Carry Brachvogel

Aus veikkos-archiv
Wechseln zu: Navigation, Suche

Karoline „Carry“ Brachvogel, geb. Karoline Hellmann (geboren am 16. Juni 1864 in München; gestorben am 20. November 1942 im KZ Theresienstadt) war eine deutsche Schriftstellerin.

Reklamemarke

Leben

Karoline Brachvogel war die Tochter des wohlhabenden Münchner Kaufmanns Heinrich Hellmann und seiner um 20 Jahre jüngeren Ehefrau Zerlinda Karl-Hellmann. Die Familie wohnte zunächst in der Residenzstraße, später in der Brienner Straße. Zusammen mit ihrem Bruder Siegmund Hellmann (1872–1942) wuchs Karoline, genannt Carry, im Umfeld eines liberalen, kulturell interessierten Judentums auf. Schon früh verspürte sie den Hang zum Schreiben, doch hielt der eigene kritische Sinn sie von allzu früher literarischer Produktion ab. Nach einer Erziehung zur höheren Tochter heiratete sie 1887 den römisch-katholischen Journalisten Wolfgang Brachvogel (1854–1892), damals Redakteur der Münchner Neuesten Nachrichten, ohne selbst zum Christentum zu konvertieren. 1888 wurde eine Tochter, Feodora, geboren, die religionslos aufwuchs. Der ein Jahr später geborene Sohn Heinz-Udo wurde hingegen getauft.

Anfänge als Schriftstellerin

1892 kam Brachvogels Mann durch einen Unfall zu Tode. Die junge Witwe und alleinerziehende Mutter lehnte es ab, eine Versorgungsehe einzugehen, und zog es vor unabhängig zu bleiben.[1] Sie besann sich auf ihre Neigung zum Schreiben. Sie verfasste das Schauspiel Vergangenheit, das 1894 in Frankfurt am Main und München aufgeführt wurde. Der Romanerstling Alltagsmenschen konnte durch Vermittlung Ernst von Wolzogens beim renommierten S. Fischer Verlag erscheinen. Als die Veröffentlichung des byzantinischen Romans Der Nachfolger vom Verlag abgelehnt wurde, nahm sie das Angebot der Wiener Zeit an, Feuilletons zu verfassen. Das tat sie mit einigem Erfolg und konnte bald als Feuilletonistin nach München zurückkehren.

In den folgenden Jahren veröffentlichte sie zahlreiche Romane sowie Novellen, Jugendbücher und Biografien, hauptsächlich historisch bedeutender Frauen. Ausgesprochen erfolgreich war sie mit ihren Büchern über Madame de Pompadour.

Mitarbeit in der Frauenbewegung und Einsatz für die Rechte schreibender Frauen

Seit 1903 war Brachvogel Mitglied im „Verein für Fraueninteressen“. Der 1894 von Ika Freudenberg unter dem Namen „Gesellschaft zur Förderung der geistigen Interessen der Frau“ gegründete Verein gehörte zur bürgerlichen Frauenbewegung, die Distanz hielt zu radikaleren Positionen, wie sie etwa von Anita Augspurg vertreten wurden. Zu den männlichen Mitgliedern des Vereins zählten auch Rainer Maria Rilke und Ernst von Wolzogen. Nach dem Tod von Ika Freudenberg übernahm Luise Kiesselbach 1912 die Leitung des Vereins. Im gleichen Jahr hielt Brachvogel dort den Vortrag „Hebbel und die moderne Frau“, in dem sie das Frauenbild der deutschen Klassik dem neuen Typus der selbstbestimmten Frau gegenüberstellt. 1913 wurde sie in den Vorstand des Vereins gewählt. In ihrem Roman „Die große Pagode“ hatte Brachvogel die elenden Arbeitsbedingungen der Bühnenschauspielerinnen thematisiert. Um deren Situation zu verbessern, gründete sie eine „Kommission für Bühnenangelegenheiten“ im „Verein für Fraueninteressen“.

Auch die Lage der traditionell schlecht bis gar nicht bezahlten schreibenden Frauen sollte durch gegenseitige solidarische Unterstützung gebessert werden: 1913 gründete Brachvogel zusammen mit Emma Haushofer-Merk (1854–1925) den „Verein Münchner Schriftstellerinnen“, dessen Ziel es war, eine angemessene Bezahlung schreibender Frauen durchzusetzen. Die Mitglieder mussten sich verpflichten, nur gegen angemessene Bezahlung zu arbeiten. Zwar hatte es schon zuvor Vereinigungen schreibender Frauen gegeben, doch dieser Verein war insofern einzigartig, als er kein Lesezirkel war, sondern eine gewerkschaftsähnliche Organisation sein wollte. Prominente Mitglieder waren zum Beispiel Ricarda Huch und Annette Kolb.

Zu ihrem 60. Geburtstag 1924 feierte man die erfolgreiche Schriftstellerin, deren Salon in den 1920er Jahren ein Zentrum des kulturellen Lebens der Stadt war.[2] Oberbürgermeister Karl Scharnagl gratulierte, der „Verein Münchner Schriftstellerinnen“ gab ein rauschendes Fest. 1925 starb Emma Haushofer-Merk; Carry Brachvogel übernahm den Vorsitz des Vereins.

Verfolgung durch die NS-Diktatur und Tod

Wenige Jahre später war nur noch eines von Bedeutung: dass die Vorsitzende eine Jüdin war. 1933 entzog der Verband ihr in vorauseilendem Gehorsam den Vorsitz: einige Mitglieder traten am 3. Mai zusammen und erklärten den Rücktritt der Vorsitzenden und Mitgründerin, ohne diese davon in Kenntnis zu setzen. Am 4. Oktober 1933 wurde bei der Hauptversammlung die Auflösung des Vereins beschlossen. Carry Brachvogel erhielt Publikationsverbot. Auch ihr Bruder, der Universitätsprofessor war, hatte durch das Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums Arbeit und Einkünfte verloren. Die folgenden Jahre lebte er zusammen mit der Schwester zurückgezogen in deren Wohnung in der Herzogstraße 55.

Carry Brachvogel wurde am 23. Juli 1942 mit dem Transport II/18 nach Theresienstadt deportiert. Den verheerenden sanitären Zuständen im Konzentrationslager konnte die damals 78-jährige vermutlich nichts mehr entgegensetzen. Am 20. November 1942 starb sie in Theresienstadt, dem Totenschein zufolge an Altersschwäche.[3] Ihr Bruder Siegmund, der mit demselben Transport nach Theresienstadt gekommen war, starb wenige Tage später, am 7. Dezember 1942.

Carry Brachvogels schriftstellerisches Werk war lange Zeit vergessen. Seit 2013 werden ihre Werke neu aufgelegt bzw. nachgedruckt. Das Bayerische Fernsehen hat 2013 einen Dokumentarfilm über Carry Brachvogel erstellt.[4] Ehrungen

Seit 1992 erinnert der „Carry-Brachvogel-Salon“ in der Seidlvilla an die einstmals so bekannte Münchner Schriftstellerin.

Durch Stadtratsbeschluss vom 14. Juni 2012 wurde in München eine Straße nach ihr benannt.[5]


Text: Wikipedia

Liste der Autoren

Der Text ist unter der Lizenz „Creative Commons Attribution/Share Alike“ verfügbar; zusätzliche Bedingungen können anwendbar sein. Einzelheiten sind in den Nutzungsbedingungen von Wikipedia beschrieben.