Boizenburg

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Boizenburg/Elbe ist die westlichste Stadt Mecklenburgs, gelegen am Dreiländereck mit Niedersachsen und Schleswig-Holstein und im UNESCO-Biosphärenreservat Flusslandschaft Elbe-Mecklenburg-Vorpommern im Landkreis Ludwigslust-Parchim in Mecklenburg-Vorpommern.

Reklamemarken und Siegelmarken

Verzeichnis der sortierten Reklamemarken und Siegelmarken mit einem Bezug zu Boizenburg.

Geschichte

Name

Der Name der Stadt verweist auf eine ehemalige Burg an dem Fluss Boize. Die älteste Erwähnung als territorio boyceneburg[4] findet sich in einer Urkunde Heinrichs des Löwen von 1171, dann in einem Dokument von 1223 die terra boyzenburc[5] und im Ratzeburger Zehntregister von 1230 die terra boyceneburch. 1255 wurde erstmals der Name Boitzenborg erwähnt. Der zusammengesetzte Ortsname ist deutschen Ursprungs.[6] Der Gewässername Boize könnte sich vom niederdeutschen bõke bzw. boic, also Buche, ableiten oder vom Umkämpften Fluss, vom slawischen Wort boj für Kampf. Bis in die Mitte des 19. Jahrhunderts wurde der Name mit einem t, also Boitzenburg geschrieben.

Boizenburg plant, die Stadt über den Namenszusatz „Fliesenstadt“ als Fliesenstadt Boizenburg touristisch erfolgreicher zu vermarkten. Genutzt werden soll das regionale Alleinstellungsmerkmal der Stadt mit ihrer Beziehung zu Fliesen: Boizenburg ist Produktionsstandort für Fliesen, besitzt das Fliesenmuseum und hat im Stadtbild zahlreiche Fliesen und Fliesenwandbilder.[7]

Mittelalter

Nach dem Abwandern der Elbgermanen besiedelten ab dem 8. Jahrhundert Abodriten das Land. Durch das Gebiet verlief ein Fernweg vom Harz zur Ostsee. Im Fürstengarten entstand deshalb im 9. Jahrhundert eine slawische Niederungsburg.

Der letzte slawische Fürst verlor um 1139 die Herrschaft über Polabien.[8] Heinrich der Löwe vergab Polabien 1142 als erbliches Lehen an Heinrich von Badewide. Den militärisch bedeutsamen Elbübergang bei Gothmann und das Land Boizenburg behielt der Sachsenherzog. Die Burg wurde Zollstelle für den Salzhandel zwischen Lüneburg und dem Ostseeraum.[9] Es entstand südöstlich der Burg eine Siedlung, das spätere Altendorf. 1181 unterstand das Land Bernhard I. von Ratzeburg. Dieser errichtete auf dem Bollenberg die hölzerne Befestigung castrum wotmunde.

1201 fiel die Grafschaft an die Dänen; Boizenburg gehörte zur Grafschaft Schwerin. 1208 wurde die wieder aufgebaute Burg und das castrum wotmunde zerstört und das Land Boizenburg verwüstet.[10] Die Marienkirche wurde in dieser Zeit errichtet, und zwischen dem Kirchplatz und der Niederungsburg entstand eine Kaufmannskolonie. 1241 verwaltete sich diese Kaufmannskolonie selbst. 1255 kauften die „borgern to Boitzenborg“ von Graf Gunzelin III. ein Vorwerk an der Boize. Die Siedlung erhielt das Lübecker Stadtrecht 1267 verliehen.[11] In einer Urkunde aus demselben Jahr wurden die ersten Juden in der Stadt erwähnt, deren Geschichte mit dem Sternberger Judenpogrom im Jahr 1492 und deren Vertreibung aus ganz Mecklenburg zunächst wieder endete.[12] 1353 kam Boizenburg zu Mecklenburg und wurde Landstadt in Mecklenburg und war als solche eine der Städte im Wendischen Kreis, die bis 1918 auf mecklenburgischen Landtagen der 1523 vereinten Landstände vertreten waren. 1380 ließ Wismar eine Stadtmauer um Boizenburg errichten. Um 1542 durfte ein lutherischer Prediger lediglich auf dem Kirchenhof predigen.[13]

17. bis 19. Jahrhundert

1627 wurden während des Dreißigjährigen Krieges bei schweren Kämpfen die Hoch-Burg und die Kirche zu großen Teilen zerstört. 1680 zerstörte ein schwerer Hagelschlag viele Hausdächer. 1688 wurde zu Boizenburg durch Herzog Gustav Adolf von Mecklenburg-Güstrow ein Vertrag über einen Truppenbeitrag von 1000 Mann und 3 Kompanien zu Pferd für den Kampf gegen die Türken in Ungarn geschlossen.[14]

Beim großen Stadtbrand vom 15. auf den 16. Oktober 1709 wurden über 150 Häuser, darunter das Ratshaus und die Kirche, zerstört. Mit der Planung des Wiederaufbaus wurde der Ingenieurkapitän Jacob Reutz beauftragt. Er übernahm den regelmäßigen Grundriss der Stadt, ließ aber die Entwässerungsgräber der in Ost-West-Richtung verlaufenden Straßen entfernen. Dazu wurde das Gelände um 1,5 Meter aufgeschüttet, was auch dem Hochwasserschutz diente.[15] 1712 wurde das barocke Fachwerk-Rathaus neu errichtet. 1717 wurde mit dem Wiederaufbau der Kirche auf den Resten der Ruine im barocken Stil begonnen. Es folgten zumeist im 18. Jahrhundert die Fachwerkhäuser und später die klassizistischen Putzbauten.

1719 rückte die kaiserliche Armee in Mecklenburg und damit auch in Boizenburg ein. Die Truppen blieben als Garnison bis 1768 in der Stadt. Boizenburg war von 1734 bis 1763 Sitz des hannoverschen Ober-Aufsehers über die verpfändeten mecklenburgischen Ämter.[16] 1793 wurde die Lemmsche Bootswerft gegründet.

In der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts erfolgte die Ansiedelung von jüdischen Kaufleuten. Dies stieß auf Ablehnung des Boizenburger Stadtrates, für das Jahr 1734 werden Beschwerden von Bürgern über jüdische Kaufleute erwähnt.[12] 1767 wurde den Schutzjuden das Hausieren in Boizenburg untersagt.[17] Eine selbständige jüdische Gemeinde in Boizenburg ist Mitte des 19. Jahrhunderts nachweisbar. Ein ehemaliger jüdischer Friedhof liegt noch denkmalgeschützt in den „Turnereichen“, die letzte Bestattung war 1934. Die Synagoge gab es an der Wallstraße 7 von 1799 bis 1892, als sie der Freimaurerloge verkauft wurde. 1935 wurde darin ein Heimatmuseum eingerichtet, nach 1945 diente sie u. a. als Musikschule.[18]

In den Befreiungskriegen 1813 kämpfte die Boizenburger Landwehr an der Seite der Tettenbornschen Kosaken gegen die Franzosen und befreite die Stadt im April desselben Jahres.

Zwischen 1827 und 1830 wurde die Hamburg−Berliner Chaussee gebaut. Die Bundesstraße 5 verläuft vor und hinter Boizenburg auf deren Trasse, wird aber durch die 1995 fertiggestellte Ortsumgehung im Nordosten um die Stadt geführt.

1833 eröffnete die erste Sparkasse.

1834 hatte Boizenburg 3147 Einwohner, davon 43 Juden. Der Ort war Sitz des Elb-Zollamts, eines Dominalamts und einer Gendarmerie Brigade. Am 15. Oktober 1846 fand die Inbetriebnahme des 222 Kilometer langen Eisenbahn-Streckenabschnittes Berlin-Boizenburg statt.

Während der Deutschen Revolution 1848/49 führte der Boizenburger Rektor und Mitglied der Frankfurter Nationalversammlung Ludwig Reinhard die Boizenburger Bürgerwehr an. In der Zeit der Schleswig-Holsteinischen Erhebung von 1848/1851 zogen zahlreiche Truppen durch den Ort. In der Lemmschen Schiffswerft wurde 1885 das erste Motorboot gebaut. 1890 erfolgte die Inbetriebnahme der Boizenburger Stadt- und Hafenbahn. 1892 brach wie in Hamburg eine Cholera aus. 20. Jahrhundert

Mit der Gründung der Fliesenwerke im Jahr 1903 zogen viele katholische Arbeiter vor allem aus Oberschlesien nach Boizenburg.[19]

Ebenfalls im Jahr 1903 ließ der Mühlenbesitzer an der Boize ein Generatorhaus zur Stromerzeugung bauen. 1921 übernahm die Stadt das Elektrizitätswerk.

Im Ersten Weltkrieg fielen 144 Bürger aus Boizenburg. 1924 lebten nur noch drei jüdische Familien in Boizenburg.

1931 wurde Eduard Ludwig Alexander (KPD) zum Bürgermeister gewählt, sein Amt konnte dieser aufgrund von Notverordnungen aber nicht antreten.

Die Pastoren Christian Berg und Hans-Werner Ohse aus Boizenburg äußerten sich kritisch über eine Versammlung von Pastoren in Bad Kleinen am 29. Mai 1933, die sich zum Nationalsozialismus bekannten. Als Berg und Ohse im November 1933 auf Bürgerschaftswahlsammlungen gegen die Neuordnung der Landeskirche durch Deutsche Christen protestierten, kam es zu Tumulten. Daraufhin wurde Ohse als erster Geistlicher Mecklenburgs aus seinem Amt entlassen.[20] Berg wurde von Boizenburg nach Basse versetzt und der bereits entlassene Ohse, ging nach Pommern.

1942 veranlasste der nationalsozialistische Oberstadtdirektor mit einem persönlichen Schreiben die Einlieferung eines Jungen – im Rahmen des menschenverachtenden Kinder-Euthanasie Erlasses – in die Nervenheilanstalt Schwerin.[21]

Seit 1933 erhielt die Werft Thomsen & Co. viele Rüstungsaufträge. Im Zweiten Weltkrieg wurden in der Werft Zwangsarbeiter eingesetzt. Die Firma Duensing-Bicheroux-Werke (Fliesenwerk Boizenburg) war als Außenkommando der Strafanstalten Dreibergen-Bützow aktiv,[22] die meist politischen Häftlinge mussten Rüstungsgüter für Dornier produzieren. Von September 1944 bis April 1945 leitete die SS an Stelle des Ostarbeiterlagers Elbberg das Außenlager KZ Boizenburg des KZ Neuengamme, in welchem etwa 450 Frauen, meist ungarische Jüdinnen, interniert waren. Die Frauen mussten unter zermürbenden Umständen Zwangsarbeit in der Werft Thomsen & Co. verrichten. Nach 1945 wurde der Betrieb in die Sowjetische Aktiengesellschaft (SAG) Elbe-Werft überführt, die Fangschiffe als Reparationsleistung an die Sowjetunion lieferte.

SBZ und DDR

Nach der deutschen Teilung wurde Boizenburg eine isolierte Grenzstadt. Die Verbliebenen unterlagen starken – und mit dem Mauerbau 1961 weiter verschärften – Kontrollen durch DDR-Behörden. Von 1952 bis 1994 lag Boizenburg im Kreis Hagenow (bis 1990 im DDR-Bezirk Schwerin).

Boizenburg lag bis in die 1970er Jahre im direkten Sperrgebiet entlang des Verlaufs der innerdeutschen Grenze. Zum Einreisen in die Fünf-Kilometer-Sperrzone war ein Passierschein nötig. Mit Ausbau der Grenzsicherungsanlagen wurde die Kontrollstelle für das Grenzgebiet weiter in Grenznähe verlegt, erhalten blieb aber der Kontrollpunkt im Ortsteil Vier (KP-Vier), der den Zugang in das Sperrgebiet kontrollierte.[23] Reisen nach Boizenburg wurden streng kontrolliert, Hafen- und Grenzbesichtigungen waren nicht gestattet. Ein Antrag für Besuche von Verwandten und Bekannten war nach dem veränderten Sperrgebietsverlauf ab dem Jahr 1972 nicht mehr notwendig.

1973 begann die Elbewerft mit der Produktion von Binnenfahrgastschiffen für die Sowjetunion. Seither wurden Schiffe mit den Abmessungen 129 mal 17 Meter und einem Tiefgang von 2,90 Meter weiterhin für die UdSSR gebaut. In der DDR-Zeit hatte die Werft den höchsten Produktionsausstoß in den ganzen 200 Jahren ihres Bestehens.[24]

Die Personenbeförderung durch die Stadt- und Hafenbahn wurde 1967 eingestellt. 1969 entstand der Busbahnhof. Mit der Eröffnung des letzten Teilstücks der Transitautobahn zwischen Hamburg und Berlin, der heutigen Bundesautobahn 24, am 20. November 1982 ebbte der Durchgangsverkehr durch die Innenstadt ab.[25]

BRD

Seit 1990 gehört die Stadt wieder zum Land Mecklenburg-Vorpommern. 1994 wurde die Stadt in den Landkreis Ludwigslust eingegliedert. Seit der Kreisgebietsreform 2011 liegt sie im Landkreis Ludwigslust-Parchim. Nach der politischen Wende wurde ab 1991 der historische Stadtkern mit dem Rathaus, den Wallanlagen und dem Hafenbereich unter anderem im Rahmen der Städtebauförderung und dem Programm Städtebaulicher Denkmalschutz gründlich saniert. Die ehemalige Grenzkontrollstelle im Stadtteil Vier verblieb zunächst ungenutzt, wurde aber in wesentlichen Teilen erhalten und ist heute eine Gastwirtschaft.[23]

1995 wurde die Umgehungsstraße fertiggestellt. 1997 musste die Elbewerft Boizenburg wegen Insolvenz schließen. 2001 erfolgte die Neugestaltung des Hafengeländes. 2002 erreichte die Jahrhundertflut Boizenburg. 2013 wurde die Stadt im Juni erneut vom Hochwasser bedroht, die Hochwasser-Schutzmaßnahmen verhinderten Überflutungen im Innenstadtbereich.


Text: Wikipedia

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