmenzentrale von Stuttgart nach Ludwigsburg verlegt. Die Gehälter wurden gekürzt, Personal abgebaut, 17 separate Tochtergesellschaften in der Wilhelm Bleyle KG vereint sowie Produktionsstandorte bei Karlsruhe, in Irland und im Elsass geschlossen. Familienstreitigkeiten unter den 22 Erb-Gesellschaftern (vier persönlich haftende Gesellschafter und 18 Kommanditisten) verhinderten die rasche Umsetzung eines Restrukturierungsplans. Die Verluste stiegen im Folgejahr auf 70 Millionen DM. Im Januar 1987 wurde dem Unternehmen ein Vergleichsverwalter zugeteilt, nachdem die Banken Bleyle die bestehenden Kredite gekündigt hatten.

'Konkurs und Verkauf

Im Jahr 1988 meldete Bleyle Konkurs an. Die Sindelfinger MVG Modevertriebsgesellschaft AG übernahm den Betrieb samt der 1978 in Pinggau (ursprünglich als Sprint-Sportmoden GmbH) gegründeten Tochterfirma und erwarb auch die Markenrechte. Das Stammwerk in Ludwigsburg wurde stillgelegt. 1992 wurde Bleyle von der MVG in die Sindelfinger Werbevertriebs-GmbH (WVG) überführt, die 1995 - zusammen mit den beiden Lizenznehmern Bleyle Classic GmbH (Damen- und Herren-Oberbekleidung) in Sindelfingen und Bleyle Underwear GmbH (Unter- und Nachtwäsche) in Brackenheim - Insolvenz anmeldete. Die MVG meldete noch 1992 Insolvenz an. Ein weiterer Lizenznehmer war Bleyle USA für Nordamerika. Seit 1995 ist die Züricher Arabella Verwaltungs-AG Eigentümer des Markennamens Bleyle. Die Bleyle Classic GmbH wurde aufgelöst und die Bleyle Underwear GmbH fortgeführt. Für Bleyle Underwear warb in dieser Zeit unter anderem die Schauspielerin Iris Berben. Mitte der 1990er Jahre waren vom einstigen Bleyle-Filialnetz nur noch wenige Fabrikverkaufsgeschäfte übrig. 1996 wurde Bleyle Underwear in Brackenheim, wo noch 25 Beschäftigte arbeiteten, durch einen Management-Buy-out übernommen. Das Unternehmen existiert bis heute. In Pinggau, wo hauptsächlich Lohnfertigung für andere Markenhersteller betrieben wurde und Mitte der 2000er Jahre noch rund 40 Mitarbeiter arbeiteten, wurde unter dem Namen Bleyle vornehmlich gestrickte Damenkleidung auf den Markt gebracht. Modelinien aus Pinggau hießen ab Ende der 1990er Jahre Bleyle Classic oder Bleyle en vogue. Aus der Pinggauer Bleyle GmbH wurde im Juni 2009 die BWP Bekleidungs GmbH, die nach dem Konkurs ihres Hauptauftraggebers im August 2009 Insolvenz anmeldete.

Produkte

Das wichtigste Produkt der Firma Bleyle war ein halbes Jahrhundert lang der Matrosenanzug. Daneben wurden ab 1889 Herrenanzüge sowie Hosen zum Turnen, Reiten und Radfahren hergestellt. Nach 1900 kamen Turnkleidung und Unterwäsche für Damen sowie Mädchenkleider hinzu. Strickkleidung für Erwachsene war jedoch weitaus weniger gefragt als solche für Kinder. Zu dieser Zeit wurde sie zwar in Deutschland von Gustav Jäger als Reformkleidung propagiert; Jäger gründete allerdings ein eigenes Unternehmen in England. Der Erfolg von Bleyle stützte sich also zunächst vor allem auf die Matrosenanzüge, die um 1900 zur Standardkleidung für Knaben gehörten. 1915 wurden zwölf verschiedene Anzugmodelle gefertigt. Das Unternehmen stellte die Strickkleidung nicht nur her, sondern bot den Kunden auch einen Reparaturservice an.

In der Zeit des Nationalsozialismus erlebte die Nachfrage nach Matrosenanzügen allerdings einen Einbruch, denn die NSDAP wünschte in dieser Zeit eine andere Form der Kinder-Uniformierung. Nach dem Zweiten Weltkrieg war die Zeit der Matrosenanzüge dann auch weitgehend vorbei; Bleyle stellte das letzte Modell 1957 her. Bleyle stellte sich in den Nachkriegsjahren auf ein Bekleidungs-Vollsortiment für Damen, Herren und Kinder ein. Die Marke Bleye war nicht nur deutschlandweit sondern auch international bekannt. In einem Filialnetz von eigenen Verkaufsräumen und über den Einzelhandel wurden Blusen, Pullover, Kleider, Kostüme, Jacken, Mäntel usw. sowie Nacht- und Unterwäsche für Damen, Oberbekleidung für Herren und Kinderbekleidung im gehobenen Preissegment angeboten. Ab den 1970er Jahren wurde der Name Bleyle allerdings mit konservativer, gar altmodischer Bekleidung assoziiert, wovon sich das Unternehmen trotz einiger Gegenmaßnahmen letztendlich nicht befreien konnte.


Text: Wikipedia

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