Eduard Mörike

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Eduard Friedrich Mörike (* 8. September 1804 in Ludwigsburg, Kurfürstentum Württemberg; † 4. Juni 1875 in Stuttgart, Königreich Württemberg) war ein deutscher Lyriker der Schwäbischen Schule, Erzähler und Übersetzer. Er war auch evangelischer Pfarrer, haderte aber bis zu seiner frühen Pensionierung stets mit diesem „Brotberuf“.

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Leben

Mörike wurde als siebtes Kind des Medizinalrates Karl Friedrich Mörike (1763–1817) und der Pfarrerstochter Charlotte Dorothea geb. Bayer geboren. Sein Vorfahr in vierter Generation war der Apotheker Bartholomäus Mörike (1669–1730) aus Havelberg.

Er hatte zwölf Geschwister. Ab 1811 besuchte er die Lateinschule in Ludwigsburg.

Ausbildung in Urach und Tübingen

Nach dem Tod des Vaters 1817, der zwei Jahre zuvor einen Schlaganfall erlitten hatte, kam er als Halbwaise zu seinem Onkel, dem Obertribunalpräsidenten Eberhard Friedrich Georgii, nach Stuttgart, der für seinen Neffen die geistliche Laufbahn vorgesehen hatte. Nach einem Jahr im Stuttgarter Gymnasium illustre besuchte Mörike daher ab 1818 das evangelische Seminar Urach, ein humanistisches Gymnasium im ehemaligen Uracher Chorherrenstift, und von 1822 bis 1826 das Tübinger Stift.[1] Zwar waren seine schulischen Leistungen nur mäßig und er bestand auch das „Landexamen“ (Aufnahmeprüfung) des Uracher Seminars nicht, aber er wurde trotzdem dort aufgenommen. Die Beschäftigung mit den antiken Klassikern, die dort auf dem Lehrplan stand, war überaus prägend für den späteren Schriftsteller.

Viele lebenslange Freundschaften Mörikes gehen auf seine Seminarzeit zurück, was ihm diese Zeit im Rückblick verklärt hat: so im Gedicht von 1827 über einen zwei Jahre zurückliegenden Besuch in Urach.[2] In Tübingen gehörten zu seinen Studienfreunden einerseits Wilhelm Waiblinger, der ihm auch Kontakt zum alten Friedrich Hölderlin verschaffte,[3] andererseits Ludwig Bauer, mit dem zusammen er das Fantasieland Orplid ersann; das Gedicht Gesang Weylas (Du bist Orplid) ist 1831 wiederum im Rückblick entstanden.[4] Der Dreierbund der Freunde war spannungsreich: Bauer, den Mörike einst vor einem Angriff des betrunkenen Waiblinger in Schutz genommen hatte, warnte Mörike vor dessen dämonischem Einfluss.[5] Aber im Rückblick bezeichnete Mörike bei seiner Investitur als Pfarrer den inzwischen verstorbenen Waiblinger als „einen von Jesu Evangelium innigst durchdrungenen Diener“.[6]

In den Osterferien 1823 begegnete Mörike in einem Ludwigsburger Gasthaus Maria Meyer (1802–1865), die dort (nicht zuletzt wegen ihrer geheimnisvollen Schönheit) als Bedienung angestellt war. Spätere biographische Berichte über die aus Schaffhausen stammende Frau im Gefolge der Sektenstifterin Juliane von Krüdener enthalten offenbar viel Ausschmückung.[7] Mörike verliebte sich stürmisch in die Geheimnisvolle, zum Entsetzen seiner älteren Schwester Luise, die die Gefahr beschwor, die „seinem edelsten Selbst in der engen Verbindung mit dem Unreinen droht“.[8] Mörike führte den Kontakt zu Maria bis auf einen zum Jahresende abgebrochenen (und vernichteten) Briefwechsel nicht weiter und entzog sich einem von ihr angestrebten Wiedersehen im Juli 1824.[9] Aus diesem einschneidenden Erlebnis entstand der Zyklus der Peregrina-Gedichte, von dem aus den Jahren 1824 bis 1867 zehn unterschiedliche Fassungen vorliegen.[10]

Stationen als Vikar

Nach einem mittelmäßigen Examen und einer kirchlichen Prüfung vor dem württembergischen Konsistorium 1826, das ihm „ziemlich mangelhaftes, dennoch keineswegs zu verachtendes Wissen“[11] bescheinigte, durchlebte (und durchlitt) Mörike eine achtjährige „Vikariatsknechtschaft“ als Vikar und später Pfarrverweser: 1826 Oberboihingen; 1827 Möhringen, Köngen; 1829 Pflummern, Plattenhardt (dort als Pfarrverweser an der Antholianuskirche und Verlobung mit Luise Rau, der Tochter des verstorbenen Pfarrers, 1833 gelöst), Owen; 1831 Eltingen; 1832 Ochsenwang (im dortigen Mörikehaus werden Briefe, Zeichnungen und Pfarrberichte gezeigt); 1833 Weilheim an der Teck, erneut Owen, Ötlingen.

Sein Dienst war von Dezember 1827 bis Februar 1829 durch Urlaub unterbrochen, den er aus gesundheitlichen Gründen beantragt hatte, vielleicht ausgelöst durch den Tod seiner Schwester Luise. Dahinter steckten allerdings seine generellen Zweifel an einer kirchlichen Laufbahn:

„Du ahnest ohne Zweifel bereits den Grund jener unschmackhaften Stimmung. Das geistliche Leben ists. Ich bin nun überzeugt, es taugt nicht für mich… der Doktor [hat mir] einen Urlaub auf einige Zeit vom Consistorium ausgewirkt… Meine Gesundheit kann diß sehr wohl brauchen, aber hauptsächlich will ich die Zeit dazu benutzen mir durch irgend eine Arbeit das Zutrauen des Cotta zu erwerben um indessen durch Geschäft bei ihm einen Ausweg und von da vielleicht e. Anstellung bey einer Bibliothek zu finden.“

– Brief an Ludwig Bauer vom 9. Dezember 1827[12]

Mörike hätte sich also lieber der Schriftstellerei gewidmet, wagte es aber, anders als seinerzeit Hölderlin, nicht, sich als freier Schriftsteller durchzuschlagen: Einen Vertrag mit dem Verleger Friedrich Gottlob Franckh, der ihn 1828 zu regelmäßigen „erzählenden und anderen ästhetischen Aufsätze[n]“ in dessen „Damen-Zeitung“ verpflichtete gegen ein jährliches Honorar von 600 Gulden,[13] löste Mörike nach wenigen Monaten wieder.

Pfarramt in Cleversulzbach

1834 wurde Mörike schließlich Pfarrer in Cleversulzbach, wo seine Mutter und seine jüngste Schwester Klara mit ihm im Pfarrhaus wohnten. Seine Predigten, die auf das Verständnis seiner Gemeinde zugeschnitten waren, ließen nicht erkennen, wie sehr Mörike mit der zeitgenössischen Theologie haderte. Nur in der Privatheit eines Briefes vom Dezember 1837 diagnostizierte Mörike gegenüber Friedrich Theodor Vischer einen nun „landkundig werdenden theologischen Bankerott“,[15] womit er auf den Streit um David Friedrich Strauß’ Buch Leben Jesu anspielte, dessen historische Kritik an den Evangelienberichten von konservativen Kreisen (z. B. am Tübinger Stift) verurteilt wurde. Mörike nahm Strauß’ Buch unaufgeregt zur Kenntnis, weil für ihn Glaube nicht aus dem Fürwahrhalten der Evangelienberichte bestand, sondern aus den Empfindungen, die dem Poeten Mörike eingegeben wurden, wenn er sein Leben deutete.

Dabei konnte er christliche Lehren in einer rational anmutenden Weise erklären, die freilich nicht zu unserem heutigen rationalen Erkenntnisstand passt. Ein Beispiel sind seine Aussagen über die „jenseitige Fortdauer“, wenn er Angehörige Verstorbener tröstete: „Für mich ist dieses eine ausgemachte natürliche Sache“, dass die Abgeschiedenen „auf dem Schauplatz einer neuen Natur“ leben, also eine Sache ohne göttliches Zutun, keine Glaubenssache, aber auch kein bloßes Räsonnement.[16] Als es im Pfarrhaus von Cleversulzbach zu spukhaften Licht- und Geräuscherscheinungen kam, protokollierte Mörike die Ereignisse nüchtern und machte daraus keine spekulative Weltanschauung; allerdings entzogen sich die Phänomene einer rationalen Erklärung, was für Mörike ebenfalls gewiss war.[17] Seine Aufzeichnungen über den Spuk wurden später von Justinus Kerner veröffentlicht (in: Magikon, 1842).[18]

1838 erschien die erste Gedichtsammlung, 1839 ein Sammelband erzählender und dramatischer Dichtungen. Im September 1840 unternahm er mit seinem Bruder Louis seine erste große Reise an den Bodensee und in die Schweiz.[19]

Als Mörikes Mutter 1841 starb, beerdigte er sie auf dem Cleversulzbacher Friedhof neben der Mutter Friedrich Schillers, deren fast vergessenes Grab er schon zu Beginn seines Pfarramtes dort entdeckt und mit einem schlichten Kreuz gekennzeichnet hatte (Gedicht Auf das Grab von Schillers Mutter, 1835).[20]

Eine literarische Verarbeitung seiner Zeit in Cleversulzbach schuf Mörike mit seinem Gedicht Der alte Turmhahn.[21]

Zeitweiliger Ruhestand

Nachdem Mörike sich aus gesundheitlichen Gründen beim Pfarrdienst mehrfach durch einen Vikar hatte unterstützen lassen, beantragte er 1843 im Alter von 39 Jahren die Versetzung in den Ruhestand. Gnadenhalber wurde ihm eine Pension von jährlich 280 Gulden gewährt (sein Pfarrergehalt hatte anfangs 600 Gulden betragen).[22]

Mörike ließ sich 1844 nach einem kurzen Aufenthalt in Schwäbisch Hall zusammen mit seiner Schwester in Bad Mergentheim nieder. Seine Pension und gelegentliche Honorare reichten nicht zur Tilgung der Schulden, in die er durch Bürgschaften für seine Brüder Louis und Karl geraten war. Der Scheerer Amtmann Karl Mörike, der 1848 in Regensburg bei seinem Bruder Louis starb, hatte wegen aufrührerischer Umtriebe ein Jahr Festungshaft in Hohenasperg verbüßt und Eduard hatte in dem Verfahren als Zeuge aussagen müssen.[23]

Ablenkung verschaffte sich Eduard zum Beispiel bei Wanderungen, bei denen er nach Versteinerungen suchte. So kam es, dass er wie ein Paläontologe über die Schwäbische Alb zog und alle Versteinerungen einsammelte. Zu Hause verglich er sie mit anderen Funden oder las Fachliteratur. Diese Beschäftigung beschrieb er in dem Gedicht Der Petrefaktensammler (1847 veröffentlicht).[24] Überhaupt war Mörike ein begeisterter Sammler alltäglicher Gegenstände. Bei seinen häufigen Umzügen war das Sammelgut einerseits lästig, andererseits waren es gute und schöne Geschenke für Freunde und Verwandte.

Im April 1845 mietete Eduard für sich und seine Schwester Klara günstig eine Wohnung in Mergentheim im katholischen Haus des Oberstleutnants von Speeth, der noch im gleichen Jahr starb. Die Hausgemeinschaft förderte die Annäherung an die hinterbliebene Tochter des Vermieters Margarethe von Speeth. Trotz konfessioneller Einwände seines ältesten Freundes Wilhelm Hartlaub (Pfarrer im nahen Wermutshausen) und des Bruders von Margarethe hielt Eduard weiterhin an der Verbindung fest und es kam zur Verlobung.[25] Dabei war zunächst aus finanziellen Gründen nicht an eine Heirat gedacht, zu der es erst 1851 in der Mergentheimer Schlosskirche kam.[26] Seine Schwester Klara blieb weiterhin bei ihm wohnen, jedoch war der Konfessionsunterschied nun der Grund dafür, dass sich Mörikes Freund Hartlaub von ihm distanzierte. Auch das Verhältnis zwischen Klara und Margarethe sollte sich später trüben.[27] Das Ehepaar zog 1851 nach Stuttgart und bekam zwei Töchter, Franziska, genannt Fanny, (* 1855) und Marie (* 1857).[28]

Reise nach und Aufenthalt in Regensburg

Biographisch zwischen Eduard Mörikes Verlobung mit Margarethe von Speeth und der späteren Heirat in Mergentheim mit den dann folgenden Jahren als Ehemann in Stuttgart erfolgte eine mehrmonatige Reise Mörikes mit seiner Verlobten und seiner Schwester Klara vom 4. September bis Ende Dezember 1850 nach Regensburg. Dort war sein Bruder Louis am Jahresbeginn 1848 als Verwalter des Thurn und Taxischen Pürkelgutes endlich am Ziel seiner bisher vergeblich verfolgten Berufswünsche angelangt, so dass er seinem Bruder Eduard eine geschuldete Darlehenssumme zurückzahlen konnte. Auch hatte der in Regensburg bei seinem Bruder Louis 1848 verstorbene Bruder Karl Briefe und Testament hinterlassen, so dass es diese brüderlichen Angelegenheiten waren, die für Eduard die Reise nötig machten. Die Reise erfolgte ohne Unterbrechung per Kutsche über Crailsheim und Dinkelsbühl nach Nördlingen, dann per Bahn nach Donauwörth und weiter per Dampfschiff auf der Donau nach Regensburg, wo man am 2. Tag der Reise abends ankam.[25]

In Regensburg wurde ein umfangreiches Besichtigungsprogramm von Stadt und Umgebung absolviert, das in Aufzeichnungen der Verlobten Margarethe von Speeth dokumentiert ist. Festgehalten ist neben dem Besuch der Rehbachischen Bleistiftfabrik am Ägidienplatz und den ausführlichen Besichtigungen des bereits von der barocken Ausstattung befreiten Regensburger Doms von innen und außen auch der Besuch eines protestantischen Gottesdienstes in der Dreieinigkeitskirche am 15. September.[Anm. 1]

Auch in Abwesenheit seiner katholischen Verlobten war der Dom noch mehrmals das Ziel für Eduard und seine Schwester. Der Dom war für ihn nicht nur ein beeindruckendes Baudenkmal, sondern auch ein Prüfstein für seine schwierige, umstrittene Entscheidung für eine Mischehe. In Briefen an seine Verlobte nutzt er Berichte über seine Dombesuche, um in die katholische Welt seiner Verlobten einzutauchen.[25] Für Ende Oktober 1850, also noch vor dem 1859 beginnenden Ausbau der Domtürme, berichtete seine Schwester über einen Besuch der Familie im Dom, bei dem es möglich war, den Dom mit Kindern über den Eselsturm „Schnekenthurmartig aufwärts“ zu besteigen, wobei man „in schwarzer Nacht“ statt über Stufen „in tiefem Stande“ gehen musste und dann „Kirchböden und allerhand sonderbares Gewinkel mit Treppen auf und ab “ zu schreiten hatte, bis man „endlich die oberste Gallerie“ erreichte, auf der man den mächtigen Bau umgehen konnte und dabei „in der Pracht eines ganzen Waldes von zierlichen Steingezweigen steckte“.[25]

In Regensburg besuchte Eduard Mörike auch eine Don-Juan-Aufführung und wurde Augenzeuge eines gefährlichen Hausbrandes. Beides schlug sich in seinen Werken Der Feuerreiter und Mozart auf der Reise nach Prag nieder.

Lehrer für Literatur in Stuttgart

In Stuttgart unterrichtete Mörike ab 1856 zehn Jahre lang Literatur am Königin-Katharina-Stift.[29] Neben seiner Ernennung zum Professor am Katharinenstift wurden Mörike in dieser Zeit weitere Ehrungen zuteil: 1852 der Ehrendoktortitel der Universität Tübingen, 1862 der Bayerische Maximiliansorden und 1864 das Ritterkreuz des württembergischen Friedrichs-Ordens. Er hatte Kontakt zu anderen Schriftstellern, so besuchten ihn Theodor Storm (der sich über Mörikes Gewohnheit des Tischgebets wunderte), Friedrich Hebbel und Iwan Turgenew. Eine tiefere Freundschaft verband ihn ab 1864 mit dem Maler Moritz von Schwind.[30]

Die letzten Jahre

1866 wurde Mörike pensioniert. In der Zeit von 1867 bis 1873 wechselte der Dichter mehrmals Orte und Wohnungen. 1867 zog er nach Lorch,[29] 1869 wieder nach Stuttgart, 1870 nach Nürtingen, 1871 nochmals nach Stuttgart. Spannungen zwischen Klara und Margarethe übertrugen sich auch auf das Ehepaar. Anlässlich der Verlobung der 18-jährigen Fanny kam es 1873 zum Streit, nach dem Margarethe vorübergehend auszog. Mörike entschied sich zur Trennung und zog mit Klara und der Tochter Marie für kurze Zeit nach Fellbach, bevor er nach Stuttgart zurückkehrte. In dieser Zeit betrug sein jährliches Einkommen immerhin 1955 Gulden.[31]

1875 wurde Mörike bettlägerig. Kurz vor seinem Tod söhnte er sich am Krankenbett mit seiner Frau aus. Mörike wurde auf dem Stuttgarter Pragfriedhof beerdigt, zwei Jahre nach dessen Eröffnung. Vischer hielt die Grabrede.

Seine Schwester Klara, die nach Mörikes Tod unversorgt war, kam in das Mörickestift nach Neuenstadt am Kocher, das auf einen Vetter des Dichters zurückgeht. Dort verlebte später auch die Tochter Fanny, die 1930 verstarb,[32] ihre letzten Jahre. Eduard Mörikes Tochter Marie starb ein Jahr nach seinem Tod.[28]



Text: Wikipedia

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