Cämmerswalde
Der Ortsteil Cämmerswalde der Gemeinde Neuhausen/Erzgeb. befindet sich im Süden des sächsischen Landkreises Mittelsachsen.
Siegelmarken
Geschichte
Die Besiedlung Cämmerswaldes erfolgte im Zuge der Kolonialisierung des obersächsischen Raums um das Jahr 1000. Damals erstreckte sich ein riesiger Urwald über das Gebirge. Den Namen Erzgebirge erhielt das Gebirge erst nachdem sein Erzreichtum bekannt wurde.
Ortsbezeichnung
Die Ortsbezeichnung Cämmerswalde geht auf die Bezeichnung „Kämmerer des Königreiches Böhmen“ zurück.[4] Der Ort wurde nachweislich 1213 erstmals als Kämmerswalde erwähnt. Ob als Namensgeber der aus dem Adelsgeschlecht der Hrabischitz stammende, als Župan von Belina und Kämmerer des Königreichs Böhmen bezeugte Grabissa III. diente, oder dessen Bruder Slauko I. von Hrabischitz, auch Slawek I., ist nicht belegt. Slauko der Große, auch Slavek Magnus, Slackko von Riesenburg († 1226 in Ossegg) war ein böhmischer Fürst, um 1207 Burggraf in Bilin und höchster Kämmerer 1198–1202 1212–1226. Slauko gründete das Kloster Ossegg und holte 1199 die Zisterziensermönche vom bayerischen Kloster Waldsassen aus Maschau nach Ossegg. Bekannte überlieferte Namensversionen bzw. Schreibweisen des Ortsnamens sind Kemerswalde, Komerßwalde, Kemmerßwalde, Kamerßwalde, Kemmerschwalde, Kemmerswalde sowie (bis 1945) sowohl Kämmers- als auch Cämmerswalde.
Ortsgründung und Mittelalter
Sehr wahrscheinlich waren es die Mönche der Hrabischitz aus dem Kloster Ossegg, die im Auftrag des böhmischen Königs Ottokar I. Přemysl (1155–1230) mit Bauern aus dem Frankenwald das Gebiet am Oberlauf der Flöha und damit auch Cämmerswalde, Sayda (erstmals urkundlich erwähnt 1192 als Zawidowe) und Friedebach um 1200 besiedelten. Die Mönche wurden zuvor aus dem bayerischen Kloster Waldsassen herbeigerufen, um 1192 in Nordböhmen das Kloster Ossegg zu gründen, von wo aus die böhmische Kolonialisierung ausgehen sollte. Nach Aufzeichnungen des Heimatforschers des Saydaer Berglandes, Kantor Max Rennau, geht die „erste Erwähnung auf 1207 und eine urkundliche Zinsverpflichtung ,Akta Spuria/385 S’ – Regina Bohemiae“[5] des böhmischen Königs zurück, in der alle Untertanen des Klosters Ossegg einen bestimmten Zins zu zahlen hatten und somit die Existenz der Orte um Sayda erwähnt. Inzwischen wird aber auch von einer früheren Besiedlung ausgegangen, weil Grabissa III., auch Hrabiš III. die Kolonisierung von Böhmen her über den Kamm des Erzgebirges nach Norden schon während seiner Tätigkeit als höchster Kämmerer (bis zu seinem Tode 1197) begann.[4]
20. Jahrhundert
1902: Der Turnverein Cämmerswalde wurde erstmals erwähnt.
1911: Cämmerswalde erhielt ein elektrisches Leitungsnetz.
1920: Ein Schießstand für den Kleinkaliber- und Schützenverein wurde eingeweiht.
1921: Für die beiden im Ersten Weltkrieg beschlagnahmten und eingeschmolzenen Kirchenglocken wurden zwei neue angeschafft und geweiht. Diese mussten im Zweiten Weltkrieg wieder für die Waffenindustrie abgeliefert werden. Übriggeblieben war jeweils die kleinste Glocke.
1924: Neuwernsdorf wurde zu Cämmerswalde eingemeindet.
Cämmerswalde in den zwei Weltkriegen
Die beiden Weltkriege forderten auch hier Opfer. Im Ersten Weltkrieg hatte Cämmerswalde mit seinen Ortsteilen 38 Opfer zu beklagen, eine Volkszählung im Jahr 1939 hatte 1.683 Einwohner ergeben.
Im gleichen Jahr wurde im Ort ein Barackenlager des Reichsarbeitsdienstes (RAD) eröffnet.
Gegen Ende des Zweiten Weltkrieges zogen im April 1945 sich zurückziehende Truppen der Wehrmacht mehrere Tage durch Cämmerswalde. Beim Luftkrieg über dem Erzgebirge wurden auch Bauern während der Feldarbeit in Cämmerswalde von englischen Tieffliegern beschossen. Mehrere Blindgänger der Bombenangriffe u. a. auf Dresden und Brüx schlugen zwischen 1943 und 1945 in Cämmerswalde ein.
Am Abend des 7. Mai 1945 rückte die Rote Armee trotz Panzersperren in Cämmerswalde ein. Die Brücke an der Lösermühle und die Heubrücke nach Neuwernsdorf waren zuvor von der Wehrmacht beim Rückzug gesprengt und die Straße zwischen Neuwernsdorf und Rauschenbach vermint worden.
Nachkriegszeit und DDR
Der Ort, vor allem die Schule, Gasthöfe und die Baracken des einstigen Reichsarbeitsdienstlagers sowie viele Privathäuser waren zu diesem Zeitpunkt mit Flüchtlingen aus den ehemaligen deutschen Gebieten und zerbombten Städten völlig überfüllt, weit über 2.000 Menschen hielten sich im Mai 1945 in Cämmerswalde auf. Auf dem Hof von Herbert Mai in der Hauptstraße 6 richtete sich bis Herbst 1945 die sowjetische Ortskommandantur unter Anatoli Kalinin ein. Als kommissarischer Bürgermeister wurde Karl Horn ausgewählt. Er musste die Unterbringung und Versorgung der Flüchtlinge organisieren und Abgabepflichten der Bauern durchsetzen. Trotz Lebensmittelmarken herrschte akute Hungersnot. Eine Zählung am 3. November 1945 hatte 1.868 Einwohner ergeben.[4] Dem Einmarsch folgten Plünderungen, Vergewaltigungen, ein Gehöft wurde abgebrannt, die Feuerwehr durfte nicht ausrücken. Im Zuge der Befreiung erschossen Sowjetsoldaten sieben Bürger, zwei Personen nahmen sich das Leben, einer starb beim Minenräumen. Drei Einwohner wurden in Internierungslager verbracht, einer starb dort.
Am Ende des Zweiten Weltkriegs waren 120 Einwohner umgekommen.
1945: Am 10. September wurde die Verordnung über die Bodenreform erlassen, die zur Enteignung der Großgrundbesitzer Familie von Schönberg und Familie von Purschenstein in Neuhausen/Erzgeb. führte.
1949: Einweihung des Sportplatzes am 7. Oktober, dem Tag der Gründung der DDR
1952: Cämmerswalde gehörte zum neugeschaffenen Bezirk Chemnitz (ab 1953 Karl-Marx-Stadt) und wurde dem Kreis Brand-Erbisdorf zugeordnet
1954: Glockenweihe der zwei neuen Glocken aus Apolda für die Cämmerswalder Kirche
1957: Zur 750-Jahr-Feier mit Festumzug strömten über 20.000 Besucher nach Cämmerswalde
1958: Cämmerswalde bekam eine neue Straßenbeleuchtung
1959: Die Deutsche Grenzpolizei zog für zwei Jahre nach Cämmerswalde in eine neue Kaserne.
1963: Der Grundstein zum Bau der Talsperre Rauschenbach wurde am 4. Oktober gelegt, die Einweihung erfolgte am 4. Oktober 1967.
1968: Das FDGB-Ferienheim Paul Gruner empfing am 1. Juli erste Urlauber.
Im Zusammenhang mit den Unruhen zum Prager Frühling wurden von der SMAD sowjetische Truppen in das Osterzgebirge abkommandiert. Diese kampierten wochenlang in den Wäldern um Cämmerswalde und rückten am 21. August in Richtung Prag vor.
1970: Wegen starker Schneeverwehungen herrschte Anfang März Katastrophenalarm.
1972: Cämmerswalde erhielt am 15. September den Titel Staatlich anerkannter Erholungsort.
1973: Eine Il-14 wurde zerlegt aus Barth nach Cämmerswalde gebracht und als Sehenswürdigkeit wieder aufgebaut. Das Flugzeug diente eine Zeitlang als Gaststätte.
1975: Der neue Kindergarten mit Kinderkrippe wurde fertiggestellt. Die Kinder zogen aus der ehemaligen RAD-Baracke in das neue Kombi-Gebäude.
1977: Eine Art Poliklinik entstand durch Umbau eines vorhandenen Gebäudes. Zum 100. Schuljubiläum wurde die Lehranstalt renoviert und ein Anbau wurde eröffnet.
Nach der Wende
1990: Am 18. März fanden die ersten freien Wahlen in der DDR statt. Wolfgang Wagner (CDU) löste den seit 1964 amtierenden Bürgermeister Werner Hegewald (SED) ab, musste sein Amt in Cämmerswalde jedoch anlässlich der Gemeindevereinigung mit Neuhausen/Erzgeb. Ende 1993 abgeben. Zwischen 1994 und 2001 stand Wagner aber auch der Einheitsgemeinde vor.
1991: Der Bundesgrenzschutz zog in die ehemalige Kaserne der Grenztruppen/NVA.
1993/1996: Der Gemeinderat Cämmerswalde beschloss den Bau des Haus' des Gastes. Das 9,2 Millionen Euro teure Projekt wurde mit 90 Prozent Fördermitteln bewilligt: aus einer zunächst projektierten Mehrzweck-Turnhalle wurde bei dieser Gelegenheit ein Kulturhaus mit Mehrzweck-Turnhalle, Gaststätte, Saal, Sauna und Kegelbahn. Die Einweihung erfolgte 1996, wobei anschließend bekannt wurde, dass der Bau wegen Änderungen des Bauplans nicht komplett förderfähig war. Eine Mitschuld wurde dem bewilligenden Regierungspräsidium Chemnitz gegeben, das den neuen Bauplan prüfte, aber nicht warnte. Dem Gemeinderat waren die neuen Förderrichtlinien des Freistaates Sachsen bis dahin nicht bekannt. Ein Teil der Fördermittel musste somit zurückgezahlt werden.[4]
1994: Die Kreisreform vom 1. Januar vereinigte Cämmerswalde mit seinen Ortsteilen mit der Gemeinde Neuhausen/Erzgeb. Am 1. Juli erfolgte die Auflösung des Landkreises Brand-Erbisdorf und die Rückkehr zum Landkreis Freiberg.
1995: Am 1. Januar wurde nach 50 Jahren der Grenzübergang Deutschgeorgenthal/Český Jiřetín zunächst für Fußgänger wieder eröffnet. 2008 erfolgte auch die Freigabe für den Straßenverkehr.
2000: Der Bau einer Fernwasserleitung zwischen den Talsperren Rauschenbach und Lichtenberg/Erzgeb. wurde begonnen.
2002: Am 14. März sprengten Spezialisten die baufällige Talsperren-Brücke der grenznah verlaufenden Staatsstraße S 211.
2004: Die neue Talsperrenbrücke wird am 24. August für den Verkehr freigegeben
2007: Cämmerswalde beging im Juli eine Festwoche zur 800-Jahr-Feier mit großem Festumzug, gleichzeitig wurde die 130-Jahr-Feier der Schule mit einer großen Ausstellung in der Schule gefeiert.
2009: Die Landesregierung Sachsen lehnte im Mai einen Antrag der Gemeinde Neuhausen/Erzgeb. ab, zur Belebung der Region die sanfte touristische Nutzung der Trinkwasser-Talsperre Rauschenbach für motorlose Kleinboote freizugeben.
Verwaltungsgeschichte
Cämmerswalde gehörte 1551 zum Rittergut Purschenstein. In den Jahren nach 1696 gehörte das Rittergut Purschenstein auch zum Amt Freiberg. Das Gerichtsamt Sayda übernahm den Ort 1856 und gab ihn 1875 an die Amtshauptmannschaft Freiberg ab. In der DDR gehört Cämmerswalde ab 1952 zum Kreis Brand-Erbisdorf. 1994 bis 2009 gehört der Ort zum Landkreis Freiberg.[6] Seit 2009 gehören der ehemalige Landkreis Freiberg und die Einheitsgemeinde Neuhausen/Erzgeb. zum Landkreis Mittelsachsen.
Text: Wikipedia
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