Eichwalde unterm Hakenkreuz

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Einleitung

Autor: Wolfgang Müller

Zur Geschichte des Ortes von 1933 bis 1945

Die Broschüre wurde im Jahre 2004 vom Heimatverein Eichwalde e.V. herausgegeben, gefördert aus Mitteln des Ministeriums für Wissenschaft, Forschung und Kultur des Landes Brandenburg, mit Unterstützung der Gemeinde Eichwalde und der Schloss Druckerei Königs Wusterhausen. Nachdruck nur mit Genehmigung des Autors.

(Im Jahr 2014 wurden entdeckte Fehler korrigiert. Fußnoten können beim Autor hinterfragt werden.)

Vorwort

Eichwalde bestand 1933 vierzig Jahre, als jener geschichtliche Zeitraum begann, der heute meist NS-Zeit, auch die Zeit des Dritten Reiches oder einfach Nazi-Zeit genannt wird. Bezeichnungen für zwölf Jahre deutscher Geschichte, die mit der Machtübertragung an Hitler begannen, den Führer der deutschen Faschisten, die sich selbst Nationalsozialisten oder Nazis nannten. Jahre, in denen der zweite Weltkrieg entfesselt wurde und die mit der Zerschlagung des Naziregimes, mit der Befreiung vom Faschismus im Jahre 1945 durch die Armeen der Antihitlerkoalition endeten.

Die folgende Abhandlung versucht, vor dem Hintergrund allgemeiner Geschichte örtliche Ereignisse zu beschreiben, die in vielseitiger Übereinstimmung die deutsche Zeitgeschichte jener Jahre widerspiegeln. Hoffnung, Zustimmung, Mittun, Anpassung, Leid und Widerstand kennzeichnen die Wege von Einwohnern in diesen Jahren. Viele folgten bereitwillig der ideologischen Strömung und politischen Bewegung des Nationalsozialismus. Sie identifizierten sich mit dem Hitlerreich und wurden zwangsläufig in die Vorbereitung des zweiten Weltkrieges eingebunden. Wenige haben Widerstand geleistet. Sie wurden dafür verfolgt, jüdische Einwohner diskriminiert, ausgestoßen und vernichtet. Menschen anderer Länder wurden zur Zwangsarbeit nach Eichwalde gebracht. Besonders an diese Tatsachen soll mit dem Heimatheft erinnert werden, weil das Geschehene häufig unbekannt ist oder aus dem Gedächtnis verdrängt wurde. Indem mit der Aufzeichnung unbekannter oder vergessener Lokalgeschichte der Frage nachgegangen wird, was während dieser dunkelsten Zeit Deutschlands in Eichwalde geschah, soll einer Relativierung des Hitlerregimes und faschistischen Völkermords entgegnet werden. Es ist um unserer Zukunft willen notwendig, Friedensliebe, menschliche Solidarität, demokratisches Denken und Handeln als bleibende Werte zu bewahren, sie gegen neonazistische und antisemitische Aktivitäten zu verteidigen. Möge so das Bedürfnis nach weitergehender Auseinandersetzung mit der Vergangenheit unseres Ortes befördert werden.

Dank schulde ich den Mitarbeitern der von mir genutzten Archive für ihre Unterstützung. Herzlich danke ich heutigen und ehemaligen Eichwaldern, die zu Gesprächen bereit waren, dabei geduldig meine Fragen beantworteten und mir oft sehr persönliche Erinnerungen mitgeteilt haben. Zu besonderem Dank verpflichtet bin ich deshalb vor allem Frau Ruth Weis, geb. Freudenberg, Frau Erika Wolff, geb. Kaschel, Frau Erika Zietz, geb. John, und Herrn Erich Krüger, die selbst oder deren Angehörige Verfolgte des Naziregimes waren.

Wolfgang Müller


Märzwahlen

Am 30. Januar 1933 wurde Hitler, der Führer der Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei (NSDAP), vom Reichspräsidenten Hindenburg zum Reichskanzler ernannt. Einflußreiche Kreise einer konservativ-nationalen Fraktion sogenannter Eliten aus Großindustrie, Großlandwirtschaft und Großbanken sahen, übereinstimmend mit Revanchevorstellungen der Reichswehrgeneralität, in der Hitlerpartei eine erwünschte Massenbasis zur Überwindung der politischen Krise der Weimarer Republik und zur Stabilisierung ihrer Macht. Diese Kreise überblickten nicht, daß ihre Vorstellungen über autoritäre Regierungsgewalt hinter den Ansprüchen der Hitlerbewegung zur Errichtung einer Nazi-Diktatur zurückblieben. Die Arbeiterparteien, Gewerkschaften und Nazigegner bürgerlicher Parteien waren durch selbst verschuldetes Unvermögen in eine totale Defensivstellung gedrängt worden. Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD) und Kommunistische Partei Deutschlands (KPD), zerstritten und dadurch in verschiedener Weise nicht fähig, umfassenden gemeinsamen Widerstand zu organisieren, hatten die fürchterliche Gefahr unterschätzt. Antifaschistische Kräfte aus unterschiedlichen politischen Lagern waren somit nicht in der Lage, die Errichtung einer faschistischen Diktatur zu verhindern.

Obwohl sich bei der Reichstagswahl am 6. November 1932 gegenüber der Wahl am 31.Juli 1932 in Deutschland der Stimmenanteil der NSDAP verringert hatte, in Eichwalde von 1150 (32%) auf 863 (27,4%) Stimmen, war es zwar keine Mehrheit, jedoch eine beachtliche Anzahl von Einwohnern, die bereits direkt für die Hitlerpartei gestimmt hatten. Einige Begründungen dafür finden sich in der bis dahin verlaufenen Geschichte Eichwaldes. Nach 1921 hatten sich nicht nur in Gestalt der Ortsvereinigungen des Deutschen Reichskriegerbundes "Kyffhäuser“ und des Stahlhelm (Bund der Frontsoldaten) extrem nationalistische und demokratiefeindliche Kräfte gesammelt, sondern auch eine als "Sportverein Olympia" getarnte Organisation gebildet, die allerdings 1926 verboten worden war. Aus ihr rekrutierten sich Kader der neben der legalen Reichswehr bestehenden "Schwarzen Reichswehr", die eine der wichtigsten Vorläufer und Sammelorganisationen der Hitlerpartei war und deren Angehörige sich später meist der NSDAP, SA und SS anschlossen. Alle diese Vereine standen der Weimarer Republik besonders ablehnend gegenüber. Sie waren meist noch immer "kaisertreu“, hingen der propagandistisch wirksamen Dolchstoßlegende an, sahen sich mit dem Versailler Vertrag national gedemütigt und in der Novemberrevolution von 1918 einen Verrat an der deutschen Geschichte. Im Ort agierten seit mehr als einem Jahrzehnt ein Reihe nationalistischer und militaristischer Parteien, Vereine und Gruppierungen. Mehrere bürgerliche national-konservative Parteien, insbesondere die Deutschnationale Volkspartei (DNVP) und die Deutsche Volkspartei, bildeten in Eichwalde seit mehreren Jahren ein erfolgversprechendes Wählerpotential für die Hitlerbewegung. Seit Juli 1928 bestand eine Ortsgruppe der NSDAP. So verwundert es nicht, wenn schon zu den Kommunalwahlen am 17. November 1929 bürgerliche Parteien ihrerseits versuchten, die Nazis für eine gemeinsame Liste "Bürgerliche Gemeinschaft" zu gewinnen, was nur an der Ablehnung durch die NSDAP scheiterte. Selbst auf lokaler Ebene war bei national- konservativen Kreisen der Eindruck entstanden, daß es möglich schien, "mit simplen Parolen einer auf Feindbilder aufgebauten Ideologie die Unzufriedenen und Deklassierten, die Traumatisierten und Verzweifelten nach dem Ersten Weltkrieg unter der Zauberformel 'Nationalsozialismus' zu integrieren ."

Die örtlichen SPD- und KPD-Organiationen verhielten sich zueinander meist ebenso im Kleinen, wie ihre Parteien im Großen - distanziert, mißtrauisch, uneinig. Dennoch bildeten vor allem die Mitglieder dieser Parteien und der ihnen nahe stehenden legalen oder illegalen Organisationen wie Rote Hilfe Deutschlands, Arbeitersportverein, Roter Frontkämpferbund, Reichsbanner Schwarz-Rot-Gold, Eiserne Front und andere, zusammen mit ihren Wählern und weiteren Eichwalder Einwohnern die Kraft, die sich bisher den Nazis entgegengestellt hatte. Die faschistische NSDAP gewann ihre Wähler in Eichwalde überwiegend aus dem bürgerlich- konservativen Lager, wie die Wahlergebnisse von 1924 bis 1932 erkennen lassen:

Reichs- und Landtagswahlen (in Prozent) SPD KPD Bgl.-Kons. P. NSDAP
am 07.12.1924 26,5 8,1 64,3 1,1
20.05.1928 27,8 13,7 57,1 1,4
14.09.1930 29,1 12,9 47,2 10,8
31.07.1932 28,8 13,2 26,0 32,0
06.11.1932 24,3 15,4 32,9 27,4

Das dramatische Ende der Weimarer Republik war eine schmerzliche Niederlage für alle Antifaschisten und Demokraten auch in Eichwalde, der Anfang einer katastrophalen Entwicklung, spätestens nach dem 1.September 1939, als der zweite Weltkrieg begonnen hatte.

Die Machtübertragung am 30. Januar1933 versetzte die damals nur etwa 50 Mitglieder zählende Ortsgruppe der NSDAP, die SA- und SS-Angehörigen (Schutz-Abteilung / Schutz-Staffel) sowie die Anhängerschaft in mehreren anderen Nazi-Organisationen Eichwaldes in einen Begeisterungstaumel. Am Abend hörten auch Eichwalder Besitzer von Radiogeräten die Rede des künftigen Reichspropaganda- Ministers Goebbels mit den Worten "Deutschland ist erwacht!“. Am 31. Januar lasen die Eichwalder in der "Königs Wusterhausener Zeitung“ die Spitzenmeldung über die Zusammensetzung des neuen Reichskabinetts. Eine Rede des neuen Reichskanzlers wurde erstmals am 1. Februar im Radio übertragen, Hitlers "Aufruf an das Volk“, in der er glückliche Zeiten innerhalb von vier Jahren versprach. Seine Erläuterungen vor Reichswehrgeneralen am 3. Februar1933 wurden wohlweislich nicht verbreitet. Er habe sich die Ausrottung des Marxismus, den Kampf gegen das Versailler Diktat, den Aufbau der Wehrmacht und die Eroberung neuen "Lebensraums“ zum Ziel gesetzt, erklärte Hitler und grenzte die Aufgaben zwischen SA und Reichswehr voneinander ab. In groben, aber erkennbaren Umrissen wurde der Weg in einen Krieg vorgezeichnet. Mit dieser Perspektive waren die Generale einverstanden. Wirtschaftseliten ebenfalls, denn die Aufrüstung konnte beginnen. Die Schaffung eines "europäischen Großwirtschaftsraums" unter deutscher Vorherrschaft entsprach den Interessen führender Persönlichkeiten deutscher Großindustrie- und Bankenkreise bereits aus der Zeit vor dem ersten Weltkrieg und konnte angesichts solcher Konkurrenten wie der USA, Großbritanniens und Frankreichs nicht ohne Gewaltanwendung erreicht werden. Eroberung von neuem Lebensraum im Osten bedeutete letztlich Krieg gegen die Sowjetunion. Dabei waren unabhängige Arbeiterparteien und -organisationen, die sich gegen ein erneutes Kriegsabenteuer zur Wehr setzten sowie eine demokratische Staatsordnung nur störende Schranken.

Anfangs wurden alle Schritte zur Errichtung der faschistischen Diktatur noch unter dem Mantel der Weimarer Verfassung gegangen. Als etappenweiser Staatsstreich folgte Schlag auf Schlag bei der Zertrümmerung des bürgerlich- demokratischen Staates. Dazu gehörten die für den 5. März 1933 angesetzten Neuwahlen des Reichstages, nachdem dieser am 1. Februar ohne fällige Einberufung und der Preußische Landtag per Verordnung des Reichspräsidenten vom 6. Februar aufgelöst worden war. Durch eine weitere Verordnung wurden die kommunalen Vertretungskörperschaften der Gemeinden und Gemeindeverbände mit Wirkung vom 8. Februar aufgelöst, die Kommunalwahlen auf den 12. März festgelegt. Das kannten die Eichwalder schon, und nicht nur sie. ' Wieder einmal ein Kanzler, der vom Reichspräsidenten ins Amt befördert worden ist ', dachte man, und nicht wenige waren beruhigt, daß es neben den Nazis auch andere, ihnen vertrautere Politiker in der Koalitionsregierung gab. Die örtliche Deutschnationale Volkspartei freute sich über den Reichswirtschaftsminister Hugenberg, die Stahlhelm-Ortsgruppe über ihren Bundesführer und jetzigen Arbeitsminister Seldte. Der "Kyffhäuser“- Ortsverein stellte später fest : " Freudig begrüßten die Kameraden die Ernennung Adolf Hitlers zum Reichskanzler und die Bildung der nationalen Front zum Zwecke des engen Zusammenschlusses aller auf nationalem Boden stehenden Deutschen zur Bekämpfung des Kommunismus.“

Die erste Februarwoche des Jahres 1933 verlief in Eichwalde verhältnismäßig ruhig. Zunächst waren die Mitglieder der örtlichen NSDAP-Organisation offenbar mit den inszenierten Aufmärschen in Berlin und der weiteren Formierung ihrer Anhängerschaft beschäftigt, doch die bürgerlichen nationalistischen Parteien und Verbände sammelten sich ebenso wie die Nazis in Eichwalde zur Vorbereitung der Wahlen im März sehr entschieden und gut organisiert. Am 3. Februar referierte der Eichwalder DNVP-Reichstagsabgeordnete, der Schriftsteller und Journalist, Dr. Erich Schmidt, Kronprinzenstr.36 (Fontaneallee), vor den Mitgliedern des Eichwalder Kriegervereins im Lokal Krüger (auch "Ratswaage", heute August-Bebel-Allee 31/32) über die neue sogenannte 'Regierung der nationalen Konzentration'. Wenn er geahnt hätte, wie bald er zu den von Nazis gemaßregelten und mit Berufsverbot belegten Leuten gehören würde! Die am 4. Februar vom Reichspräsidenten ergangene Verordnung " Zum Schutze des deutschen Volkes “ ermöglichte massive Eingriffe in die Presse- und Versammlungsfreiheit und verhinderte praktisch legale Aktionen gegen die neue Regierung. Eichwalder Kommunisten, voran Emil Kachel und Paul Meyer, brachten trotzdem heimlich am Wasserturm und auf dem Bahnhof, in der Bahnhofstraße und weiteren belebten Straßen KPD-Losungen an, die ein Widerstands- und Kampfsignal gegen die entstehende Nazidiktatur waren. Derartige spektakuläre Aktionen erregten kurzzeitig beachtliche Aufmerksamkeit. Am 7. Februar fand unter illegalen Bedingungen im Niederlehmer Sporthaus Ziegenhals eine Tagung von Mitgliedern des Zentralkomitees und einigen weiteren Funktionären der KPD statt, auf der Ernst Thälmann die Hitler-Regierung als Verkörperung des offenen Faschismus charakterisierte, von deren Methoden bald noch weitere Steigerungsmöglichkeiten zu erleben sein werden. Am Vormittag des 5. Februar marschierte die NSDAP zu einem großen SA-Werbetag mit Blasmusik in Eichwalde auf. Die Basis des Eichwalder SA-Sturms befand sich in der Wörther Straße 23/24 (Beethovenstr.) auf dem Grundstück des Kaufmanns Reichmann, dessen Mitgliedschaft in der NSDAP und SA schon vor 1933 zur Etablierung der Hitlerbewegung in Eichwalde, insbesondere durch deren materielle Unterstützung, wesentlich beigetragen hatte. Für den Nachmittag dieses Sonntags hatte die "Eiserne Front“, die sozialdemokratische Schutzorganisation, eine Kampfdemonstration nach Eichwalde für die Herstellung der Einheitsfront des werktätigen Volkes organisiert, an der sich, wie bei einer gleichartigen Versammlung im Berliner Lustgarten, auch KPD-Mitglieder beteiligten. Denn für die KPD waren Demonstrationen im Freien seit dem 2. Februar verboten. Der Marsch führte über Zeuthen zum Eichwalder König-Albert-Platz (Händelplatz). An der Spitze des Zuges marschierte eine Musikkapelle, in Eichwalde wurde eine Ansprache gehalten. Es war zu keinen Zwischenfällen gekommen, denn die Eichwalder SPD- und KPD-Anhängerschaft war noch eine ernstzunehmende Kraft. Die DNVP forderte zur Versammlungsteilnahme am 8. Februar im Restaurant Graff in der Bahnhofstraße 83 mit dem Thema auf: "Her zur schwarz-weiß-roten Front!“ Die "Deutsche Staatspartei “ veranstaltete am 12. Februar sogar ihren Bezirkstag im Ratskeller ( früher Restaurant Lindner, Bahnhofstr.12 ) in Eichwalde.

Manche Einwohner zeigten jetzt mehr als zuvor im wahrsten Sinne des Wortes Flagge. In der Bahnhofstraße war an einem Eckhaus gegenüber der Schule eine in dieser Größe in Eichwalde noch nie gesehene Hakenkreuzfahne entrollt worden. Der Zeitungshändler Hille, einer der ersten Eichwalder Nazis, schwang in diesen Tagen besonders heftig seine Glocke, wenn er mit dem Fahrrad an der "Gewerkschaftssiedlung “vorbeifuhr und dabei provozierend "Der Angriff, der Angriff", den Namen eines NS-Blattes, brüllte. Der Fleischermeister an der Ecke Bahnhof-/ Grünauer Str. präsentierte jetzt sogar im Laden sein Stahlhelmabzeichen an der weißen Schürze, andere zeigten nun offen ihr altes oder eben neu erworbenes NSDAP-Abzeichen mit dem Hakenkreuz am Jackenkragen. SPD-Mitglieder und Sympathisanten diskutierten, wie lange es Hitler wohl machen würde, KPD-Mitglieder versuchten, sich Mut zu machen, sich in Sicherheit zu bringen, den Widerstand zu organisieren.

Seit dem 10. Februar raste in Deutschland der als Wahlkampf getarnte faschistische Terror, wurden entsetzliche Grausamkeiten siegestrunkener Horden der SA, SS, des Stahlhelm und sogar der HJ (Hitlerjugend) verübt, die alle bisher bekannten Beispiele von Nazi-Gewalttaten weit übertrafen. In Eichwalde hielten sich Ausschreitungen und Tätlichkeiten noch in Grenzen. Am 17. Februar hatte Göring als kommissarischer preußischer Innenminister der Polizei befohlen, die "nationalen Verbände“ zu unterstützen. Bei Waffengebrauch gegen "Staatsfeinde“ war Straffreiheit versprochen (Schießerlass). Wenige Tage danach wurden etwa 50 000 Mann aus SA, SS und Stahlhelm als Hilfspolizei erklärt. Längst hatten auch die Eichwalder Nazis in den Kommunisten ihre entschiedensten Gegner erkannt. Sie sahen deshalb ihre wichtigste Aufgabe in der "Niederringung des marxistischen Widerstandes". Ein Umzug der SA in Eichwalde am 26. Februar sorgte für die weitere Mobilisierung der Nazi-Anhängerschaft und wirkte einschüchternd auf die übrige Bevölkerung. Mit dem Brand des Reichstagsgebäudes in Berlin in der Nacht vom 27. zum 28. Februar war der gesuchte Vorwand geschaffen : Noch in der gleichen Nacht wurde der Terror in erster Linie gegen die KPD verstärkt, erfolgten nach vorbereiteten Listen Verhaftungen von Kommunisten sowie von Sozialdemokraten und standhaften bürgerlichen Demokraten. Nach den Novemberwahlen des Jahres 1932 waren die Kommunisten im Reichstag mit 100 Abgeordneten und 16,7 % die drittstärkste Kraft nach den Sozialdemokraten mit 121 Sitzen und 20,3 % der Stimmen. Mit der "Verordnung zum Schutz von Volk und Staat “ vom 28. Februar 1933 , der sogenannte Reichstagsbrandverordnung, setzte Hindenburg die bürgerlich-demokratischen Grundrechte der Weimarer Verfassung außer Kraft, was gleichsam politischer Ausnahmezustand bedeutete. Die KPD war faktisch verboten und nun endgültig in die Illegalität gedrängt, die SPD verfolgt. Alle kommunistischen Abgeordneten sollten verhaftet werden und wurden deshalb gejagt. Derartige Listen waren schon in der 'Weimarer Zeit' von der politischen Polizei angelegt worden und standen nun den Nazis zur Verfügung. Allein in Preußen wurden 1800 kommunistische Funktionäre verhaftet. Thälmann fiel den Nazis am 3. März 1933 in die Hände. Auch SPD-Abgeordnete wurden bereits verfolgt und verhaftet. Der sich noch im Amt befindliche Landrat des Kreises Teltow, von Nathusius, leitete an alle Ortspolizeibehörden die Aufforderung Görings weiter, umgehend alle sich im Gemeindebereich befindlichen Ausländer schriftlich zu erfassen, die im Verdacht kommunistischer Betätigung stehen könnten. Eichwalde und alle anderen Nachbarorte des Wildauer Industriezentrums, einer Hochburg von SPD und KPD, blieben von Terroraktionen nicht ausgenommen.

Der Schriftsteller Walter Kolbenhoff (Pseudonym für Fritz Walter Hoffmann, geb.20.05.1908 in Berlin, gest. 29.01.1993 in Germering) wohnte damals in Eichwalde (oder Berlin-Schmöckwitz). KPD-Mitglied und zunächst wie sein Vater Fabrikarbeiter, war er seit 1930 als Journalist für die "Rote Fahne“ und als Schriftsteller tätig. Er veröffentlichte 1933 seinen ersten Roman mit dem Titel "Untermenschen“, ein stark autobiographisch bestimmtes Bild der letzten Jahre der Weimarer Republik. In der Nacht des Reichstagsbrandes wurde er zu Hause schon von der SS erwartet. Auf dem Heimweg konnte er jedoch von seiner Vermieterin gewarnt werden und so der Verhaftung entgehen. Eine Wahlversammlung der SPD, die an dem üblichen Versammlungsort für Eichwalder Großveranstaltungen in "Walters Bierhallen“(Inhaber: E. Schäfer, heute August-Bebel-Allee / Ecke Bahnhofstr.) am 3. März durchgeführt wurde, störten Nazis und Hitlerjugend derart, daß sie abgebrochen werden mußte. Am 4. März wurden auf Weisung der NSDAP überall in Erwartung einer vom Rundfunk aus Königsberg übertragenen Hitlerrede Pechfackeln angezündet und Holzhaufen in Brand gesetzt, dieser Sonnabend zum "Tag der erwachenden Nation“ erklärt. Die Nazi-Ortsgruppen Eichwaldes und Schulzendorfs zogen abends, wegen ihrer noch geringen Mitgliederzahl in einem gemeinsamen Fackelzug, durch beide Orte und entzündeten am Eichwalder Wasserturm, am südlichen Eisenbahnübergang und im Schulzendorfer Stadion Holzfeuer. Im Rückblick auf die Ereignisse nach dem 30. Januar 1933 brüstete sich noch 1938 die HJ-Schar Eichwaldes: " In den nun folgenden Wochen war für uns verstärkter Dienst angesetzt; stets waren wir bereit, den jungen Staat, das neu erwachte Deutschland zu schützen. So wurde am Abend des Reichstagsbrandes von uns, gemeinsam mit der SA, die Siedlung Schulzendorf nach kommunistischem Material durchsucht. Zwei Wahlversammlungen der SPD in Schulzendorf und Eichwalde wurden schnellstens zum Platzen gebracht. Am Abend des 4. März 1933 marschierten wir geschlossen zum Schulzendorfer Stadion, wo wir die Rede des Führers hörten und anschließend ein Freudenfeuer anzündeten.“

Unter derartigen Bedingungen ging es den Wahlen am 5. März zum Reichstag und Preußischen Landtag sowie im Land Preußen den Wahlen am 12. März zu den Provinziallandtagen, Kreistagen und Gemeindeparlamenten entgegen. Hier sollen, stellvertretend für alle antifaschistisch gesinnten Eichwalder Bürger, jene Personen des Ortes genannt werden, die sich damals in schon lebensbedrohlicher Lage als Kandidaten für die Wahlen bereit erklärten und so der Machtübernahme der Nazis entgegen traten.

Kandidaten der SPD waren für den Preußischen Landtag: Wilhelm Krüger, Tischler, Gewerkschaftsangestellter. für den Brandenburgischen Provinziallandtag :Reinhold Lungmus, Chauffeur, Gewerkschaftsangestellter.

für die Gemeindevertretung: Walter Noack, Graveur; Willi Korn, Metallarbeiter; Anna Hank, Hausfrau; Erich Wauschke, Abteilungsleiter; Eugen Klambt, Werkmeister; Max Molitor, Zimmerer; Elise Kupfer, Ehefrau; Franz Bachmann, Gewerkschaftsangestellter; Franz Dartsch, Maurer; Erich Krüger, Metallarbeiter; Helene Kamnitz, Ehefrau; Otto Wiest, Verbandssekretär; Waldemar Ruffani, Metallarbeiter; Fritz Habermann, Sattler; Jonny Holle, Arbeiter.

Kandidaten der KPD für die Gemeindevertretung waren: Theodor Oldenburg, Bauarbeiter; Bernhard Haase, Werkzeugmacher; Wilhelmine Mecklenburg, Witwe; Emil Kaschel, Maschinenschlosser; Erich Franke, Drahtzieher; Walter Bormann, Rohrleger; Paul Meyer, Schlosser.

Die bürgerlichen Parteien oder Wählervereinigungen waren bereits als künftige Partner der NSDAP vorgemerkt, wobei es darunter einzelne Kandidaten gab, die keine Freunde der Hitlerbewegung waren, sondern der sogenannten " demokratischen Mitte “ zugerechnet werden können. Die "Unpolitische Bürgerliste“ (Haus- und Grundbesitzer- Verein, Verein der Handel- und Gewerbetreibenden und Zentrumspartei) trat mit dem Kaufmann Erich Michler, einem Gemeindeabgeordneten und Schöffen, Mitglied der Deutschen Staatspartei, als Spitzenkandidat zur Wahl an. Er hielt zu den Nazis Distanz, allerdings auch zu linken Parteien. Ebenso kandidierte der Lehrer Otto Schmidt, Deutsche Zentrumspartei, für diese Bürgerliste. Beide waren zugleich Kandidaten bei der Kreistagswahl. Die Kampffront "Schwarz-Weiß-Rot“ präsentierte Studienrat Oscar Krönke als Spitzenkandidat der DNVP und des Stahlhelm. Die NSDAP wurde insbesondere von Zivilingenieur und Patentanwalt Hugo Lesser, Buchhalter Willi Micklei, Koch Ewald Hille und Handelsvertreter Erich Rix sowie von 11 weiteren Nazis vertreten. Bei der Wahl zum R e i c h s t a g am 5. März 1933 betrug die Wahlbeteiligung in Eichwalde ca. 95%, Ausdruck eines bis dahin nicht erreichten hohen Grades der politischen Mobilisierung. Etwa 149 Wahlberechtigte verweigerten sich, nicht zuletzt angesichts des Nazi-Terrors und von Ausnahmegesetzen, der Abstimmung. Gegenüber den Wahlen im November 1932 erreichte die Eichwalder NSDAP mit 1256 der gültigen Stimmen zwar einen Wählerzuwachs, aber mit 38,14% nur ein unter ihren Erwartungen liegendes Ergebnis. Hitlerpartei und Kampffront "Schwarz-Weiß-Rot“ hatten zusammen mit 1889 Stimmen eine Mehrheit im Ort erzielt. 2190 Stimmen für die NSDAP und die bürgerlichen Parteien (DNVP, Zentrum, Staatspartei, Volkspartei u.w.) standen gegen 1054 Stimmen der SPD und KPD zu Buche.

Das Wahlergebnis "brachte dann auch den Beweis, daß unser Ort jetzt zu 60 Prozent aus Anhängern “der NSDAP und DNVP besteht, stellte die " Königs Wusterhausener Zeitung “ begeistert fest. Es bleibt hervorzuheben, dass angesichts des Naziterrors, von Versammlungsverboten, Hausdurchsuchungen und Verfolgungen die Anzahl der Stimmen für die linken Arbeiterparteien in Eichwalde respektabel war. Sie blieben aber weiterhin durch tiefe politische Differenzen getrennt. Der Tischler Wilhelm Krüger war im Wahlbezirk Potsdam I als Abgeordneter der SPD in den Preußischen Landtag, Reinhold Lungmus in den Brandenburgischen Provinziallandtag gewählt worden. Am 8. März war "wegen des überwältigenden Wahlsieges“ der NSDAP in der Provinz Brandenburg (52,4%) überall schulfrei. Im Reichstag erlangten die Nazis nur 43,9% der Stimmen und auch mit der Regierungskoalition nur eine knappe absolute Mehrheit (51,9 %). Ähnlich verhielt es sich im Preußischen Landtag. Deshalb wurden am 9. März die 81 Reichstagsmandate der KPD-Abgeordneten annulliert und von Göring als Preußischer Minister des Innern am 11. März die Verhaftung aller kommunistischen Reichstags- und Landtagsabgeordneten angeordnet. Die Wahlen zur Eichwalder G e m e i n d e v e r t r e t u n g am 12. März 1933 wurden von diesen Ereignissen beeinflußt. Die Wahlbeteiligung von 87,5 Prozent war einerseits ein Protest besonders von Wählern der Arbeiterparteien gegen den Nazi-Terror, andererseits Ausdruck von Resignation vor einem erwarteten Wahlausgang, wovon die NSDAP profitierte. Die Zahl der Nichtwähler war auf etwa 550 angestiegen. Die Gemeindewahl brachte folgendes Ergebnis: Die NSDAP erreichte einen Stimmenanteil von 39.6% (1.111 Stimmen), die bürgerlich-nationale Kampffront Schwarz-Weiß-Rot ( Deutschnationale und Stahlhelm ) 20.3% (568 St.), die SPD kam auf 19,1% ( 534 Stimmen ), die Unpolitische Bürgerliste auf 12,9% (362 St.), die KPD auf 8,1% (228 Stimmen). Erstmals kamen vier NSDAP-Mitglieder in die Gemeindevertretung sowie zwei Vertreter der "Kampffront “, zwei SPD-Mitglieder, ein Kandidat der Bürgerliste, kein KPD-Kandidat. Bemerkenswert war die Entscheidung der gewählten SPD-Abgeordneten Walter Noack (Noack hatte auch ein Mandat im Kreistag erhalten) und Willi Korn, ihr Amt in der Gemeindevertretung nicht anzunehmen. Ihre Plätze nahmen die SPD-Kandidaten Max Molitor und Eugen Klambt ein.

Die Eichwalder hatten also gewählt. Das "Teltower Kreisblatt" erschien am 13. März 1933 mit der Schlagzeile:" Rechtsmehrheit bei den Kommunalwahlen ". Bei den Provinziallandtagswahlen erlangte die NSDAP im Brandenburgischen Provinziallandtag mit 53,1% die absolute Mehrheit. Nach den Märzwahlen des Jahres 1933 veranstalteten die Nazis und die nationalistischen Vereine Eichwaldes mehrere meist zentral angewiesene Siegesappelle und Machtdemonstrationen, die von der Absicht getragen wurden, den Einwohnern, insbesondere den SA-Leuten und Parteigängern, das Gefühl zu vermitteln, als hätten sich jetzt alle ihre Hoffnungen auf Dauerbeschäftigung, auf Beschränkung der Übermacht der Banken und des Großkapitals, auf soziale Gerechtigkeit, soziale Sicherheit und vieles andere mehr endgültig erfüllt.

Fester Bestandteil im Zusammenspiel von Demagogie und Terror waren dabei Aufmärsche, Appelle, Feiern und Jahrestage. Sie waren auf Zustimmung zur Hitlerbewegung und gleichzeitige Einschüchterung der Eichwalder Bevölkerung orientiert. Einen ersten Anlaß bot dafür die am 21. März 1933 anberaumte Eröffnungssitzung des eben gewählten Reichstages mit einem Staatsakt in Potsdam. 30 SA-Männer aus Eichwalde waren nach Potsdam beordert worden, um das äußere Bild der von Goebbels inszenierten symbolbefrachteten Veranstaltung mitzuzeichnen: Das Bündnis alten preußischen Geistes mit neuen jungen Kräften der Hitlerbewegung. Das demagogische Schauspiel zeigte Wirkung. Es war nicht für jedermann erkennbar, daß hier die Traditionen kriegerischer preußisch-deutscher Vergangenheit an neue aggressionsbereite Kräfte vererbt worden war. Bei den meisten Menschen keimten Hoffnungen auf bessere Zeiten voller Arbeit und Frieden.

Auf Weisung des zum 'Reichsminister für Volksaufklärung und Propaganda' ernannten Joseph Goebbels fanden in allen Städten, Dörfern und Gemeinden ähnliche Massenveranstaltungen statt. In Eichwalde war dazu von der NSDAP-Ortsgruppe erstmals ein gemeinsamer Rundfunkempfang ermöglicht worden. Um alle Eichwalder den "Beginn einer neuen Epoche deutscher Geschichte“ hörbar miterleben zu lassen, hatte der Elektro-Ingenieur Werner Schilling am Gefallenen-denkmal in der Bahnhofstraße / Am Graben zwei Lautsprecher installiert. Es war erst der Anfang gemeinschaftlicher nationaler Rundfunkempfänge, erwies sich doch der Rundfunk als neues Medium der Massenbeeinflussung besonders geeignet. Immer mehr Eichwalder schafften sich zu dieser Zeit ein Radio an. Nahezu täglich ertönten Hitlerreden und bis zum Überdruß die Stimme des Propagandaministers Goebbels aus den Lautsprechern. Bald bezeichnete der Volksmund hinter vorgehaltener Hand einen seit der Funkausstellung im August 1933 verkauften "Volksempfänger“ (VE 301= 30.1. -Tag der Machtübertragung) als "Goebbels - Schnauze“. Das aktuelle Radioprogramm wurde täglich in der "Königs Wusterhausener Zeitung“ veröffentlicht. Am Abend des 21. März 1933 marschierten unter reger Teilnahme vieler Einwohner alle Nazi-Organisationen und nationalistischen Vereine mit einem Fackelzug durch den Ort. Auch die Eichwalder Schulen hatten sich daran zu beteiligen. Feuerstöße, Fackelzüge, Blaskapellen, militante Aufmärsche - all das gehörte in den nun folgenden Jahren zum Erscheinungsbild öffentlichen Lebens in der Gemeinde. Wie überall verbreitete sich im Ort das hoffnungsvolle Gefühl, jetzt hätte "eine neue Zeit" begonnen, mit der "alles anders werden" würde. So versprachen es die Naziführer jedenfalls.

Mit dem sogenannten Gleichschaltungsgesetz vom 31. März wurden in allen Parlamenten, vom Reichstag bis zu den Gemeindeparlamenten, die gewonnenen Sitze auf Wahlvorschläge der KPD für unwirksam erklärt, deren Reichstagsmandate bereits am 9. März annulliert worden waren. Der SPD wurden die Mandate vom Reichstag bis in die Kommunalparlamente mit der Verfügung des NS-Innenministers Frick vom 21. Juni 1933 kassiert und die Partei faktisch verboten. Das Verbot per Gesetz erfolgte am 14. Juli 1933. Die Volks-, Berufs- und Betriebszählung am 16. Juni 1933 ergab in Eichwalde 4.815 Einwohner.


1 Berndt- Jürgen Wendt : Deutschland 1933-1945. Das Dritte Reich. Handbuch zur Geschichte, Hannover 1995, S. 59 ff
2 Vgl. Bernhard Sauer: Schwarze Reichswehr und Fememorde. Eine Milieustudie zum Rechtsradikalismus in der Weimarer Republik. Berlin 2004.
3 Bernhard Biermann(Hg.): Heimatbuch der Gemeinde Eichwalde,1938, S.539 ff (i.f.H e i m a t b u c h).
4 Wolfgang Benz : Geschichte des Dritten Reiches, München 2003, S.14. (i.f. B e n z ).
5 Zusammenstellung nach Unterlagen im Kreisarchiv des Landkreises Dahme-Spreewald, Bestand Eichwalde, ( i. f. K r e i s a r c h i v , B. E. ) durch Reiner Brandhorst, Eichwalde.
6 Vgl. Königs Wusterhausener Zeitung ( i.f. K W Z )v. 31. Januar 1933. Staatsbibliothek zu Berlin, Sign.: Ztg.1300 MR. (1933 im Titel des Blattes der Stadtname noch als ein Wort, seit 1936 getrennte Schreibweise. Vgl. Adamy / Hübener / Leps. Königs Wusterhausen. Eine illustrierte Stadtgeschichte. Berlin,1998, S. 173, Anm. 27.) Eine ' Eichwalder Zeitung' wird zunächst als Nebenausgabe genannt, später als mit der KWZ vereinigt ". Die Geschäftsstelle der 'Eichwalder Zeitung' befand sich in der Bahnhofstr.10 bei dem Buchdrucker Fritz Koch. Es scheint so, als wäre die 'Eichwalder Zeitung' 1933 einige Zeit noch separat erschienen (Vgl. KWZ v. 12. Mai 1933), aber bisher ist kein derartiges Exemplar bekannt.
7 Vgl. Wendt, a. a. O.,S. 76. u. Pätzold / Weißbecker, a. a. O., S. 232.
8 Kurt Pätzold / Manfred Weißbecker : Adolf Hitler. Eine politische Biographie. Leipzig 1995,S. 234 f.
9 Vgl. Martin Broszat u.w. (Hg.): Ploetz . Das Dritte Reich. Ursprünge, Ereignisse, Wirkungen. S. 29.( i.f. P l o e t z ). Außerdem: Sebastian Haffner: Germany: Jekyll & Hyde, 1939 – Deutschland von innen betrachtet. Berlin ,1996,S.162. ( i.f. H a f f n e r )
10 Vgl. Teltower Kreisblatt v. 15. Februar 1933. ( i.f. T K B )Staatsbibliothek zu Berlin. Sign. Ztg. 724g.
11 Heimatbuch ,S. 590.
12 KWZ v. 3. Februar 1933.
13 Vgl. Anm.7.
14 In einem Bericht von Paul Meyer, Eichwalde, Gartenstr. 11, o.D., wird diese Aktion für die Zeit nach der Verhaftung Thälmanns (3. März 1933) erinnert, was nicht gänzlich auszuschließen ist. Vgl. Kopie Heimatarchiv, S. 3 .
15 Vgl. Autorenkollektiv ( Hg.): Lehrbuch der deutschen Geschichte ( Beiträge ), Bd.11, Berlin 1969, S.24. ( i. f. B e i t r ä g e ).
16 KWZ v. 8. Februar 1933.
17 KWZ v. 7. Februar 1933.
18 Bericht Erich Krüger, Eichwalde, Gerhart-Hauptmann-Allee, im Jahre 2003.
19 Vgl. Heimatbuch, S. 546 f.
20 KWZ v. 28. Februar 1933.
21 Ploetz, a.a.O., S.91.
22 Vgl. Franz Dahlem: Am Vorabend des zweiten Weltkrieges,.1938 bis August 1939. Erinnerungen, Bd. 1, Berlin 1977, S.184.
23 Kopie Heimatarchiv, Dok. v. 6. März 1933.
24 Heinrich-Wilhelm Wörmann : Widerstand in Köpenick . Bd.9 der Schriftenreihe über den Widerstand in Berlin von 1933 bis 1945, Gedenkstätte Deutscher Widerstand (Hg.), Berlin 1995, S. 164 f. Kolbenhoff wohnte wahrscheinlich in der sog. Schmöckwitzer Siedlung. Bedingt u.a. durch die Organisationsstruktur der KPD, sind bestimmte Ereignisse sowohl ' Randberliner' - als auch Eichwalder Vorgänge.
25 KWZ v. 5. März 1933
26 Heimatbuch, S. 558.
27 Vgl. TKB v.3. März , KWZ v. 26. Februar und 10. März 1933.
28 Die Angaben zu den Wahlergebnissen sind im TKB v. 6. März, in der KWZ v. 7. März 1933 und im Heimatbuch v. 1938 voneinander abweichend.
29 KWZ v. 7. März 1933
30 Kreisarchiv , B.E. ,Nr. 145.
31 KWZ v.14. März 1933
32 KWZ v. 6. April 1933
33 Kreisarchiv, B.E., Nr.145.
34 Ploetz, S.52.


Machtausbau

Am 6. April 1933 versammelten sich im Rathaussaal die neugewählten Gemeindevertreter zu ihrer ersten Sitzung. Die Zeitung berichtete: " Der Saal war festlich mit schwarz-weiß-roten und Hakenkreuzfahnen geschmückt." Laut vorläufiger Flaggenverordnung des Reichspräsidenten Hindenburg galten seit dem 12. März 1933 die schwarz-weiß-rote Fahne und die Hakenkreuzfahne als gemeinsame Reichsfahnen. Es war eine von den Nazis wegen noch nicht eindeutiger Mehrheitsverhältnisse im Reichstag ungeliebte Zwischenlösung. Der Doppelzustand wurde mit dem Reichsflaggengesetz vom 15. September 1935 beseitigt und die Hakenkreuzflagge zur alleinigen Reichsfahne. Obwohl es anscheinend Äußerlichkeiten waren, ließen die Reichsfarben schwarz-weiß-rot, die sich auch in der Hakenkreuzfahne fanden, die Symbiose konservativer Feinde der Weimarer Republik mit der Hitlerbewegung erkennen. Eichwaldes Weg unter dem Hakenkreuz hatte - anscheinend endgültig - begonnen.

Zur Festigung der faschistischen Diktatur ging die NSDAP zielstrebig an die weitere Vernichtung der bürgerlich-parlamentarischen Demokratie. Um dafür freie Hand zu bekommen, entledigte sich die Hitlerregierung mit dem "Gesetz zur Behebung der Not von Volk und Reich" (‘Ermächtigungsgesetz’) am 23. März 1933 aller Bindungen der Verfassung und jeglicher parlamentarischer Kontrolle. Der Errichtung einer totalitären Herrschaft stand nichts mehr im Wege. Am 24. März 1933 dankte der Reichsverband der deutschen Industrie Hitler für die Sicherung der Wirtschaft vor 'Störungen' und 'politischen Schwankungen'.

Mit dem Ermächtigungsgesetz hatte sich das NS-Regime den Anschein der Legalität verschafft. Die Regierung selbst konnte jetzt ohne das Parlament sogar von der Verfassung abweichende Gesetze zur Stabilisierung der NS-Diktatur erlassen. Um gegen möglichen Widerstand von Parlamenten der deutschen Länder und Gemeinden die Reichsregierungspolitik einheitlich verwirklichen zu können, wurden nacheinander sogenannte Gleichschaltungsgesetze erlassen. Begrifflich abgeleitet von dem am 31. März erlassenen " Vorläufigen Gesetz zur Gleichschaltung der Länder mit dem Reich ", leiteten sie den Stabilisierungsprozeß der NS-Herrschaft ein, die rein formal erst im "Reich", aber noch nicht in den Ländern etabliert war. Mit diesem Gesetz wurde zunächst deren Selbständigkeit beseitigt, ihre Parlamente ohne Neuwahlen umgebildet ( in Preußen durch Gesetze vom 17.Juli sowie vom 15. Dezember 1933 ) und schließlich am 30. Januar 1934 mit dem "Gesetz über den Neuaufbau des Reiches" beseitigt. Am 7. April 1933 wurden mit einem weiteren Gesetz sogenannte Reichsstatthalter zur Überwachung der von Hitler bestimmten politischen Richtlinien eingesetzt. Sie konnten in ihren Ländern Regierungen ernennen und Gesetze erlassen. Hitler, der in Preußen selbst die Rechte eines Statthalters ausübte, übertrug Göring als preußischem Ministerpräsidenten und Innenminister Befugnisse zu deren Wahrnehmung. Dieser ließ im Preußischen Landtag gegen die Stimmen der SPD - die KPD-Abgeordneten waren bereits ausgeschlossen, verfolgt und verhaftet - am 18. Mai extra ein preußisches Ermächtigungsgesetz für die preußische Staatsregierung beschließen, mit dem nach den Märzwahlen die Gleichschaltung Preußens zu Ende geführt wurde. Er hatte bereits das Geheime Staatspolizeiamt mit Sitz in Berlin errichtet und mit besonderen Vollmachten ausgestattet, welche bald auf ganz Deutschland ausgedehnt wurden.

Die Gleichschaltungsgesetze stärkten die Reichsgewalt, also den Platz Hitlers als Reichskanzler und seiner als Diktatoren praktizierenden Statthalter. Dem Willen des "Führers" wurde alles untergeordnet, diese Beseitigung parlamentarischer Demokratie als Sieg verkündet. Weil für die Durchsetzung einer derartigen Politik eine willfährige Beamtenschaft erforderlich war, wurde am 7. April das "Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums" erlassen. Es begann die sogenannte Säuberung der staatlichen Verwaltung und nicht nur dort. Die "Gleichschaltung“ erwies sich als verschleiernde Bezeichnung für die mit offenem Terror gepaarte Methode der Machteroberung, als Sprachregelung für all jene Ereignisse, die nichts anderes als die Zerschlagung, Ausschaltung und Vernichtung bestehender bürgerlich-demokratischer Strukturen, politischer Gegner, besonders der Arbeiterparteien, der Gewerkschaften, Organisationen, Verbände und Vereine waren.

Für das Eichwalder 'Gemeindeparlament' bedeuteten alle diese Vorgänge folgendes: Eine Aufhebung und Neubildung der Gemeindevertretung war durch die eben abgehaltenen Wahlen in Preußen im Unterschied zu den anderen Ländern zunächst nicht erforderlich. Aber selbst hier sollte dem 'Ortsparlament' nur noch formal eine Lebenszeit bis Dezember beschieden sein. Noch sollte alles sehr demokratisch aussehen, obwohl längst die Beseitigung des parlamentarischen Systems durch die Nazis in vollem Gange war. Außerdem konnte man nun endlich den politischen Gegnern im Ort zeigen, wie gerne man gewillt war, die neuen politischen Machtverhältnisse zu genießen und auszuspielen. Wie einleitend erwähnt, trat am 6. April 1933 die von der NSDAP dominierte neugewählte Gemeindevertretung im Rathaussaal zu ihrer ersten Sitzung zusammen und wurde vom bisherigen Amts- und Gemeindevorsteher, Hans Friedrich, per Handschlag zur gewissenhaften Erfüllung ihrer Aufgaben verpflichtet. Am 16. April ließ ein Pressebericht durchblicken, wie die SPD-Vertreter bei der Wahl der Gemeindeschöffen isoliert worden waren. Vor der Wahl der Gemeindeschöffen hatten sich NSDAP und die Kampffront 'Schwarz-Weiß-Rot' Eichwaldes auf gemeinsame Kandidaten geeinigt. Die "KönigsWusterhausener Zeitung“, die sich immer offensichtlicher als NS-Blatt profilierte, schrieb triumphierend:" Eine erdrückende Mehrheit der nationalen Regierungsparteien wird hinfort die Geschicke unseres Ortes leiten “. Die beiden Sitze der SPD wurden im Juli annulliert. Als sich die bürgerlichen Parteien im Juni /Juli von selbst auflösten, wurden die zwei Vertreter der Kampffront 'Schwarz-Weiß-Rot' in die NSDAP-Fraktion der Eichwalder Gemeindevertretung aufgenommen. Der Spitzenkandidat der "Unpolitischen Bürgerliste“, Kaufmann Erich Michler, legte sein Amt als Gemeindevertreter, vermutlich im Zusammenhang mit der Auflösung dieser Parteien, im Juli 1933 nieder. An seine Stelle trat der Klempnermeister Walter Schmidt.

Nachdem KPD und SPD, die Hauptgegner des NS-Regimes, ausgeschaltet waren, verboten und verfolgt wurden, kam die Reihe an die Gewerkschaften. Die Hitler-Regierung hatte den Internationalen Kampf- und Feiertag der Arbeiter, den 1. Mai, zum gesetzlich festgelegten "Tag der nationalen Arbeit “ bestimmt. Demagogisch wurde diese Tradition der Arbeiterbewegung mißbraucht und der Tag mit überall angesetzten Massenkundgebungen als Generalprobe für weitere Manipulationen im Zeichen einer sogenannten "Volksgemeinschaft“ begangen. Erstmals 1933 auf dem Berliner Tempelhofer Feld zentral durchgeführt und gleichzeitig in Eichwalde 'in neuer Weise' veranstaltet, wurde der 1. Mai zu einem monströsen Spektakel aufgezogen. Kirchenglocken läuteten, alle Nazi-Formationen, militaristischen Vereine, Feuerwehr, sonstige Gruppierungen und Sparten bewegten sich schon seit 7 Uhr bei Blasmusik durch den Ort und hörten die "kernige“ Ansprache des kommissarischen Ortsgruppenleiters der NSDAP. Auf dem Volksfestplatz, dem heutigen Schillerplatz, ertönte ab 9 Uhr die Lautsprecher-Übertragung der Goebbelsrede aus dem Berliner Lustgarten. Von angeblich 1000 Teilnehmern wurde laut Zeitung berichtet, 10 Tage später diese nicht sehr beeindruckende Zahl auf 4000 geschönt. Besonders wurde auf die Speisung von etwa 700 Bedürftigen, von Arbeitslosen und Empfängern von Wohlfahrtsgeld, hingewiesen. Der Hitlerstaat sollte als Ordnung der Gerechtigkeit, Gleichheit und Fürsorge angesehen werden. Deshalb hatten Firmeninhaber und Geschäftsleute, die bald "Gefolgschaftsführer“ hießen, am 1.Mai in Reih und Glied mit ihren Arbeitern und Angestellten zu marschieren.

Eichwalder KPD-Mitglieder und Arbeitersportler kamen an diesem Tag auf verschiedenen Straßen und Wegen mit Gleichgesinnten aus dem ganzen KPD-Unterbezirk zu einer durch Antifaschisten weiträumig gesicherten illegalen Maifeier bei Grünheide zusammen. Ein Jahr später, als wieder nach nun erprobtem NS-Muster der 1. Mai in Eichwalde veranstaltet wurde, stellte man einen Film über den Verlauf dieses Tages im Ort her, der als Vorfilm bei Kinoveranstaltungen gezeigt wurde. Am 2. Mai 1933 wurden die Gewerkschaften zerschlagen und ihre Mitglieder in die am 10. Mai gebildete und der NSDAP angeschlossene "Deutsche Arbeitsfront“ (DAF) genötigt. Führende Gewerkschaftsfunktionäre kamen in sogenannte 'Schutzhaft '. Einige Gewerkschaftsführer, die in der Eichwalder Gewerkschaftssiedlung an der Waldstraße wohnten und nun verfolgt wurden, verließen Deutschland. So der Vorsitzende im Hauptvorstand des „Gesamtverbandes der Arbeitnehmer der öffentlichen Betriebe und des Personen- und Warenverkehrs“, Mitglied des Reichstages Anton Reißner (1890-1940), der nach seiner Festnahme im April 1933 und mehreren Monaten Haft in die Niederlande emigrierte. Nach Auflösung der Gewerkschaften und Bildung der "Deutschen Arbeitsfront " mit der NS-Gemeinschaft "Kraft durch Freude“( KdF) wurde in Eichwalde zunächst eine Ortsgruppe der Nationalsozialistischen Betriebszellenorganisation (NSBO), seit Januar 1934 die DAF installiert.

Das " Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums “ vom 7. April 1933 galt natürlich auch in Eichwalde als Maßstab für eine Weiterverwendung im Staatsdienst. Es richtete sich vornehmlich gegen Parteimitglieder und Sympathisanten linker Parteien sowie gegen alle politisch unzuverlässigen Beamten. Wer auch nur im Verdacht stand, republikanisch zu denken, wurde in den Ruhestand versetzt. Überall begann eine Welle politischer "Säuberungen“, die " Bereinigung des Personalbestandes von Juden und Marxisten", die Ausschaltung aller Personen, die irgendwelcher Antipathien gegen den Faschismus verdächtigt wurden, besonders in öffentlichen Verwaltungen und Einrichtungen.

Der seit Dezember 1921 tätige und mit Wirkung vom 28. Mai 1925 für 12 Jahre bestätigte Amts- und Gemeindevorsteher Friedrich wurde trotz seines beflissenen Bekenntnisses zur 'nationalen Bewegung' offenbar nicht länger für geeignet gehalten, seine Arbeit fortzusetzen. Er wurde am 25. Juli 1933 zunächst durch den Referendar Louis Hähner abgelöst, der zuvor als kommissarischer Gemeindevorsteher in Schulzendorf tätig gewesenen war, sich hier bereits nach Meinung der Nazis "bewährt" hatte und nun in Eichwalde gleichfalls kommissarisch als Amts- und Gemeindevorstehers eingesetzt wurde.

Das Beamtengesetz war mit dem §3, dem "Arierparagraphen“, zugleich die erste Maßnahme einer legalisierten Judenverfolgung. Danach galt als "nichtarisch“, wer einen jüdischen Elternteil oder Großelternteil hatte. Schon1939 versuchte der deutsche Publizist Sebastian Haffner die Frage zu beantworten, wer eigentlich ein Nazi sei. Er schrieb: " Woran erkennt man ihn? Sicherlich nicht daran, daß er eine Hakenkreuzfahne aus seinem Fenster hängt. Heute tut das jeder in Deutschland. Es bedeutet nichts. Er ist auch nicht daran erkennbar, daß er Mitglied irgendeiner NS-Gliederung oder der Partei ist. Jeder, der eine Familie hat, für die er sorgen muß, und es sich nicht leisten kann, seine Arbeit zu verlieren, ist in der einen oder anderen nationalsozialistischen Organisation. Und hat er das Pech, einen Beruf auszuüben, in dem die Mitgliedschaft in der NSDAP gefordert wird, tritt er ihr bei.....Das wichtigste und einfachste Kriterium ist die Haltung zur Politik gegenüber den Juden in Deutschland.“

Auch wenn die Antwort neue Fragen ergibt, ist sie doch hilfreich für die Beurteilung mancher örtlicher Ereignisse und Personen dieser Jahre, in denen sich die Mehrzahl der Bürger ab jetzt gegenüber den Nazis zustimmend, mindestens aber loyal verhielt. Die "Gleichschaltung“ war in Eichwalde außer in den politischen Gremien an weiteren Beispielen zu erleben: Parteigänger der Nazis oder ihnen nahestehende Personen, die nicht immer der NSDAP angehören mußten, rückten auch in Eichwalde an die Spitze von öffentlichen Einrichtungen oder örtlichen Vereinen jeder Art. Die bisher in den öffentlichen Funktionen tätigen Bürger wurden auf ihre Gesinnung überprüft.

Die Gemeindeschule oder auch Volksschule (Klassen1 bis 8) Eichwalde leitete schon seit 1917 Rektor Richard Froböse, die gehobene und höhere Schule, später Reformrealprogymnasium (Klassen 5 bis12) seit 1920 Studien-Direktor Dr. Karl Hohmann. Die Leiter beider Schulen waren für geeignet befunden worden, ihre Ämter weiter auszuüben. Sie waren dem NS-Regime nicht verdächtig. Beide hielten es wahrscheinlich für opportun und berufserhaltend, Mitglied der NSDAP zu werden, wie es in der Beamtenschaft besonders viele Lehrer taten. Bereits seit 1929 waren Eichwalder Lehrer im NS-Lehrerbund des Kreises Teltow organisiert, bevor sich 1934 eine der NSDAP angeschlossene selbständige Ortsgruppe mit dem "Ortsgruppenamtswalter" Studienrat Richard Klein bildete, die auch pensionierte Lehrer einschloß. Im Schulbetrieb wurden sehr schnell mehrere Schritte der Gleichschaltung eingeleitet. "Seit dem Tage der nationalen Erhebung am 30.1. regte sich auch in unserer Schule ein neuer Geist...", schrieb Dr. Hohmann im Bericht über das Schuljahr 1932/33. Hierzu einige Beispiele für die Zerschlagung demokratischer Strukturen: Der Elternbeirat der Schule wurde mit Runderlaß des Preußischen Innenministers vom 10. April 1933 abgeschafft, dafür ein Schulausschuß gebildet, in dem jetzt mehrere Mitglieder der NSDAP, u.a. Rechtsanwalt Lesser und Fabrikant Micklei sowie der Ortsgruppenführer des "Stahlhelm" und Lehrer am örtlichen Gymnasium, Studienrat Krönke, vertreten waren. Ihm durften keine Mitglieder angehören, die einmal auf Vorschlag der SPD oder KPD in den Elternbeirat gewählt worden waren. Lt. Runderlaß vom 7. August 1933, nach dem Verbot der SPD, mußten Schulbeamte und andere Schulangestellte, die der SPD angehört hatten, eine entsprechende Loyalitätserklärung an die Schulabteilung des Oberpräsidenten der Provinz Brandenburg einreichen. Eine "Konferenzordnung für höhere Schulen" bestimmte, daß künftig nicht mehr in Form von "wechselnden Mehrheitsbeschlüssen der Lehrerschaft " über Maßnahmen des Direktors entschieden werde. Sie wies der Konferenz nur noch beratende Befugnisse zu. Der Direktor war jetzt gegenüber der 'Schulabteilung beim Oberpräsidenten der Provinz Brandenburg und von Berlin' persönlich " für den nationalsozialistischen Geist und die Leistungen seiner Schule verantwortlich ".

Systematisch wurden Schulen als Bestandteil faschistischer ideologischer Ausrichtung profiliert, insbesondere durch Richtlinien zur Vermittlung eines heroischen nationalistischen Geschichtsbildes sowie der Rassen- und Vererbungslehre. Hier wurden jene Vorstellungen von deutschem Weltmachtanspruch entwickelt und rassistisch begründet, die sich zuerst in der Ausgrenzung und Verfolgung von Juden und weiterer Minderheiten in Deutschland und darauf im Kampf für die Gewinnung von "Lebensraum" gegen slawische "Untermenschen" und den "jüdischen Bolschewismus" während des Krieges furchtbar verwirklichen sollten. Eichwalder Lehrer hatten sich seit April 1934 zu Kursen über Vererbungslehre, Rassenkunde, Rassenhygiene, Familienkunde und Bevölkerungspolitik anzumelden. Die Formung von Kindern und Jugendlichen im NS-Geist war aber in erster Linie Angelegenheit der HJ. In den Schulen Eichwaldes existierten schon seit 1930 NS-Jugendgruppen, ebenso eine 80 Mitglieder zählende Schulgruppe des "Vereins für das Deutschtum im Ausland (VDA)“, der seit Juni 1933 als Zeichen aktiver Zielstellung "Volksbund “ hieß. Im Gymnasium war von Studienrat Krönke am 20. März 1933 noch eine sogenannte Scharnhorstgruppe mit zunächst 27 Schülern gegründet worden, sozusagen eine Jugendorganisation des Stahlhelm. Aber auch sie wurde nicht neben der Hitlerjugend geduldet. Im Sommer 1933 wurde die letzte der neben der HJ bestehenden Eichwalder Jugendgruppen, die Reichspfadfindergruppe, gewaltsam von Mitgliedern der HJ aufgelöst, indem die einen Ausflug unternehmende Gruppe in ihrem Heim überfallen wurde. Als die Werbung für die HJ durch Lehrer im August 1935 angeordnet wurde, konnte Eichwalde schon eine Mitgliedschaft von 90 Prozent aller Schüler melden. Öffentlich wurden Eltern ermahnt, daß die Zugehörigkeit zur Hitlerjugend das beste Bekenntnis zum Nationalsozialismus sei. Von 1934 bis 1937 wurden wöchentlich in den Schulen sogenannte Staatsjugendtage durchgeführt.

Obwohl nach dem 30. Januar 1933 der NS-Geist auch in die Eichwalder Schulen offiziell eingezogen war, seit 21. März neben Hindenburg-Bildern auch Hitlerbilder in der Schule anzubringen waren, seit 22. Juli der Hitlergruß als sogenannter "Deutscher Gruß“ an Schulen obligatorisch wurde und Auszüge aus Hitlers "Mein Kampf “ an der Eichwalder Schule als Vorlage für den Kurzschrift-Unterricht verwendet wurden, blieb dennoch für die Infiltration des "neuen Geistes" viel zu tun. Der Gemeinderat bewilligte im Juni 1933 Geldmittel zur Anschaffung einer Radioanlage für die Schule. Nun konnten Führerreden und NS-Veranstaltungen original verfolgt werden. Anschließend berichteten die Schüler darüber in den Familien und trugen so zur Verbreitung der NS-Ideologie bei. Zwei HJ-Mitglieder des Eichwalder Gymnasiums durften im September 1933 zum Reichsparteitag der NSDAP nach Nürnberg fahren, nachdem sie in einem Vorbereitungslager auf dem Schütte-Lanz-Gelände in Zeesen in ihre Statistenrolle eingewiesen worden waren. Lehrer betätigten sich auch als Führer von NS-Jugendorganisationen. Der Volksschullehrer Zinngraf, ein trotz reichlicher Anwendung des Rohrstocks beliebter Lehrer, zeigte hier als SA-Mitglied besonders viel Engagement. Gleichzeitig trat er judenfeindlich in Erscheinung. Frau Weis, geb. Freudenberg, erzählte: " In der Volksschule gab es zu meinem Glück den Rektor Froböse, der mich gegen antisemitische Anfeindungen mancher Mitschüler ("Judensau!") in Schutz genommen hat und mitunter deren Eltern zur Aussprache in die Schule bestellte. Ein feiner Mensch! Danach hatte ich vor denen dann Ruhe. Weniger gut erging es mir bei dem Lehrer Zingraff, einem Super-Nazi. Ich lebte nur in Angst vor diesem Lehrer, er hat mich regelrecht gequält, weil er wußte, daß mein Vater ein Jude war." Frau Judith Hartung erinnerte sich schwärmerisch an den Rektor der Volksschule, Froböse: „Welch ein Pädagoge!“ Leider war für ihn, so erzählte sie, wie bei allen Lehrern dieser Zeit der Rohrstock ein unerläßliches und teilweise häufig angewandtes Erziehungsmittel, aber kaum jemand verstand damals, wie er es fertig brachte, den zur Pflicht gewordenen "deutschen Gruß“ stets mit einem Räuspern und Hustenanfall beim Betreten der Klasse zu vermeiden." Einmal übergab er ihr, da sie Lehrerin werden wollte, ein Reclamheft mit Lessings "Nathan der Weise“, empfahl ihr, es zu lesen und bot an, mit ihr darüber zu sprechen. "Ob er sich mit aller Konsequenz klar war, welcher Gefahr er sich möglicherweise aussetzte?“, so fragte sich seine ehemalige Schülerin rückblickend.

Am 26. Oktober 1937 wurden Reichsrichtlinien für den Schulunterricht im NS-Geist erlassen. Für die Höheren Schulen war der Erlaß über Erziehung und Unterricht vom 29. Januar 1938 verbindlich, mit welchem der seit 1936 laufende Prozess der Vereinheitlichung der Höheren Schulen abgeschlossen wurde. Der bislang neunjährige Besuch der Höheren Schule wurde mit Anschluß an vier Volksschuljahre auf acht Jahre verkürzt. Seit April 1939 war Turnen Abiturfach. Seit 1938 benannte man das bisherige "Reformrealprogymnasium mit Realschule" in Eichwalde offiziell als "Deutsche Oberschule für Jungen. (Miterziehung von Mädchen)". Während bislang Jungen und Mädchen gemeinsam unterrichtet wurden, gab es jetzt getrennte Klassen. Jahre später, in einer "Amtlichen Bekanntmachung" von 1944, lautete die örtliche Schulbezeichnung "Oberschule für Jungen, Eichwalde (Sonderklassen für Mädchen 1-5)". Aus Berichten ehemaliger Schüler geht hervor, daß sich diese Neuorganisation nicht nachteilig auf die Bildungsqualität und das Leistungsniveau auswirkte, denn die Eichwalder Lehrerschaft soll äußerst bemüht gewesen sein, mit entsprechenden Anforderungen weiterhin ein hohes Bildungsniveau zu gewährleisten. Erinnerungen an Dr. Hohmann als Direktor des Gymnasiums bieten bei Rückblicken auf Eichwalder Schulverhältnisse in der NS-Zeit immer wieder interessanten Gesprächsstoff, nicht nur, weil er sich als Ur- und Frühgeschichtsforscher bereits damals einen Namen gemacht hatte. Als Mitglied der NSDAP, der 1935 am Reichsparteitag der NSDAP in Nürnberg teilnehmen konnte, galt er einerseits als zuverlässige Vertrauensperson des Regimes in der Schule. Andererseits hatte er sich trotz der herrschenden Verhältnisse seine grundsätzlich humanistische Gesinnung bewahrt, was ihm nach 1945 nicht vergessen wurde. Ein ehemaliger Kollege Dr. Hohmanns erinnerte sich: " Während der Terrorzeit war ich ein Jahr lang an der Schule in Eichwalde/Mark als Studienassessor tätig. Meine wichtigste Erinnerung daran ist die an das hochanständige, menschliche Verhalten des damaligen Schulleiters, Herrn Direktor Hohmann. Entgegen dem, was damals von einem Beamten als selbstverständlich erwartet wurde, war ich nicht in der Partei, also kein 'Pg', auch nicht in der sogenannten SA. Überdies gehörte ich der Bekennenden Kirche an, war Mitglied ihrer Schulkammer in Berlin, auch als sie ausdrücklich verboten wurde. Deshalb wurde ich von Schule zu Schule versetzt und so meine Anstellung als Studienrat verhindert. Trotzdem blieb Herr Direktor Hohmann ein korrekter und kollegialer Vorgesetzter und hat nie etwas gegen mich unternommen. Ihm galt und gilt meine Hochachtung...Meine Hauptpflicht bei der Erinnerung an diese Zeit ist also das ehrende Andenken an eine in demoralisierender Zeit lautere Persönlichkeit, Herrn Direktor Hohmann, Eichwalde / Mark.“

Die Stunde der Gleichschaltung und des Bekenntnisses der Freiwilligen Feuerwehr Eichwaldes zum NS-System war der 8. April 1933. Anlässlich ihrer Hauptversammlung ergriff im Anschluß an die Übergabe des neu errichteten Steigerturms der Amts- und Gemeindevorsteher Hans Friedrich das Wort zu seiner Ansprache. Er ging auf die 'nationale Erhebung' ein und sagte:" Nationales Bewußtsein ist Pflicht; auch die Feuerwehr muß sich auf den Boden der nationalen Regierung stellen. Wer dies nicht kann, muß sich eben zurückziehen. Mit einem dreifachen Sieg Heil schloß die inhaltsreiche Ansprache." Die "Interessengemeinschaft Eichwalder Grundbesitzer e.V." hatte am 12. Februar einen neuen Vorstand gewählt, der "zum Zwecke der Gleichschaltung" am 20. Mai seine Ämter zur Verfügung stellte. Nur zwei bisherige Vorstandsmitglieder wurden in einer 'außerordentlichen Generalversammlung auf legalem Wege' wieder gewählt; beide waren Mitglieder der NSDAP. Vorsitzender wurde der Ortsgruppenleiter der Nazipartei, Erich Rix. In der Mitgliederversammlung am 15. Juli wurde bekanntgegeben, daß der neue Vorstand inzwischen von der NSDAP bestätigt worden sei. Selbst das bislang von den Vereinen des Ortes vorbereitete "Eichwalder Volksfest " wurde vom 27. bis 29. August 1933 nun unter Leitung der NSDAP-Ortsgruppe veranstaltet. Das NS-System hatte begonnen, die Fest- und Feiertagskultur gleichzuschalten, sie mit dem Stempel 'völkischen Geistes' zu versehen.

Während sich in der evangelischen Kirche die Gleichschaltung allgemein kompliziert, vollzog, waren dagegen in Eichwalde die Verhältnisse eindeutig. Hier dominierten von Beginn an die mit dem Parteiprogramm der NSDAP übereinstimmenden "Deutschen Christen“, deren Ortsgruppe weitere Anmeldungen in der Moltkestraße 10 (Schulzendorfer Str.) oder direkt beim Pfarrer entgegenzunehmen bereit war. Bei der anstehenden Wahl des Gemeindekirchenrates im Juni 1933 erübrigte sich deshalb eine Wahlhandlung, weil die Mehrheit der Kandidaten nicht nur dieser Glaubensbewegung angehörte, sondern auch Mitglied der Hitlerpartei oder ihres Koalitionspartners, mindestens aber mit dem neuen Zeitgeist konform war. Auch bei der örtlichen katholischen Gemeindeführung konnte von einer Abgrenzung zum NS-Regime nicht die Rede sein.

"Gleichschaltung" konnte aber auch nur Verdrängung oder Vereinnahmung bedeuten. So wurde der "Kyffhäuserbund“ im Mai 1933 nach dem NS-Führerprinzip zu unbedingter Gefolgschaft gegenüber Hitler verpflichtet. Alle Mitglieder waren "auf Gesinnungstreue“ zu prüfen. Dieses 'Prinzip' bedeutete, egal wo es durchgesetzt wurde, praktisch die weitgehende Ausschaltung demokratischer Gepflogenheiten, die Unterordnung unter den Willen des von der NSDAP berufenen Führers der jeweiligen Organisation, den widerspruchslosen Befehlsempfang.

Am 13./14. Mai 1933 zelebrierte die Ortsgruppe des Stahlhelm eine zum Volksfest gestaltete Fahnenweihe. Es war sozusagen die verspätete Siegesfeier nach den März-Wahlen dieser seit dem 22. Februar 1933 als Hilfspolizei verwendeten militaristischen Vereinigung und als eine programmatische Veranstaltung für kommende Jahre gedacht. Der Stahlhelm-Landesführer mahnte "Einigkeit im nationalen Lager“ an und brachte seine Freude "über das gute Einvernehmen. zwischen dem Stahlhelm und der braunen Garde Hitlers“ in Eichwalde zum Ausdruck. Nachdem der Stahlhelm-Führer Seldte als Kabinettsmitglied am 26. April zur NSDAP übergetreten war, ahnte der 'Stahlhelmer' wohl die bevorstehende Gleichschaltung seines Vereins. Am 21. Juni 1933 unterstellte sich der Stahlhelm der SA-Führung, wurde 1935 aufgelöst und in die SA als SA-Reserve I eingegliedert.

Als am 15.Februar 1934 der Männerturnverein Eichwalde 04 e.V. seine Hauptversammlung abhielt, vollzog sich die Besetzung der Ämter wie folgt: Nur der Vereinsführer und die Kassenprüfer wurden gewählt. Die übrigen Ämter und seinen "Führerstab“ berief der Vereinsführer, der wiedergewählt worden war. Dem war allerdings im Dezember 1933 eine Intervention des Ortsgruppenleiters der NSDAP vorausgegangen, weil ihm der bisher amtierende Vorsitzende des Turnvereins, Walter Fielitz, nicht nationalsozialistisch genug erschien. Offenbar hatte sich Rix im Verlaufe des Jahres durchgesetzt. Die Kasse des Arbeitersportvereins wurde beschlagnahmt, der Verein mußte sich auflösen. Ein seit 1927 bestehender Arbeitergesangsverein "Schubert-Chor“ löste sich nach der "Gleichschaltung“ des Arbeiter-Sängerbundes auf. Bedauernd stellte der " Männergesangsverein Eichwalde 1919 “ fest, daß diese nun "frei gewordenen Sänger“ sich ihm jedoch nicht anschlossen. Der Eichwalder Männerchor hatte längst seinen Frieden mit den neuen politischen Verhältnissen gemacht.

In Eichwalde bestand seit 1932 eine Ortsgruppe des radikalen "NS-Kampfbundes für den gewerblichen Mittelstand“, der vor seiner Überführung in die NS-Hago, die "Nationalsozialistische Handwerks-, Handels- und Gewerbe-Organisation“, am 7. August 1933 die Gewerbetreibenden heftig umwarb, noch ehe sie zwangsläufig Mitglieder dieser der NSDAP angeschlossenen Organisation wurden. Leiter der Eichwalder NS-Hago-Ortsgruppe war zunächst der Inhaber der Tischlereifirma Rottschäfer, seit 1934 der Inhaber eines Foto-Kino-Geschäfts, Johannes Wollermann. Das "Führerprinzip“ wurde im Handel und Handwerk mit der Bildung von Reichsständen und Pflichtinnungen durchgesetzt. So zeigte sich am Beispiel Eichwaldes, wie die "Gleichschaltung" hinunter in die Gemeinden, bis in ihr gesellschaftliches- und Vereinsleben reichte. Alles und jeder hatte sich den Nationalsozialisten zu unterstellen. Recht schnell entschlossen sich jetzt mehrere Eichwalder, bei den eben noch belächelten oder als nicht gesellschaftsfähig angesehenen Nazis mitzumachen. Ende Dezember 1932 hatte die Hitlerpartei im Ort 51 Mitglieder aufzuweisen, im Dezember 1933 schon 117 Mitglieder und 211 Parteianwärter. Dazu hatte auch die Auflösung bürgerlicher Parteien beigetragen, die mitunter ihren Parteigängern die Mitarbeit bei den Nazis empfahlen. Die SA konnte sich von einem der Zeuthener SA angeschlossenen "Trupp“ zu einem eigenständigen "Sturm“ verstärken. Mit dem "Gesetz gegen die Neubildung von Parteien“ vom 14. Juli 1933 hatte die NSDAP die Gleichschaltung der Parlamente vollzogen und setzte diesen Prozeß auf breiter Front in allen anderen gesellschaftlichen Bereichen fort. Ein Organisationsprinzip der Nazis, die Verschmelzung politischer und staatlicher Ämter, hatte in Eichwalde durch Personalunion des Bürgermeisteramtes und der Funktion des Ortsgruppenleiters einen prägnanten Ausdruck gefunden. Das "Gemeindeverfassungsgesetz" vom 15. Dezember 1933 beseitigte die Gemeinderäte als gewählte Organe. Die alleinige Machtbefugnis und Verantwortung erhielt der von der NSDAP eingesetzte "Gemeindeleiter", der den Gemeinderat zu Sitzungen einberufen konnte, wenn er wollte. Im Vorfeld der Berufung des 'Gemeindeleiters' der Landgemeinde Eichwalde kam es zu einem unter Aktendeckeln gehaltenen Skandal. Es war in Eichwalder Nazi- und deutsch-nationalen 'Kampfbund'- Kreisen bekannt, daß die Kreisleitung Teltow der NSDAP sich für den Handelsvertreter Erich Rix als ehrenamtlichen Gemeindeschulzen entschieden hatte. Da platzte am 7. Juni 1934 ein mehrseitiges Schreiben an den Potsdamer Regierungspräsidenten in das mit Amtseinführungen von Bürgermeistern und Gemeindeschulzen voll beschäftigte Landratsamt des Kreises Teltow. Am gleichen Tage war schon die amtliche Berufung für Rix verfügt worden und seine Einführung stand bevor. Der Absender, ein P. Behrendt, warnte ausdrücklich vor Rix und dem als Gemeindeältesten vorgesehenen Nazi Sommer, vor letzterem, weil er in 'wilder Ehe' lebte. Rix wurde als Speichellecker, Intrigant und Karrierist bezeichnet, hinter dem nur 5 Prozent der Eichwalder stünden, besonders die SA und die in der NS-Hago organisierten Handels- und Gewerbetreibenden würden ihn gänzlich ablehnen. Es wurden Zeugen für diese Behauptungen genannt, die umgehend dazu befragt wurden. Es stellte sich heraus, daß weder der Absender bekannt war noch die Zeugen von dem Schreiben Kenntnis hatten, es sich somit um ein anonymes Schreiben handelte. Der Absender konnte nie ermittelt werden. Allerdings bestätigten sich einige Behauptungen. Vermutlicher Hintergrund waren Eichwalder 'Fraktionskämpfe' zwischen ehemals deutschnationalen und den 'siegreichen' nationalsozialistischen Kreisen. Ebenso, wie sich führende konservativ-nationale Kreise bei ihrem Versuch der "Einrahmung" von drei NSDAP-Vertretern mit acht deutschnationalen oder parteilosen Ministern im Hitlerkabinett verkalkuliert hatten, so waren im Ort gleichfalls gewisse bürgerlich-konservative Kräfte in Eichwalde enttäuscht, von den Nazis derart an den Rand gedrängt zu werden. Besonders schwerwiegend war, daß die örtlichen SA-Führer Gusinde und Schoener erklärten, von der Eichwalder SA werde Rix rein gefühlsmäßig abgelehnt. Die Berufung von Sommer wurde zurückgezogen, aber durch Entscheid der NS-Führung des Kreises blieb es bei der Berufung von Rix. Die Beschwerde wurde mit folgender Ergänzung zu den Akten gelegt:" Sollte Rix die in ihn gesetzten Erwartungen nicht erfüllen, so bliebe immerhin die Möglichkeit, ihn gemäß § 37 des Gemeindeverfassungsgesetzes bis zum Ablauf des ersten Amtsjahres jederzeit abzuberufen."

Am 11. Juni 1934 wurde nach Verfügung des Landrates vom 7. Juni 1934 der Ortsgruppenleiter der NSDAP, Erich Rix , an die Spitze der Gemeindeverwaltung gestellt. Zu Gemeindeschöffen (Beigeordnete) wurden Willi Micklei (Mitglied der NSDAP seit 1. August 1930), Albert Schwerdtner (Mitglied der NSDAP seit 1. April 1931) und der später kriminell gewordene Nazi Megow ernannt. Von da an tat Rix alles, um den jederzeit widerrufbaren Vertrauensvorschuß zu rechtfertigen. Er war bestrebt, in jeder Hinsicht nach seinem Motto "Eichwalde voran!" an der Spitze zu stehen, als organisationsbegabter Gemeindeleiter, markanter 'NS-Führer' gegenüber der Bevölkerung, scharfmacherischer Propagandaredner und als konsequenter Judenfeind. So konnte er mit Wirkung vom 24. November 1937 als hauptamtlicher Bürgermeister (Beamter auf Zeit) für 12 Jahre bestätigt werden.

Entsprechend dem Preußischen Gemeindeverfassungsgesetz vom 15. Dezember 1933 bezeichnete man den Leiter der Gemeindeverwaltung (ab 3. Januar 1934) als "Gemeindeschulze“. Die NSDAP berief die Mitglieder der Gemeinderäte, die nicht mehr gewählt, sondern ebenso wie der Bürgermeister nach Bestätigung durch die NS-Aufsichtsbehörde eingesetzt wurden. Im Oktober 1935 zum Beispiel waren 11 ortsbekannte Nazis in den Gemeinderat berufen worden, von denen keiner bei der letzten Wahl am 12. März 1933 gewählt worden war. Die Mitarbeiter des Amtes galten, wie in allen Betrieben und Einrichtungen, als Gefolgschaft. Erst mit der neuen Gemeindeordnung vom 30. Januar 1935 hieß das Amt wieder "Bürgermeister“, ohne etwas an den diktatorischen Vollmachten des NS-'Dorfkönigs' – scherzhaft wurde Rix gelegentlich mit 'Rex' tituliert, Eichwalde als 'Rixdorf' – zu verändern. Anläßlich dieser gesetzlichen Neuregelung hatte der Reichsinnenminister nochmals eindringlich die "unbeschränkte Führerverantwortlichkeit“ als Grundsatz der Gemeindeverwaltungen betont. " Der Parlamentarismus ist aus den Gemeindestuben endgültig verbannt“, ließ Reichsinnenminister Frick verlauten. Als im Januar 1935 der Gauleiter der NSDAP vor den Gemeindevorstehern sprach, erklärte er: "Gemeindeschulze im Dritten Reich ist mehr, als Oberbürgermeister von Berlin in der Judenrepublik zu sein!“


1 KWZ v. 6. April 1933.
2 Zit. nach : Heinz Bergschicker : Deutsche Chronik, 1933 – 1945.Ein Zeitbild der faschistischen Diktatur. Berlin 1982, S. 28 .
3 Ploetz, S.32 u. 95.
4 TKB v. 19.Mai 1933 (Beilage).
5 Ploetz, S.96.
6 Vgl. Beiträge, S.52; Benz, S.23.
7 KWZ v. 16. April 1933.
8 Ebenda
9 KWZ v. 25. Juli u. 17.September 1933.
10 Vgl. Beiträge, S.37 ff.
11 KWZ v. 4. Mai 1933.
12 Heimatarchiv Eichwalde : Bericht Paul Meyer, Eichwalde, Gartenstr. 11, Typoskript, S.4.
13 KWZ v. 3. Juni 1934. Nach Auskunft v. 30. Juli 2003 der Filmstelle des Bundesarchivs ist der Film nicht mehr nachweisbar.
14 Sebastian Haffner: Germany: Jekyll & Hyde.1939 – Deutschland von innen betrachtet, Berlin 1996,S. 68 f. ( i. f. Haffner ).
15 Vgl. Heinz Bergschicker : Deutsche Chronik 1933 – 1945. Ein Zeitbild der faschistischen Diktatur, Berlin 1982, S.52.
16 Brandenburgisches Landeshauptarchiv Potsdam.( I .f. BLHA), Pr. Br .Rep. 34 ( Provinzial-Schulkollegium ) Nr.564, Bericht über Schuljahr 1932 / 33, S.13.
17 Kreisarchiv, B. E., Nr.145.
18 EHG , Bestand 1933, Dok.v. 15. Dezember 1933.
19 Kreisarchiv, B. E., Nr.145.
20 BLHA, ebenda.
21 KWZ v. 19. Januar 1935.
22 Bericht "Staatsjugendtag und Gemeinschaftslager für Erzieher ". In: Nationalsozialistische Erziehung ( Ausgabe Kurmark ), Kampf - und Mitteilungsblatt des Nationalsozialistischen Lehrerbundes im Bereich Norddeutschland, Berlin, 16. Juni 1934, Nr. 24, S. 281ff.
23 KWZ v. 1. September 1933.
24 Bericht Ruth Weis, Erkrath, vom Februar 2004, Privatarchiv d. A.
25 EHG (Hg.), Festschrift zum 100-jährigen Bestehen des Schulhauses in Eichwalde, 1999, S.34.
26 Heimatbuch, S. 270 f.
27 BLHA , Pr. Br. Rep. 34, Prov.Schulkollegium, Nr. 5466, Bericht 1935 / 36, S. 9.
28 Festschrift, a.a.O., S. 28f.
29 KWZ v. 16. April 1933.
30 Zuarbeit von Herrn W.Flügge, Eichwalde, nach: " Der praktische Ratgeber im Obst- und Gartenbau " für den Siedler und Gartenbau, Monatszeitschrift, Frankfurt /Oder, 1933.
31 KWZ v. 5.August 1933.
32 KWZ v. 23. Juni 1933.
33 KWZ v. 19.Mai 1933.
34 Heimatbuch, S.641. KWZ v. 22.Juni 1935.
35 Heimatbuch, S.546 ff.
36 BLHA, Pr. Br. Rep. 2A I Kom, Nr. 2340, Dok. v. 7. Juni 1934.
37 Ebenda, Dok. v. 19. Juli 1934.
38 Rix war seit 1. Juli 1932 Mitglied der NSDAP( Nr. 1.361 678) und seit 6. Juli 1933 Ortsgruppenleiter.
39 Heimatbuch , S. 98. BLHA , Pr. Br. Rep. 2 A I Kom. Nr. 2339, Dok. v. 23. Oktober 1939 u. w.
40 KWZ v. 12. / 13. Oktober 1935 .
41 Heinz Bergschicker : Deutsche Chronik.1933-1945. Ein Zeitbild der faschistischen Diktatur. Berlin.1982, S.199.
42 KWZ v. 21. Januar 1935.


Terror

Verfolgung und Terror, Mißbrauch von Recht und Justiz, " geschickte Kombination von Gewalt und Lüge" als kennzeichnende Methoden der Machtkonsolidierung wurden nach den Märzwahlen intensiver als bisher fortgesetzt, wobei sich der faschistische Terror auf den Widerstand von Kommunisten und anderen linken Kräften konzentrierte. Am 21. März, dem "Tag von Potsdam“, erließ Reichspräsident Hindenburg eine als "Heimtückegesetz“ bezeichnete " Verordnung zur Abwehr heimtückischer Angriffe gegen die Regierung der nationalen Erhebung ", die zusammen mit anderen Gesetzen erweiterte Möglichkeiten zur Verfolgung politischer Gegner bot. Davon wurde in den kommenden Monaten unter Androhung schwerer Strafen exzessiv Gebrauch gemacht. Nach bekanntem Muster juristischen Kampfes in Zeiten zugespitzter politischer Konfrontationen während der Weimarer Republik wurden Sondergerichte zur ständigen Einrichtung in jedem Oberlandesgerichtsbezirk. Keine gerichtliche Voruntersuchung, kein Eröffnungsbeschluß eines Verfahrens, keine Rechtsmittel eines Angeklagten, dabei verschärfte Strafbemessungen, insbesondere Todesstrafen, waren Merkmal dieser Gerichte. Die Schaffung des "Volksgerichtshofes" als oberstes Ausnahmegericht zur Verfolgung politischer Gegner im Jahre 1934 war Höhepunkt dieser Entwicklung.

Die SA war auch in Eichwalde Hauptakteur des Terrors. Der SA-Trupp und die sogenannte Motor-SA (seit 1931 Nationalsozialistisches Kraftfahr- Korps, NSKK) hatten bis August 1933 ihre Aufgaben als "Hilfspolizei" Görings zu erfüllen. Mehr als 80 SA-Leute erfüllten vom SA-Heim auf dem Grundstück des Truppführers Reichmann in der Wörther Straße ( Beethovenstr.) aus die Befehle zur Niederhaltung von Widerstandsaktivitäten und zur Verfolgung politischer Gegner des Faschismus im Raum Eichwalde-Zeuthen und darüber hinaus. Die "KönigsWusterhausener Zeitung" berichtete anhaltend über "Schießereien", meist aus Berlin, bei denen angeblich vorwiegend SA-Leute 'Angegriffene' und Kommunisten die Täter waren, die "auf der Flucht" erschossen wurden. Ein Beispiel für SA-Aktivitäten war der Boykott gegen jüdische Geschäfte, Ärzte und Einrichtungen am 1. April 1933. An diesem Tag setzte mit einem von der NSDAP in ganz Deutschland organisierten Boykott die offizielle Diskriminierung jüdischer Bürger ein. Sie richtete sich gegen jüdische Geschäftsinhaber, Ärzte, Hochschullehrer und viele andere Deutsche jüdischer Herkunft. Man weiß heute nicht mehr, wieviel jüdische Mitbürger 1933 in Eichwalde lebten, sicher weniger als 0,5 Prozent der Einwohnerzahl. 1937 wurden noch 16 Einwohner mosaischen Glaubens registriert. Im Ort gab es keine jüdischen Geschäfte, deshalb konnte sich die SA hier nicht wie andernorts 'entfalten'. In der Stubenrauchstraße 77 betrieb der Schriftsetzer Oswin Großöhmigen eine kleine Firma. Er schreibt in seinen Lebenserinnerungen: " Inzwischen war nun auch die NSDAP auf dem Plan erschienen, mit ihr ihre judenfeindlichen Bestrebungen. Eines Tages wurde durch Handzettel bekannt, daß der Arzt Giessel und meine Frau Juden seien - und ' wer Jude ist, ist unser Feind ' -waren die Schlußworte. Unser Leidensweg begann. Ich wurde als Geschäftsmann bald unmöglich,...“. Vor Praxis und Wohnhaus von Dr. med. Julius Giessel in der Stubenrauchstraße 83 / Ecke Grünauer Straße postierten sich Eichwalder SA-Männer, um Patientenbesuche bei dem jüdischen Arzt zu verhindern. Nach 24 Stunden wurde der Boykott deutschlandweit auf Drängen 'arischer' Wirtschaftskreise abgebrochen, weil in- und ausländische Profitinteressen gefährdet waren.

In Eichwalde gab es seit dieser Zeit im alltäglichen Leben zunehmend eine antisemitische Stimmungsmache. Das seit 1923 erscheinende NS-Blatt "Der Stürmer", eine extrem antisemitische Zeitung, war seit 1933 exponierter Bestandteil der NS-Propaganda in ganz Deutschland. Keine Stadt, keine Gemeinde, in welcher dieses Hetzblatt nicht ausgehängt war. Dazu wurden sogenannte "Stürmerkästen", rot angestrichene Holzkästen, meist mit Aufschriften wie:" Der Jude ist an allem schuld!" und:" Juda verrecke!" an öffentlichen Straßen und Plätzen aufgestellt. In Eichwalde stand dieser Kasten auf dem Grundstück des Schulgartens an der Ecke Bahnhofstraße / Joachimstraße (Humboldtstr.). Außerdem war ein weiterer Kasten im Schulgebäude selbst angebracht. Jedes Kind, jeder Jugendliche konnte es lesen. Hierzu berichtete eine Eichwalderin, die zu dieser Zeit noch im Ort zur Schule ging: " Eines Tages schaute ich in den 'Stürmerkasten' neben der Schule und las eine mir besonders auffallende Artikelüberschrift. Sie lautete:' Der Trick zieht nicht mehr, Herr Weiß'. Ich dachte, es handelte sich um meinen jüdischen Onkel Weiß, der am Kurfürstendamm in Berlin ein Textilgeschäft unter der Firmierung 'Trixi' besaß. Obwohl ich ja in diesem Blatt nichts anderes erwartet hatte, war ich nun doch sprachlos über die maßlose Hetze. Jetzt aber schien es meine Verwandtschaft unmittelbar zu betreffen... Noch heute bin ich froh darüber, damals spontan zu meiner Tante und meinem Onkel Weiß gefahren zu sein, die in der Plesser Straße in Treptow wohnten. Meine Tante bereitete bald umsichtig und entgegen der Auffassung meines Onkels, der als deutscher Kriegsfreiwilliger des ersten Weltkrieges noch nicht glauben wollte, etwas befürchten zu müssen, die Ausreise der Familie 1938 aus Deutschland in die USA vor. Nach dem Krieg, als Onkel und Tante in der österreichischen Heimat des Onkels vor einem Denkmal mit den Namen ihrer ermordeten Verwandten standen, sagte mein Onkel zur Tante: 'Du hast uns das Leben gerettet!' "

Mit Datum vom 24. April 1933 wurde den Schuldirektoren der Provinz Brandenburg und von Berlin mitgeteilt, daß ärztliche Bescheinigungen nur noch von nichtjüdischen Ärzten anerkannt werden. Das berührte auch den Arzt Dr. med. Julius Giessel. Weitere antisemitische Maßnahmen folgten. Seit Oktober war es unerwünscht, die Unterrichtsfächer Deutsch, Geschichte und Religion von 'nichtarischen' Lehrkräften erteilen zu lassen, wie per Aushang im Gymnasium verkündet werden mußte. Beispiele eines übersteigerten Nationalismus und von Judenfeindlichkeit waren besonders nach dem 1. Weltkrieg in Eichwalde anzutreffen, aber bisher nur Randerscheinungen geblieben. Schon der 1924 gegründete "Schießklub Hubertus Eichwalde e.V." hatte sich ausschließlich "allen nationalgesinnten arischen Kreisen der Bevölkerung " geöffnet. In diesem Geiste schloß der Kyffhäuserbund am 30. September 1933 alle "Nichtarier" aus seinen Reihen aus. Dem folgte der Eichwalder Kriegerverein (Kyffhäuserbund) am 1. November 1933 mit dem Ausschluß von vierzehn sogenannten 'nichtarischen' Mitgliedern. Das schien zunächst eine vereinsinterne Angelegenheit zu sein, erwies sich aber bald als ein symptomatisches Zeichen für zunehmenden Antisemitismus im Ort. Mitunter war das an bisher problemlosen Vorgängen zu erleben. Die beginnende staatsoffizielle Judenverfolgung als ein Bestandteil des faschistischen Terrors hatte viele Facetten. Die Familie des Bankangestellten Hans Freudenberg, eines Juden, verheiratet mit seiner 'arischen' Frau Maria, zog 1933 von der Schmöckwitzer Siedlung nach Eichwalde. Hans Freudenberg war als jüdischer Angestellter von seinem Bankhaus in Berlin entlassen worden. Nachdem die Freudenbergs anfänglich ohne Schwierigkeiten eine Eichwalder Wohnung mieten konnten, dauerte es nicht lange, bis der Hauswirt sie wissen ließ, daß er nicht weiter an einen Juden vermieten wolle. Diese Erfahrung mußte die Familie in den kommenden Jahren mehrmals in Eichwalde machen. Zum Glück hatte eine Frau Schnepp in der Warthestraße 6 (Havelstraße) Mitgefühl, die selbst inzwischen als sogenannte Halbjüdin galt, und stellte der Familie Freudenberg zweimal als Überbrückung ein Dachzimmer zur Verfügung. Erst als Freudenbergs 1938 in ein desolates Sommerhaus auf dem Grundstück der jüdischen Geschwister Boas in der Sedanstraße (Grenzstr.) eingezogen waren, glaubten sie, zur Ruhe kommen zu können. Doch die Ausgrenzung bisheriger Nachbarn, die nun als Juden isoliert wurden, sollte noch entsetzliche Steigerungen erfahren.

Derartige Ereignisse ließen bei so manchen Einwohnern das Gefühl entstehen, wie gut es doch sei, nicht zu jener Minderheit zu gehören. Solche Konflikte berührten einen anscheinend nicht, wenn man ihnen aus dem Wege ging. So verschwand vielfach jegliche Solidarität mit Verfolgten, entstand Angst und allenfalls heimliches Mitgefühl. Mutig hatten antifaschistisch gesinnte Eichwalder, insbesondere Kommunisten, den Widerstand gegen die Nazi-Diktatur aufgenommen. Hausdurchsuchungen und polizeiliche Beobachtungen, oft mit Hilfe von SA-Kräften, auch Denunziationen von Einwohnern, waren an der Tagesordnung. Am 31. März 1933 wurde der politische Leiter der KPD-Ortsgruppe Eichwalde, der Schlosser Emil Kaschel (1898 – 1983), verhaftet und am 17. Mai im Amtsgericht Königs Wusterhausen "auf Grund der einwandfreien Zeugenaussagen" einer Eichwalderin zu zwei Monaten Gefängnis mit zwei Jahren Bewährung verurteilt. Er hatte sich täglich bei der Ortspolizeistelle im Rathaus Eichwalde zu melden. Erst Ende April wurde der Politische Leiter des KPD-Unterbezirks Königs Wusterhausen, Bauarbeiter Theodor Oldenburg, von 1924 bis 1933 Gemeindevertreter Eichwaldes (Kaiser-Friedrich-Str.17, heute Heinrich-Heine Allee), der sich bis dahin in Berlin aufgehalten hatte, in "Schutzhaft“ genommen. Andere KPD-Mitglieder versuchten, die Unterbezirksorganisation und kommunistische Parteizellen von 3 bis 5 Mann in den Ortschaften wieder aufzubauen. Dabei verhielten sie sich meist umsichtig und machten es der Gestapo lange Zeit schwer, ihre Verbindungen aufzudecken, die auch über Beitragszahlungen für die " Rote Hilfe Deutschlands “ bestanden. Diese der KPD nahestehende Organisation unterstützte seit 1921 politische Gefangene und deren Familien. Durch geschicktes Taktieren von Verhafteten bei Verhören waren manche Kassierer und Unterkassierer der KPD unentdeckt geblieben. So auch der Eichwalder 1.Vorsitzende der Roten Hilfe, Schlosser Paul Meyer, der die Arbeit dieser Organisation hier bis September 1933 weiterführte. Einer der Kassierer war Hermann Matthes. Es war nicht ausgeblieben, daß ehemalige Mitkämpfer resignierten, sogar zu den Nazis überliefen, aus Angst Verrat begingen und so Lücken in den illegalen Verbindungen entstanden. Außerdem kannte man sich in politischer Hinsicht im kleinen Eichwalde recht genau, so daß unter diesen Verhältnissen besonders aktive Mitglieder linker Parteien durch Polizei und Nazis leicht zu neutralisieren waren. Im September 1933 wurde Theodor Oldenburg erneut, außerdem die KPD-Mitglieder Bernhard Haase, Eichwalde, und Leo Wiechert , Schulzendorf, in sogenannte Schutzhaft genommen. Weil Gefängnisse und Kasernen nicht ausreichten, die Verschleppten aufzunehmen, entstanden erste provisorische Konzentrationslager und Bunker der SA, die schnell als Folter- und Mordstätten ein Begriff in der Öffentlichkeit wurden. In Königs Wusterhausen wurde zunächst ein sogenanntes " wildes K-Lager “ errichtet.

In einem Bericht des ersten Gestapo-Chefs, Rudolf Diels, hieß es: "... In diesen Märztagen entstanden die Konzentrationslager um Berlin. Es kamen Nachrichten über Lager bei Oranienburg, Königswusterhausen und Bornim. Nach den Berichten von Beamten und Freunden trat die SA mit eigenen ' Vernehmungsstellen' in Berlin selbst in eine grauenvolle Tätigkeit ein. In den einzelnen Stadtteilen entstanden 'Privatgefängnisse'." Auch im Keller des Wildauer Rathauses wurden Verhaftete vorübergehend eingesperrt. Seit März 1933 wurden planmäßig in der Provinz Brandenburg Konzentrationslager (KZ) eingerichtet, das erste in Oranienburg, 1935/36 dann in Sachsenhausen. Hier war ein damals in Eichwalde ortsbekannter SS-Mann, der Inhaber des Seifengeschäftes in der Grünauer Straße 64, als Wachhabender tätig. Die Überwachung, Ermittlung und Bekämpfung oppositioneller Kräfte wurde mit dem Gesetz zur Errichtung des Geheimen Staatspolizeiamtes in Berlin vom 26. April 1933 weiter perfektioniert. Die Nachrichten über die als "Köpenicker Blutwoche" in die Geschichte eingegangenen Grausamkeiten der SA in Köpenick vom Juni 1933 waren in Eichwalde verbreitet worden. Unzählige Menschen, vorwiegend Kommunisten, Sozialdemokraten und Gewerkschaftsfunktionäre, aber auch den Nazis unbequem gewordene Aktivisten bürgerlich-nationaler Parteien und Organisationen wurden verhaftet, mißhandelt und dabei mindestens 23 Köpenicker Einwohner viehisch umgebracht. Weitere starben an den erlittenen Mißhandlungen. Schon 1933 wurde das Buch "Sturm 33 Hans Maikowski" über ein an den Köpenicker Ereignissen beteiligtes berüchtigtes SA-Mordkommando aus Charlottenburg als Schullektüre in Eichwalde empfohlen.

Trotzdem erwies sich insbesondere der kommunistische Widerstand entgegen allen Erwartungen als außerordentlich lebendig. Eine Hauptform des Widerstandskampfes war die Verbreitung von Flugblättern und anderen schriftlichen Materialien. Dabei handelte es sich vorrangig um aufklärende Schriften und Zeitungen über den Charakter des Hitler-Regimes und um Aufforderungen zu dessen Bekämpfung. Die Zeitung berichtete von Vorgängen in Zeuthen:" Auf eine bezügliche Belohnungszusage, die durch Amtsvorsteher Scheer ergangen war, hatte sich eine Anzahl von Personen gemeldet, die dem Amte ihre Beobachtungen oder Kenntnisse über bei hiesigen Kommunisten lagerndes parteipolitisches Agitationsmaterial mitteilten. Ganz im stillen wurde nun eine Durchsuchung aller solcher Art bekanntgewordenen Wohnungen vorbereitet....Nicht nur große Mengen verbotener und höchst gefährlicher Druckschriften wurde entdeckt, sondern auch beschriftete Matrizen und Bestandteile eines Vervielfältigungsapparates, die zur Herstellung der sattsam bekannten Zettel gedient hatten, die unter dem Titel 'Das rote Sprachrohr' erschienen und nächtlicherweise im Ort verbreitet worden waren." Wie rege der Widerstand in Erscheinung trat, zeigen weitere Beispiele. Die Schulleitungen wurden angewiesen, Beobachtungen über vielfach festgestellte verstärkte " kommunistische Betätigungen von antifaschistisch gesinnten Lehrern in Schulen und Lehrerkreisen " umgehend zu melden und ihnen "mit aller Schärfe" entgegen zu treten. Bislang konnte Dr. Hohmann für die Eichwalder Schule derartige Betätigung ausschließen, wie er die vorgesetzte Schulabteilung pflichtgemäß wissen ließ. Im Oktober 1933 traf eine Anweisung der Schulbehörde in Eichwalde ein, die das von "staatsfeindlichen Elementen" organisierte Auftauchen " marxistischer Schriften “ in Schulen meldepflichtig machte. Im Dezember 1933 wurde an die Gemeindeverwaltung ein Schreiben des Reichspropaganda-Ministeriums gerichtet, worin vor den Aktivitäten des "Internationalen Hilfskomitees für die Opfer des Hitlerfaschismus“ gewarnt wurde, dessen Ehrenvorsitzender Professor Albert Einstein war. Dieses Komitee sorgte für Kinder politischer Gefangener in Deutschland, denen es einen Aufenthalt in den Niederlanden ermöglichte und sie dafür mit allem Notwendigen versorgte. Derartige Reisen sollten unter allen Umständen verhindert und über Reiseanträge umgehend die Gestapo informiert werden.

Seit 1934 konzentrierte sich die Gestapo auf die Suche nach Funktionären der Arbeiterparteien, wobei sie oft unter Foltern erpreßte Geständnisse von Verhafteten auszuwerten verstand. Der parteilose Eichwalder Drucker und Schriftsetzer Oswin Großöhmigen hatte sich aus politischer Überzeugung bereit erklärt, illegale Druckerzeugnisse für die KPD in seiner Werkstatt in der Stubenrauchstraße 77 herzustellen. Durch Verrat kam die Gestapo dem Vertriebssystem auf die Spur und verhaftete Großöhmigen am 12. Januar 1934. Er wurde zunächst in das berüchtigte Columbia-Haus, einem Berliner KZ, gebracht, dort bestialisch gefoltert und vom "Volksgerichtshof “ am 12. September 1934 zu zweieinhalb Jahren Zuchthaus verurteilt. Erst in der Haft entschloß er sich, Mitglied der illegalen KPD zu werden. Wie bereits erwähnt, war seine Ehefrau Jüdin. Nur durch stillschweigende Hilfeleistungen ihres Eichwalder Hauswirtes und anderer Privatleute überstand sie die Zeit der Inhaftierung ihres Mannes. Die Gemeindeverwaltung verweigerte jede Hilfe, und einzelne Mitarbeiter schikanierten das Ehepaar, als Großöhmigen 1936 aus dem Zuchthaus entlassen worden war.

Die antifaschistische Haltung von Eichwalder Sozialdemokraten reichte vom aktiven illegalen Kampf bis zur passiven Resistenz. In der Gewerkschaftssiedlung (heutige Waldstraße, ‘Tautsiedlung’) wohnte bis 1933 der Abgeordnete der SPD im Preußischen Landtag, Wilhelm Krüger (1889 - 1953). Von Beruf Tischler, war er von 1920 bis 1933 SPD-Bezirkssekretär für die Provinz Brandenburg und Grenzmark- Posen-Westpreußen, zugleich Mitglied des Zentralen Parteiausschusses. Nach der Machtübertragung an die Faschisten schien es der Familie ratsam, um weiteren Schwierigkeiten auszuweichen, nach Berlin-Neukölln umzuziehen. Wilhelm Krüger wurde auch an seinem neuen Wohnort ununterbrochen von SA-Leuten observiert und schließlich am 15. August 1933 verhaftet. Am 20. Juni 1934 erfolgte die Anklage wegen "Vorbereitung eines hochverräterischen Unternehmens in Tateinheit mit einem Verbrechen nach §2 des 'Gesetzes gegen die Neubildung von Parteien' “. Wilhelm Krüger hatte geholfen, die illegale Arbeit der SPD zu organisieren. Er wurde zu 2 Jahren und 9 Monaten Gefängnis verurteilt. Nach der Haftentlassung setzte er den Widerstandskampf fort und gehörte bis 1945 dem illegalen Zentralausschuß der SPD an. Seiner Familie wurden unendliche Demütigungen zugefügt. Seinem Sohn Erich wurde deswegen längere Zeit eine Lehrstelle verwehrt. Erst durch unerwartete Hilfe von illegal arbeitenden Unbekannten konnte ein Ausbildungsplatz besorgt werden. Auch in späteren Jahren erlebte Erich Krüger, daß trotz anhaltender Verfolgungen die antifaschistische Solidarität lebte. Er wurde eines Tages an seiner Arbeitsstelle überraschend von einer jungen Frau angesprochen, die in der Telefonzentrale des gleichen Betriebes arbeitete und die er noch aus seiner Kinderzeit kannte. Es war Lieselotte Lindow aus Eichwalde. Sie warnte ihn vor angelaufenen Nachforschungen der Gestapo, die, wie sich herausstellte, mit einer Einladung des "Einstein-Komitees" für Erich Krüger zusammenhingen.

Der frühere Reichstagsabgeordnete der SPD, Kurt Wegner, versuchte, nach seiner Entlassung aus einem Nazi-Gefängnis, statt an seinem damaligen Wohnort Cottbus seit 1935 in Eichwalde möglichst unauffällig zu leben. Mitunter trafen sich bei ihm langjährige politische Freunde, manche hatten, wie Wegner, eine Haft in Gefängnissen und Konzentrationslagern überstanden und tauschten nun Informationen aus, vermieden aber jegliche Organisationsform, übten passive Resistenz. Dennoch blieb Wegner weiterhin unter Beobachtung durch die Gestapo. . Bei einer Durchsuchung seiner Wohnung in der Markgrafenstraße 36 (Uhlandallee) wurden Bücher sozialistischer und humanistischer Dichter und Autoren beschlagnahmt. Kurt Wegner wurde zum Verhör geschafft, konnte aber wieder nach Hause zurückkehren. Derartige Maßnahmen blieben natürlich in Eichwalde nicht unbemerkt und trugen zum Gemisch aus ängstlichem Angepasstsein und Wohlverhalten bei. Mißtrauisch verfolgte die Gestapo auch politische Betätigungen von ehemals bürgerlich-national organisierten Personen, selbst dann, wenn ihnen keine illegale Tätigkeit nachgewiesen werden konnte. So wohnte in der früheren Kronprinzenstraße 36 ( Fontaneallee ) der Schriftsteller und Verleger Dr. Erich Schmidt (1897-1952). Von Juli 1932 bis März 1933 war er Reichstagsabgeordneter der Deutsch-Nationalen Volkspartei (DNVP) und dort Mitglied des Sozialpolitischen Ausschusses. Es war jener Dr. Schmidt, der noch im Februar 1933 in Eichwalde für die Regierung der "nationalen Konzentration“ geworben hatte. Nach dem Verbot seiner journalistischen Tätigkeit 1933 gab er in seinem eigenen Verlag Loseblatt-Handbücher zu sozialen, verkehrs- und wirtschaftsrechtlichen Themen heraus. Der Verlag und seine Eichwalder Wohnung wurden von der Gestapo durchsucht. Die von ihm seit Juli 1933 verlegten "Berliner Hefte “wurden 1938 von der Reichsschrifttumskammer verboten. Das Verlags- und Pressewesen war ebenfalls 'gleichgeschaltet' , d.h. verboten, beschlagnahmt, ausgeschaltet oder auf nationalsozialistische Linie, wie z. B. die "KönigsWusterhausener Zeitung", gebracht worden.

An die Eichwalder Schulleitung erging mit Datum vom 6. September 1933 folgende streng vertrauliche Weisung: " Lehrer, Schüler, Beamte, Angestellte, Arbeiter, die der SA, der SS oder dem St. (Stahlhelm, d. A.) angehören, sind, sobald 'ernste Alarmstufe' angeordnet ist, grundsätzlich ohne weiteres und ohne besondere Genehmigung vom Unterricht bezw. von ihren Dienstgeschäften beurlaubt." Alle technischen Vorbereitungen für die ständige Einsatzbereitschaft waren zu treffen. Von April bis Oktober 1933 war die SA des Landkreises Teltow für Fahrt-, Benzin- und Telefonkosten aus öffentlichen Mitteln unterstützt worden. Von der Gemeindeverwaltung Eichwalde erhielt der SA-Sturmbann IV / 206 aus öffentlichen Haushaltsmitteln 180.- RM für die Anschaffung eines Kraftwagens. Das Gewaltpotential dieser Terrorbanden sollte vorerst weiter erhalten bleiben. Dazu dienten regelmäßige Mobilisierungen. Im März 1934 wurde zum Beispiel ein nächtlicher Alarm der Motor-SA Eichwaldes ausgelöst, die inzwischen reichlich mit Kraftfahrzeugen und Motorrädern ausgerüstet war. Eines Morgens um halb vier wurden die Einwohner durch Motorenlärm und lauten Marschgesang wach, als die Eichwalder SA nach Waltersdorf abrückte. Hier wurde ein militärischer Aufmarsch mit Parade abgehalten, " dessen sich kein Infanterist zu schämen brauchte", wie der Berichterstatter prahlte.

Immer wieder wurden die Einwohner mit Aufmärschen und Aktionen beschäftigt. In Eichwalde war schon seit 1924 alljährlich das Gedenken an den sogenannten "Rhein- und Ruhrkämpfer “ Willy Dreyer aus der Eichwalder Waldstraße durch militaristische Vereine und nationalistische Parteien gepflegt worden. Dreyer ,1900 geboren, war im Jahre1923, nationalistisch verblendet, in das von Frankreich besetzte Ruhrgebiet gefahren, um gegen die Besatzer zu kämpfen. Er wurde dort verhaftet, zunächst zum Tode verurteilt, später zu lebenslänglicher Haft begnadigt. Als er im Gefängnis schwer erkrankte, wurde die Strafverbüßung aufgehoben, aber Dreyer verstarb am 21. März 1924 in einem französischen Krankenhaus und wurde im gleichen Jahr in Eichwalde beigesetzt. Sein 10.Todestag am 26. März 1934 war Anlaß für einen Aufmarsch von etwa 2000 SA-Leuten des Kreisgebietes, dazu der örtlichen NS-Organisationen, der Schuljugend und Hunderten von Einwohnern. Glockengeläut, Trauermusik, Rede eines SA-Standarten-Pfarrers, gemeinsamer Gesang des Deutschlandliedes und von Nazi-Liedern - all das erzeugte eine beeindruckende Stimmung. Die Wald- und die Schulzendorfer Straße wurden in Dreyerallee umbenannt. Insbesondere der Anblick "der langen braunen Kolonnen “ war auf Wirkung bedacht. Wer dieses militärische Schauspiel sah, konnte eingeschüchtert leicht seinen Widerspruchsgeist oder seine Protesthaltung aufgeben.

Die Rollenverteilung zwischen SA und Reichswehr war noch nicht endgültig entschieden. In der Reichswehr gab es Befürchtungen über eine aus Reichswehr und SA verschmolzene Miliz, woran die SA große Erwartungen geknüpft hatte. Noch wurden die Schlägertrupps der SA gebraucht. Sie rückten in Eichwalde am 8. Mai 1934 mit LKW an, um ein illegales Funktionärstreffen des linken gewerkschaftlichen "Einheitsverbandes für das Baugewerbe" im Ort zu zerschlagen und die Beteiligten zu verhaften. Das Treffen war verraten worden, aber dank ausgestellter Posten mißlang die Überrumpelung durch die SA. Zunehmend war in Eichwalde ein radikalisierter Antikommunismus spürbar und eine wachsende Denunziationsbereitschaft zu verzeichnen. Um so beachtlicher ist deshalb die Tatsache, daß es der KPD im Bereich Eichwalde - Schulzendorf - Schmöckwitz - Köpenick gelang, die illegale Arbeit mit in Berliner Betriebe hinein reichenden Verbindungen bis zur Befreiung vom Faschismus aufrechterhalten zu haben. Das war dank des mutigen, konspirativ geschickten Verhaltens von Emil Kaschel aus Eichwalde, später Schulzendorf, sowie der Schlosser Walter Zietz (1887 - 1966) und Kurt Zietz (1896 – 1974) aus Berlin-Schmöckwitz möglich. Die mit hohem Einsatz Widerstand leistende mutige Minderheit der Einwohner war anfangs der Auffassung, daß die Hitler-Regierung ebenso eine kurzlebige Episode sein würde, wie es mehrfach deren Vorgänger gewesen waren. Leider erwiesen sich solche Hoffnungen als Illusion und führten zu gewaltigen Opfern der Arbeiterparteien und bürgerlichen Antifaschisten. Die Widerstandskämpfer folgten ihrer politischen Überzeugung, etwas aus ihrer Sicht Notwendiges für den gesellschaftlichen Fortschritt, gegen die Nazi-Barbarei und den von ihnen vorhergesehenen Krieg zu tun, auch wenn ihr Kampf mit Verfolgung, mit Strafen und Tod bedroht wurde.


1 Beiträge, Bd. 11, S. 33
2 Ploetz, S. 93 f.
3 Heimatarchiv Eichwalde. Lebenslauf und Leidensweg des Schriftsetzers Oswin Großöhmigen und seiner Frau aus Miersdorf bei Zeuthen während des Bestehens des nationalsozialistischen Staates 1933 / 45, S.2.
4 Bericht Willi Matthes, ( Jg.1911 ), Eichwalde, Triftstr., Februar 2004.
5 Zeuthen. Geschichte und Geschichten, Zusammengestellt von Hans-Georg Schrader. 1998, Abbildung, S.336.
6 Bericht Frau Günther, Eichwalde, Stubenrauchstr., November 2003. Mit „Herr Weiß“ war Dr. Bernhard Weiß gemeint, ein Jude, der in der späten Weimarer Republik Berliner Polizei-Vizepräsident war und 1933 emigrieren musste.
7 Kreisarchiv, B. E., Nr. 145.
8 Eichwalder Humboldt-Gymnasium, Bestand 1933, Dok. v. 25. August 1933. (i.f. EHG).
9 Heimatbuch, S.643 u. 601.
10 BLHA, Rep. 203, Nr. 5491.
11 Bericht Ruth Weis, geb. Freudenberg, Erkrath, Januar 2004.
12 KWZ v. 20. Mai 1933.
13 Bericht Willi Matthes, Eichwalde, Triftstr., März 2004.
14 KWZ v. 2. April, 26. April, 2.September 1933.
Zum antifaschistischen Widerstand in der Region hat Herr Fred Bruder mehrere Aufsätze veröffentlicht. Seine Hinweise wurden dankbar verwendet.
15 Zitat aus : (Hg.) Bundeszentrale für politische Bildung / bpp. Informationen zur politischen Bildung, Nr. 251, Nationalsozialismus I. Von den Anfängen bis zur Festigung der Macht. Bonn, 2003, S.41.
16 BLHA, Pr. Br. Rep. 203, AzS, BET 1206.
17 Vgl. Ploetz, S.94 f.
18 Beiträge, Bd. 11, S. 45.
19 Kreisarchiv, B.E., Nr.145.
20 KWZ v. 26.März 1933.
21 Ebenda, Dok. v. 13. April 1933.
22 Kreisarchiv, ebenda.
23 Vgl. Dahlem , a.a.O., S. 184.
24 Vgl. Anm. 3.
25 Bericht Erich Krüger, Eichwalde, im Jahre 2003. Vgl. (Hg.) Eichwalder Heimatverein e.V., Heft II, "Leute in Eichwalde“: Wilhelm Krüger – Die Nazis machten ihn zum Staatenlosen, S.20.
26 Hermann Wegner : Durch die Zeit gestolpert. Erinnerungen. Berlin, 1993. S.19 f.
27 Heinrich-Wilhelm Wörmann: Widerstand in Köpenick und Treptow, a.a.O.,S.167 f.
28 EHG, Bestand 1933, Dok. v. 6. September 1933.
29 BLHA, Pr. Br. Rep. 2 A I Kom, Nr. 512, Dok. v. 30. Okt. 1933 u. 28. Aug.1934.
30 KWZ v. 22. März 1934.
31 Heimatbuch, S.76.
32 Vgl. Heinrich-Wilhelm Wörmann, a.a.O. S. 129.


Anpassung

Meist hörten oder lasen die Einwohner mehr von Verhaftungen und Unannehmlichkeiten, als daß sie diese selbst unmittelbar miterlebt hätten. Sensibler beobachteten ehemalige Anhänger von KPD und SPD sowie jüdische Einwohner die sich entwickelnden Verhältnisse, denn für sie waren jähe Repressionen nicht auszuschließen. Zunehmend setzten die Eichwalder große Hoffnungen in die vollmundigen Versprechungen der Naziführung, und man sah mitunter in Personen, die davon abweichende Auffassungen äußerten, eher Nörgler und Pessimisten. Gespannt verfolgten die Menschen, wie sich allmählich wirtschaftliche Fortschritte am Horizont zeigten, wie sich Beschäftigung, Ordnung, Sicherheit und vielleicht sogar bald Wohlstand einstellten. In seinen Erinnerungen gibt Hermann Wegner, der seit 1935 als Jugendlicher in Eichwalde gelebt hatte, seine Ansichten über diese Jahre wie folgt wieder: "Kleine Fabrikanten, Handwerksmeister, Ingenieure, gut dotierte Beamte leisteten sich schon damals einen Haupt- oder Zweitwohnsitz außerhalb der großen Stadt. Die tägliche Fahrt mit Dampfzug und S-Bahn nahmen sie in Kauf, um Feierabend und Wochenende zwischen Seen und Wäldern zu genießen, beneideten wohl auch die Pensionäre, die hier schon ungestört Rosen züchteten. Nur jeder vierte Eichwalder ging im Wohnort seinem Beruf nach, verdiente sein Brot in der Gemeinde, in der er Steuern zahlte...Die Siedlerhäuser ähnelten sich, blieben brav in der Reihe, und ihre Besitzer besserten die Haushaltskasse mit Kleintierzucht und Gemüseanbau auf. Mietshäuser nach Berliner Vorbild standen nur einige neben dem Bahnhof...So ein Ort beherbergt Einzelgänger, Menschen, die von Zinsen leben, ein paar Käuze, überwiegend Kleinbürger, gewiß nicht Umstürzler. Folglich gedieh hier Anpassung, nicht Widerstand...Die NSDAP in Eichwalde, vor 1933 eher ein Mitleid erheischendes Häuflein, hoffte auch nach der Machtergreifung vergebens auf den stürmischen Zulauf..... Aber so abwartend und tatenlos, wie die Eichwalder nun den „Führer“ gewähren ließen, hatten sie auch dem Niedergang der Weimarer Republik zugeschaut.“ Der äußeren Ansicht Eichwaldes mag diese Beschreibung wohl entsprochen haben, jedoch werden Rolle und Einfluß der Nazis hier eher verharmlost. So teilnahmslos untätig waren viele der fast 5000 zählenden Einwohner des Ortes durchaus nicht. Im Gegenteil, die Naziorganisationen Eichwaldes erreichten bald einen beachtlichen Mitglieder- und Mitmacheranteil.

Die Einwohnerschaft Eichwaldes setzte sich, wenn man die Berufe der im Einwohnerverzeichnis von 1938 aufgeführten Haushaltungsvorstände betrachtet, zu etwa 44 Prozent aus Arbeitern und Angestellten, zu 42 Prozent aus Beamten, Selbständigen und Freiberuflern, zu 14 Prozent aus Rentnern, Pensionären und sonstigen Personen zusammen. Mit nationaler und sozialer Demagogie, durch Drohung und Terror, mit Rassenideologie und übersteigertem Nationalismus hatte der deutsche Faschismus den weitaus größten Teil der Einwohner Eichwaldes ergriffen. Das ließ auch manche zu Taten bereit werden und keinesfalls abwartend abseits bleiben. Sie fanden sich bald mit den anderen politischen Verhältnissen ab und nahmen bereitwillig den "neuen Geist“ in sich auf.

1932 zählte die NSDAP in Eichwalde 50 Mitglieder, bezogen auf 3 604 Wahlberechtigte waren das 1,4%. Seit März 1933 stieg die Mitgliederzahl der örtlichen NSDAP sprunghaft an ("Märzgefallene“, so nannten die vor dem 30. Januar 1933 Mitglied gewordenen Nazis jene nach den Märzwahlen eingetretenen Mitglieder.), so dass Ende des Jahres 1934 schon 318 Eichwalder Mitglied in der Hitler-Partei waren. Bezogen auf etwa 4 400 Stimmberechtigte im August 1934, von denen die Mehrzahl erwerbsfähig gewesen sein wird, waren das 7,2%. Zeitweilige Mitgliedersperren, so vom 1.5.1933 bis zum 1.5.1937, bremsten den Zustrom zur NSDAP etwas, ohne ihn je ganz zu verhindern. Die einzige jemals zwischen 1933 und 1945 durchgeführte Mitgliederzählung ergab, daß am 1. Januar 1935 in Deutschland 2.495 000 NSDAP-Mitglieder registriert waren. Das waren 3,8% der Erwerbsfähigen Deutschlands. Für 1938 wurden lt. Heimatbuch 588 Mitglieder und Anwärter der NSDAP gezählt. Bezogen auf 4.660 wahlberechtigte Einwohner im Jahre 1938 waren 12,6 % sogenannte Pg's (NSDAP-Ziel 5-10%). Die Eichwalder Nazis waren also überdurchschnittlich erfolgreich. Bis 1945 stieg die Mitgliederzahl weiter. Es gab außerdem hunderte Anhänger und Mitläufer in mehr als 18 örtlichen NS-Verbänden und Gliederungen. Darunter waren 15 SS-Leute, von denen 3 in KZ’s eingesetzt waren. Nur wenige Eichwalder Kinder und Jugendliche entzogen sich der Mitgliedschaft in den NS-Jugendverbänden Hitlerjugend und Deutsches Jungvolk sowie Bund Deutscher Mädel und Jungmädel. Der "Kampfbund des gewerblichen Mittelstandes" versuchte, die Gewerbetreibenden des Ortes unter Aufsicht zu bringen. Mit dem Versprechen, ein Kontrollrecht bei der Vergabe von Aufträgen zu haben, lockte auch der örtliche Vorstand des Kampfbundes Handwerker und Gewerbetreibende, sich seinen Reihen anzuschließen. Am 8. August 1933 wurde der Kampfbund in Durchsetzung des "Führerprinzips" in die "Nationalsozialistische Handwerks-, Handels- und Gewerbe-Organisation" (NS-Hago) überführt. Allein dem seit 1934 bestehenden Reichsluftschutzbund waren bis April 1937 bereits 1203 Bürger beigetreten, ließen sich bei Hauswerbungen einschreiben. Besonders die Tätigkeit der Ortsgruppe der Nationalsozialistischen Volkswohlfahrt (NSV) fand große Zustimmung. Bis 1938 waren schon annähernd tausend Eichwalder Mitglied dieser NS-Organisation. Mit dem von der NSV geleiteten Winterhilfswerk (WHW, seit 13. September 1933) sollte die soziale Not unmittelbar gemildert werden. Es wurden Straßen- und Haussammlungen veranstaltet, die nicht nur den Eindruck umfassender Fürsorge des NS-Systems für das Wohl des Volkes vorgaukelten, sondern zugleich dem NS-Staat schon 1933 mühelos 358 Millionen RM in die Kasse brachten. Anfangs gehörte das Winterhilfswerk zu jenen Maßnahmen, die über noch vorhandene Konsolidierungsprobleme der Hitler-Regierung hinwegtäuschen sollten. Das WHW, später selbst in den Kriegsjahren alljährlich durchgeführt, stellte in Wahrheit eine zusätzliche Steuer zur Finanzierung der Rüstung dar. Mit der Organisation des Winterhilfswerkes wurde besonders die Eichwalder Anhängerschaft der Nazis im Herbst 1933 über viele Wochen beschäftigt, die von den Eichwaldern Lebensmittel-, Kleider- und Geldspenden einsammelte. Was den einen von SA-Leuten und Hitlerjungen abverlangt wurde, verteilten diese an andere Mitbürger. Gutscheine für den Bezug von Kohle, Strom und Gas wurden an Bedürftige verschenkt. "Keiner soll hungern oder frieren", lautete eine zentrale Losung der Nazis. Dem konnte man schwerlich widersprechen. Die NSDAP gab sich ein soziales Gesicht, inszenierte und propagierte den "Sozialismus der Tat“. "Eintopfsonntage" in den Haushalten und Speisegaststätten, seit 1.Oktober 1933 an jedem ersten Sonntag des Monats in ganz Deutschland, 1935 bereits jeden zweiten Sonntag, sollten das Gefühl der Zugehörigkeit zur Volksgemeinschaft festigen und dem NS-Staat Devisen für einzuführende Lebensmittel ersparen. Unter der Überschrift "Aus einem Topf “ war am 7.Januar 1934, dem vierten Eintopfsonntag nach dessen Einführung, in der Regionalzeitung zu lesen : "Am Eintopfsonntag ißt das deutsche Volk gleichsam aus einem Topf, aus dem Topf deutscher Not, deutschen Schicksals, aber auch aus dem Topf deutscher Notgemeinschaft, deutscher Aufbaubereitschaft. Mit dem Eintopfgericht soll sich das deutsche Volk verbunden fühlen, wie etwa bei einer Arbeitsgemeinschaft in einem Arbeitslager, wie der Soldat in der Stubenkameradschaft oder die wandernde Jugend im Zeltlager. Das ist der tiefere Sinn des Eintopfgerichts...“ Die Eichwalder waren offenbar besonders eifrige Eintopfesser, denn die Gemeinde erreichte im Kreis Teltow mit 546,- RM (Reichsmark) den 5. Platz bei der Abrechnung der mit einem bescheidenen Eintopfessen eingesparten Geldmittel, im Februar sogar Platz 4. Eine Eichwalderin erinnerte sich an folgende Begebenheit aus ihrer Kindheit: "An einem Sonntag saßen meine Eltern und ich beim Essen. Da rief jemand an der verschlossenen Gartentür. Mein Vater nahm sein Portemonnaie und ging, von mir neugierig begleitet, zur Gartenpforte. Es war 'Eintopfsonntag', und da wurde immer gleich das beim bescheidenen Eintopfgericht gesparte Geld einkassiert. ' Hat es geschmeckt?' wurden wir vom Kassierer gefragt. Mein Vater antwortete:' Ach, wissen Sie, wenn der Eintopf gut gekocht ist, schmeckt er sogar als Sonntagsessen ' und reichte seine Spende über den Zaun. Ich starrte ihn entgeistert an. Noch nie hatte ich meinen Vater die Unwahrheit sagen hören. Wir hatten uns nämlich gerade einen Braten schmecken lassen. ' Wir essen, was uns gefällt, so lange wir es uns leisten können, aber das muß ja nicht jeder wissen ', meinte mein Vater hinterher. Ich hatte verstanden." Losungen wie: "Sonntagspflicht - Eintopfgericht!“, "Eintopfessen - nicht vergessen!“, "Das Eintopfgericht erzieht Eure Kinder zur Volksgemeinschaft!“ oder "Herr Eintopf und Frau Kelle melden sich zur Stelle!“ mobilisierten die Eichwalder. Am ersten Sonntag im November 1933 waren HJ, BDM und DJ damit beschäftigt, ihrerseits Geld für das WHW zu sammeln. Dazu wurden bei Straßensammlungen im Zusammenwirken mit der NSV Nägel für 5 Rpfg verkauft, die auf einen Schild in Form des HJ-Abzeichens genagelt werden sollten. Derartige Nagelungen der HJ-Schilde wurden in der Aula des Gymnasiums veranstaltet, auf einen Schild paßten 1300 Nägel (65.-RM).

Zum emotionalen Höhepunkt des Jahres 1933 sollte die WHW-Aktion "Weihnachten in jedem deutschen Haus“ werden. Bedürftige erhielten vom WHW Geschenke, Lebensmittel, Brennstoffe und wurden in Feierstunden betreut. Am Bahnhof Eichwalde ließ die Ortsleitung der NSDAP eine Holzpyramide errichten, die jeden Ankommenden mahnte, die WHW-Spende nicht zu versäumen. Im Februar 1934 verkaufte man Rosetten aus Plauener Spitze, um die Not der Arbeitslosen in der Plauener-Spitzen-Produktion zu lindern, im Mai folgte der Verkauf von Seidenbandabzeichen für das Hilfswerk "Mutter und Kind “, der 14. Juli wurde zum "Tag der deutschen Rose" erklärt und dementsprechend Naturrosen mit Band und Nadel verkauft, in ganz Deutschland 20 Millionen Stück für je 20 Rpfg. Der Straßen- und Hausverkauf lief auf Hochtouren. Das alles sollten sichtbare Zeichen deutscher Volksgemeinschaft sein. Nicht wenige Eichwalder fühlten sich durch die andauernde Sammlerei auch bedrängt und belästigt. Die Regionalpresse verlautbarte deshalb im Februar 1934 ausdrücklich für Eichwalde: "Glaube nicht, lieber Volksgenosse, daß es genügt, wenn Du Dich in Deiner Wohnung hältst und unsern Sammlern vortäuschst, Du wärst nicht zu Hause. Wir finden Dich überall, ob zu Hause, auf dem Spaziergang oder im Lokal. Durch Dein Tun und Lassen wirst Du beweisen, ob Du Dich zu der großen Volksgemeinschaft bekennst oder Dein Bekenntnis nur ein Lippenbekenntnis ist. Am 18. Februar trägt jeder Eichwalder eine Spitzenrosette!“ Die Verärgerung der Bevölkerung über den regelrechten Sammlungsterror führte schließlich 1935 zu einem zeitweisen Verbot von Straßensammlungen. Es gab jedoch viele weitere Methoden, u.a. den automatischen Lohnabzug, um die Gelder für das Winterhilfswerk einzutreiben. Mit immer neuen Varianten wurden finanzielle Mittel abgeschöpft und gleichzeitig das Trugbild von einer Volksgemeinschaft ohne Klassenunterschiede erzeugt. Bald war in Eichwalde kein Bereich des gesellschaftlichen Lebens mehr vorhanden, der nicht von den Nazis erfaßt, reglementiert, organisiert und kontrolliert wurde.

Lügen und Versprechungen großen Stils waren unverzichtbare Führungsmethoden der Hitlerregierung und NSDAP-Führung. Von besonderer Tragweite und Hinterhältigkeit erwiesen sich die permanenten Heucheleien Hitlers über den Wunsch nach Frieden und Sicherheit für ein Deutschland in der Völkergemeinschaft. Sie blieben bei beträchtlichen Teilen der Bevölkerung nicht wirkungslos. Die Wahrheit hatte der damalige Außenminister von Neurath nur als Niederschrift einer Ministerbesprechung Hitlers am 7. April 1933 seinem Tagebuch anvertraut, indem er schrieb: " Unser Hauptziel bleibt die Umgestaltung der Ostgrenze. Es kommt nur eine totale Lösung in Frage." Eben, am 4. April, war der Berliner Vertrag von 1926, der Freundschafts- und Neutralitätspakt zwischen Deutschland und der Sowjetunion, verlängert worden. Ein Nichtangriffsvertrag mit Polen folgte im Januar 1934.

Die Hitlerregierung beteuerte unüberhörbar und demagogisch ihre Bereitschaft zur totalen Abrüstung. Krieg sei Wahnsinn ohne Ende, hatte Hitler in seiner als "Friedensrede" bezeichneten Reichstagsrede am 17. Mai 1933 erklärt. Die Probleme wurden derart verfälscht dargestellt, als erfüllten allein die Siegermächte des ersten Weltkrieges ihre in Versailles übernommenen Verpflichtungen zu einer Rüstungsbeschränkung nicht. Unter dem längst gesuchten Vorwand einer angeblichen Ungleichbehandlung Deutschlands in Abrüstungsfragen brach die deutsche Delegation ihre Verhandlungen bei der seit Februar 1933 stattfindenden Genfer Abrüstungskonferenz am Sitz des Völkerbundes ab. Das Hitlerkabinett traf am 14. Oktober die Entscheidung, sich damit zugleich aus dem Völkerbund zurückzuziehen. Scheindemokratisch sollte mit einer außerordentlichen Reichstagswahl und einem Volksentscheid am 12. November dem Austritt Deutschlands aus dem Völkerbund nachträglich zugestimmt und die propagierte 'Wehrhaftmachung' als von allen Deutschen ersehnte Notwendigkeit gerechtfertigt, der außenpolitische Kurs Hitlers zur Revision des Versailler Systems gebilligt werden. Es war der national-konservativen und faschistischen Propaganda nach dem Ersten Weltkrieg gelungen, bei vielen Deutschen den Versailler Vertrag als Ausdruck nationaler Erniedrigung und dessen Beseitigung als Lösung aller ihrer Sorgen und Nöte erscheinen zulassen. Die Nazis taten so, als würden sie breite Volksinteressen vertreten, wenn sie lautstark die Revision des Vertrages verlangten. Gleichberechtigung wurde gefordert - das NS-Regime verstand darunter vorrangig die militärische Gleichberechtigung und erzeugte eine nationalistische Hochstimmung als Beschützer der Nation. Als im November 1933 die Ortsgruppe der NSDAP in "Walters Bierhallen“ eine Wahlversammlung mit der Losung: "Frieden und Gleichberechtigung!" veranstaltete, konnte sie auf die in der Einwohnerschaft, nicht nur beim Kriegerverein, weit verbreiteten Hoffnungen einer baldigen Revision des Versailler Vertrages bauen. "Mit Ja in Treue zum Führer!“- das wurde nun von der Ortsgruppe der NSDAP zum Ziel der Abstimmung am 12. November deklariert. Zur weiteren Vorbereitung dieses Täuschungsmanövers wurde am 10.November um 13.00 Uhr auf allen deutschen Sendern als Höhepunkt der "Propagandaschlacht “, wie Goebbels es bezeichnet hatte, eine Rede Hitlers übertragen, die er vor Arbeitern der Berliner Siemenswerke hielt. Zu dieser Stunde, in der sich Hitler als Mann der Arbeit und des Volkes präsentierte, ruhte in ganz Deutschland die Arbeit. Die Eichwalder Straßen waren wie leergefegt. Auch alle Schüler des Ortes verfolgten die Rede beim Gemeinschaftsempfang. Hitler beteuerte erneut vor aller Welt seine Bereitschaft zu Gleichberechtigung und Frieden, um gleichzeitig den beschlossenen Rückzug aus dem Völkerbund und die Notwendigkeit deutscher Rüstung zu rechtfertigen. Frieden, bis Deutschland durch Aufrüstung und Wehrmacht kriegsbereit geworden war, Gleichberechtigung mit dem Rüstungsstand anderer Staaten. Dass derartige revanchistische Propaganda die Kriegsgefahr heraufbeschwor, wurde nur von einer Minderheit des deutschen Volkes wahrgenommen. Zwei Tage später ging man zur Wahl.

Das Ergebnis sah wie folgt aus: Von 3867 Wahlberechtigten beteiligten sich 218 nicht an der Scheinwahl zum Reichstag, außerdem ergab die Auszählung einen außergewöhnlich hohen Anteil von 312 ungültigen Stimmen. 3337 der gültigen Stimmen waren für den Wahlvorschlag der einzigen zur Wahl stehenden Partei, der NSDAP, mehr als 86 Prozent. 530 Wahlberechtigte Eichwaldes hatten sich den Nazis, zweifellos aus Protest gegen die Beseitigung des demokratischen Parteiensystems, gegen den Nazi-Terror und den außenpolitischen Kurs des faschistischen Regimes, verweigert, also 13,7 % der stimmberechtigten Eichwalder. Das Wahlverhalten zum Thema der Volksabstimmung ergab: Von 3867 Stimmberechtigten nahmen 3753 an der Volksabstimmung teil, davon entschieden sich 3518 (93,7%) für den außenpolitischen Kurs der Hitler-Regierung. Insgesamt hatten sich 349 stimmberechtigte Eichwalder, mehr als 9%, durch Stimmenthaltung oder mit ihrem Nein gegen den Rückzug Deutschlands aus dem Völkerbund entschieden. Sie durchschauten den friedensgefährdenden Kurs Hitlers - nur eine Minderheit, aber eine weitblickende.

Fünf Jahre später, am 10. November 1938, es war der Tag nach dem Pogrom gegen die Juden, erklärte Hitler in einer nicht zur Veröffentlichung bestimmten Rede vor ausgewählten NS-Funktionären : " Der Zwang war die Ursache, warum ich jahrelang nur vom Frieden redete. Es war nunmehr notwendig, das deutsche Volk psychologisch allmählich umzustellen und ihm langsam klarzumachen, daß es Dinge gibt, die, wenn sie nicht mit friedlichen Mitteln durchgesetzt werden können, mit Mitteln der Gewalt durchgesetzt werden müssen." Schon gegen Ende des ersten Jahres der NS-Diktatur war die überwiegende Mehrheit der Eichwalder nachweislich an ihrem Abstimmungsverhalten auf den Kurs der NSDAP eingeschwenkt. Ihnen blieb trotz mahnender Stimmen verborgen, welche Kriegsgefahr mit dem Faschismus in Deutschland verbunden war. Es war mehr als nur ein symbolischer Akt, als am 1. Juli 1933 der König-Albert-Platz, der heute Händelplatz heißt, in Adolf-Hitler-Platz umbenannt wurde. Dazu erklang aus dem Gotteshaus, das neben der Kirchenfahne auch mit der Reichsfahne und der Hakenkreuzfahne dekoriert war, feierliches Orgelspiel.


1 Hermann Wegner: Durch die Zeit gestolpert . Erinnerungen. Berlin, 1993, S.17.
2 Friedrich Westphal : Adreßbuch für die Gemeinde Eichwalde ,Kreis Teltow, Berlin, 1938. Hierin sind nach dem Stand vom 1. Februar 1938 die Haushaltungsvorstände aufgeführt, die nach ihrer sozialen Stellung oder Berufsbezeichnung eingetragen wurden. Eine andere Quelle für eine annähernde Übersicht der Sozialstruktur stand 2004 nicht zur Verfügung.
3 Heinz Bergschicker, Deutsche Chronik, a.a.O., S.52.
4 Mitgliedszahlen nach Heimatbuch, S. 539 ff.
5 Kreisarchiv, B.E. Nr. 148 ..
6 Vgl. Kurt Pätzold / Manfred Weißbecker : Hakenkreuz und Totenkopf. Die Partei des Verbrechens. Berlin 1981. S. 235.
7 KWZ v. 7. Januar u. 14. Oktober 1934.
8 Bericht Frau Günther, Eichwalde, Stubenrauchstr., November 2003.
9 Kreisarchiv, B.E.Nr.145 .
10 KWZ v. 17. Februar 1934.
11 Ploetz, a.a.O, S. 196.
12 Vgl. Beiträge, (Abschnitt 1., Anm.15 ) S. 81ff.
13 KWZ v. 18. November 1933.
14 Zitiert nach: Heinz Bergschicker, Deutsche Chronik 1933 – 1945, Ein Zeitbild der faschistischen Diktatur, Berlin1982, S. 267.


Kreuz und Hakenkreuz

Das kirchliche Leben in Eichwalde wurde während dieser Jahre von den politischen Ereignissen ebenfalls berührt und blieb von der Zerstörung humanistischer Werte nicht verschont. Führende Persönlichkeiten beider christlichen Konfessionen offenbarten seit März 1933 eine profaschistische Haltung. Der deutsche Protestantismus war während der NS-Zeit in zwei kirchenpolitische Gruppierungen gespalten. Die eine Richtung bildete die Glaubensbewegung "Deutsche Christen “, welche die faschistische Ideologie mit dem christlichen Glauben verschmelzen wollte, die andere war die im Kampf gegen faschistische Kirchenpolitik gebildete Bewegung der "Bekennenden Kirche“. Sie setzte sich innerkirchlich für die Reinhaltung des evangelischen Bekenntnisses von den Einflüssen der NS-Ideologie und die Ablehnung der Eingriffe des Staates in das Leben der Kirche ein. Allerdings war damit nicht von vornherein eine illoyale Haltung oder etwa Widerstand gegenüber dem NS-Regime verbunden.

Pfarrer der evangelischen Kirchengemeinde Eichwaldes war von 1930 bis zum 1.März 1932 Paul Maßler. Bis zum 31. März 1933 blieb die Pfarrstelle unbesetzt, die Gottesdienste wurden von in Eichwalde lebenden pensionierten Pfarrern versehen. Im Jahre 1933 bewarb sich Pfarrer Georg Pickel für das Pfarramt in Eichwalde. Pickel hatte sich bereits 1932 der NSDAP und bald darauf den 'Deutschen Christen' angeschlossen. Diese Fakten begünstigten die einstimmige Entscheidung des Gemeindekirchenrates für ihn, zumal Pickel aus seiner antisemitischen Einstellung und nationalsozialistischen Gesinnung kein Hehl gemacht hatte. Anläßlich seines Amtsantritts am 1. April 1933 hatte ihm sein katholischer Amtsbruder Kohlsdorf schriftlich zugesichert, wie Pickel auf dessen Jubiläumsfeier 1934 verkündete, "daß sie beide an der religiös-sittlichen Erziehung ihrer Gemeinden arbeiten wollten, was ihn sehr angenehm berührt habe; und er könne zu seiner Freude bestätigen, daß zwischen ihnen ein herzliches Einvernehmen bestehe. Beide Konfessionen hätten sich in dieser schweren Zeit zusammengefunden und (es) bestehe hier am Ort ein solch freundschaftliches, aufrichtiges Zusammenarbeiten, wie es für das ganze Reich wünschenswert sei.“

Die katholische St. Antonius-Kirchengemeinde wurde von Pfarrer (bis 1948 Kurator) Kohlsdorf geführt, dessen silbernes Priesterjubiläum am 17. Juni 1934 feierlich gewürdigt worden war. Aus diesem Anlaß fand nach den Kirchenfeierlichkeiten eine weltliche Zusammenkunft in "Wiechers Gesellschaftshaus" (Gosener Str.) statt, auf der ein Erzpriester das Wort nahm und ein Gelöbnis der Treue gegenüber der weltlichen Obrigkeit abgab. " Nach einem dreifachen 'Sieg Heil' auf den Papst, den Reichspräsidenten und den Reichskanzler wurden die Papsthymne und je ein Vers des Deutschland- und des Horst-Wessel-Liedes stehend gesungen “, wie im Heimatbuch festgehalten wurde. Hier war von politischer Abstinenz nichts zu spüren. Kurator Kohlsdorf war natürlich dem Verhaltenskodex des vom Vatikan mit dem NS-Regime geschlossenen "Reichskonkordats" verpflichtet, der seinen Priestern 'Botmäßigkeit' gegenüber der staatlichen Obrigkeit abverlangte. Kohlsdorf galt bei Stahlhelm und Kriegerkameradschaft als beliebter Volksredner, der zu Fahnenweihen und festlichen Zusammenkünften stets die rechten Worte zu finden wußte. "Nach dem Treuegelöbnis auf den Führer folgte der Gesang des Liedes ‘Vom Himmel hoch’", schrieb die Tagespresse in einem Bericht über die Weihnachtsfeier der Eichwalder Kriegerkameradschaft 1935, die sich Herrn Kohlsdorf als Festredner geladen hatte. Kein Pfarrer erhob Einspruch, als der Eichwalder jüdischen Familie Lippmann empfohlen wurde, ihre Kinder nicht mehr am evangelischen Religionsunterricht in der Schule teilnehmen zu lassen. Die kirchenpolitische Glaubensbewegung "Deutsche Christen“ war nach der Gründung einer Ortsgruppe angestrengt bemüht, die evangelischen Gläubigen noch stärker auf den Führerstaat zu verpflichten, so auf einer Kundgebung am 9. März 1934 in der Aula des Gymnasiums mit dem Thema :"Nationalsozialismus und Deutsche Christen“. Bei anderer Gelegenheit referierte Pfarrer Pickel zum Thema: "Die deutsche Frau im Dritten Reich“. Pickel war allerdings ein moralisch labiler Mensch, der sich deshalb im Ort keinen guten Ruf erwerben konnte. Er wurde 1936 wegen erheblicher Dienstvergehen durch den Rechtsausschuß der Kirchenprovinz Mark Brandenburg suspendiert. Der Eichwalder Gemeindekirchenrat, seit 1933 vom Geist des Nationalsozialismus beherrscht, fand in dem damaligen Vikar Friedrich Schotte einen für Eichwalder Verhältnisse geeigneten Nachfolger. Schon vor 1933 war Schotte, geb.1906, überzeugter Nazi und Mitglied der SA. Seit April 1936 verwaltete er die Evangelische Pfarrgemeinde, wurde am 18.10.1936 als Pfarrer ordiniert und bekam 1938 das Amt als Hilfsprediger (bis 31.8.1941) offiziell übertragen. Ihm folgte am 1.9.1941 Pfarrer Arthur Max Datschewski (1890-1967). Insgesamt hätte Bürgermeister Rix mit den kirchlichen Verhältnissen in Eichwalde recht zufrieden sein können. Es war ihm jedoch im Frühjahr 1938 während der "amtlichen Herstellung" des Adreßbuches für die Gemeinde Eichwalde nicht entgangen, daß zu dieser Zeit gewisse Konflikte zwischen der NS-Führung und den Kirchen öffentlichkeitswirksam ausgetragen wurden. Die katholische Kirche zum Beispiel hatte "weniger aus grundsätzlicher Gegnerschaft " manche Probleme mit dem NS-Regime. Ein Rundschreiben des Papstes, welches 1937 in allen katholischen Kirchen zu verlesen war, sprach einige dieser Bedrückungen kritisch an. Eine Verhaftungswelle gegen Pfarrer beider Konfessionen und Schauprozesse gegen geistliche Ordensbrüder füllten die Spalten der Nazi-Presse. Da konnte und wollte Rix nicht abseits stehen. Er gab seine Meinung über den gesellschaftlichen Platz der Kirche zu erkennen, indem er im Adressbuch der Gemeinde Eichwalde unter der Rubrik "Kirchen" nach der Evangelischen Kirche die St. Antoniuskirche und dann den "Gemeindemüllabladeplatz" aufzählen ließ.

In Eichwalde existierte noch eine, wenn auch unbedeutende, besonders profaschistische Alternative zu den christlichen Kirchen, die sogenannte " Deutsche Glaubensbewegung “, deren Anhänger "an die Stelle der christlichen Bekenntnisse den Mythos von der nordischen oder germanischen Rasse, den Blut- und Bodenkult und die Vergottung Adolf Hitlers setzen wollten...".

Seit 1932 gab es im Ort eine Neuapostolische Kirchen-Gemeinde, die im Mai 1933 Räume in der Bahnhofstraße 10 anmieten konnte, nachdem die ersten Gottesdienste zuvor in der Gaststätte "Cafe am Stern" durchgeführt worden waren. Bei aller Einflußnahme des NS-Staates auf das kirchliche Leben blieb die religiöse Betätigung von Einwohnern oft die letzte moralische Bekräftigung, um christliche Ethik zu bewahren. Dass das soziale und kulturelle Leben der Kirchen bot individuell ein Gegengewicht in einer gleichgeschalteten Öffentlichkeit. Diese Möglichkeiten wurden, besonders in der evangelischen Kirche Eichwaldes, durch Gebete für "den von Gott gesandten Führer" beeinträchtigt.


1 Beiträge, S.72 ff.
2 Vgl. Ploetz, S.51.
3 Heimatbuch, S.355.
3 Ebenda, S. 372.
5 Vgl. Beiträge, S. 72.
6 KWZ v. 23. Dezember 1935.
7 EHG, Aktenablage , Bestand 1933, Dok. v. 15. Mai 1933.
8 BLHA, Pr. Br. Rep. 2A II T, Nr. 501.
9 Vgl. Otto Fischer (Bearb.): Evangelisches Pfarrbuch für die Mark Brandenburg seit der Reformation, Bd.1, Berlin 1941.
10 Ploetz, S. 51, dgl. Benz, S. 98 ff.
11 Adreßbuch Gemeinde Eichwalde, Kreis Teltow, März 1938, S. 12.
12 Kreisarchiv, B.E., Nr. 151, Vgl. Beiträge , a.a.O.,S.72.


Arbeitsbeschaffung

Mit der Machtübernahme durch die Nazis war sowohl bei ihrem Anhang als auch bei der werktätigen Bevölkerung insgesamt die Erwartung verbunden, endlich die Arbeitslosigkeit zu beseitigen. Bereits 1932 hatten die Regierungen unter den Kanzlern von Papen und von Schleicher Maßnahmen zur Belebung der Konjunktur vorbereitet, die jetzt nach abflauender Wirtschaftskrise erste Erfolge zeitigten, aber nun vollständig der Hitler-Regierung zugeschrieben wurden. Dazu gehörte u.a. das "Schleicher-Programm“, welches den Gemeinden 500 Millionen RM für Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen zugewiesen hatte und das von der Hitlerregierung um weitere 100 Mio.RM aufgestockt wurde. Durch einen Gesetzeskomplex vom 1. Juni 1933 "zur Verminderung der Arbeitslosigkeit “ (das sogenannte Reinhardt-Programm) wurden neue Maßnahmen mit Bereitstellung von 1 Milliarde RM eingeleitet. Diese Mittel wurden für den weiteren Ausbau ländlicher Siedlungen, für Straßenbauten, Wasser- und Gasanschlüsse und Gebäudereparaturen bereitgestellt, wovon offenbar Eichwalde ebenfalls begünstigt werden konnte. Zunächst handelte es sich um Notstandsarbeiten, die weder ausreichende soziale Sicherstellung noch Dauerbeschäftigung boten. Ein riesiger Billiglohnsektor wurde geschaffen, in welchem die Arbeitslosen bei sehr geringer Bezahlung eingesetzt wurden. Das nutzte die Gemeindeverwaltung, indem sie Umbauten des Rathauses einschließlich einer Zentralheizung vornahm. Im Ort wurden Verschönerungsarbeiten durch Erwerbslose ausgeführt, und sieben örtliche Arbeitslose reinigten die Straßen und Gehwege. Weibliche Arbeitskräfte vermittelte man häufig als Hauswirtschaftshilfen. Wie schwierig zunächst die Arbeitsbeschaffung war, wird an der Förderung des Wohnungsbaus deutlich: Im Kreis Teltow konnten bis Juli 1933 insgesamt nur 24 500.-RM als Reichsbaudarlehen zur Verfügung gestellt werden. Davon wurde in Eichwalde der Bau eines Einfamilienhauses und eines Zweifamilienhauses unterstützt, nicht etwa finanziert.

Die Gemeindeverwaltung forderte begüterte Einwohner auf, Geld für zwei Jahre gegen Verzinsung von 0,75% über dem Sparkassenzins zu Gunsten der Gemeinde einzuzahlen. Damit sollten bis zum Eintreffen von staatlichen Mitteln Arbeitsplätze finanziert werden. Im September 1933 waren tatsächlich 28 000 RM eingezahlt worden, mit denen die Verlegung von Gehwegplatten in der Grünauer und Kaiser-Wilhelm-Straße (August-Bebel-Allee) durch Eichwalder Erwerbslose bezahlt werden konnte. Am 1. Oktober 1933 setzte der Reichsautobahnbau auf Teilabschnitten des Berliner Ringes ein, womit nicht nur ein gewaltiges Beschäftigungsprogramm sondern zugleich eine riesige Propagandawelle begann. Die Regionalzeitungen berichteten über weitere Beispiele des Abbaus von Arbeitslosigkeit:"Zum Zwecke der Arbeitsbeschaffung läßt die Postverwaltung jetzt Kabel für die Fernsprechleitungen in den Ortsstraßen verlegen... Eine Anzahl Arbeitsloser hat von der Gemeinde dadurch Beschäftigung erhalten, dass kranke und schiefgewachsene Straßenbäume entfernt werden. “ Arbeitslose wurden mit Erdarbeiten und im technisch rückständigen Baugewerbe beschäftigt. Die Eichwalder Lindenstraße, Friedenstraße, Schillerstraße, Caprivistraße (Leistikowstr.) und Rheinstraße wurden auf diese Weise bei Verwendung von Mitteln der Pflasterkasse ausgebaut.

Es waren Maßnahmen des Regimes, die Anklang fanden. Die Zahl der Eichwalder Empfänger von Arbeitslosen-, Krisen- und Wohlfahrtsunterstützung verringerte sich durch derartige Maßnahmen im Januar 1934 von 295 auf 59 im Mai 1935. In der Provinz Brandenburg fiel die Arbeitslosenzahl von Januar 1933 mit rund 892 000 bis Oktober 1934 auf 302 000 (11,1% der Bevölkerung). Das entsprach in etwa der Gesamtsituation in Deutschland. Insgesamt wurden in Deutschland noch immer 2.267 657 Millionen Arbeitslose gezählt, trotz Verdoppelung der Mannschaftsstärke der Reichswehr und trotz vieler verhafteter politischer Gegner.

Im Frühjahr 1934 mehrten sich überall in Deutschland Widersetzlichkeiten und sogar offene Proteste der werktätigen Bevölkerung, nicht nur wegen neuer Gesetze über Arbeitszeiten und -ordnungen, über geringe Löhne, steigende Lebensmittelpreise und schlechte Arbeitsbedingungen. Auch Enttäuschungen bei Nazianhängern der Mittelschichten über nicht eingelöste Versprechen der Naziführung wie Steuererleichterungen und Lohnerhöhungen ließen Gefühle des Betrogenseins entstehen. Die Führung der NSDAP ergriff deshalb eine Reihe von sozialen, politischen und ideologischen Maßnahmen, um die krisenhafte Situation zu entspannen. Dazu gehörten Gesetze zur Regelung der Arbeit, die faktisch eine Entrechtung der Arbeiter gegenüber den Unternehmern bedeuteten, zum Ausbau des "Führerprinzips“ in Staat und Gesellschaft ("Betriebsführer – Gefolgschaft “), zur Perfektionierung des Systems von Repression, Einschüchterung und Demagogie sowie weitere Regelungen zur Beseitigung der Erwerbslosigkeit. Am 20. Januar 1934 wurde das "Gesetz zur Ordnung der nationalen Arbeit " erlassen, somit das faschistische 'Führerprinzip' in den Betrieben verankert und selbst die Deutsche Arbeitsfront in der Wahrnehmung von Arbeiterinteressen weiter eingeschränkt. Als die Gemeindeverwaltung vom Arbeitsamt befragt wurde, ob Eichwalde Umsiedler aus Großstädten und Industriegebieten aufnehmen und mit Arbeit versorgen könnte, beantwortete man die Ablehnung mit folgenden Gründen: " Unter Berücksichtigung der hiesigen Verhältnisse ist hier auch in absehbarer Zeit mit einer Arbeitsmöglichkeit nicht zu rechnen. Die hier bestehende Arbeitslosigkeit ist hauptsächlich durch die Stillegung der Industriebetriebe in Wildau bedingt. Solange diese ihre Pforten nicht wieder zu öffnen vermögen, wird auch eine weitere allgemeine Besserung der Konjunktur weder die Zahl der vorhandenen Erwerbslosen erheblich senken noch Arbeitsmöglichkeiten für Umsiedler bieten." Der NSDAP-Gauleiter fuhr im Februar 1934 durch den Kreis Teltow, besuchte Ortschaften und Betriebe (u.a.Wildau), um Optimismus zu verbreiten und Front "gegen Meckerer und Miesmacher“ zu machen, womit er eine gleichlautende Kampagne vom 3. Mai bis Ende Juni 1934 schon ankündigte. Wie ernst die Lage war, ist aus einem Schreiben vom 5. Mai 1934 ersichtlich, das vom Oberpräsidenten der Provinz Brandenburg an die Leiter der staatlichen höheren Lehranstalten gerichtet war. Es enthielt die Weisung, bevorzugt sogenannte " Alte Kämpfer" der NSDAP, SA, SS und des Stahlhelm in Arbeitsverhältnisse zu bringen. Darin hieß es: " Es muß als eine Ehrenpflicht betrachtet werden, die Kämpfer für die nationalsozialistische Revolution in erster Linie wieder in den Wirtschaftsprozeß einzuschalten und ihnen möglichst eine dauernde Beschäftigung bei auskömmlicher Entlohnung zu sichern...." Die bislang erwerbslos gebliebenen "Alten Kämpfer" begannen bereits über die Politik ihrer Parteiführer zu räsonieren, so daß die Phase der Machtstabilisierung empfindlich gestört wurde. Verstärkt wurden Zehntausende von Facharbeitern bei Notstandsarbeiten eingesetzt.

Der Ausbau von Straßen im Ort wurde durch Ausschreibungen an Firmen übertragen, die jeweils Arbeitslose zu diesen Arbeiten einzustellen hatten und deren Entlohnung aus Geldern der Arbeitsämter erfolgte. So wurde z.B. die Markgrafenstraße (Uhlandallee) 1934/35 durch eine Firma aus Waltersdorf unter Hinzuziehung von Berliner Arbeitslosen gepflastert. 1935 wurden 10 Straßenlaternen an Kreuzungen aufgestellt, weitere Gasrohre und Stromkabel verlegt. Die Regionalzeitung meldete:" Eine Umpflasterung der Werderstraße (Stadionstr.) von der Königstraße (Gerhart-Hauptmann-Allee) bis zur Schulzendorfer Chaussee (Ernst-Thälmann-Str.) wird zurzeit ausgeführt. Somit ist wieder für mehrere Eichwalder Erwerbslose Arbeit und Brot geschaffen worden. Die Pflasterarbeiten werden von der Firma Penkrath & Reckling aus Waltersdorf ausgeführt.“ Selbst in Eichwalde mußten Arbeitsmöglichkeiten für Erwerbslose aus Berlin beschafft werden. Der Ort gehörte damals noch zum Arbeitsamtsbezirk Berlin-Ost, erst seit 1. Juni 1937 zum Arbeitsamt Teltow mit einer Außenstelle in Königs Wusterhausen. Derartige Maßnahmen trugen einen Übergangscharakter und brachten selten dem qualifizierten Facharbeiter einen vollwertigen Arbeitsplatz.

Besonders der Kleinhandel und der Gewerbe treibende Eichwalder Mittelstand hatten große Erwartungen an den versprochenen wirtschaftlichen Aufstieg. Manch einer unterlag der Illusion, die neue Regierung werde nun mit ihrem zur Schau gestellten scheinbar revolutionären Aktionismus, wie versprochen, etwas gegen das Monopolkapital, gegen die Warenhauskonzerne und Großbanken tun, den kleinen Kaufleuten und Handwerkern mehr Chancen eröffnen. Gegen das Großkapital wurde nicht vorgegangen, aber die Konsum-Genossenschaften, in denen die Nazis 'Reste marxistischer Wirtschaftsformen' sahen, wurden zerschlagen. Daran beteiligte sich besonders der "Kampfbund für den gewerblichen Mittelstand", in Eichwalde geführt von Heinrich Rottschäfer und anschließend von Johannes Wollermann. Seit März 1933 organisierte der 'Kampfbund' nicht nur Boykottaktionen gegen große Warenhäuser sondern auch gegen die Konsumgenossenschaften. Bis etwa 1934 gab es einen Konsum-Laden in der Grünauer Straße, der zur Konsumgenossenschaft Berlin und Umgebung e.G. gehörte. Diese wurde schließlich 1935 endgültig in Liquidation trieben und das Geschäft ging an den früheren Konsum-Angestellten Emil Jannutsch über, der ab jetzt Einzelhändler wurde.

Bereits vor 1933 hatten einige Eichwalder Kleinbürger wie der Kaufmann Hans Reichmann , Fabrikantenfamilie Micklei, Fabrikant Keil, Apotheker Schultze-Gebhardt, Kaufmann Schwerdtner und andere, auch mancher Selbständige sogenannter freier Berufe, die aufkommende Nazibewegung im Ort materiell unterstützt und sich ihr früher oder später angeschlossen. Zu vielen Anlässen bekundeten einige Geschäftsleute mit besonders einfallsreichen Schaufensterdekorationen ihre nationalsozialistische Gesinnung, was in der Regionalpresse als beispielhaft herausgestellt wurde. Alle Gewerbetreibenden wurden straff organisiert und mit Reichsbetriebsappellen, Handwerker-Werbewochen, Fahnenweihen und Gefolgschaftsversammlungen regelmäßig mobilisiert. "Handel, Handwerk und Gewerbe haben den Willen, an der Frühjahrsoffensive der Arbeitsschlacht zum Wohle der Gesamtheit mitzuwirken, damit auch der letzte Volksgenosse in die große Front aller Schaffenden eingereiht wird und wieder Lohn und Brot erhält ", hieß es im Aufruf zu einer großen Kundgebung der NS-Hago Eichwaldes am 23. März 1934. Die Losung lautete: " Beseitigt die Not der Erwerbslosen, gebt Aufträge!"

Das Eichwalder und Schulzendorfer Elektro-Handwerk veranstaltete im März 1934 gemeinsam die Werbewoche des Installateurhandwerks, um auf diese Weise den Verkauf von Elektrogeräten zu steigern und die Auftragslage verbessern zu können. Es wurde die Elektro-Gemeinschaft Eichwalde-Schulzendorf ins Leben gerufen. Koch- und Backvorführungen mit Geräten und Werbefilmen der Firmen AEG und Dr. Oetker gehörten zum Programm der Werbewoche. Am "Tag des deutschen Handwerks“ im Oktober 1934 verpflichtete sich die Eichwalder Handwerkerschaft gegenüber dem Ortsgruppenleiter und Gemeindeschulzen Rix, nur Qualitätswaren liefern zu wollen. Private Investitionen wurden kurzzeitig auch im Handwerk begünstigt. Die seit 1920 ortsansässige Elektrofirma Otto Preuß zum Beispiel baute 1935 ein Geschäfts- und Privathaus in der Augustastraße 27 (Schmöckwitzer Straße). Das 'Elektro-Haus' leitete der Sohn des Firmengründers, Artur Preuß. Der Inhaber des Foto-Geschäfts Wollermann errichtete im gleichen Jahr sein Wohn- und Geschäftshaus in der Bahnhofstraße / Ecke Grünauer Straße, ebenso die Firma Schilling (Lebensmittel / Milch) in der Bahnhofstraße / Ecke Landgrafenstraße (Beethovenstraße) . Der Masseur Bernhard Michel eröffnete 1937 in der Kurfürstenstraße 10 (Puschkinallee) eine Kurbadeanstalt.

Die im Verlaufe des Jahres 1934 eingeleiteten Konsolidierungsschritte, vom Terror über den Führerkult bis zur Arbeitsbeschaffung, zeitigten nun relative Erfolge. Problematisch blieb, daß sich in den Reihen der SA-Leute überall Eigenmächtigkeiten gegenüber wirtschaftlichen und staatlichen Einrichtungen sowie Stimmungen des Unmutes über die schleppende Verbesserung ihrer sozialen Lage zeigten. Jetzt wurden von Hitler Forderungen der Großindustrie und der Reichswehrführung nach Ausschaltung dieser kleinbürgerlichen SA-Opposition erfüllt. Am 30. Juni 1934 wurde eine umfassende Mordaktion von SS - und Gestapo-Einheiten mit technischer Unterstützung der Reichswehr gegen SA-Führer und weitere Personen durchgeführt. Die SA wurde allerorts entwaffnet und als politisches Rebellionspotential ausgeschaltet. Das betraf auch die Eichwalder SA, deren im Frühjahr 1934 im Ort aufgestellte SA-Reserve II, gebildet durch den Eichwalder Kyffhäuserbund, im Dezember 1935 aufgelöst wurde. Nicht nur wegen der schon geltenden Wehrpflicht. Es gab auch im Ort zahlreiche Unzufriedene, die aus dem Kyffhäuserbund, der seit 1935 " NS-Reichskriegerbund (Kyffhäuser)“ hieß, austraten, weil ihnen "die nationalsozialistische Grundlage während der letzten Jahre nicht zusagte“, auch gab es Mitglieder, " die nach ihrer eigenen Angabe ausschieden, weil sich die erhofften wirtschaftlichen Vorteile durch ihre Mitgliedschaft nicht sofort zeigten “, wie ein Mitglied des Kriegerbundes schrieb. Deshalb fand in allen Vereinen, die nun 'gleichgeschaltet' waren, permanent eine Infiltration mit der Nazi-Ideologie statt. Von einer Monatsversammlung der NS-Kriegsopferversorgung Zeuthen-Eichwalde im Februar 1934 wird berichtet : " Um die Kameraden, die mit ihrem innersten Fühlen und Denken dem Nationalsozialismus noch immer etwas fern stehen, mit dem Programm und der Idee des Nationalsozialismus vertraut zu machen, hat der Ortsgruppen-Obmann den Versuch zu einer politischen Schulung seiner Mitglieder unternommen. Zuerst machte er gemeinsam mit dem Propagandawart Erbe die Anwesenden mit dem Parteiprogramm, d.h. mit dessen 25 Punkten, bekannt, um dann in kurzer Form die Idee des Nationalsozialismus zu erläutern." Am 2. August 1934 starb Hindenburg. Hitler wurde durch ein vorsorglich tags zuvor verabschiedetes Gesetz zum unumschränkten Diktator. Als " Führer und Reichskanzler “ trat er an die Stelle des Staatsoberhauptes. Die Reichswehrführung veranlaßte die Änderung der verpflichtenden Eidesformel auf die Person Hitlers, statt wie bisher auf "Volk und Vaterland". Ab Februar 1938 übernahm er den Oberbefehl über die Wehrmacht. Mit einer Volksabstimmung am 19. August 1934 sollte dokumentiert werden, daß die Vereinigung des Amtes des Staatsoberhauptes mit dem des Reichskanzlers dem "Willen des Volkes“ entspräche.

Am 16. August hatte in "Walters Bierhallen “ der Landrat des Kreises Teltow persönlich zum Thema " Deutschland und der Führer “ vor fast 600 Teilnehmern das Erwartete heraufbeschworen. Der Eichwalder Männer-Turnverein veranstaltete eine 'Friedrich-Ludwig Jahn - und Hindenburg-Gedenkfeier' und leistete damit seinen Beitrag zum Erfolg der Volksabstimmung. Der Propagandaaufwand war nicht von ungefähr, denn man hatte nicht nur wegen der Vorgänge vom 30. Juni, sondern auch wegen deutscher Verwicklungen in den österreichischen Nazi-Putschversuch vom 23. Juli 1934 gewisse Mißstimmungen in der deutschen Bevölkerung festgestellt. Die Eichwalder stimmten mehrheitlich für Hitler, dennoch sagten 577 Stimmberechtigte Nein, 113 Stimmen waren ungültig, 162 verweigerten überhaupt die Stimmabgabe. 852 Stimmberechtigte hatten auf diese Weise zweifellos ihre Enttäuschungen, auch ihre Ablehnung der Naziherrschaft verdeutlicht. Das waren immerhin etwa 250 mehr als bei der Wahl und Volksabstimmung im November 1933. Am 16. Oktober 1934 waren in Eichwalde 2441 männliche und 2771 weibliche, insgesamt 5212 Einwohner, gemeldet. (1933= 4.902) In Eichwalde gelangte seit dieser Zeit der Führerkult, von Bittgesuchen an den, Geldsammlungen für den 'Führer' bis hin zu Gedichten über Hitler zu erstaunlicher Blüte. Die Mehrzahl der Eichwalder, getäuscht, verblendet und verführt, hatte auf dem Weg zur "Volksgemeinschaft “Tritt gefaßt und Gleichschritt aufgenommen.


1 Vgl. Berndt-Jürgen Wendt, (wie1. Abschnitt , Anm. 1), S. 181 ff.
2 Vgl. Beiträge, S. 55 f.
3 KWZ v. 6. August 1933.
4 Teltower Kreiskalender v. 1934, S.32.
5 KWZ v. 17. September 1933.
6 KWZ v. 12. Januar 1934.
7 Heimatbuch , S.629.
8 KWZ v. 12. Juni 1935.
9 Vgl. Sibylle Hinze, "Die ungewöhnlich geduldigen Deutschen". Arbeiterleben 1934 – 1936 im Spiegel ausgewählter Gestapodokumente (Regierungsbezirk Potsdam), in: Brandenburg in der NS-Zeit. Hg. v. Dietrich Eichholtz unter Mitarbeit von Almuth Püschel, Berlin1993, S.34.
10 Ploetz, S.103.
11 Kreisarchiv, B. E., Nr. 079.
12 Kreisarchiv, B.E., Nr.145.
13 Kreisarchiv, B. E., Nr. 062.
14 KWZ v. 15. Februar 1935.
15 KWZ v. 27. Mai 1934.
16 KWZ v. 7. Juni 1937.
17 BLHA, Pr. Br. Rep. 203 AzS, ESA Nr .4601.
18 BLHA, Pr. Br. Rep. I Kom, Nr. 2340 (Dok. v. 7. Juni 1934).
19 KWZ v. 30. Januar 1934.
20 KWZ v. 21. Januar 1935.
21 KWZ v. 22. März 1934.
22 Vgl. KWZ v. 14. u. 22. März u. 31. Oktober 1934.
23 KWZ v. 30. Oktober 1935.
24 Vgl.Benz, S. 42 ff.
25 Heimatbuch, S. 601.
26 KWZ v. 21. Februar 1934.
27 Vgl. Wolfgang Benz, Geschichte des Dritten Reiches, München 2003, S. 48. ( i.f. B e n z ).
28 Vgl. Wolfgang Schumann / Gerhart Hass ( Ltg. Autorenkoll.): Deutschland im zweiten Weltkrieg, Berlin 1975 ff, Bd.1-6, Bd.1,S. 106. ( i.f. D e u t s c h l a n d )
29 Vgl. Lehrbuch der deutschen Geschichte ( Beiträge ), Bd. 11 , (Hg.) Autorenkollektiv : Deutschland von 1933 – 1939, Berlin, 1969, S. 121 f. ( i.f. B e i t r ä g e ).
30 KWZ v. 21. August 1934.
31 KWZ v. 7. Dezember 1934.


Aufrüstung

1935 wurde die seit mehreren Jahren erforderliche neue Friedhofshalle Eichwaldes errichtet, deren monströse Einweihung im Hinblick auf die folgenden Jahre allerdings von makabrer Symbolik war. Der kommende Krieg war kein plötzlich entstandenes Ereignis, dem eine Kriegserklärung vorangestellt wurde, sondern ein vom Hitlerregime lange geplantes Verbrechen, dessen Vorbereitung und Beginn unauffällig und überraschend vonstatten gehen sollte. Jedoch mehrten sich innen- und außenpolitische Anzeichen einer verstärkten Kriegsgefahr.

Im Spätsommer 1934 war die Politik des "Neuen Plans“ verkündet worden, die offiziell am 24. September 1934 in Kraft trat. Dabei ging es vorrangig um die Sicherung der ab jetzt beschleunigten Aufrüstung Deutschlands, um die Einfuhr rüstungswichtiger Rohstoffe und Güter. Durch Export sollten Devisen für die Rüstungsproduktion erwirtschaftet werden. Eine Reihe von Maßnahmen wie staatliche Investitionen bei der Reichsbahn, Reichspost und beim Autobahnbau, die sich letztlich als Vorleistungen für eine kriegstüchtige Infrastruktur erweisen sollten, begünstigten den wirtschaftlichen Aufschwung. Mit allen Mitteln wurde die Verminderung der Arbeitslosigkeit vorangetrieben. Beschäftigung entstand auch durch staatliche Förderung eines zunächst freiwilligen Arbeitsdienstes. Noch gut erinnern sich ältere Eichwalder an folgende Tatsachen: Seit 1934 bestand zunächst nur für Abiturienten, seit dem 6. März 1935 eine allgemeine Arbeitsdienstpflicht vor dem Studium. Das war wie vieles andere eine Regelung aus der Weimarer Zeit, in der seit 1931 ein sogenanntes Werkhalbjahr für Abiturienten eingeführt worden war. Auch daran erinnern sich ältere Eichwalder: Jungverheirateten stellte ein Gesetz 1000.-RM Ehestandsdarlehen in Aussicht, wenn die Frau ihre berufliche Arbeit aufgab. Die Gemeindeverwaltung bemühte sich weiter um Arbeitsmöglichkeiten und beschäftigte selbst inzwischen 18 Gemeindearbeiter. Im August 1934 wurde ein Erweiterungsbau an der Schulturnhalle samt Arzt- und Lehrerzimmer, Ankleideraum und Geräteraum fertiggestellt. Eine notwendige Baumaßnahme, waren doch die Schulsportstunden aufgestockt worden, und die HJ brauchte ebenfalls Räumlichkeiten. Diese und manche anderen Maßnahmen brachten zunächst nur einen Korrektureffekt für die Arbeitslosenstatistik und dämpften allenfalls eine noch immer vorhandene Unzufriedenheit. Trotz aller eingeleiteten Schritte wuchsen im Winter 1934/35 die Erwerbslosenzahlen in Deutschland erneut auf fast 3 Millionen an. Das waren etwa 13,5 Prozent der abhängig Beschäftigten. Erst mit immer stärkerem Anlaufen der Rüstungsproduktion wurden überall Arbeitskräfte eingestellt. Großbetriebe in Berlin, seit 1935 die Henschel-Werke (HFW) in Schönefeld, in Wildau seit 1936 die Berliner Maschinenbau-AG ( BMAG, ehemalsMaffei-Schwartzkopff-Werke GmbH) und eine AEG-Fabrik (Lokomotivbau und Flugzeugzellenbau), seit 1937 die Hirth-Motorenwerke (Teile für Flugzeugmotoren) bei Waltersdorf, die 1941 zum Heinkel-Konzern kamen sowie weitere Rüstungsunternehmen boten auch für Eichwalder Einwohner neue Möglichkeiten zu qualifizierter Arbeit. In der "Reichshauptstadt" Berlin wurden besonders im Zusammenhang mit den Olympiavorbereitungen gewaltige Bauvorhaben wie Verkehrsbauten und Gebäudekomplexe ausgeführt. Eichwalder Fachleute hatten hier Anstellung gefunden. Bereitwillig nahmen die Beschäftigten verlängerte Arbeitszeiten, schließlich sogar den Zehnstundentag in Kauf. Dadurch steigende Wochenlöhne erhöhten das Familieneinkommen. Man schöpfte wieder Hoffnung auf ein sicheres Leben. Hauptsache Arbeit, wenn möglich entsprechend der beruflichen Qualifikation! So haben wohl die meisten Einwohner gedacht, die morgens in die immer voller werdenden Züge nach Berlin oder nach Königs Wusterhausen stiegen, um zu ihren Arbeitsstellen zu fahren. Der erste Zug nach Berlin verließ Eichwalde in Richtung Berlin um 4.59 Uhr, Richtung Königs Wusterhausen um 5.26 Uhr.

Die illegal arbeitende KPD versuchte mit Flugschriften und Zeitungen die Aufrüstung zu enthüllen. So ist in dem Informationsblatt des KPD-Unterbezirks 29 vom 1. Februar 1935 unter der Überschrift " Hetzarbeit in der Kriegsrüstung " zu lesen : " Zwischen Alt-Glienicke und Schönefeld, unweit der Ortschaft Schönefeld liegt der 'Sport' platz Schönefeld. In einem wahnsinnigen Hetztempo, bei drei Schichten, wird an der Fertigstellung des verkappten Flugplatzes und seiner unterirdischen Flughallen gearbeitet. Im Frühjahr 1935 soll die Richtkrone gesetzt werden." Die Kommunisten nannten direkt mit Namen, was offiziell tunlichst verborgen wurde: Heimliche Aufrüstung mit dem Ziel des Krieges. In einer 1940 veröffentlichten Propagandabroschüre der NSDAP war zu lesen: "Wenn die Arbeitslosigkeit so rasch beseitigt werden konnte, so hing das vor allem auch damit zusammen, daß vom Jahre 1935 an die Aufrüstung das Bild der deutschen Wirtschaft mehr und mehr bestimmte “. Selbst Eichwalde bot dafür ein Beispiel. Bei einem bislang kleineren Eichwalder Handwerksbetrieb konnte ein beachtlicher wirtschaftlicher Aufschwung beobachtet werden. Die Firma hatte sich ursprünglich als Bautischlerei und mit einem Bestattungsunternehmen bis 1933 mühsam durchgeschlagen. Es war die 1911 gegründete Großtischlerei für Bau und Innenarchitektur Heinrich Rottschäfer, die zwischen Plumpengraben und Bahngleisen (heute Lidl - Markt), an die Gemarkung Zeuthen grenzend, gelegen war. Sohn Walter des Firmengründers war bereits 1929 Mitglied der NSDAP-Ortsgruppe in Eichwalde geworden. Er studierte Innenarchitektur. In der Hoffnung, mit der Machtübertragung an die Hitlerbewegung Regierungsaufträge erlangen zu können, wurde der Seniorchef 1936 ebenfalls Mitglied der NSDAP. Als Zulieferer der Borsigwalder Holzindustrie (Betriebsteile in Berlin-Wittenau, Halbe, Mellensee) fertigte der Betrieb überwiegend Türen und Fenster für Baracken, die plötzlich massenhaft gebraucht wurden. Zunächst für die Barackenlager des Reichsarbeitsdienstes, als Baustellenunterkünfte beim Autobahnbau und beim Militär, für HJ und BDM. Sie wurden bald auch neben Industrieanlagen errichtet, insbesondere aber in allen Arten für Konzentrationslager und die späteren Vernichtungslager gebraucht. Die Baracke, nach einfachem Baukastenprinzip mit genormten Elementen gebaut, ermöglichte die Errichtung von Barackenlagern in nur einer Woche. Dieses Geschäft ließ sich Rottschäfer nicht entgehen. Bis 1938 hatte sich die Firma für weitere Aufgaben empfohlen, war finanziell saniert und konnte die Belegschaft bis auf ca.120 Arbeiter aufstocken. Walter Rottschäfer wurde Teilhaber. Im Betrieb produzierte man nicht mehr nur Türen und Fenster für Baracken, sondern inzwischen auch Militärschränke und -kisten sowie Innenausbauten für Regierungsaufträge. Das NS-Regime förderte mit Blick auf die Kriegsvorbereitung bestimmte spezialisierte Handwerksbetriebe aus Nützlichkeitserwägungen bei der Kriegsvorbereitung, weil dezentrale Zulieferer von Rüstungsgütern schwerer verwundbar als industrielle Ballungszentren waren. Davon profitierte Rottschäfer zwangsläufig. So mancher Eichwalder hatte in der Firma seine Beschäftigung gefunden. Seit 1933 bis 1938 konnten die 224 Eichwalder Erwerbslosen allmählich mit Arbeitsplätzen versorgt werden.

Mit unverhohlener Aufrüstung wagten die Nazis in allen entscheidenden militärischen Bestimmungen den offenen Bruch des Versailler Vertrages und ließen die Friedenstarnung allmählich fallen. Jetzt wurden alle Maßnahmen in bislang nicht bekannter Weise der Militarisierung des gesellschaftlichen Lebens untergeordnet. Einberufungen zum Reichsarbeitsdienst legten laut Reichsarbeitsdienstgesetz vom 26. Juni 1935 eine sechsmonatige Dienstpflicht für männliche Jugendliche ab 18 Jahren fest. Gleichzeitig wurden damit günstige Einflußmöglichkeiten für die NS-Ideologie und die militärische Disziplinierung geschaffen. Ab Februar 1938 wurde das " weibliche Pflichtjahr “ in der Haus- und Landwirtschaft vor Aufnahme einer Berufstätigkeit eingeführt.

Begleitet von Demagogie und Terror der Nazis, hatte sich die Bevölkerung des Saarlandes, seit dem Versailler Vertrag durch eine Völkerbund-Kommission verwaltet, am 13.Januar 1935 mehrheitlich für die Rückkehr nach Deutschland entschieden. Die Rückgliederung des Saargebietes wurde zu einem gewaltigen innenpolitischen Erfolg Hitlers. Die Freude darüber übertönte die warnenden Stimmen, die auf weitere territoriale Ansprüche der Nazis aufmerksam machten. Weitsichtig schrieb eine Eichwalde zugeordnete illegale KPD-Zeitung:" Diese nationalistische Welle hat nicht nur den Zweck, das erschütterte Ansehen des Faschismus wieder zu festigen. Nein, mit diesen aufgepeitschten Leidenschaften gedenken sich die Hitler-Schacht-Papen in neue außenpolitische Abenteuer zu stürzen. Nach der Saar gilt es, nun noch andere deutsche 'Stammesbrüder' vom fremdländischen Joch zu befreien." Aber in Eichwalde organisierte die örtliche NSDAP-Führung am 15. Januar einen Fackelzug mit großem Aufmarsch aller Uniformierten unter reger Beteiligung der Einwohnerschaft. Die mahnenden Stimmen wurden übertönt, die Verbreitung der Wahrheit verfolgt und bestraft. Die nächsten Ziele wurden von Hitler schon ins Auge gefaßt, unter anderem das Memel-Gebiet. Nach Ende des ersten Weltkrieges war dieses bislang deutsche Gebiet mit autonomen Rechten Litauen zugeordnet worden. Hitlerdeutschland mobilisierte die memelländischen Faschisten als fünfte Kolonne, die unaufhörlich provozierend für die "Heimholung“ ins Deutsche Reich in Erscheinung trat. Dabei wurden im März 1935 von einem litauischen Gericht in Kowno 126 Nazis verurteilt, weil sie einen bewaffneten Umsturz vorbereitet und einen Belastungszeugen ermordet hatten. Neben hohen Zuchthausstrafen ergingen fünf Todesurteile. Die NSDAP organisierte deutschlandweit sofort Protestversammlungen. In Berlin wurde auf einer Protestkundgebung am 27. März schon "Führer, schlag zu!“ gefordert. Eichwalde erlebte seine die Volksmeinung aufputschende Veranstaltung Ende März in "Walters Bierhallen“. Hauptredner war der stellvertretende Kameradschaftsführer des örtlichen Reichskriegerbundes, Studienrat Boenisch, der für seine Handlungen als Freikorpsangehöriger 1919/20, vermutlich beim Kampf gegen revolutionäre Bewegungen im Baltikum, noch im Jahre 1937 von den Nazis ausgezeichnet wurde. Energisch setzte er sich, sekundiert von Bürgermeister Rix, für die Rückholung des Memel-Gebietes und die Freilassung der Putschisten ein. Wieder war ein Mosaikstein in die politischen Anschauungen der Eichwalder hineinmanipuliert worden, die wie alle Deutschen systematisch an immer weitere expansive Schritte der Hitlerregierung gewöhnt werden sollten, bis " die innere Stimme des Volkes selbst langsam nach Gewalt zu schreien begann “, wie Hitler es 1938 formulierte.

Doch ständiges Hauptthema der Einwohner in diesen Monaten des Jahres 1935 waren weniger die außenpolitischen Ereignisse, als vielmehr noch immer die erhoffte und versprochene Verbesserung der Lebenslage. Trotz zunehmender Beschäftigung blieben die Löhne nach dem allgemeinen Lohnstopp vom 6. April 1933 insgesamt niedrig. Der durchschnittliche Wochenlohn der Arbeiter in Brandenburg betrug 25 RM. Arbeiter in Rüstungsbetrieben hatten höhere Löhne. Autobahnarbeiter verdienten etwa 20 bis 22 RM, wovon aber Verpflegung zu bezahlen war. Zudem wurden legale und illegale Preissteigerungen ein belastender Faktor der Lebenslage.

Seit 1934 waren bei allen Hauptnahrungsgütern wie Brot, Kartoffeln, Fett, und Gemüse immer wieder Versorgungsengpässe aufgetreten. Die Eichwalder steigerten zwangsläufig die Erträge ihrer Gärten und Kleintierhaltung. Das Preußische Gesetz über das Landjahr vom August 1934 verpflichtete auch Eichwalder Schüler nach Beendigung der Schulausbildung ein sogenanntes Landjahr als billige Arbeitskräfte abzuleisten. Der " Einsatz von Schülern für besondere Zwecke kann die zeitweilige Schließung von Klassen oder Schulen rechtfertigen “, wie es in einem Schreiben an den Direktor des Eichwalder Gymnasiums 1935 hieß.

1935 traten erstmals größere Versorgungsschwierigkeiten auf: Schweinefleisch, Fett, auch einige importierte Produkte standen nicht mehr im gewohnten Umfang zur Verfügung. In Geschäften wurden Kundenlisten eingeführt. Eine der Ursachen dafür war die mangelnde Produktivität der deutschen Landwirtschaft, schlechte Erntejahre wie 1935, in erster Linie aber Devisenknappheit wegen gesteigerter Einfuhr rüstungswichtiger Rohstoffe. Niemand hungerte, sondern nach den Erfahrungen der großen Wirtschaftkrise am Ende der Weimarer Republik war der Eindruck bestimmend, alles zu haben, was man zum Leben brauchte. Zum Alltag gehörten auch Antifett- und Antifleisch-Kampagnen der Nazi-Propaganda u. dgl., je nach Versorgungsengpaß. Preissteigerungen bekamen immer häufiger Regulierungsfunktion. Selbst die kleinsten wirtschaftlichen oder sozialen Maßnahmen wurden mit gewaltiger Propaganda zur Vision einer großdeutschen Zukunft hochstilisiert. Die Gemeindevertretung hatte bereits am 10. August 1933 angeregt, an der Höheren Schule Eichwaldes die Schulkinderzahnpflege einzuführen, die dann ab 1. Oktober d.J. von einem Eichwalder Zahnarzt kostenlos übernommen wurde. Eine Schularztstelle und die übergreifende hygienische Beratung von Gemeindevorstand und Lehrerkollegium wurden seit April 1934 eingerichtet, bis es ab 1. Dezember 1935 zur Neuregelung der Schulgesundheitspflege auf Länderebene kam. In den Schulen wurde die Milchfrühstücksversorgung organisiert. Besonders die Jugend sollte sich für bevorstehende kriegerische Aufgaben durch beste Gesundheit auszeichnen. Wer ' hart wie Kruppstahl ' werden mußte, konnte keine schlechte Gesundheit haben. 1938 wurde in diesem Sinne der erste " Gesundheitsappell der deutschen Jugend “ veranstaltet und wurden Gesundheitspässe ausgegeben. Die Einrichtung einer vorläufigen BDM- und HJ-Baracke im Juni 1933 an der Bahnhofstraße sowie eines einfachen Hauses 1937 in der Landgrafenstraße 2 (Bruno-H.-Bürgel-Allee) als Kinderheim und neue Bestimmungen über Schulgeldermäßigung lt. Schulgeldgesetz vom 8. Februar 1938 wurden groß herausgestrichen. Seit Februar 1938 erlaubte man den Bewohnern der zu Berlin-Köpenick gehörenden Siedlungen im Ortsteil Schmöckwitz "Heimstätte Eichwalde e.G.m.b.H.“ und "Verein zur Förderung christlicher Siedlungen in Eichwalde “, ihre schulpflichtig gewordenen Kinder die Volksschule in der Gemeinde Eichwalde besuchen zu lassen. Der Preis für Elektroenergie war auch für Eichwalde 1934 von 20 auf 15 Rpfg / KwH gesenkt, aber höhere Grundgebühren (alt: 2,40 RM, neu: 3,40 RM) erhoben worden. Am 13. Dezember 1935 wurde ein Gesetz zur Förderung der Energiewirtschaft erlassen, welches eine möglichst wirtschaftliche Produktion, möglichste Sicherstellung der Energieversorgung und möglichst soziale Verteilung forderte. Als dann 1937 nahezu alle Neubauten an die Gasversorgung mit einem preiswerten Regel- und Mehrverbrauchstarif angeschlossen wurden, am 1.Juli 1938 für Eichwalde ein neuer günstiger Konzessionsvertrag mit der "Teltower Kreiswerke G.m.b.H “ vereinbart und der seit 1.Oktober 1933 geltende Kleinabnehmertarif wie bisher fortgesetzt wurde, 1938 für Wasser anstatt der Verwaltungsgebühr in Höhe von 5,04 RM jetzt eine Grundgebühr von 3,58 RM zu bezahlen war, löste das Freude aus, wie sozial sich alles gestaltete. Wasser wurde in Eichwalde, trotz neuer Preisgestaltung seit 1938, nur für öffentliche Einrichtungen billiger. Die geringen finanziellen Erleichterungen für die Bevölkerung hatten zugleich die Funktion, besonders angesichts des von Göring am 28. Oktober 1936 befohlenen erneuten Lohnstopps, vorhandenen Mißstimmungen entgegen zu wirken.

Seit Sommer 1933 absolvierten Eichwalder Lehrer Luftschutzlehrgänge. Die Ortsgruppe des Reichsluftschutzbundes warb seit 1934 eifrig um neue Mitglieder in Eichwalde, organisierte Ausbildungen für Luftschutzwarte, Laienhelferinnen für Erste Hilfe, Feuerwehrleute und Melder. Am 18. März1934 wurden die Einwohner per Tageszeitung zur Teilnahme an einer Propagandaveranstaltung des Reichsluftschutzbundes aufgefordert : "Um die Einwohner des Ortes über die Gefahren eines Luftangriffes und die nötigen Schutzmaßnahmen gegen die Folgen von Bombenabwürfen aufzuklären, findet am morgigen Sonntag im Rudolfschen Saale, Kaiser-Friedrich-Straße1 (Heinrich-Heine-Allee 1), ein Lichtbildervortrag über Luftschutz statt. Der Besuch desselben ist allen Einwohnern, besonders aber den Hausbesitzern, dringend zu empfehlen.“ Es wurde erklärt, daß Tausende von Kampfflugzeugen die Grenzen des wehrlosen Deutschland bedrohten. Eine Brandmittelvorführung auf der Straße sollte die Schrecken des Bombenkrieges veranschaulichen. Aber wer dachte daran, daß sein Kellerraum demnächst zum Bunker ausgebaut werden mußte. Bald wurde zur Einrichtung von Gasschutzkellern aufgerufen, wofür es "Reichszuschuß-Mittel “gab. Einige waren bereits in Eichwalder Häusern zu besichtigen und sind heute noch oft vorhanden. Die "Luftschutz-Ecke“ war eine ständige Rubrik in der "KönigsWusterhausener Zeitung". Hier wurden Hinweise zur Einrichtung von Luftschutzkellern und Bunkern gegeben. Am 29. Mai 1934 war die Bahnhofstraße um 18.00 Uhr voller begeisterter Menschen, als ein Flugzeugführer aus Berlin über Eichwalde seine Kunststücke zeigte. Systematisch wurde die Einwohnerschaft auf kommende 'Flugzeugereignisse' vorbereitet.

1935 erfüllte sich der lang gehegte Wunsch der Feuerwehr nach einer Sirene auf dem Rathausdach, und bald wurde eine weitere auf einem Hausdach in der Kronprinzenstraße / Ecke Karlstraße ( Fontaneallee / Ecke H.- Zille-Str.) installiert. . In den Eichwalder Schulen wurden seit diesem Jahr nicht mehr nur die üblichen Brandschutzübungen, sondern Luftschutzübungen durchgeführt. Der Eichwalder Ortsgruppenleiter für Luftschutz, Schneider, warb Januar 1936 anläßlich einer Versammlung des Haus- und Grundbesitzer-Vereins dafür, daß jeder Hauseigentümer Mitglied des Reichsluftschutzbundes werden sollte, dessen Dienststelle sich in der Bismarckstraße 4 (Walter-Rathenau-Str.) befand. Durch Spenden der Mitglieder sollten mehrere Hydrantenwagen zum Stückpreis von 200 RM gekauft werden. Es waren bereits 30 Luftschutzhelfer ausgebildet worden. 1936 wurde die Eichwalder Freiwillige Feuerwehr zu einem polizeilichen Hilfsorgan ernannt, die damit zur Verfügung des Bürgermeisters auch zu Aufgaben des Polizeidienstes verpflichtet werden konnte, " für Aufgaben im Frieden und im Kriege“, wie es hieß. 1937 wurde ein Ausbildungstrupp mit dem Ziel gebildet, alle Anwärter innerhalb eines halben Jahres als Feuerwehrmann in die FFW übernehmen zu können. 1937 wurden wie überall in Deutschland " Volksgasmasken " verteilt, 1938 der Unterricht über die Handhabung dieser Gasmaske eingeführt. 1939 wurden Ausbildungsvorschriften der Feuerwehr um die Besonderheiten des Luftschutzes ergänzt. Die Freiwillige Feuerwehr Eichwaldes war eine einsatzfähige Gemeinschaft geworden. Ein neues Löschfahrzeug vom Typ LF25 mit einer leistungsstärkeren Motorspritze von 2500 Ltr. / min. wurde noch kurz vor Kriegsbeginn angeschafft.

Seit 1933 war zielstrebig am Aufbau von Heer und Luftwaffe gearbeitet worden. Der Austritt Deutschlands aus dem Völkerbund zeitigte gefährliche. Am 1. April 1933 betrug der Mannschaftsbestand der Reichswehr 102 500 Mann. Schon während der Herbstferien im Oktober 1933 wurde in der Eichwalder Schule ein Ausbildungslager des " Deutschen Jungvolkes“ des Kreises Teltow durchgeführt. "Auch eine Wache ist vor dem Eingang des Schulhofes aufgestellt. Der Posten, der alle zwei Stunden abgelöst wird, ist mit einer Luftbüchse, Stahlhelm und Signalhorn ausgerüstet. Will man den Schulhof betreten, so muß man sich bei dem Posten ausweisen. Die Begeisterung unter den jungen Volksgenossen ist groß “, berichtete die Zeitung. Man bedenke, daß ein Junge von zehn Jahren, der noch mit großem Ernst und auch Spaß beim Jungvolk oder der HJ mitmachte, 1941 im Alter von achtzehn Jahren unter Umständen bereits an der Front kämpfen mußte. Diese Lager wurden mehrfach in den kommenden Jahren wiederholt.

Ein streng vertrauliches, auf dem Dienstweg überbrachtes Schreiben des Reichsministers des Innern vom 23. Februar 1934 an die Leiter der höheren Lehranstalten erreichte auch das Eichwalder Gymnasium. Es betraf den freiwilligen Eintritt von Abiturienten zum 1. April oder 1. Oktober 1934 in das Reichsheer. Merkblätter und Fragebögen waren beigefügt. Ein Schreiben vom 24. Juli 1934 betraf die Einstellung von Offiziersanwärtern. Die zahlenmäßige Stärke der Reichswehr erreichte am 1. Oktober 1934 bereits 240 000 Mann. Im Nebeneffekt war es eine 'Arbeitsbeschaffungsmaßnahme'. Im Mai 1939 waren im Kreis Teltow neben den Berufssoldaten 7 287 dienstpflichtige Soldaten und Arbeitsmänner nicht mehr im zivilen Arbeitsprozeß. Manche Eichwalder waren inzwischen in NSDAP-Dienststellen und deren Gliederungen, bei SS, Reichsarbeitsdienst (RAD), in der Wehrmacht usw. beschäftigt. Im Einwohnerverzeichnis von 1938 liest man deshalb Tätigkeitsbezeichnungen wie Reichsangestellter, SS-Führer, Angestellter der Reichsstelle für Sippenforschung, Reichsfachgruppenwalter, Behördenangestellter, Feldmeister im Reichsarbeitsdienst, Feldwebel, Major usw.

Seit dem 26.Februar 1935 erfolgte durch Regierungserlaß offiziell der Aufbau der Luftwaffe. Göring als Reichsluftfahrtminister hatte im März 1935 demagogisch die Aufgaben der Luftwaffe wie folgt beschrieben:" Das Vaterland verteidigen, aber niemals den Frieden anderer bedrohen!“ Eichwalder Lehrer und männliche Schüler hatten schon seit April1933 an Segelfluglehrgängen in Grunau bei Hirschberg teilgenommen. 1936 wurden im Eichwalder Gymnasium zwei Luftsportgruppen gebildet. Die Fliegerortsgruppe "Höllengrund “ Zeuthen / Eichwalde des Deutschen Luftsportverbandes warb eifrig Mitglieder mit dem Slogan:" Deutschland braucht die Lust zum Leben und zum Fliegen!“ Ihre Ansprechstelle für Eichwalde befand sich in der Stubenrauchstraße 87. Als im März 1935 in Eichwalde die Heirat eines Fluglehrers stattfand, wurde diese den Zeichen der Zeit entsprechend als " Fliegerhochzeit “ gestaltet. Seine Kameraden warfen nach der Trauung, während sie über der evangelischen Kirche kreisten, Blumensträuße über Bord, die an Fallschirmen zur Erde sanken. Eichwalde gehörte zu den wenigen Gemeinden des Landkreises, die bereits 1936 einmalig 25 RM für die Förderung des Segelflugsports spendeten. Im 18. April 1937 fand am Gefallenen-Ehrenmal in der Eichwalder Bahnhofstraße eine feierliche Segelflugzeugtaufe statt. Den Schulgleiter, der den Namen "Willy Dreyer“ erhielt, hatte die Gemeinde den Segelfliegern der HJ geschenkt. Am 20. April schenkte die SA ganz Deutschlands dem "Führer" ein komplettes Jagdgeschwader. Eichwalde hatte unter Führung von Rix die Zeichen der Zeit wieder richtig verstanden und protzte mit dieser Aktion.

Zielstrebig wurde, ohne daß es den Eichwaldern bewußt war, die Kriegsvorbereitung vorangetrieben, der Luftschutz organisiert, für Luftwaffe und Heer, bald auch für die Marine geworben. Dabei fiel auch nicht sonderlich auf, daß anstelle des seit 1926 auf Initiative des "Volksbundes Deutsche Kriegsgräberfürsorge" begangenen Volkstrauertages, regelmäßig am Gefallenen-Denkmal in der Bahnhofstraße veranstaltet, jetzt ein " Heldengedenktag " festgelegt war. Erstmals fand dieser in Eichwalde am 25. Februar 1934 statt und wurde 1939 auf den Tag der Wiedereinführung der Wehrpflicht festgelegt. Anstatt zu trauern, sollte die Bereitschaft zu neuen heldischen Taten gepflegt werden. Am 16. März 1935 wurde unter Verletzung des Versailler Vertrages mit Verkündung des " Gesetzes für den Aufbau der Wehrmacht " wieder die allgemeine Wehrpflicht eingeführt. Die "deutsche Ehre“, so hieß es, sei wieder hergestellt. Schnell startete die Deutsche Arbeitsfront eine Umschulungsaktion für Uniformschneiderei, der Bedarf war gewaltig, und wieder waren neue Arbeitsplätze entstanden. Am 19. März 1935 lief in Berlin eine umfassende Luftschutzübung. " Berlin war verdunkelt “, meldeten die Zeitungen. Einige Wochen später übte Königs Wusterhausen.

Schon am 1.Dezember 1936 war die Zwangsmitgliedschaft in der Hitlerjugend eingeführt worden. HJ-Dienst bedeutete für die männlichen Jugendlichen, ob Schüler oder Lehrling, in erster Linie Wehrertüchtigung. An zwei Nachmittagen pro Woche wurde ohne Rücksicht auf schulische Pflichten exerziert, gedrillt, marschiert, geschossen. Es war gleichsam eine infanteristische Grundausbildung zu absolvieren. Da es hierbei häufig zu Überlastungen der Kinder und Jugendlichen kam, besonders der Jungen, wurden vom Eichwalder HJ-Stammführer Lesser "Elternausspracheabende" in der Schule zur Klärung derartiger Differenzen anberaumt. Der Schriftsteller Hermann Wegner, aus einem antifaschistisch gesinnten Elternhaus stammend, erinnerte sich an seine Eichwalder Jahre und schrieb: "Ich drückte mich vor dem Jungvolk, entrann zunächst der Hitler-Jugend. Als mich ein dickbäuchiger Ortspolizist zu Pflicht-HJ befahl, die in Zivil auf dem Volksfestplatz exerzierte, war ich 16 Jahre alt und ... ertrug, was entehrend gemeint war, mit erhobenem Kopf “.

Die Bereitstellung von HJ-Heimen als Basis für die außerschulische Einvernahme der Jugend wurde nach 1935 auffällig forciert. Im Landkreis Teltow wurden allein 1937 rund 150.000 RM für diese Zwecke verwendet. Die Gemeinde Eichwalde stellte im gleichen Jahr 1500 RM für den Bau des HJ-Heims zur Verfügung und war in den kommenden Jahren immer wieder mit weiteren finanziellen Mitteln für die NSDAP und ihre Gliederungen zur Hand.

Der Eichwalder Geburtsjahrgang 1914 hatte am 18. Juni, der Jahrgang 1915 am 19. Juni 1935, 14.00 Uhr, im Bahnhofshotel Königs Wusterhausen zur Musterung zu erscheinen . Bald waren eine Million Männer Deutschlands, die vielfach zuvor noch arbeitslos gewesen waren, an die Wehrmacht gebunden. Am 7. November wurde der erste Rekrutenjahrgang vereidigt. Ein Soldatenbund e.V. mit seiner Soldatenkameradschaft Eichwalde, "Standort“ Schillerstraße 23 nahm im April 1936 seine Arbeit auf. Er hatte die Aufgabe, alle ehemaligen und jungen Militärangehörigen Eichwaldes und umliegender Ortschaften, die nach 1921 in der Reichswehr und der neuen Wehrmacht gedient hatten, zu sammeln und weiter mit der "aktiven Truppe“ Verbindung zu halten. Dabei bestanden im Ort bereits die ' Kriegerkameradschaft des Deutschen Reichskriegerbundes(Kyffhäuserbund)', Geschäftsstelle in der Roonstr.13 (Käthe-Kollwitz-Straße) sowie ein ' Reichstreubund ehem. Berufssoldaten e.V.', auch Schillerstr.23. Im März 1938 wurden alle diese paramilitärischen Verbände im " Nationalsozialistischen Reichskriegerbund (Kyffhäuserbund)“ einheitlich erfaßt. Die Verbreitung militaristischen Denkens erreichte eine neue Stufe. Gleichzeitig waren nun alle in die Reserve entlassenen Soldaten der Wehrmacht noch mehr der direkten Kontrolle der NSDAP ausgeliefert.


1 KWZ v. 17. Juni 1935.
2 Vgl. Beiträge, S.133 ; Benz, S.83.
3 Vgl. Benz, S.79.
4 Stiftung Archiv der Parteien und Massenorganisationen der DDR im Bundesarchiv, Informationsblatt der KPD "Die Stimme", Organ der Werktätigen, UB 29 v. 1. Februar 1935, S.7. (Herkunft vermutl. Eichwalde).
5 Heinz Bergschicker, a.a.O., S.209.
6 BLHA , Pr. Br. Rep. 203, AzS, BET 1270, Blatt 140 ff.
7 Baubeginn am Berliner Ring: 1.Oktober 1933.
8 Konkrete Empfänger dieser Baracken der Firma sind nicht bekannt.
9 Vgl. Joachim Herrmann (Hg.): Deutsche Geschichte in 10 Kapiteln, Berlin 1988, S. 357.
10 Kreisarchiv, B.E., Nr. 097.
11 Vgl. Anm. 4 .
12 KWZ v. 15. Januar 1935.
13 KWZ v. 29. März 1935.
14 Vgl. Heinz Bergschicker: Deutsche Chronik 1933 – 1945. Ein Zeitbild der faschistischen Diktatur. Berlin 1982, S. 267.
15 Vgl. Sibylle Hinze, a.a.O. ( Abschnitt 6, Anm.9 ),S.42f
16 EHG, Bestand 1935, Schreiben v. 5. September 1935.
17 Vgl. Sigrid und Wolfgang Jacobeit, Illustrierte Alltags- und Sozialgeschichte Deutschlands. 1900 – 1945. (i. f . J a c o b e i t ) Münster 1995, S.272 ff.
18 Heimatbuch, S. 267.
19 Vgl. Heinz Bergschicker, a.a.O., S. 182.
20 KWZ v. 20.07.1933.
21 Heimatbuch, S.377 ff.
22 Heimatbuch, S. 234.
23 Vgl. KWZ v. 16. Januar 1934.
24 Heimatbuch, a.a.O., S. 417ff.
25 Kreisarchiv, B.E., Nr.145.
26 KWZ v. 18. März 1934.
27 KWZ v. 28. Januar 1936.
28 KWZ v. 18./ 19. Juni 1938.
29 Oliver Hein: 100 Jahre Freiwillige Feuerwehr Eichwalde ,1894-1994, S. 11.
30 Vgl. Deutschland ,Bd.1, S. 85ff.
31 KWZ v. 4. Oktober 1933.
32 Vgl. Omer Bartok : Hitlers Wehrmacht. Soldaten, Fanatismus und die Brutalisierung des Krieges. Hamburg 1999, S. 166 f.
33 EHG, Bestand 1934, Dokumente v. 23. Februar , 20. März, 24. Juli 1934.
34 BLHA, Pr. Br. Rep. 2 A I Kom, Nr. 285, Blatt 214.
35 KWZ v. 12. März 1935.
36 Kreisarchiv. B.E., Nr. 145.
37 KWZ v. 26. April 1935.
38 BLHA, Pr. Br. Rep. 2 A I Kom, Nr. 513, Bl. 251.
39 Heimatbuch, S. 78.
40 Vgl. Deutschland, Bd.1, S.86.
41 KWZ v. 7. Mai 1935.
42 KWZ v. 20. März 1935.
43 KWZ v. 24. April 1934.
44 Hermann Wegner, a.a.O.,S.15.
45 BLHA, Pr. Br. Rep. 2 A I Kom, Nr. 514 , Dok. v. 16. Sept. 1937, 19. Mai 1938 u. 2. Juni 1939.
46 KWZ v. 6. Juni 1935.
47 KWZ v. 24. April 1936.


Wachsende Kriegsgefahr

Am 7.März 1936 marschierte die deutsche Wehrmacht überraschend in die nach dem Versailler Vertrag entmilitarisierte Zone beiderseits des Rheins ein, unter erneuter Verletzung oder Aufkündigung internationaler Verträge, wie des Locarnopaktes. Hitler spielte vor dem Hintergrund der italienischen Aggression gegen Äthiopien mit dieser Revisionspolitik ein risikoreiches, kriegsgefährliches Spiel. Sich dessen bewußt, versprach er in einer Erklärung vor dem Reichstag am 7. März, nun keine territorialen Forderungen mehr in Europa zu haben. Die Westmächte reagierten äußerst zurückhaltend, so daß die deutsche Bevölkerung darin einen berechtigten Erfolg Hitlers bei der Revision des verhaßten Versailler Vertrages erblickte. Besonders die Regierungen Großbritanniens und Frankreichs, aber auch anderer Staaten duldeten die deutsche Aufrüstung, obwohl sie die Verlogenheit der Friedenspropaganda und der Außenpolitik Nazi-Deutschlands durchschauten. Hitler hatte aber durchblicken lassen, daß er rein antisowjetische Ziele verfolge. Deshalb praktizierten die westlichen Staatsmänner lediglich eine Beschwichtigungspolitik. "In den Jahren bis 1939 gab es keinen aktiven Widerstand Westeuropas gegen den Nazismus", schrieb Sebastian Haffner bereits 1939.

Die Wehrmacht war im Rheinland mit Jubel und Blumen begrüßt worden. Diese außenpolitischen Überraschungserfolge machten Hitler immer populärer, und auch in Eichwalde wuchs die nationalistische Stimmung unaufhörlich. Der Eichwalder Kriegerverein, anläßlich des Helden-Gedenktages im März 1936 am Denkmal der Gefallenen des Ersten Weltkrieges versammelt, " meldete den toten Helden, daß Deutschland durch die Tat des Führers nun wieder frei ist ". Deutschlands Ehre, Souveränität und Freiheit seien wieder hergestellt. Der Kriegerverein (Kyffhäuserbund), die SA und natürlich die Ortsgruppe der NSDAP, ohnehin Verfechter des Eichwalder 'Dreyer-Kults', waren mit ihrer Begeisterung schon wegen ihrer Mitgliederzahl für die vorherrschende Stimmung Eichwaldes durchaus repräsentativ. Es herrschte allenthalben der Eindruck: Bisher ist alles ganz friedlich verlaufen und alle heiklen außenpolitischen deutschen Aktivitäten sind gut ausgegangen. Mit dem Einmarsch ins Rheinland hatte Hitler gleichzeitig die Auflösung des Reichstages und Neuwahlen verkündet. Aus propagandistischen Gründen ließ er sich sein Vorgehen bei der " Wiederherstellung der nationalen Ehre und Souveränität des Reiches" per Wahlfarce bestätigen. Juden waren erstmals nicht wahlberechtigt.

Diese Popularitätssteigerung war bitter nötig, denn nicht nur Gestapo-Berichte meldeten wieder Unmut über Versorgungsengpässe, ursächlich in erster Linie durch Rüstungsausgaben hervorgerufen. "Schach den Kriegshetzern der Welt! Jede Stimme dem Führer!", forderte die NSDAP in Eichwalde. Und die Tageszeitung argumentierte:" Im Kampf um die Erringung der Nahrungfreiheit und zur Überwindung devisenpolitischer Schwierigkeiten ist die Drosselung der Nahrungsmitteleinfuhr wichtig." Wieder wurde die Propagandatrommel gerührt: Am 20. März veranstaltete die NSDAP im Ort die erste, in der folgenden Woche eine zweite Wahlkundgebung. Auf einem großen Plakat im Versammlungssaal las man: " Der Führer kennt den Krieg, darum will er den Frieden!" Weitere Zeremonielle und Veranstaltungen bis hin zur angeordneten Beflaggung hoben die Bedeutung des Ereignisses hervor, denn:" Das deutsche Volk muß an diesem Tage dem Ausland zeigen, daß es einig und geschlossen hinter dem Führer steht ", betonte Kameradschaftsführer Schwerdt. Der stellvertretende Kreisamtsleiter des NS-Lehrerbundes, Dr. Hohmann, lud die Lehrerschaft aus Anlaß des bevorstehenden Wahlspektakels zu einer außerordentlichen Kreistagung am 21. März nach Berlin ein. Der 28. März wurde als "Volkstag für Ehre, Freiheit und Frieden" deklariert und am gleichen Tage in Eichwalde Hitlers Rede aus Köln als Gemeinschaftsempfang gehört. Die Kriegerkameradschaft wurde angewiesen, am Wahltag um 11Uhr vor dem Vereinslokal Krenz (Bahnhofstr. 1), geschlossen anzutreten und zur Wahl zu marschieren. In allen Schaufenstern der Geschäfte fanden Hitlerbilder ihren Platz. "Wer für den Führer mit 'Ja' stimmt, stimmt für den Frieden ", erklärte Bürgermeister Rix den Mitgliedern der "Interessengemeinschaft Eichwalder Grundbesitzer e.V." . Als sich die Naziregierung am 29. März 1936 in Form dieser Reichstagswahl die Zustimmung zu ihrer Politik einholte, waren von den 4262 Eichwalder Stimmberechtigten 98,99% mit der Einheitsliste der NSDAP einverstanden, in ganz Deutschland waren es 98,8%. Die meisten Deutschen glaubten mehr denn je den 'Friedensreden' des Führers, die seine riskanten außenpolitischen Aktionen und Täuschungsmanöver begleiteten. In Eichwalde war es nicht anders, selbst als am 24. August 1936 die zweijährige Militärdienstzeit im Deutschen Reich eingeführt wurde. Nur aus dem Verlangen nach eigener Sicherheit, wie es offiziell hieß. Die friedlichen Jahre schienen anzudauern.

Wenige Eichwalder dachten nach den Olympischen Winterspielen in Garmisch-Partenkirchen und angesichts umfassender Vorbereitungen auf die XI. Olympischen Sommerspiele, die vom 1. bis 16. August 1936 in Berlin und Kiel veranstaltet werden sollten, an einen möglichen Krieg. Gern begab man sich in diesen Monaten an die nahe Grünauer Regattastrecke, um eine der Wettkampfstätten in olympischer Vorfreude in Augenschein zu nehmen. Zu dieser Zeit warb die Gemeindeverwaltung mit Appellen in der Tagespresse und auf Veranstaltungen dafür, Quartiere zur Olympiade bereitzustellen. Eichwalde sollte anläßlich erhoffter auswärtiger Besucher noch schöner aussehen. In den Straßen wurden Bäume gepflanzt, Linden in der Caprivi-, Silberlinden in der Roon-, Blumeneschen in der Rheinstraße und Pflanzungen in weiteren Straßen ( Leistikow-, Käthe-Kollwitz-, Rheinstr.). Besonders der Gemeindegartenmeister Jankofsky, Kronprinzenstraße 17, (Fontaneallee) wurde für sein Geschick bei der Gestaltung von Parkanlagen, Blumenrabatten und Vorgärten in der Bahnhofstraße und öffentlichen Plätzen sehr geschätzt.

Am 1. August 1936 wurden die XI. Olympischen Sommerspiele in Berlin feierlich eröffnet. Der Eichwalder Baumeister Max Haberland, Stubenrauchstraße 20, erhielt für die Leitung des Schießsports während der Olympiade im April 1937 eine offizielle Auszeichnung Hitlers. Nach dem ersten Weltkrieg war in Eichwalde wieder eine sehr rege Sportbewegung entstanden. Am 16.Juni 1935 weihte man einen neuen Sportplatz des Eichwalder Fußball-Vereins SC Ajax an der heutigen Waldstraße ein. Der "SC Ajax “ rief 1936 zum Sporttreiben als "Dienst am Vaterland “ auf und reihte sich zwangsläufig in die Vorbereitung des kommenden Krieges ein. Was früher "Wehrsport “ hieß, wurde jetzt als "Volkssport “ oder "Geländesport" getarnt. Insbesondere die Olympiabegeisterung des Jahres 1936 hatte der Sportbewegung der Gemeinde noch mehr Schwung verliehen. Im Olympiajahr 1936 hatte der "Männerturnverein (MTV) Eichwalde“ neben der Kinderabteilung noch weitere 126 Vereinsmitglieder. Nachdem "Reichsjugendführer“ und "Reichssportführer“ ein Abkommen getroffen hatten, wurden die 176 aktiven Jungen und Mädchen aus dem MTV ausgegliedert und fortan im "Deutschen Reichsbund für Leibesübungen“ im Geiste des Nationalsozialismus erzogen. Die Vereine waren verpflichtet worden, die Jungen dem 'Jungvolk' und der 'Hitlerjugend' sowie die Mädchen den 'Jungmädeln' und dem 'Bund Deutscher Mädel' zu übergeben. Mit der Einziehung aktiver Sportler zur Wehrmacht wurden sportliche Aktivitäten immer mehr reduziert und schließlich vollkommen eingestellt. Mit der Kulisse der aufsehenerregenden Olympischen Spiele ließen sich von den Nazis geschickt außenpolitische Vorgänge verbergen. So wurde zunächst nicht propagiert, daß sich seit Juli 1936 nach und nach Zehntausende Wehrmachtsangehörige auf der Seite der Franco-Putschisten am Kampf gegen die spanische Volksfrontrepublik beteiligten. Freiwillige aus vielen Ländern der Erde kämpften auf der anderen Frontseite, an der Seite der Republik Spanien, gegen den Faschismus. Unterdessen wurde von der Propaganda das Bild eines friedliebenden, weltoffenen und toleranten Deutschlands verbreitet. Scheinbar aus reiner Friedensliebe mit dem Ziel der Völkerverständigung war im Oktober 1936 die "Achse" zwischen Berlin und Rom gebildet und im November des olympischen Jahres zwischen Japan und Deutschland der sogenannte Antikominternpakt abgeschlossen worden, der sich vor allem gegen die Sowjetunion richtete. Ein Kriegsblock war im Entstehen begriffen.

Die Maßnahmen des "Neuen Planes" von 1934 hatten keine Lösung der wirtschaftlichen Probleme gebracht, im Gegenteil: Es reichte nicht mehr aus, die Aufrüstung allein durch den Export zu sichern. Die Rüstungsausgaben waren seit 1934 von 1,9 Milliarden auf 18,4 Milliarden RM bis 1938 angestiegen. Im September 1936 wurde auf dem Nürnberger Parteitag der zweite " Vierjahresplan “ verkündet, der ein neues rüstungswirtschaftliches Konzept für den vorgesehenen Krieg bedeutete. Dazu gehörte die Devise, weitgehend unabhängig von Rohstoff-, Lebensmittel- und Futterimporten zu werden. Wer konnte schon wissen, daß Hitler 1936 intern gefordert hatte, die deutsche Armee müsse in vier Jahren einsatzfähig und die deutsche Wirtschaft in vier Jahren kriegsfähig sein. Eine mit gewaltigem Propagandalärm ausgelöste Mobilisierungswelle verkündete: 'Lieber Devisen für Rohstoffe als für Lebensmittel!' Aus diesem Grund wurden riesige Anstrengungen unternommen, die metallischen Altstoffe und weitere wiederverwertbare Rohstoffe zu erschließen. Jetzt hörten und lasen die Eichwalder öfter von notwendiger "Nahrungsfreiheit “ und von Sorgen über Rohstoffknappheit. Sogar eiserne Einzäunungen von Grundstücken sollten abgeliefert werden, wofür die SA sorgen sollte. Wie noch heute in Eichwalde an den reichlich vorhandenen uralten Gartenzäunen erkennbar ist, stieß diese Forderung diesmal auf wenig Gegenliebe. Dennoch: Kein Verein, der nicht Alteisen sammelte. Mit Ausweisen der Ortspolizei ausgestattete 'Amtswalter' hatten für die Erfassung zu sorgen. Am Beispiel "Entrümpelungsaktionen“ laut Luftschutzgesetz vom 4. Mai 1937, die vom Reichsluftschutzbund durchgeführt wurden, wird der Zusammenhang von Kriegsvorbereitung und Rohstofferfassung besonders anschaulich. Hier kam es darauf an, die Dachböden von brennbaren und verwertbaren Rohstoffen zu entsorgen. "Denke an den Vierjahresplan! Darum entrümpele!“ lautete eine Parole. Passend dazu wurde vom 20.9. bis 26.9.1937 eine Verdunkelungsübung im Kreis Teltow durchgeführt und Polizeistrafen für den Fall nicht sachgerechter Verdunkelung angedroht. Einwohner wurden zu Luftschutzlehrgängen in Eichwalde einberufen, zu denen sie notfalls polizeilich zugeführt werden konnten.

Die Einführung des Vierjahresplanes wurde von umfassenden kolonial und territorial expansionistischen Propagandamaßnahmen begleitet. Lauthals wurde der Verlust ehemals deutscher Kolonialgebiete beklagt. Es konnte nicht ausbleiben, daß im Februar 1938 auch eine Eichwalder sogenannte Ortswaltung des "Reichskolonialbundes" gegründet wurde, deren Dienststelle sich in der Lessingstraße 19 befand und die schnell, zusammen mit Anhängern aus Schulzendorf und Miersdorf, einige Hundert Mitglieder zählte. Im gleichen Monat beschloß die Sitzung des Gemeinderates, daß die Gemeinde Eichwalde auf Vorschlag des Gauleiters des NS-Gaues Kurmark der "Nordischen Gesellschaft" beitrat. Hierbei handelte es sich um eine der vielen Institutionen, die konkrete Vorstellungen über Expansionsinteressen von Industriekonzernen und Banken erarbeiteten. Jedes Erntedankfest in Eichwalde, welches alljährlich wie ein kleiner Staatsakt am ersten Sonntag im Oktober zeitgleich mit der Führerzeremonie auf dem Bückeberg bei Hameln begangen wurde, gedachte der ehemaligen Kolonien Deutschlands, erinnerte an den erstrebenswerten Lebensraum im Osten.

Aber weil dieser "Lebensraum“ bislang unerreichbar schien, wurden zunächst die Versorgungsressourcen vor Ort aktiviert, denn die Engpässe in der Lebensmittelversorgung rissen nicht ab. Goebbels hatte schon am 17.1.1936 Verständnis für die Versorgungsschwierigkeiten gefordert, indem er auf dem Gauparteitag der NSDAP in Berlin erklärte:" Damit werden wir fertig. Aber wir werden nicht fertig ohne Kanonen!“ . Getarnt als sorgfältige Sozialpolitik und Friedensplanung, setzte unmerklich die Umstellung auf Kriegsernährungswirtschaft ein. Viele Kleingärtner im Ort gingen jetzt mit intensiverem Gemüseanbau, durch Kleintier- und Geflügelhaltung zu mehr Selbstversorgung über. Konsumverzicht und Lebensmittelersatzstoffe wurden propagiert. Die örtliche NS-Frauenschaft veranstaltete Kochvorführungen, die zeigten, wie man an Fett, Fleisch und anderen Lebensmitteln sparen könne. "Eßt mehr Fisch!" und "Kampf dem Verderb!" waren gängige Parolen. Dabei hatten besonders die "Interessengemeinschaft Eichwalder Grundbesitzer e.V.“ (IEG), der Verein zählte 1937 immerhin 446 Mitglieder, aber auch der "Haus- und Grundbesitzerverein e.V. Eichwalde“ ihre Pflicht zu erfüllen. Steigerung der Erträge in der Gartenwirtschaft und Kleintierhaltung als Beitrag zur Erfüllung des Vierjahresplans! Alle Haus- und Grundbesitzervereine wurden jetzt unter einem Spitzenverband konzentriert. Vorträge auf Versammlungen machten eindeutig klar, daß der Kleingärtner " mit dazu beitragen kann, das für das deutsche Volk erforderliche Gemüse selbst zu erzeugen und uns vom Ausland unabhängig zu machen ...“. Das Gymnasium erklärte in seinem Schuljahresbericht 1937/38: "Mit dem August (1937) begann auch die Arbeit unserer Schule für den Vierjahresplan; zum Obmann für den Vierjahresplan wurde Studienrat Dr.Strauer bestimmt ". Weiter wurde mitgeteilt, wie die Problematik des Vierjahresplans in den Unterricht einbezogen worden war. Während sich besonders durch verlängerte Arbeitszeiten und Überstunden in den Industriebetrieben das tatsächliche Einkommen der Bevölkerung erhöhte, blieb die eingeschränkte Konsumgüterproduktion und Lebensmittelerzeugung hinter der Kaufkraft zurück. Für die Häuslebauer in Eichwalde wurde die Beschaffung von Baustoffen problematischer. Eichwalder Einzelhändler verzeichneten Umsatzrückgänge. Handwerker litten unter Arbeitskräftemangel und Rohstoffknappheit. Das führte allmählich zu einer anhaltenden Unzufriedenheit.

Robert Glass war Inhaber des Eichwalder Eisenwarengeschäfts in der Bahnhofstraße 3 und hatte ebenfalls große Hoffnungen auf die Nazi-Partei gesetzt, der er 1933 beigetreten war. Bereitwillig übernahm er die Aufgabe eines Stellvertreters der DAF-Ortsgruppe, in der die Eichwalder "Betriebe“ mit bis zu 10 Personen zwangsläufig erfaßt waren. In einem Zeitungsartikel vom August 1933 glaubte er noch, seine Begeisterung über die neuen Zeiten wie folgt ausdrücken zu müssen:" Wie sich nach Caesar die Kaiser nannten, so werden sich in fernen Tagen der Geschichte kommende Führer ihres Volkes nach ihm (dem Führer) Hitler nennen.“ Er engagierte sich sehr, um seinen Beitrag zur "Ausschaltung des Klassenkampfes“, für das Entstehen der " Deutschen Volksgemeinschaft “ zu leisten. Nachdem der Leiter der DAF-Ortsgruppe wegen Veruntreuung von Beitragsgeldern gerichtlich zur Verantwortung gezogen wurde, übernahm Glass 1936 die Leitung. Als seine Tochter 1938 ohne ihr Zutun auf eine Liste für 'Parteianwärter' gesetzt worden war, riet er ihr sehr davon ab, der NSDAP beizutreten, was sie gern befolgte. Er war wohl angesichts der wirtschaftlichen Lage des Kleinhandels und der politischen Entwicklung desillusioniert worden. Gleich zu Kriegsbeginn erhielt Glass, dessen veränderte Meinung nicht verborgen geblieben war, die Einberufung zur Wehrmacht. Sein Geschäft wurde während des Krieges geschlossen, weil Arbeitskräfte für die Rüstungsbetriebe und Soldaten benötigt wurden. Er fiel 1945 in Breslau.

Eine Tagung von Vertretern des Handels des Kreises Teltow im August 1937 in Wildau ließ erkennen, wie sich Unzufriedenheit auch im Mittelstand über die restriktiven Maßnahmen der Vierjahresplanpolitik regte, die nach internen Einschätzungen der NS-Führung schon 1937 fehlgeschlagen war. Der Einzelhandel hatte Umsatzeinbußen und wurde mit Steuern unter Druck gesetzt. Kritischen Stimmen, "denen, die nicht mitarbeiten, immer nur meckern und klagen “, wurde mit "Ausmerzung dieser Elemente “ gedroht. Eine gewaltige deutschlandweite Propagandawelle täuschte der Bevölkerung vor, daß alles den Interessen des arbeitenden Volkes diente. Am 26. November 1937 fand in Eichwalde eine öffentliche Großveranstaltung der NSDAP statt, auf welcher ein sogenannter Gau- und Reichsredner einen Vortrag über den Sinn des Vierjahresplanes, über Wirtschafts-, Ernährungs-, Juden- und Kolonialfragen hielt. Während 1937 erst 45 'Gau- und 121 Kreisredner' " den Volksgenossen die Maßnahmen des Staates und der Bewegung verständlich machten “, waren es im Februar 1938 bereits sogenannte 73 Gau- und 246 Kreis- und Reichsstoßtrupp-Redner. Das Motto "Kanonen statt Butter“, verkündet am 11. Oktober 1936, war zum Kernstück der NS-Propaganda geworden. Im Bewußtsein der meisten Menschen entstand dadurch ein untrennbarer Zusammenhang zwischen Aufrüstung und besserer Lebenslage.

Mit Terror in unterschiedlichster Form wurde jeglicher Protest unterdrückt. Die Einwohnerschaft wurde durch ein gegliedertes System der Beobachtung und Kontrolle überwacht. Ein Netz von eingesetzten und freiwilligen Aufpassern, Behörden, Parteidienststellen und NS-Organisationen war seit 1933 über Eichwalde gelegt worden. Seit dem 15. September 1935 hatten die Propagandawarte der Kriegerkameradschaft Eichwalde jeden Monat einen Stimmungsbericht einzureichen, " welcher alle bemerkenswerten Begebenheiten, die Einstellung zu den politischen Tagesfragen sowie die Erfahrungen über Mißstände und deren künftige Abstellung umfassen soll “. Der Betreiber des "Filmecks“ erhielt am 11. Dezember 1937 ein internes Schreiben des "Präsidenten der Reichskulturkammer“( Goebbels) mit folgendem Wortlaut :" Eine Reihe von unerfreulichen Vorkommnissen, die das Mißfallen des theater-, kabarett- und varietebesuchenden Publikums auf das äußerste erregt haben, veranlaßt mich, jede politische Anspielung und jeden Hinweis auf politische Vorgänge oder Personen in Aufführungen, Conferencen, Ansagen u.s.w. hiermit zu untersagen...bekannt werdende Verstöße dem Reichsminister.. unverzüglich.. zu melden.“ Einerseits waren derartige populäre Veranstaltungen und von der NS-Organisation "Kraft durch Freude" organisierte kulturpolitische Sozialmaßnahmen erwünscht, andererseits aber sollten sie die Bevölkerung in die offizielle politische Richtung instrumentalisieren und nicht etwa Plattform für kritische Stimmungsmache sein. Das System der Block- und Zellenleiter, das ursprünglich für die Organisation der NSDAP installiert worden war, wurde seit 1936 funktionstüchtiger gemacht, indem es nach Einwohnerzahlen gegliedert wurde. Ein Blockleiter sollte nicht mehr als 40 bis 60 Haushalte, der vorgesetzte Zellenleiter nicht mehr als 160 bis 480 Haushalte kontrollieren müssen. In Eichwalde waren etwa 40 Blockleiter(BL) (auch Blockwarte genannt) und 12 Zellenleiter(ZL) eingesetzt worden.( 1939 = 6.333 Einwohner : ca.4 Personen / Haushalt =1.583 Haushalte : 40 BL=39,58 Haushalte je BL bzw. 132 Haushalte je ZL) Dieses untere Führungskorps der NSDAP wußte, wer wieviel zum Winterhilfswerk gespendet hatte, wer die Kirchen besuchte, wer keine Fahne gezeigt hatte, wer seine Kinder nicht zum HJ-Dienst schickte u.s.w. Die BL /ZL wurden als Informanten der Gestapo geschätzt. Der Blockleiter hatte auch sein Gutachten bei Bauwünschen von "Volksgenossen “ abzugeben. Ein Beispiel aus Eichwalde vom 26.01.1938 : " Betrifft: Prüfungsausschuß für Siedlungen. Sehr geehrter Pg. Rix! Ich überreiche Ihnen anbei den Siedlerfragebogen des Vg. (Volksgenossen, d. A.) K....Ich selbst kann über den Vg. K., der in dem mir als Blockleiter unterstellten Block Nr.55 wohnt, in politischer und charakterlicher Hinsicht das denkbar beste Urteil abgeben. Heil Hitler! (Unterschrift) ". Dem geplanten Bau des Hauses stand nun nichts mehr im Wege.

In Fortsetzung früherer Regelungen übernahmen NS-Repräsentanten auch bei Eichwalder geburtenstarken Familien Patenschaften über Neugeborene, wobei zuvor die politische Zuverlässigkeit und "arische Abstammung“ der Familie von der NSDAP-Ortsgruppe und die "Erbgesundheit “ von der Gesundheitsbehörde bestätigt werden mußten. Der Blockleiter hatte daran mitzuwirken. Ähnlich verhielt es sich mit Geldgeschenken (50.- RM) bei Jubiläen wie Goldene Hochzeit u.s.w., für die ebenfalls eine politische Unbedenklichkeitserklärung und ein Bedürftigkeitsnachweis einzureichen waren. In einem dieser Schreiben ist zu lesen: "Die Ortsgruppe Eichwalde der NSDAP...beurteilt das Ehepaar als politisch zuverlässig. Das Ehepaar beteiligt sich an allen Sammlungen, Pfundspenden usw. Sobald ein Anlaß zum Flaggen vorliegt, wird die Hakenkreuzfahne gezeigt...“ Wie genau die Einwohner von bestimmten Mitbürgern beobachtet wurden, verdeutlicht die Erinnerung einer seit 1924 im Ort lebenden Eichwalderin: "Da sich unser Haus in der Goethestraße nicht direkt an der Straßenfront, sondern mehr in der Tiefe des Grundstücks befand, kam es vor, daß meine Eltern nicht immer eine Hakenkreuzfahne am Haus anbrachten, wenn es wiedermal anberaumt worden war, zumal die Fahne ohnehin kaum zu sehen war. Meine Eltern hatten in den Sommermonaten mitunter Arbeitskollegen meines Vaters zu Gartenfesten eingeladen. Einmal waren unter den Gästen einige Personen, die ein etwas fremdländisches Aussehen hatten und nach den damals üblichen Vorstellungen von bestimmten Eichwaldern wahrscheinlich für Juden gehalten wurden. Prompt schmierte man uns nachts einen Judenstern an den Briefkasten. Um weiterem Ärger aus dem Wege zu gehen, setzte mein Vater einen Fahnenmast an die Straßenseite und befestigte daran stets eine riesige Hakenkreuzfahne. Seitdem hatten wir Ruhe."

Der Gendarmerie-Abteilungsbereich III, seit 1938 Postenbereich Eichwalde, mit den Gendarmen Martin, Franz, George, Priebe und Sievert war ebenfalls voll funktionsfähig. Je näher die Auslösung des geplanten Krieges heranrückte, umso notwendiger war es, den künftigen "vierten Kriegsschauplatz: Innerdeutschland“ (Himmler 1937) , für den Kriegsfall beherrschbarer zu machen. Immer wieder wurde die Gestapo mit Widerstandsaktivitäten gegen den Kriegskurs des Regimes konfrontiert, die sich im Frühjahr und Sommer 1939 verstärkten. Im April 1939 registrierte die Gestapo 162 734 politische Häftlinge in den Konzentrationslagern. In diesem Jahr wurde die Bespitzelung und Überwachung der Einwohnerschaft Eichwaldes besonders verstärkt. Der Schlosser Paul Meyer, 1933 Kandidat für die Gemeindevertretung Eichwaldes und seit 1933 Mitglied der illegalen Leitung der KPD im Unterbezirk KönigsWusterhausen, berichtete später: "1939 erschien in meiner Wohnung, Eichwalde, Gartenstraße 11, der Straßenobmann Horch und wollte mich unbedingt sprechen. Ich verwies ihn erstmal meiner Wohnung. Er war sehr hartnäckig und kam schon bald wieder. Er sammelte gewöhnlich die Spenden für den Eintopf. Ich fragte, was er wolle. Sinngemäß sagte er, daß er mich beobachten und einen Bericht anfertigen solle. Ich sagte ihm, daß könne er tun, ohne Gewissensbisse zu haben. Er empfahl mir aber, doch eine Spende für den Eintopf zu geben, jedenfalls für seinen Bericht. Zu Horch wäre zu sagen, daß er ein frommer Katholik und früher Angehöriger der Zentrumspartei war. Als Magistratsbeamter wurde er 1933 von den Nazis auf die Straße gesetzt. Durch Eintritt in die NSDAP hoffte er, seine Stellung wiederzuerlangen, was er aber nicht erreicht hat...Kurz vordem fand eine Haussuchung bei mir statt. Es waren zwei Polizisten,...Sie sahen sich in meiner Wohnung mein Radio an und guckten die Bücher durch".

Zu den Kriegsvorbereitungen gehörte seit 1937 die verstärkte Gewinnung von Mitgliedern der NSDAP. Einberufungen mußten zwangsläufig zu einer Ausdünnung des Nazi- Anteils im Ort führen, der im Oktober 1937 bereits 6076 Einwohner zählte. Mit einer Kampagne steigerte die NSDAP Eichwaldes ihre Mitgliederzahl seit Mai 1937 bis 1938 von 318 auf 415. Dazu kamen noch 173 Parteianwärter. Die NS-Frauenschaft durfte da nicht zurückbleiben und veranstaltete am 11. Februar 1938 eine dementsprechende Werbeveranstaltung im Schwarkschen Gesellschaftshaus. Auch hier kam ein 'Reichsredner' mit dem Thema: " Die deutsche Frau - die treueste Helferin des Führers“ zum Einsatz.

Die forcierte Aufrüstung wurde mit immer engerer Einbindung der Bevölkerung in die Kriegsvorbereitungen des Hitlerregimes verbunden. Die Erhöhung der Grundsteuern im Herbst 1938 blieb selbstredend von den Eichwaldern nicht unbemerkt. Anders verhielt es sich mit folgender Vorgehensweise : Insgeheim ließ die massenhafte Beschäftigung von Arbeitskräften in der Rüstungsindustrie und in lebenswichtigen Bereichen zur Versorgung bei der Naziführung Erinnerungen an Munitionsarbeiterstreiks während des ersten Weltkrieges im Vorfeld zur Novemberrevolution 1918 entstehen, ein Trauma für Hitler und alle an den Kriegsplanungen Beteiligten. " Deshalb wurden 1938/39 im Deutschen Reich fast sechs Millionen Arbeitskräfte auf ihre politische Haltung vor 1933 und ihre Entwicklung nach 1933 'überprüft', im Berlin- Brandenburger Raum fast alle. In das öffentliche Bewußtsein ist diese Aktion nie gedrungen, da Entlassungen wegen 'politischer Unzuverlässigkeit' verschleiert und mit einem Angebot für eine besser bezahlte Arbeit verbunden werden mußten. Die Aktion erwies sich für das NS-Regime als besonders erfolgreich, da es gelang, die Mehrzahl der politischen Gegner - unabhängig von ihrer Parteizugehörigkeit vor 1933 - aus den kritischen Bereichen der Kriegsproduktion zu entfernen und die Möglichkeiten des Widerstandes gegen den Krieg und die NS-Herrschaft einzuschränken." . Zweifellos hatte diese Maßnahme auch viele Beschäftigte aus Eichwalde erfaßt, die täglich mit überfüllten Zügen zur Arbeit in die umliegenden Großbetriebe fuhren, deren Bedarf an Facharbeitern längst nicht gestillt war.


1 Vgl. Benz, S.123 ff.
2 Haffner , S. 166 f.
3 KWZ v. 9. März 1936.
4 KWZ v. 13. März 1936.
5 Ebenda
6 KWZ v. 20. März 1936.
7 Ebenda.
8 KWZ v. 28. / 29. März 1936.
9 KWZ v. 26. März 1936.
10 Vgl. Vorstand des SV Ajax Eichwalde (Hg.): 90 Jahre Sport in Eichwalde, 1994, S.10 / 11. (Das Heft wurde ursprünglich als Heft 1 der geplanten Reihe 'Hefte zur Eichwalder Heimatgeschichte' bezeichnet
11 Haffner, S. 167.
12 Vgl. Deutschland, Bd.1, S. 103 f.
13 Ebenda, S. 90 f. ; Vgl. Beiträge, Bd. 11, S. 235 ff.
14 KWZ v. 11 /12. September 1937.
15 KWZ v. 15. Oktober 1937.
16 KWZ v. 21.Februar 1938.
17 Kreisarchiv, B.E.,Nr.143 .- Vgl. Deutschland , Bd.1, S. 388.
18 Zit. nach : Jacobeit, a.a.O., S.273.
19 KWZ v. 23. August 1937.
20 BLHA, Pr. Br. Rep. 34, Prov. Schulkollegium, Nr. 5466.
21 KWZ v. 5. August 1933.
22 Bericht Frau Glass, Bahnhofstr., November 2003.
22 KWZ v. 21. / 22. August 1937.
24 KWZ v. 1. Februar 1938.
25 Vgl. Beiträge, Bd. 11,S. 230.
26 Heimatbuch, S.595.
27 Kreisarchiv, B.E., Nr.136.
28 Kreisarchiv, B.E., Nr. 097.
29 Kreisarchiv, B.E., Nr. 096.
30 Bericht Frau Günther, Stubenrauchstr., November 2003.
31 Kreisarchiv, B.E., Nr. 085.
32 Zit. nach : Kurt Pätzold, Manfred Weißbecker : Hakenkreuz und Totenkopf . Die Partei des Verbrechens. Berlin 1981, S. 278.
33 Vgl. Beiträge, Bd.11, S. 216.
34 Bericht Paul Meyer, o.Dat. Heimatarchiv, S. 7.
35 KWZ v. 4. Februar 1938.
36 Ingo Materna und Wolfgang Ribbe (Hgg.), Brandenburgische Geschichte, Berlin 1995, S. 636.


Heimatliebe

Eichwalde war immer landschaftlich reizvoll. Die an den Ort grenzenden Forsten mit Kiefern und Mischwald, die Gewässer der Dahme, besonders der Zeuthener See, waren Ziel des Ausflugsverkehrs. Halbstündlich fuhr tagsüber der "schwarze Zug" von Berlin über Eichwalde nach KönigsWusterhausen. Ab Eichwalde verkehrten Postkraft-Omnibuslinien Richtung Erkner und Waltersdorf. Reizvolle Möglichkeiten für Wassersport, Radfahren und Wandern lockten an den Wochenenden die Berliner nach Eichwalde. Zahlreiche Gaststätten und Geschäfte machten den Aufenthalt im Ort, der beeindruckende Baumalleen, hübsche Parkanlagen mit Ruhebänken und gärtnerisch gestaltete Plätze aufzuweisen hatte, sehr angenehm. Im Juni 1939 erschien in der "KönigsWusterhausener Zeitung" ein Aufsatz über Eichwalde, in dem der Autor freudig vermerkte:" Eichwalde wirkt wie ein Putzkästchen mit seinen schmucken Häusern und schönen Straßen...Seit einigen Jahren ist Eichwalde sogar schon in den 'Großen Brockhaus' eingegangen... Man kann also sehr gut verstehen, wenn dieser Ort weiter als bevorzugter Wohnort in der Nähe Berlins gewählt wird." Etwa 18 Lebensmittelgeschäfte bzw. 'Kolonialwaren-Handlungen’, Milchgeschäfte, Bäckereien, 3 Fleischerläden, eine Kartoffelhandlung, 15 Gaststätten und Cafes versorgten Einwohner und Sommerfrischler. 1936 wurde Eichwalde in den Kreis jener Gemeinden einbezogen, für die als Wochenendsiedlung an festgelegten Terminen jeweils von 7.30 bis 9.30 Uhr Ausnahmen von der Sonntagsruhe im Handelsgewerbe zugelassen waren und Verkaufsstellen aller Art geöffnet haben durften. Lebensmittel-Ulrich in der Bahnhofstraße, das Textilgeschäft Hanke, Fleischer Klotz, Bäcker Palm in der Bahnhofstraße 6, Fromkes Tabakladen neben dem 'Blauband-Margarine'- Geschäft, usw. – all das waren gute Adressen. Bäcker Schwedtland in der Gosener Straße lieferte morgens frische Brötchen ins Haus, über die man noch heute erzählt, sie wären die besten in Eichwalde gewesen.

Die Bewohner wußten diese Vorzüge zu schätzen und taten alles, um mit Vorgärten, gepflegten Grundstücken und Straßen das Ortsbild mitzugestalten. Bestimmt täuschen folgende Erinnerungen nicht, sondern sie waren ein wirklich empfundenes Gefühl, das auch andere Einwohner erfüllte, wenn eine ehemalige Eichwalderin rückblickend schreibt : " Im Sommer stand ich 20 Minuten früher auf, lief in Badeanzug und -mantel die paar Meter zur Badewiese am Zeuthener See und nahm ein frühes Vollbad. Zu Haus dann nur noch Zähneputzen und Frühstück mit noch fast warmen Schrippen von Bäcker Palm, Butter, Milch und Eier vom Bollewagen... Es war bis zum Kriege ein schönes, ruhiges, aber nicht langweiliges Leben in unserem kleinen Eichwalde.“

Auf den Naturschutz wurde großer Wert gelegt. Die alten Linden am Romanusplatz und die Friedenseiche galten als " Naturdenkmale von Bedeutung “. Die Gemeindeverwaltung beließ den Viktoriapark in seiner Natürlichkeit, der mit seinen alten Eichen charakteristisch für die frühere Landschaft war und ebenfalls unter Naturschutz stand. Im Buch " Die Deutschen Heimatführer: Provinz Brandenburg...“ wurde Eichwalde ausdrücklich erwähnt. Eine Welle heimatgeschichtlicher Literatur sollte den Fremdenverkehr fördern, aber auch die Verbundenheit der Einwohner mit dem Werden ihrer Heimat entwickeln. Dabei standen völkisch-nationale Geschichtsdarstellungen der NS-Propaganda im Vordergrund, wie das auf 'Anordnung des Reichsministers des Innern vom 10. Oktober 1936' geschaffene "Heimatbuch der Gemeinde Eichwalde“ erkennen läßt.

Der Ort und die benachbarten Gemeinden, insbesondere Schulzendorf und Zeuthen, verzeichneten einen spürbaren Bevölkerungszuwachs. Die Einwohnerzahl stieg von 1933 bis 1939 von 5004 auf 6318 Einwohner. Das führte in den Zeiten des Hauptberufsverkehrs zu dramatischen Verhältnissen in den Zügen der dampfbetriebenen Strecke zwischen Königs Wusterhausen und Grünau, wobei sich die Anzahl der Reisenden Richtung Berlin in Eichwalde jedesmal um etwa 50 Prozent vergrößerte. Die Bahnstation war übrigens seit dem 1. Dezember 1935 von "Eichwalde-Schmöckwitz" in "Eichwalde (Kreis Teltow)“ umbenannt worden. Die mehr als 40 Züge zwischen Königs Wusterhausen und Grünau fuhren meist im 30-minütigen Abstand. Nicht nur in den Sommermonaten, wenn Tausende 'Laubenpieper' ihre Wohnsitze von Berlin ins Umland verlegten, entstand in den Zügen eine "drangvoll fürchterliche Enge...Kraft durch Freude! Diese Losung sollte auch von den Verkehrsgesellschaften beachtet werden “, hieß es ironisch in der Tagespresse. Es war werktags immer so, denn es gab wieder Arbeit, und das stimmte zuversichtlich. Seit 1936 wurden für die Henschel-Werke in Schönefeld Flugzeugeinzelteile produziert. Die BMAG-Werke in Wildau meldeten im November 1938 Vollbeschäftigung, weil die Deutsche Reichsbahn eine große Anzahl Dampflokomotiven bestellt hatte. Arbeit auf Jahre hinaus schien gesichert, weil die im Krieg erforderlichen Transportkapazitäten rechtzeitig eingeplant worden waren. Der Autobahnabschnitt Niederlehme-Königs Wusterhausen ging seiner Vollendung entgegen und konnte im Dezember 1938 eröffnet werden. Es erschien alles wie ein Wirtschaftswunder und war doch nur eine Rüstungskonjunktur.

Gegenüber den Krisenjahren war in den Lebensverhältnissen eine Besserung eingetreten. Ein fester Arbeitsplatz brachte Geld ins Haus, die Kaufkraft der Haushalte stieg an, die verbesserte materielle Lebenslage begünstigte die Verbreitung von Auffassungen eines "nationalsozialistischen Wirtschaftswunders“. Dabei blieb es dem Einzelnen meist verborgen, daß der Lebensstandard des Jahres 1928 in Deutschland nicht wieder erreicht wurde, Löhne und Gehälter durch Lohnstopps auf dem Niveau der Krisenzeit blieben, die Arbeiterschaft systematisch entmündigt und verschärfter Ausbeutung durch Überstunden und wegen fehlender Tarifverträge unterworfen wurde.

Der Neu- oder Ausbau von Ein- und Zweifamilienhäusern machte unter großen Mühen der Eigentümer Fortschritte. In einer Zeitungsreportage von 1938 heißt es über einen dieser 'Bauherren': "Fürwahr, man sieht es ihm an, daß er stolz ist auf sein Wohnhaus, denn Tatkraft und Wirklichkeitssinn im Verein mit einem kleinen mühsam zusammengesparten Kapital haben es ihm ermöglicht, nun wenigstens in wohnlicher Beziehung sein eigener Herr zu sein... Viele und manche bittere Erfahrung mußte er machen..." Gesetze zur Verminderung der Arbeitslosigkeit seit 1933 beinhalteten Kreditmittel für den Bau von Kleinsiedlungen, die nun auf dem Wege einer Vorfinanzierung über entsprechende Kreditinstitute abgewickelt wurden. Im Ort geschah das über die am 1. Dezember 1935 eröffnete Zweigstelle Eichwalde der Königs Wusterhausener Bank, die damals in der Bahnhofstr. 8, Ecke Kurfürstenstr.78 (Puschkinallee) ansässig war. Zahlreiche Einfamilienhäuser waren vom Architekten Alwin Sandow entworfen und errichtet worden, der als "Landhausbau / Finanzierung / Bauparzellen" firmierte. Zur Familie Sandow, die nach 1933 überwiegend in Eichwalde ansässig war, gehörten mehrere Bauunternehmer. Ihr in Gestaltung und Kostenaufwand sehr variabler Landhaustyp war offenbar sehr beliebt und ist mit seinem auffällig steilen Satteldach überall in Eichwalde und Zeuthen (z.B. mehrfach in der Zeuthener Straße) anzutreffen. Noch boten etwa 39 Handwerks- und 10 Baubetriebe allein in Eichwalde ihre Dienste unter nicht leichter werdenden Bedingungen an, wobei Eigenleistungen angesichts knapper Budgets auch damals schon unverzichtbar waren. Immer mehr Handwerker wurden in die Rüstungsproduktion eingegliedert. Streng wurde ab 1938 von der "Eisenverteilungsstelle für Gemeinden und Gemeindeverbände" auf die sparsame Verwendung von Eisen und Stahl bei Neubauten geachtet. Der Bauschein für die Erweiterung des Rathauses enthält die Bemerkung: " Der Eisenverbrauch darf nicht mehr als 8,5 t betragen. Vor Baubeginn sind genaue Aufstellungen über den Eisenverbrauch einzureichen." Fünf öffentliche Münzfernsprecher befanden sich 1938 im Ort, der am 1. März dieses Jahres schon 450 Fernsprechteilnehmer verzeichnete. Dieser beachtliche Ausrüstungsstand mit Telefonen kam nicht von ungefähr und war nach 1935 keineswegs ausschließlich als Maßnahme für attraktiveres Wohnen gedacht. Jede Baumaßnahme wurde zunächst auf ihre Bedeutung für den Kriegsfall geprüft, bevor sie genehmigt wurde. Die forcierte Aufrüstung hatte Vorrang und verschlang die ohnehin zu knappen Rohstoffe. Von 1933 bis 1937 wurden 363 neue Wohngebäude errichtet und 97 ausgebaut. 1938 wurden 51 Gebäude mit 82 Wohnungen errichtet.

Diese Bautätigkeit als persönliche Leistung der Eichwalder "Häuslebauer" prägte das sympathische Ortsbild Eichwaldes weiter aus. Nicht nur Baustoffe und Arbeitskräfte wurden knapp, sondern auch Geldmittel. In einer Bauzeitschrift von 1939 ist zu lesen: "Die Wohnungswirtschaft hat wirklich bewiesen, daß sie auch mit den größten Schwierigkeiten fertig werden kann; aber irgendwo ist doch einmal der Punkt erreicht, wo es einfach nicht mehr geht und wo dann starke Rückschläge zu befürchten sind. Diesem Punkt sind wir Ende 1938 bedenklich näher gerückt." Die Erweiterung des Rathauses, 1934 begonnen, ging 1939 trotz eines allgemein verordneten Stopps öffentlicher Bauten ihrer Vollendung entgegen. An jeder Dienstzimmertür stand auf einem Schild:"Hier gilt der deutsche Gruß. Heil Hitler !" Die 1928 gegründete Pflasterkasse der "Interessengemeinschaft Eichwalder Grundbesitzer e.V.“ hatte zum Zwecke des Straßenausbaus viel Zuspruch erfahren, so daß bis 1938 weitere 325 Einwohner der Pflasterkasse beigetreten waren. Feste Arbeitsverhältnisse erleichterten außerdem mehr Einwohnern, die regelmäßigen Einzahlungen zu leisten. In den Vorjahren mußten mitunter Mitgliedschaften aus Zahlungsproblemen aufgegeben werden. Die Gemeindeverwaltung hatte 1937 ein regelrechtes Pflasterprogramm geplant, welches zielstrebig umgesetzt werden sollte. Die meisten der 62 Straßen hatten bereits Straßenpflaster. Weitere Fußsteige wurden mit Steinplatten belegt, Bänke an öffentlichen Plätzen aufgestellt. Ein Gemeindehaus der evangelischen Kirche an der Achenbach-/ Ecke Stubenrauchstraße (Paul-Merker-Str./ dgl.), vom Baumeister Haberland entworfen, konnte 1938 eingeweiht werden. Wieder ein Grund zum Feiern.

Und die Eichwalder feierten oft und gerne, wofür schon die vielen Vereine sorgten. 1937 ging das Leben der " Volksgemeinschaft “ im Ort noch seinen normalen Gang. Die seit 1924 alljährlich unter dem ursprünglichen Namen " Erntedankfest “, seit 1926 unter der Bezeichnung "Eichwalder Volksfest" stattfindende Veranstaltung, wurde nun nicht mehr als Erntefest, sondern in Anlehnung an alte Heimattraditionen des Teltow als " Rosenbaumfest “ begangen. Die Anregung dazu hatte der Rektor des Gymnasiums, Dr. Hohmann, gegeben. Um die dazu erforderlichen Zeremonielle wie das Zempern und das Aufstellen eines mit Blumen geschmückten Mastes, des Rosenbaumes, bereichert, wurde das Volksfest erstmals auf neue Art unter dieser Bezeichnung vom 20. bis 22.Juni 1937 gefeiert. Der Zeitungsbericht, in welchem noch vom Eichwalder "Volks-Rosenbaumfest" geschrieben wird, schließt mit den Worten: " Mit diesem Fest will man einen entschlossenen Schritt tun und dem hiesigen Volksfest eine charakterliche völkische Note geben, indem man wie in den ländlichen Teltowgemeinden das Rosenbaumfest feiert ...". All das geschah nicht zufällig. Die "Reichsgemeinschaft für Deutsche Volksforschung“, Landesstelle Kurmark in Berlin, hatte bereits seit 1935 die finanzielle und ideelle Förderung ihrer Vorhaben durch die Gemeinden mit Schreiben an den Landrat des Kreises Teltow angemahnt. Diese NS-Einrichtung unterstand Alfred Rosenberg, der von Hitler u.a. mit der Ausarbeitung detaillierter politischer Pläne für die zu erobernden Gebiete beauftragt wurde. Um die Bevölkerung für die Eroberung neuen Lebensraums im Osten systematisch vorzubereiten, verbreitete er völkische Rassentheorien und betrieb Geschichtsklitterung übelster Art. Insbesondere Lehrer wurden mit diesen Ideen infiltriert, und es verwundert nicht, wenn sich Dr. Hohmann davon inspirieren ließ. Im "Heimatbuch der Gemeinde Eichwalde“ glaubte dieser verdienstvolle Bodendenkmalspfleger und Kenner der alten Geschichte die Vorgeschichte Eichwaldes für die Rechtfertigung der 'Lebensraumfrage' umdeuten zu müssen, indem er schlußfolgerte: "Und wenn der Führer heute noch den Gedanken einer immer stärkeren Besiedlung des noch verhältnismäßig menschenleeren Ostens vertritt und gerade im Osten das Siedlungswesen nach Kräften gefördert wird, so setzen wir damit nur den Schlußstein unter das vor 700 Jahren begonnene Werk.“ Dem Führer zu huldigen und dadurch ein diffuses "Volksgemeinschaftsgefühl" auszudrücken, dessen Ursprünge angeblich bis in Zeiten der Völkerwanderung zurückreichten, war neuer Sinn und Zweck dieses zum "Rosenbaumfest " umfunktionierten Volksfestes geworden. Das Eichwalder Volksfest war nun ebenfalls 'gleichgeschaltet' und befand sich ab jetzt organisatorisch fest in der Hand des NSDAP-Ortsgruppenführers und Bürgermeisters.

Ein vielseitiges kulturelles Leben trug dazu bei, sich in Eichwalde wohl zu fühlen. In "Walters Bierhallen" neben dem Kino gab es die beliebte Veranstaltung "Lachen ohne Ende“. Träger dieser und mancher anderer Festlichkeiten war die NS-Gemeinschaft "Kraft durch Freude“. Die Eintrittsgelder wurden an das Winterhilfswerk überwiesen. Seit 1932 waren in der Eichwalder Kaiser-Wilhelm-Straße 14 (August-Bebel-Allee), in "Walters Bierhallen “, Kinovorführungen erlaubt, die sogenannten "Kobold-Lichtspiele" (Inhaber: Otto Schäfer) , aus denen unter der Adresse Bahnhofstr. 89 die "Eichwalder Lichtspiele “ hervorgingen. Diese wurden im Mai 1937 nach einem Umbau durch den neuen Inhaber Kaufmann Richard Froese als "Filmeck Eichwalde“ neu eröffnet. Die bedeutenden Möglichkeiten des Kinofilms hatten die Nazis sehr schnell in ihre Propagandamaschinerie eingebaut. Es gab keine politische Entscheidung von Bedeutung, die nicht mit Hilfe des Films als "willensbildende Maßnahme“ (Goebbels) vorbereitet worden wäre, sei es die Judenverfolgung, die Euthanasie-Verbrechen, die Aufrüstung und als Höhepunkt die Kriegsführung. Bedeutende Künstler wurden dabei für ideologische Zwecke mißbraucht. Schon 1933 gab es erste Pflichtvorführungen für die Eichwalder Schulen. Viele Versammlungen der NSDAP und von Vereinen des Ortes wurden mit propagandistischen Filmvorführungen verbunden. Das am 1. März 1934 in Kraft gesetzte Reichslichtspielgesetz förderte den Film als kriegsvorbereitendes Propagandamittel. Im Mai 1934 lief in Eichwalde ein Film über den ersten Weltkrieg, "Stoßtrupp 1917", für dessen Besuch besonders stark geworben wurde. Die angeblich notwendige 'deutsche Wehrhaftigkeit' wurde systematisch popularisiert. Durch das filmische Trommelfeuer der UFA-Wochenschauen, seit 1940 der Deutschen Wochenschau, ließen sich NSDAP, SA und weitere NS-Organisationen des Ortes, besonders aber die Jugend, sehr effektiv mobilisieren. Der "Führer“ kam per Film zu ihnen. Was man selbst gesehen hatte, konnte keine Lüge sein. Obwohl in Eichwalde keine Bücherverbrennung wie am 10. Mai 1933 in Berlin stattgefunden hatte, wurden in der örtlichen Volksbücherei bei einer sogenannten Neuordnung am 2. April 1934 aus dem ursprünglich 1200 Bücher umfassenden Bestand zunächst 175 Bücher entfernt, die nicht geeignet erschienen, faschistisches Gedankengut zu vermitteln. Die Volksbücherei wurde durch die örtliche NSDAP nochmals im Jahre 1936 von Werken vieler humanistischer Schriftsteller und Dichter "gesäubert “, um weitere 525 Exemplare reduziert und mit dem Ungeist der Zeit gemäßen Büchern aufgefüllt.

Auch der " Männergesangsverein Eichwalde 1919 “hatte einige Lieder aus seinem Repertoire zu streichen, denn jüdische Dichter und Komponisten waren jetzt unerwünscht. “ In Freud und Leid zum Lied bereit, wahr im Wort zu jeder Zeit ", so lautete schon seit 1919 der Wahlspruch des Vereins. Der Männergesangsverein hatte am 12. Deutschen Sängerbundfest vom 28. Juli bis 1. August 1937 in Breslau teilgenommen. Gern erinnerte man sich an diese fröhlichen Stunden und schrieb: " Durch all die Tage des Sängerfestes, in den Gaufeierstunden, in den Bekenntnis- und Kampfliedern der singenden Kolonnen oder des ‘singenden, schaffenden, fröhlichen’ Volkes, klang der einigende Gedanke des deutschen Liedes hervor... Unter der Schirmherrschaft unseres Führers und Reichskanzlers Adolf Hitler, des Schöpfers und Einigers des großen und mächtigen Deutschen Reiches...geloben wir, in seinem Sinne an seinem Aufbauwerk mitzuarbeiten und uns jederzeit für die nationalsozialistische Bewegung rückhaltlos einzusetzen.“ Es gab Feste der Ortsvereine wie des sehr geselligen Haus- und Grundbesitzervereins, Chorauftritte, Sportfeste, Vergnügungen wie die Bälle, die Faschings- und Weihnachtsveranstaltungen. Gern besuchte man Theatervorstellungen einer Berliner Bühnenkünstler-Vereinigung unter Leitung ihres Direktors Bruno Hain, Konzerte der " Orchester-Vereinigung Eichwalde “ und immer wieder Kinovorführungen sowie unzählige NS-Propaganda-Veranstaltungen. Erst 1940 folgte der Bürgermeister dem seit 1937 andauernden Bitten der Kurmärkischen Landestheater GmbH nach einem Zuschuß für das "Landestheater der Mark Brandenburg" und wies 100.-RM dafür an. Das örtliche Kulturangebot und die Nähe Berlins mit seinen Kulturtempeln erschienen als ausreichend. An jedem Mittwoch fanden in der Conditorei Zschoch in der Bahnhofstraße (heute Fahrradgeschäft) Schachabende statt. Der Eichwalder Schäferhunde-Züchterverein stellte 1934 mit seinen Hunden die Sieger in allen 10 Klassen. Ein Schäferhund aus Eichwalde, "Wetter vom weißen Schloß", Besitzer war ein Herr Deppe, wurde der Star eines am 26. Februar 1937 uraufgeführten Harry-Piel-Films mit dem Titel "Sein bester Freund ". Harry Piel, der berühmte Film-Sensationsdarsteller, hatte in Eichwalde in den dreißiger Jahren ein Landhaus. Eine berühmte Kaninchenzüchterin errang 1935 Preise auf der Berliner "Grünen Woche“. Selbst Eichwaldes Tennisplatz (heute befindet sich dort ein Gebäude des Privatgymnasiums) bot für einen Spielfilm des Regisseurs Gustav Gründgens mit dem Titel "Zwei Welten“ (etwa 1939) eine Kulisse.

Im Mai 1935 wurde eine Ortsgruppe Eichwalde-KönigsWusterhausen des Reichsverbandes Deutscher Schriftsteller gegründet. Außerhalb derartiger kultureller Zwangseinrichtungen war seit 1933 eine professionelle künstlerische Betätigung nahezu unmöglich. Es gab in Eichwalde mehrere Einwohner, die sich schon vor 1933 als Publizisten, Lyriker oder Schriftsteller meist nebenberuflich betätigt hatten. So der Schriftsteller Hermann Eduard Jahn (Pseudonym Hermann Hain, 13.8.1857 - 19.8.1933), der Lehrer an der Gemeindeschule Willy Schwan (9.11.1877 - ?), der Postbeamte Ewald Winzer (10.3.1896 - ?), der Redakteur Eberhard Buchner (30.10.1877 - 4. 5.1933). Die Malerin Ilse Fischer (28.9.1900 – 23. 6.1979) wohnte schon 1938 in der Dreyerallee (Waldstr.)163, dem Haus der Familie Friesecke. Ihre Bilder voller Sehnsucht nach menschlicher Wärme, sozialen Mitgefühls und Harmonie passten nicht in die offizielle Kunstszene der NS-Zeit. Sie sind heute bei Ausstellungen in Eichwalde zu sehen, und ihre 1949 geschaffenen Glasfenster zieren den Rathaussaal. Eine Straße des Ortes trägt heute den Namen Ilse Fischer. Am 10. Januar 1939 hatte Eugen Theodor Skladanowsky (10.01.1859 – 23. 01.1945), der Bruder des Erfinders der Kinematographie, Max Skladanowsky, in bester Gesundheit seinen 80. Geburtstag gefeiert und lebte in Eichwalde, Friedenstraße 59/60, bei seiner Tochter. Er war im wahrsten Sinne des Wortes der erste deutsche Schauspieler vor einer Filmkamera gewesen. Nachwuchs kam auch aus Eichwalde: Die Einwohner Eichwaldes konnten die frühe künstlerische Entwicklung der jungen Sonja Ziemann, die am 8. Februar 1926 im Ort geboren worden war, miterleben. Sie schreibt: " Der Eichwalder Haus- und Grundbesitzerverein veranstaltete viele Feste, und als man mich zum ersten mal zu einer solchen Veranstaltung mitnahm, erklärte ich: 'Zuerst tanze ich hier und dann auf der großen Bühne in Berlin!'." So kam es dann ja auch.

Anscheinend war also die Welt noch ganz in Ordnung. Unliebsame Ereignisse taten der Lebensfreude und Heimatliebe keinen Abbruch. Man verschmerzte einige Einbrüche in Geschäfte und Wohnungen, ärgerte sich über "Fahrradmarder“ (Fahrraddiebe) und den Diebstahl von Zeitungen und Schrippenbeuteln vom Gartenzaun, debattierte über Selbstmorde, Ertrunkene und einige Wohnungsbrände, ignorierte die Ermahnungen des Bürgermeisters zur Sauberhaltung der Badewiese und die Moralappelle, besonders zur Vermeidung der wie ehemals am Hölzernen See und in der Dubrow betriebenen ‘unmoralischen kommunistischen Nacktbaderei ’. Die Strafandrohungen wegen Verunreinigung der Straßen mit Hundekot und zur Eindämmung der Katzenstreunerei wurden kaum beachtet. Im April 1938 wurden die Einwohner allerdings von der dreifachen Mordtat in einer Eichwalder Familie erschüttert. Ein 30 Jahre alter Mann hatte seine vierjährige Tochter, seine Ehefrau und deren Großmutter in seiner Wohnung mit einem Jagdgewehr erschossen, anschließend noch vom Fenster aus auf die Straße gefeuert und dabei einen Jugendlichen verletzt. 1939 wurde der psychisch kranke Täter wegen Totschlags zu neun Jahren Zuchthaus und anschließender Unterbringung in einer Heil- und Pflegeanstalt verurteilt. Es gibt eine menschliche Fähigkeit, sich nach langer Zeit vorwiegend nur noch an die angenehmen Seiten des Erlebten zu erinnern. So ist verständlich, wenn mitunter alte Eichwalder über ihre Jugend in den NS-Jahren spontan äußern: "Eichwalde war für mich, verglichen mit dem Treiben in Berlin, wie eine Oase!“ Oder:" Hier war alles sehr moderat. In Eichwalde war ja vieles nicht so brutal, wie in anderen Gegenden!" Oder eben :"Ein ruhiges, aber nicht langweiliges Leben!" Wer keinen Widerstand leistete, wer seinen Frieden mit dem NS-System machte, hatte nichts zu befürchten. Es sei denn, man war zu einem Außenseiter der NS-Gesellschaft gestempelt worden, war vom "Erbgesundheitsgesetz " erfasst, war ein rassisch oder politisch Verfolgter. Deshalb hat Frau Weis, deren Familie wegen ihres jüdischen Vaters verfolgt wurde, eine andere Sicht auf Eichwalde: "Überhaupt habe ich heute noch den Eindruck, als wären die Eichwalder vorwiegend Nazis gewesen, zumindest haben sich die meisten uns gegenüber so verhalten. Es war ein richtiges Nazi-Nest geworden. Meinen ehemaligen Mitschülern trage ich nichts nach, was können die schon für ihre Eltern. Nur soll man nicht so tun, als könnte man sich an nichts mehr erinnern." Vieles im täglichen Leben und Geschehen wurde als sehr anziehend und modern empfunden. Es ging den meisten Eichwaldern in den späten dreißiger Jahren nicht schlecht, sie verhielten sich deshalb loyal. Nicht wenige engagierten sich weit mehr als gefordert für das Regime in der Überzeugung, etwas Gutes für die 'Volksgemeinschaft' und damit für sich, für Deutschland und natürlich für den 'Führer' zu tun.

"Mein Führer", dichtete eine Eichwalderin zu Hitlers Geburtstag im Jahre 1937,


"Wir lieben Dich, weil wir die Heimat lieben,

für die Du kämpfst, wie wir für Dich auch kämpfen,

und keine Macht kann unsern Glauben dämpfen

an deutsche Art, die stets sich treu geblieben."


Die zehn Strophen dieses Hymnus fanden in der Privatkanzlei des Führers Wohlgefallen und wurden in der Regionalzeitung veröffentlicht.

Zweifellos waren nicht alle Eichwalder so schwärmerisch veranlagt. Das anscheinend friedliche Leben im Ort, das eigene Haus und die schöne Natur bewirkten, daß Illusionen vom "Glück des Tüchtigen" entstanden. Im Jahre 1938 wurde der Gemeinde Eichwalde das Recht zur Führung eines Gemeindewappens verliehen. Der Wappenschild in Gold, ohne Krönung und Beschriftung, zeigt einen auf grünem Boden stehenden grünen Eichbaum mit gelben Früchten.


1 KWZ v. 12. Januar 1939.
2 100 Jahre Eichwalde. Festschrift. 1993. Erinnerung v. Irmgard Hofeditz, S.93.
3 Vgl. Die Deutschen Heimatführer : Provinz Brandenburg..., Bd.1, 1935, S. 469.
4 Vgl. Heimatarchiv, R. Brandhorst : Der Bahnhof Eichwalde. Eine Chronik. S. 9 .
5 KWZ v. 15. Februar 1937.
6 KWZ v. 18. November 1938.
7 Vgl. Beiträge, S. 166 u. 236f.
8 KWZ v. 24. August 1938.
9 Heimatbuch, S. 415 f..
10 Bauarchiv der Gemeindeverwaltung.
11 Heimatbuch, S. 410 ff.
12 Zitiert nach: Jacobeit, a.a.O., S. 364.
13 Heimatbuch, S.629.
14 KWZ v. 12. / 13. Juni 1937.
15 Vgl. BLHA, Pr. Br. Rep. 2A I Kom., Nr. 513.
16 Heimatbuch, S. 12.
17 Vgl. Heinz Bergschicker, a.a.O., S. 108 ( Umwertung der Geschichte, Artikel v. 1937 )
18 Kreisarchiv, B. E. ,Nr. 143.
19 KWZ v. 19. Februar 1933.
20 Kreisarchiv, B. E., Nr. 136.
21 Vgl. Beiträge, Bd.11, S. 68 ff.
22 Heimatbuch, S. 282 f ; Kreisarchiv, B.E., Nr. 143.
23 Heimatbuch, S. 641f.
24 Kreisarchiv, B. E., Nr. 137.
25 Vgl. Sonja Ziemann: Ein Morgen gibt es immer. Erinnerungen. München 1998, S. 19 f. 26 Vgl. Peter Walther ( Hg ): Musen und Grazien in der Mark. 750 Jahre Literatur in Brandenburg. Ein historisches Schriftstellerlexikon. Berlin 2002.
27 KWZ v. 12. Januar 1934 u. 9. Januar 1939.
28 Sonja Ziemann: Ein Morgen gibt es immer. Erinnerungen. München 1998, S.16. (i.f. Z i e m a n n )
29 KWZ v. 12. Juni 1939.
30 Bericht Frau Ruth Weis, geb. Freudenberg, Februar 2004, Privatarchiv.
31 KWZ v. 25. April 1937.
32 Vgl. Heimatbuch, a.a.O. S. 39.


Sechsundvierzig sagen NEIN

Seit der "Weisung für die einheitliche Kriegsvorbereitung der Wehrmacht" vom 24. Juni 1937 dienten alle Planungen der Vorbereitung von militärischen Eroberungen in Europa. Das wurde besonders auf einer Reichskanzleibesprechung am 5. November 1937 mit den Oberbefehlshabern von Heer, Luftwaffe und Marine deutlich, auf der Hitler offen seine Expansionsziele darlegte. Ein "Großdeutsches Reich" als Voraussetzung für den Krieg gegen die Sowjetunion, die Erringung der deutschen Vorherrschaft in Europa wiederum als Bedingung für die Weltherrschaft waren ab jetzt Kernziele der politischen und militärischen Vorgehensweisen der deutschen Regierung. Die Ausgabe der "Königs Wusterhausener Zeitung" vom 5./6. Februar 1938 erschien unter der Schlagzeile: "Kräftekonzentration in der Hand des Führers". An Stelle des Kriegsministeriums und des Wehrmachtsamtes war am 4. Februar das Oberkommando der Wehrmacht (OKW) gebildet worden. Hitler hatte persönlich den Oberbefehl übernommen. Während in der Bevölkerung der Eindruck erzeugt wurde, jetzt werden durch die Führungsstärke Hitlers noch friedlichere Zeiten anbrechen, hatte sich die Hitlerregierung am 4. Februar 1938 in Wirklichkeit zu einer schnelleren Umsetzung ihrer seit 1933 bestehenden Kriegsabsichten und der baldigen Auslösung militärischer Aktionen entschlossen. In einer Reichstagsrede am 20. Februar 1938 drohte Hitler offen mit Gewalt gegenüber Österreich und der Tschechoslowakei.

Als die österreichische Regierung am 11. März vor dem politischen Druck und den militärischen Drohungen kapitulierte, besetzten am 12. März 1938 Divisionen der Wehrmacht in einem bald als "Blumenfeldzug “ bezeichneten Aggressionsakt Österreich. Die Masse der österreichischen Bevölkerung begrüßten die deutschen Truppen begeistert und empfing sie mit Blumen. Diese Eindrücke, von Presse, Rundfunk und Film-Wochenschau verbreitet, ließen auch in Eichwalde keine nennenswerten Zweifel an der Berechtigung der überraschenden Aktion aufkommen. Schließlich, so war die beruhigende Meinung, hatte bis auf die Sowjetunion kein anderes Land gegen die Beseitigung des österreichischen Staates protestiert. Mit einer fragwürdigen Volksabstimmung im Zusammenhang mit den "Wahlen zum Großdeutschen Reichstag“ am 10. April 1938 sollte vor dem Ausland der Anschein erweckt werden, als hätten Deutsche und Österreicher endlich ohne äußere Einmischung freiwillig zusammengefunden. Aber nichts wurde dem Zufall überlassen. Vom 21. bis zum 31. März 1938 rollte eine Versammlungs- und Kundgebungswelle unter dem Motto: "Des Führers Wille, unser Wille!“ von bisher nicht erlebtem Ausmaß über den "Gau Kurmark“. Der Haus- und Grundbesitzerverein Eichwaldes rief am 26. März dazu auf, mit einem "einigen JA“ am Wahltag seiner Dankbarkeit für die Politik des Führers Ausdruck zu geben. Die SA führte am 27. März große Propagandamärsche für den Wahlkampf durch, so auch auf einer Marschstrecke, deren Beginn und Abschluß in Eichwalde war. Die Häuser des Ortes hatten beflaggt zu sein, die Einwohner beim Anrücken der SA-Kolonnen Spalier zu bilden. Am 30. März wurde die wahlvorbereitende Versammlung der NSDAP Eichwaldes durchgeführt. Am 2. April fand eine Großkundgebung im völlig überfüllten Gesellschaftshaus statt, auf welcher Bürgermeister Rix und ein NS-Redner die Eichwalder auf die Abstimmung einschworen. Anscheinend hatte Landrat Dr. Börnicke den Bürgermeistern des Kreises Teltow Hinweise gegeben, wie ein möglichst günstiges Abstimmungsergebnis erzielt werden könnte. Nicht zur Veröffentlichung bestimmte Vorgaben für die Auszählung der Stimmen, die sich jetzt in archivierten Wahlunterlagen der Gemeinde Eichwalde im Kreisarchiv fanden, sollten sicherheitshalber Varianten von Abstimmungsfälschungen den Weg ebnen. Der Ort hatte derzeit 6200 Einwohner, von denen 4660 wahlberechtigt waren. Die Beteiligung an der Abstimmungsfarce, sofern die Zählung korrekt erfolgte, betrug offiziell 100%! Mit 4588 JA-Stimmen, nur 46 NEIN-Stimmen und 4 als ungültig bezeichneten Stimmzetteln verbuchten die Nazis nach der seit Jahren betriebenen 'großdeutschen' Propaganda einen gewaltigen Erfolg. Durchschauten wirklich nur 46 Einwohner die außenpolitischen Absichten des Hitlerregimes, nämlich militärpolitisch-strategischen Aufmarschraum und wehrwirtschaftliches Potential für weitere Aggressionen zu gewinnen? Diese 46 Wähler jedenfalls waren dem nationalistischen 'völkischen' Taumel nicht verfallen. Schon die kommenden Monate zeigten, wie klarsichtig das NEIN dieser 46 Eichwalder gewesen war. Hermann Wegner, in einem politisch erfahrenen und sozialdemokratisch denkenden Elternhaus in Eichwalde aufwachsend, erinnerte sich an seine Empfindungen in diesen Monaten: " Ich zweifelte, ob gerade meine Eltern im Recht wären, wenn Millionen die Arme reckten und 'Heil' schrien, sah auch kein Unglück darin, daß Hitler Deutschlands Grenzen hinausschob und schließlich, jubelnd in Wien begrüßt, Österreich annektierte." Und weiter schrieb Wegner zur Kleingartenarbeit des Vaters: " Mein Vater, überzeugt, daß Hitler einen Krieg begänne, pochte auf Selbstversorgung fürs Überleben."

Ab jetzt hieß Deutschland offiziell "Großdeutsches Reich “. Noch lange herrschte in Eichwalde Freude über die so glückliche und erfolgreiche Hand des "Führers“. Der örtliche NS-Reichskriegerbund äußerte in diesem Sinne:" Sie (die Freude, d. A.) wurde aber noch übertroffen durch die am 12. März 1938 erfolgte Besetzung des bisherigen österreichischen Staates durch deutsche Truppen. Der über 1000 Jahre alte Wunsch: Errichtung des Staates " Großdeutschland “ mit Einschluß Österreichs ist nunmehr erfüllt!...Es lebe Großdeutschland, es lebe unser Führer! “ Nach dem Erfolg in Österreich hatte Hitler im April des gleichen Jahres vom OKW die Konzeption für den Angriff auf die Tschechoslowakei ausarbeiten lassen, die auf Grund ihrer strategischen Lage, ihrer Verteidigungskraft und ihres Wirtschaftspotentials ein beachtliches Hindernis für die weiteren aggressiven Absichten Hitlerdeutschlands bildete. Zur Auslösung eines Angriffs bediente sich Hitler der "Volksdeutschen“, in diesem Fall der sogenannten "Sudetendeutschen“. Bereits 1937 war in Eichwalde für die Unterbringung von 46 Kindern aus dem sogenannten Sudetenland geworben worden, die nach einem "sudetendeutschen Notstandsplan" sich im deutschen Ausland vom angeblichen Terror in ihrer Heimat erholen sollten. Der Besuch dieser Kinder kam nicht zustande, aber die Eichwalder waren in besonderer Weise zusätzlich zur täglichen Hetzpropaganda auf die Probleme ihrer Landsleute in der Tschechoslowakei aufmerksam geworden. Die faschistische Sudetendeutschen Partei (SdP) unter ihrem Führer Henlein, die auf Weisung Hitlers die Spannungen mit der Regierung in Prag systematisch durch unzumutbare Forderungen zuspitzte, sollte schließlich im September 1938 mit einem Aufstand den Vorwand für eine offene Aggression liefern. Eine organisierte Fluchtbewegung nach Deutschland und die Kriegshetze der Nazipresse hatten für die erwünschte Kriegsbereitschaft der deutschen Bevölkerung zu sorgen. In Eichwalde war in Erwartung derartiger Ereignisse auf ‘höhere Weisung’ die Schulturnhalle als Notquartier zur Verfügung gehalten worden und wurde nun im Herbst 1938 von den " Sudetenflüchtlingen “ mehrere Wochen lang belegt, die der " Heim-ins-Reich "-Propaganda gefolgt waren. Trotz allen Mitgefühls der Eichwalder mit ihren "Landsleuten“ aus den tschechischen Randgebieten kam mehr Besorgnis als kriegerische Begeisterung auf. Man wartete auf die hoffentlich wieder "glückliche Hand “ des Führers. Dieser hatte im Juni 1938 eine Ehrenpatenschaft über Zwillinge übernommen, die als achtes und neuntes Kind einer Eichwalder Familie geboren worden waren. Sie wurden nur fünf Jahre alt und starben zusammen mit ihrer Mutter, als 1943 Bomben auf Eichwalde fielen.

Das Münchener Abkommen vom 29. September 1938 eröffnete durch die Befriedungspolitik der Westmächte der Hitler-Regierung zunächst am 1. Oktober 1938 den Weg zur Erlangung der Sudetengebiete. Nicht nur in Eichwalde atmete man auf, weil es so schien, als hätte es Hitler wieder geschafft, den Frieden zu bewahren. Das "Eichwalder Filmeck“ veranstaltete Sondervorführungen zugunsten des Winterhilfswerks mit Dokumentarfilmen über das Sudetenland. Am 30. September rückte die Wehrmacht in den "Reichsgau Sudetenland" ein. Hier begannen jetzt Vertreibungen von tschechischen Bewohnern und, wie längst in Österreich grausam praktiziert, von Juden, Verhaftungen von deutschen Antifaschisten und Emigranten. 1939 schrieb Sebastian Haffner über die Stimmung der sich zu Hitler ablehnend verhaltenden Deutschen: " Und aus den Zweifeln wurde Verzweiflung, als im Herbst 1938 zur völligen Verblüffung der Deutschen das Münchener Abkommen kam und die Welt ein wenig später ihre Tore vor den jüdischen Flüchtlingen schloss."


1 Vgl. Deutschland , Bd. 1, S. 105.
2 Vgl. Beiträge, Bd. 11, S. 260 .
3 Ebenda, S. 268 f.
4 KWZ v. 26./27. März 1938.
5 KWZ v. 4. April 1938.
6 Vgl. BLHA, Pr. Br. Rep. 2 A I Kom. , Nr. 2342, Vorgang Barsch, Dok. v. 18. Mai 1943.
7 Kreisarchiv, B.E., Nr. 137.
8 Hermann Wegner, a.a.O., S. 15.
9 Ebenda, S. 18.
10 Heimatbuch, S. 601.
11 KWZ v. 10. Juli 1937.
12 KWZ v. 10. Juni 1938.
13 Haffner, S.166.


Judenverfolgung

Mit dem strategischen Ziel der Kriegsvorbereitung war die geistige Entmündigung der Bevölkerung eine der vordringlichsten Anliegen der Nazis. Ein Gemisch aus verlogenen Sozialphrasen, brutalem Antikommunismus, übelstem Antisemitismus und unsinniger Rassenlehre ergoß sich über das deutsche Volk. Als Ursache nahezu aller innen- und außenpolitischen Probleme Deutschlands war von der Nazi-Propaganda stets eine angebliche Verschwörung des "in- und ausländische Judentums“ sowie als kommunistisches Feindbild die Gefahr des "russisch- jüdischen Bolschewismus“ suggeriert worden. Das gesellschaftliche und geistige Leben Eichwaldes wurde davon ebenfalls erfasst. In diesem Sinne wurde nicht von ungefähr auch das 1938 in Eichwalde erschienene "Heimatbuch“ mit einer entsprechenden Abhandlung über "Rassenpflege“ versehen.

Dr. med. Julius Giessel, geb. am 13. Februar 1898, galt als geschätzter Eichwalder Arzt. Er besaß übrigens einen der wenigen PKW in Eichwalde, mit dem er bei seinen Hausbesuchen zu den Patienten fuhr. Seine Familie war im Ort sehr beliebt. Wohnung und Praxis befanden sich in der Stubenrauchstr. 83/84. Am 17. Mai 1934 wurde "nichtarischen" oder mit "nichtarischen" Partnern verheirateten Ärzten die Zulassung zu den Krankenkassen entzogen. Als 1935 für eine neuzubauende Friedhofshalle um Geldspenden gebeten wurde, trat der nachweislich antisemitisch eingestellte Bürgermeister Rix an 99 betuchte Einwohner und Institutionen Eichwaldes heran und sprach dabei auch Dr. Giessel an. Am 15. März 1935 spendete dieser 20.- RM. für den Bau der Trauerhalle. Am 25. Juni 1935 wurde den jüdischen Ärzten die allgemeine Approbation entzogen. Die Familie Giessel verließ Deutschland noch rechtzeitig und lebte 1938 bereits im USA-Bundesstaat Texas. Gegen Dr. med. Giessel wurde, wie damals in Nazi-Deutschland üblich, nachträglich ein Ausbürgerungsverfahren eingeleitet und 1940 "dem Mischling ersten Grades" die deutsche Staatsangehörigkeit aberkannt.

Als am 2. März 1935 die Eichwalder in allen Lokalitäten des Ortes Karneval feierten, garantierte man in einer "Eichwalder Karneval-Zeitung“ einen Elferrat mit "Arisch-Köllnischer Abstammung “. Antisemitische Karikaturen und Reime wie der folgende sollten Freude darüber ausdrücken, daß seit 1933 jüdische Mitbürger Eichwalde verlassen hatten: "Fort ist das ganze Judenpack,...im Ausland sitzend auf ihrem Sack!“ Diese "total verrückte Ausgabe" hätte in ihrer boshaften Dümmlichkeit auch eine Beilage des "Stürmer" sein können. Auch Gewaltandrohungen schien man lustig zu finden, wie diese ‘Annonce’: " 1a Meckerer wünscht Abreibung, um sein eisernes Herz von der schwarz-rot-mostrichen Patina zu reinigen.’ Eisernes Pärchen'." Das richtete sich offenbar gegen ortsbekannte ehemalige Angehörige der vorwiegend aus SPD-Anhängern gebildeten "Eisernen Front", die aus ihrer antifaschistischen Gesinnung kein Hehl machten. "Miesmachern und Gegnern der Volksgemeinschaft“ wurde in der Karnevalsschrift 1935 verkündet: "Eingesargt ohn’ Sang und Klang, zu Grabe bald sind sie getragen.“ Das war alles deutlich und ernst gemeint. Selbst in der Karnevalsschrift hatte die Ideologie der Vernichtung ihre Spuren hinterlassen.

Die Eichwalder Bürgerin Anna Tillinger aus der Bismarckstraße 8/9 ( Walter-Rathenau-Str.) beantragte im Januar 1938 mit ihrem 6-jährigen Kind die Ausreise in den Iran, wo ihr Ehemann bereits eine neue Existenz für seine Familie vorbereitet hatte. Für ihr Grundstück wurde ein Eichwalder Verwalter eingesetzt. Weitere Bürger Eichwaldes oder Besitzer von Parzellen im Ort, die als Juden verfolgt wurden, regelten ihre Grundstücksangelegenheiten glücklicherweise oft schon vom Ausland aus, wie z. B. Frau Hedwig Ullisch aus der Louisenstraße 23.(Johann-Sebastian-Bach-Str.) Beispiele heimlicher Solidarität mit den betroffenen jüdischen Familien waren rar, aber es hat sie auch in Eichwalde gegeben.

Am 15. September1935 wurden während des Reichsparteitages der NSDAP durch den extra nach Nürnberg beorderten Reichstag die von Hitler geforderten antisemitischen "Nürnberger Gesetze“ beschlossen und verkündet. Das "Reichsbürgergesetz“ mit 13 Durchführungsbestimmungen teilte die Bürger des Deutschen Reiches in die höhere Kategorie der "Reichsbürger“ mit allen politischen Rechten und in eine niedere Gruppe der immer rechtloser werdenden bloßen "Staatsangehörigen“, den Juden, ein. Bald zeigte sich, daß die jüdischen Menschen, unter Sondergesetzgebung gestellt, ständig steigenden Schikanen, Verfolgungen, Diskriminierungen und offener Gewalt ausgesetzt waren und weitere existenzvernichtende Instrumentarien angewendet wurden. 1935 hielt es die Regierung innen- und außenpolitisch für verfrüht, die umfassende Verfolgung deutscher Juden einzuleiten und offene Gewaltakte zu gestatten, wie sie sich im Sommer 1935 bereits mancherorts ereignet hatten.

Umgehend wurde die neue, nun juristisch geregelte Vorgehensweise gegenüber den Juden zunächst der Eichwalder NSDAP-Mitgliedschaft und über diese den anderen Einwohnern erklärt. Auf einer NSDAP-Versammlung am 17. Oktober 1935 im Lokal Schwark (auch als Gesellschaftshaus bekannt, damals Gosener Str.12, heute Wohn-Komplex) äußerte sich der Eichwalder Ortsgruppenleiter und Bürgermeister Rix laut Pressebericht wie folgt: " Zu der Frage des Kaufes bei Juden, worüber bei vielen Volksgenossen anscheinend noch immer Zweifel bestehen, könne er nur sagen, daß jeder Arier schon rein gefühlsmäßig es ablehnen wird, bei Juden zu kaufen. Er wies erneut darauf hin, daß jede Einzelaktion gegen Juden zu unterbleiben habe.“ Offenbar hatte bei manchen Eichwaldern die Judenhetze bisher nicht die erwünschte Wirkung gezeigt.

Das "Gesetz zum Schutz des deutschen Blutes und der deutschen Ehre" verbot Heirat und geschlechtliche Beziehungen zwischen Juden und Nichtjuden. Bereits bestehende Verbindungen wurden mit diesem Gesetz ebenfalls diffamiert. Selbstverständlich wurde auch darüber die Eichwalder Nazi-Mitgliedschaft gründlich informiert. Ein NSDAP-Propagandaredner aus Berlin sprach am 5. Dezember wieder im Lokal Schwark zu "Aktuellen Fragen“. Nachdem er sich zunächst über die Butterknappheit geäußert hatte, kam er zu einem anderen 'aktuellen Thema' und erklärte: "Das Judentum muß unter allen Umständen in seiner Vorherrschaft und in seiner Lebensweise vernichtet werden.“ Am gleichen Tage hatte bereits jeder Eichwalder die Anweisungen zur praktischen Anwendung des Verbotes von Rassenmischehen in der "Königs Wusterhausener Zeitung" lesen können. In Eichwalde lebten zum Beispiel damals die Familie Bieber, Schmöckwitzer Str.72; die Familie Rönisch, Viktoriastr. 24 (Herderstr.), die Familie Rothmann, Königstr. 51 (Gerhart-Hauptmann-Allee), die Familie Kropp, Rheinstr. 6, von denen einer der Ehepartner Jude war. Der "arische" Ehegatte bot lt. Polizeiverordnung vom 1.September 1941 normalerweise seinem jüdischen Ehegatten einen gewissen Schutz, obwohl die sogenannten Mischehen wachsenden Schikanen und Gefährdungen ausgesetzt waren. Erich Bieber und Alice Rönisch haben diese Zeit überlebt. Über das Schicksal der anderen Personen gibt es bisher keine Kenntnis.

Mit Wirkung vom 6. Januar 1938 stellte sich das Einwohnermeldeamt Eichwaldes auf die "Sippenforschung“, auf die Beibringung von "Ariernachweisen“ ein. Das Melderegister hatte Auskunft darüber zu ermöglichen, "ob eine Person Jude ist, während über die Mischlingseigenschaft keine Auskunft zu erteilen ist “, hieß es in den Ausführungsbestimmungen dazu. Im Oktober 1937 waren von den 6076 Einwohnern Eichwaldes 16 Bürger (0,26%) als dem mosaischen Glauben zugehörig vermerkt. Unbekannt bleibt die Anzahl jener Einwohner, die keiner jüdischen Gemeinschaft angehörten, denen aber die Verfolgung nach den Rassegesetzen drohte. Mit der Einführung des Familienbuches (1.Juli 1938) nach dem Personenstandsgesetz, zur sogenannten rassischen Einordnung der Ehegatten und zum Nachweis der "deutschblütigen Abstammung“, wurde eine weitere diskriminierende Maßnahme jüdischer Mitbürger veranlaßt. Eine nächste Etappe der gesetzlichen Entrechtung dieser Menschen war erreicht, das Verbrecherische daran den wenigsten bewußt, oder sie hatten sich unmerklich daran gewöhnt. Bei der praktischen Anwendung der Rassegesetze mit erfundenen Begriffen wie "deutschblütig“, "dem deutschen Blut artverwandt “ oder der sogenannten Mischlingsproblematik kam es auch in Eichwalde zu tragischen Ereignissen.

In der Rheinstraße lebte die Familie des Schriftsetzers Kuttner. Er galt nach der Nazi-Terminologie als "rassereiner Jude“, seine Ehefrau als "deutschblütig “, Kinder aus dieser Ehe als "Mischlinge 1.Grades“. Am 23.September 1936 schrieb ein Sohn der Familie einen Brief an den Regierungspräsidenten in Potsdam, in dem er um die für Juden gesetzlich vorgeschriebene Genehmigung der Eheschließung mit "einem deutschblütigen Mädchen", einer Eichwalderin, ersuchte. Es entwickelte sich ein langer Schriftwechsel mit den Behörden. Immer wieder mußten weitere Unterlagen nachgereicht werden, Fristverlängerungen wurden beantragt, Gebühren kassiert, das 'Amt für Volksgesundheit ' befragt. Der Bräutigam teilte den Behörden mit, daß die Braut ein Kind erwarte. Er verwies darauf, der Nationalsozialistischen Volkswohlfahrt (NSV) beigetreten zu sein. Am 16.September 1938 wurde das Gesuch abgelehnt. Die Mutter der Braut, die damals ebenfalls in Eichwalde wohnte, schrieb daraufhin im November 1938 einen hilfesuchenden Brief an den "Führer“, aber das änderte nichts, im Gegenteil. Seit 1939 befaßte sich die Gestapo mit den Akten. In der Ablehnung des Antrages vom September 1938 durch die NSDAP-Gauleitung Kurmark stand, daß einer Heirat " im Interesse der Reinerhaltung des deutschen Blutes von fremden Einflüssen unerwünscht “ sei. Weiterhin hieß es: "Abgesehen davon bestehen Bedenken mit Rücksicht darauf, daß Kuttner vor der Machtübernahme mit der SPD sympathisierte und seine Braut sogar Mitglied der SPD war “.

Auch zwei weiteren Kindern der Familie Kuttner wurde die Ehegenehmigung verweigert. Aber beide Söhne wurden 'für tauglich befunden', in der Wehrmacht Soldat zu werden. Der Schriftsetzer Kuttner schied nach der die Juden selektierenden Volkszählung von 1939 im selben Jahr in Eichwalde aus dem Leben. Vermutlich hatte er das Gefühl, dem Glück seiner Kinder im Wege zu stehen und für die Familie eine Belastung zu sein.

Im Ort schien 1938 aber weiterhin alles in gewohnten Bahnen zu verlaufen. Nun schon zum zweiten Mal wurde das Eichwalder Volksfest unter dem Namen "Rosenbaumfest“ begangen. in Eichwalde glaubte man viele Gründe zu haben, fröhlich feiern zu können : 1938 war das Jahr des 45-jährigen Bestehens des Ortes, vor fünf Jahren war Hitler die Macht übertragen worden, Deutschland inzwischen zu "Großdeutschland“ geworden und die Volksabstimmung am 10. April zu einem weiteren Sieg für die NSDAP geworden. Bei Geschäftsleuten gab es Betriebsjubiläen zu feiern, wie das 25-jährige Bestehen der Uhrmacherei Schmelz als Mieter im Hause Ulrich, Bahnhofstraße 77, wo sich zugleich die seit 1910 bestehende älteste Feinkosthandlung des Ortes von Otto Ulrich befand. Der Festakt am 19.Juni 1938 fand wie gewöhnlich auf dem Adolf-Hitler-Platz (Händelplatz) vor der evangelischen Kirche statt, auf deren Turm die Hakenkreuzfahne angebracht war. Vor Tausenden Festteilnehmern, so berichtete die "Königs Wusterhausener Zeitung", ergriff Bürgermeister Rix das Wort. "Er gab dem Dank gegen unseren genialen Führer, der es ermöglicht hat, daß wir in dieser sturmbewegten Zeit unser Volksfest in Frieden feiern können, in einem dreifachen Sieg Heil Ausdruck.“ Aber Frieden war nicht allen Eichwaldern vergönnt, wie aus der Zeitung zu erfahren war.

Am Vorabend des Rosenbaumfestes kam es in Eichwalde zu einem Polizeieinsatz, der sich gegen die jüdische Familie Boas in der Sedanstraße 15/16 (Grenzstr.) richtete. Die Geschwister Georg, Frieda und Ilse Boas führten in ihrem Hause die "Pension Waldhaus". Georg Boas, ursprünglich Kaufmann, arbeitete inzwischen als Lederarbeiter in Berlin, seine Schwester Ilse war Hilfsarbeiterin. Der Verfasser der Zeitungsmeldung, die mit dem Kürzel „-g“ gezeichnet ist , schrieb: " In der Bevölkerung unseres so gut wie judenreinen Ortes, in dem es kein einziges nichtarisches Geschäft gibt, wurde es in den letzten Wochen sehr unangenehm empfunden, daß sich auf den öffentlichen Straßen und Plätzen männliche und weibliche Juden sehr breit machten.“ Die weitere äußerst anzügliche Berichterstattung sollte den Eindruck hinterlassen, als hätte sich im Hause Boas eine bordellähnliche Absteige befunden. Die Polizei brachte 15 Personen zum Eichwalder Revier, wobei schließlich eine Person wegen einer falschen Personalangabe („ledig“ statt "verheiratet“) dem Amtsrichter zugeführt wurde. Weitere Delikte konnten nicht festgestellt werden, worauf die Gäste der "Pension Waldhaus" Eichwalde wieder verlassen konnten. Der Bericht endet mit den Worten: "Hoffentlich folgen auch die wenigen sich hier noch aufhaltenden Juden ihrem Beispiel, damit sich die Erregung, die in der Bevölkerung wegen ihres unangemessenen Auftretens herrschte, wieder legt “. Tatsächlich hatte es aber keinerlei 'Erregung' in der Bevölkerung gegeben. Das war die stärkste antisemitische Aktion, die Eichwalde seit 1933 erlebt hatte, bei welcher derart gehetzt und aufgewiegelt worden war. Sie gehörte zu den damals vielfach auf lokaler Ebene ausgedachten Diskriminierungen jüdischer Menschen wie andernorts Aufschriften: "Juden sind hier unerwünscht!" Durch die Veröffentlichung als Zeitungsmeldung hatte das Geschehen zweifellos beabsichtigte Signalwirkung über die Ortsgrenzen hinaus. Im Falle Eichwaldes gilt zu berücksichtigen, daß zeitgleich in Berlin die als "Juni-Aktion" bezeichnete Verfolgungswelle gegen Berliner Juden angelaufen war. Am 16. Juni 1938 hatte "Der Stürmer" in einem Artikel unter der Überschrift :" Das Wort Görings wird sich auch in Berlin erfüllen – Die Juden müssen raus!" den Auftakt dazu gegeben, daß anschließend in Berlin jüdische Geschäfte mit antisemitischer Hetze beschmiert und demoliert, viele Juden danach ins KZ Sachsenhausen verschleppt und gequält wurden, wie Emil Rothmann aus Eichwalde. Die internationale Presse berichtete ausführlich davon, und die Aktion drohte aus dem Ruder zu laufen, weshalb sie bald Hand in Hand mit der Polizei, wie eben in Eichwalde, durchgeführt wurde. Die NS- Presse reagierte am 21. Juni auf die internationalen Reaktionen. Typisch war, wie im Artikel über Eichwalde, das Vorschieben des Volkswillens als Ursache für derartige Aktionen. Der Hintergrund dieser Maßnahmen war die seit Frühjahr 1938 mit einer Flut von über 250 Gesetzen gestartete Offensive der Bereicherung an jüdischem Eigentum, der restlosen Verdrängung der jüdischen Bevölkerung aus der Wirtschaft, eines wie seit der Besetzung in Österreich radikalen Vorgehens gegen Juden. So waren seit April 1938 alle Juden gezwungen, ihr Vermögen, wenn es 5000 RM überstieg, zu deklarieren. Solche im Frühjahr und Sommer 1938 vom Reichsfinanzministerium, von SD, SA und NSDAP reichsweit organisierte Aktionen waren dazu gedacht, die für den Staat finanziell und materiell einträgliche Auswanderungsbereitschaft von Juden zu erzwingen und den Druck auf die internationale Gemeinschaft durch jüdische Asylgesuche zu erhöhen, gleichsam den Antisemitismus zu exportieren. Am Tag nach diesem Eichwalder Zwischenfall begann das Rosenbaumfest. Es war nicht alltäglich, daß sich der Kreisleiter der NSDAP mit seinem Stab auf dieses kleine Volksfest begab, ursprünglich der dann verhinderte Landrat sein Erscheinen angekündigt hatte und daß sogar der Reichsrundfunk vor Ort war. Vermutlich bestand zwischen der antijüdischen Provokation und der Anwesenheit der NS-Prominenz ein Zusammenhang, war es eine Vorwegnahme, eine kleine Probe für rigorose antisemitische Maßnahmen. Überraschend verlangte in dieser Phase antisemitischer Ausschreitungen Hitler selbst die schnelle Beendigung derartiger Aktionen, weil sie ihm bei seinem außenpolitischen Vorhaben, das Sudetengebiet einzuverleiben, als unzeitgemäß erschienen.

Das Rosenbaumfest jedenfalls wurde davon nicht beeinträchtigt. Beim Festumzug war sichtbar, wie "völkisches Gedankengut“ gestalterische Anregungen gegeben hatte. "Höchst originell wirkte der vom Haus- und Grundbesitzer-Verein gestellte Wagen aus der Zeit der germanischen Völkerwanderung, der von einem zeitgemäß kostümierten Reiter und zwei zu Fuß marschierenden germanischen Kriegern, mit Speer bewaffnet, begleitet war...", wurde über den Festumzug von 1938 in der Zeitung berichtet. Und weiter las man, " daß neben dem altertümlichen Wagen zwei hohe, echt germanische blonde Frauengestalten in damaliger Tracht gingen, die uns mit den sie beschützenden Kriegern ein deutliches Bild unserer Ahnen vermitteln, auf die wir wegen ihrer körperlichen Vorzüge und ihrer auch von den römischen Geschichtsschreibern gerühmten geistigen Eigenschaften und Tugenden nur stolz sein können ". Es war wie ein lebendes Schaubild für Rassenkunde. Natürlich wurde das von den fröhlich feiernden Eichwaldern nicht so empfunden. Im Festzug des Rosenbaumfestes warb der Reichsluftschutzbund um Mitgliedschaft. Losungen wie "Luftschutz tut not!“ und "Erfülle die Luftschutzpflicht!“ waren allgegenwärtig und ließen nicht ahnen, wie ernst es damit bald werden sollte. Schon am 23. Juni berichtete die Presse darüber, daß Goebbels neue gesetzliche Bestimmungen gegen Juden angekündigt hatte. Auch in Eichwalde wurden jüdischen Einwohnern im Juli 1938 die Personalausweise abgenommen, sie hatten seit diesem Jahr numerierte Kennkarten bei sich zu tragen. Aus dem Heimatort Eichwalde war nun für sie ein "Kennort" geworden. Seit dem 17. 8. 1938 mussten Juden den zusätzlichen Vornamen "Sara“ bzw. "Israel“ annehmen. Besonders folgenreich war die Eintragung eines roten "J" - Stempels ab Oktober in die Reisepässe von Juden. Seit November 1938 war es Juden verboten, kulturelle Veranstaltungen, Kinos, Sportplätze u.dgl. zu besuchen. Ihnen wurde das Führen und Halten von Kraftfahrzeugen untersagt, und viele weitere Diskriminierungen folgten. Ein schweigender Antisemitismus, die Abwendung der Mehrheit von den jüdischen Einwohnern, machte kommende Verbrechen möglich.


1 Kreisarchiv,B.E.,Nr.151.
2 BLHA,Pr.Br.Rep. 36A, F 5764.
3 Heimatarchiv, "Eichwalder Karneval-Zeitung ", Kopie.
4 BLHA, ebenda, F 1905.
5 BLHA, ebenda, F 509, F562, F1672.
6 KWZ v. 24. Oktober 1935.
7 KWZ v. 6. Dezember 1935.
8 KWZ v. 5. Dezember 1935.
9 Vgl. Deutschland , Bd.2, S.97.
10 Heimatbuch, S. 475.
11 KWZ v. 15. Dezember 1937. (Evang.: 4740; kath.: 707; gottgläubig : 32; ohne Relig.: 614 . Summe ergibt Abweichung von Einwohnerzahl.)
12 KWZ v. 6. / 7. November 1937.
13 BLHA, Pr.Br.Rep.2 A, Regierung Potsdam, I St. Nr. 489, Ehegenehmigungsanträge halbjüdischer Personen.
14 KWZ v. 21. Juni 1938.
15 Berichterstatter der KWZ war zu dieser Zeit Fritz Kannenberg, Lehrer von Beruf.
16 Vgl. Reinhard Rürup (Hg.): Jüdische Geschichte in Berlin. Essay und Studien. Edition Hentrich, 1995. Darin: Wolf Gruner: Die Reichshauptstadt und die Verfolgung der Berliner Juden 1933 – 1945., S. 235 ff.
17 KWZ v. 20. u. 22. Juni 1938.


Der Pogrom

Am 7. November 1938 schoß in der Deutschen Botschaft in Paris der jüdische Jugendliche Herschel Grünspan auf den deutschen Legationssekretär vom Rath, der am Nachmittag des 9. November 1938 seinen Verletzungen erlag. Dieses Attentat, das auch im Ausland verurteilt wurde, nahm das Nazi-Regime zum Anlaß, ihr Vorgehen gegen die jüdische Bevölkerung in Deutschland rigoros zu verschärfen. Die von Goebbels gelenkte NS-Presse gab dazu am 8. November eine erste Orientierung. So las man in der "Königs Wusterhausener Zeitung", daß diese Schüsse "sehr ernste Folgen haben müssen, und zwar für die d e u t s c h e n Juden als auch für die a u s l ä n d i s c h e n Juden. (i. O. gesp.) Das Dritte Reich wird ... daraus die notwendigen Konsequenzen ziehen."

Diese Sätze wurden von der Eichwalder Nazi-Ortsgruppenleitung wahrscheinlich mit besonderem Interesse registriert. Der 9. November war der alljährliche Gedenktag an den gescheiterten Hitlerputsch des Jahres 1923, dessen zentrale Zeremonien in München und zeitgleich in allen anderen Orten Deutschlands begangen wurden. Die Eichwalder Veranstaltung zur sogenannten "Ehrung der Gefallenen der Bewegung" war für den 9. November abends um 20.00 Uhr im "Filmeck Eichwalde" angesetzt worden. Morgens hatte bereits eine Abordnung der NSDAP, wie am 10. November in der Tagespresse zu lesen war, Kränze am Grabmal Dreyers, "der von einem Judas verraten" worden sein sollte, niedergelegt. Die Anwesenheit des Landrates des Kreises Teltow, Dr. Ihnen, sowie des Brigadeführers der SA-Gruppe Berlin-Brandenburg bot dabei vermutlich dem Bürgermeister und Ortsgruppenleiter Rix Gelegenheit, sich über mögliche Schlußfolgerungen nach dem Attentat zu verständigen. Denn Rix verfuhr bei allem, was er tat, immer nach der Devise:' Eichwalde voran!' Das war in Hinblick auf die äußere Ortsgestaltung nützlich, aber so handelte er auch in allen politisch relevanten Angelegenheiten. Er hatte sich als Ortsgruppenleiter häufig mit antisemitischen Worten hervorgetan, und selbst die 'Juni-Aktion' seiner Polizisten gegen die Pension Boas war zeitlich und hinsichtlich des "Rahmenprogramms" von besonderem Einfallsreichtum gekennzeichnet.

In München wurde die Nachricht vom Ableben des Gesandschaftsrates an Hitler erst am 9. November gegen 21.00 Uhr übermittelt. Nach einer antisemitischen Hetzrede von Goebbels erteilten die versammelten NSDAP-Gauleiter ihren örtlichen Stäben frühestens ab 22.30 Uhr Anweisungen und Befehle über erwünschte Pogrome gegen Juden in der Nacht vom 9. zum 10. November sowie in den Morgenstunden des anbrechenden Tages. Unterdessen hatten aber die Ereignisse in Eichwalde bereits begonnen. Hier wartete die NSDAP-Ortsgruppe nicht erst auf Anweisungen, sondern handelte im Geiste der aktuellen judenfeindlichen Agitation aus Presse und Rundfunk eigenständig. In der Mariannenstraße 1 - 2 wohnte die Familie des Kaufmanns Max Hirsch, der als Eigentümer zusammen mit seiner Frau Frieda und dem Sohn Ernst eine Wohnung im Erdgeschoß bewohnte. Weitere Räume des Hauses waren vermietet. Ebenfalls im Erdgeschoß wohnte der Graveur Hans Hanak mit seiner Frau und seinem Sohn Lothar, im Obergeschoß der Arbeiter Otto Zimmermann. Hanak war bis 1933 in der SPD, Zimmermann in der KPD. Max Hirsch soll vor 1938 auf seinem Doppelgrundstück eine größere Hühnerhaltung betrieben und Eier verkauft haben. Wahrscheinlich hatte er nach 1933 wie viele andere jüdische Bürger seine bislang ausgeübte kaufmännische Existenz verloren. Im Hause der Familie Hirsch lebten alle Bewohner sehr harmonisch ohne jegliche rassistische Vorbehalte beieinander, wie Herr Lothar Hanak berichtete. Er erzählte: "Es war am 9. November fast auf die Minute 22.00 Uhr, als ich, damals sieben Jahre alt, vom Klirren zerberstender Fenster meines Zimmers, in dem mein Bett stand, aus dem Schlaf gerissen wurde. Große Steine waren in die Scheiben geworfen worden und polternd über die Dielen des Zimmers gerollt. Durch die zerschlagenen Scheiben schütteten die Täter dann noch mehrere Eimer Wasser. Sie hatten es auf die Familie Hirsch abgesehen, wie wir an ihren Schimpfworten hören konnten. Hirschs wohnten aber an der anderen Seite des Hauses. In den betroffenen Räumen lebten meine Mutter und ich, denn mein Vater war damals bereits zur Wehrmacht einberufen worden. In das Haus selbst drangen die Täter nicht ein, da sie unerkannt bleiben wollten. Die bei uns angerichteten Schäden waren beträchtlich. Am nächsten Morgen ging meine Mutter, eine sehr couragierte Frau, zur Gemeindeverwaltung und erstattete Anzeige. Hier erhielt sie als erstes die Antwort: 'Bei Juden wohnt man ja als Deutscher auch nicht!' Schließlich wurden die Zerstörungen irgendwie entschädigt." Ausdrücklich bestätigte Herr Hanak den zeitlichen Beginn der Ausschreitungen, hatte er doch in den folgenden Jahren durch Gespräche mit der Familie Hirsch und mit seiner Mutter noch manche Gelegenheit, sich an die Vorfälle genau zu erinnern. Einige Zeit später drang die Horde der Eichwalder SA-Leute in der Sedanstraße 15/16 (Grenzstr.) auf das Grundstück der Geschwister Boas vor. Frau Ruth Weis, geborene Freudenberg, deren Familie zu dieser Zeit in der Sedanstraße 15 wohnte, berichtete: "Es muss nachts so gegen zwei Uhr gewesen sein, als mein zweijähriger Bruder und ich von einem gewaltigen Knall wach wurden. Eine Horde Männer hatte, um auf das Grundstück der Geschwister Boas zu gelangen, den sehr massiven Zaun gesprengt. Mein Vater, Hans Freudenberg, war nicht zu Hause, weil er immer meine Mutter vom letzten Zug abholte. Sie arbeitete in einem Rüstungsbetrieb, ich glaube, in Adlershof, und schweißte dort Kanister u. dgl. Die Geschwister Boas hatten sich auf dem Dachboden versteckt, als die SA-Meute in ihr Haus eindrang und dort alles verwüstete. Ich sehe die zerschnittenen Gemälde und den großen umgestürzten, vorher mit Silbergeschirr und -besteck gefüllten Schrank noch vor mir. Ein Freund meines älteren Bruders Günther, der Sohn der Familie Lange, die in der Sedanstraße 27 schräg gegenüber wohnte, war bei dem Lärm zu uns ins Gartenhaus gekommen, aber uns hatte man nicht angegriffen...Am Hindenburgplatz (Platz der Republik, heute das Grundstück Stubenrauchstr.32, d.A.) wohnte die Familie des jüdischen Kaufmanns Julius Schlesinger, die ebenfalls angegriffen wurde. Frau Schlesinger soll mächtig getobt und geschrien haben..."

Am nächsten Tag las man in der Zeitung: " Wie in allen Teilen des Reiches haben sich auch in Berlin scharfe judenfeindliche Kundgebungen ereignet ... Da die Volksgenossen äußerste Disziplin bewahrten, ist keinem Juden auch nur ein Haar gekrümmt worden. Ähnliche Vorfälle spielten sich auch in den Berliner Vororten und in märkischen Ortschaften ab ..." Als angeblichen Ausdruck des "Volkszorns “ hatten Goebbels und seine Gefolgsleute per Telefon aus München deutschlandweit einen Judenpogrom organisiert. In Deutschland wurden 91 Menschen ermordet, rund 20 000 verhaftet, 281 jüdische Gotteshäuser zerstört, rund 7500 Geschäfte demoliert und ausgeraubt. Wegen dieser Zerstörungen erhielt der Pogrom im Volksmund die Bezeichnung "Kristallnacht".

Mehrere Eichwalder erinnerten sich noch im Jahre 2003 daran, wie sie am 10. November 1938 morgens nach Berlin zur Arbeit oder zur Ausbildung gefahren waren und die Geschäftsstraßen am Görlitzer Bahnhof oder am Rosenthaler Platz mit Scherben übersät erblickten. In Eichwalde nahmen die weiteren Ereignisse am Morgen ihren Verlauf. Frau Weis berichtet: " Am nächsten Tag, am 10. November (real 22.11.38), mussten alle Juden sich auf der Straße sammeln und wurden verhaftet, also die Geschwister Boas und auch mein Vater. Man brachte ihn in das KZ Sachsenhausen."

Etwa 30 000 Juden in Deutschland wurden ebenso wie Hans Freudenberg und die Geschwister Boas festgenommen. Allein in das Konzentrationslager Sachsenhause kamen nach dem Pogrom fast 6000 Juden. Hier mußten sie entsetzliche Qualen ertragen, starben durch Erschöpfung oder Selbstmord. Die jüdischen Häftlinge, die Besitzer von Betrieben oder Immobilien waren, sollten sogenannte 'Arisierungsverträge' unterschreiben. Verbunden mit der Bereitschaftserklärung zur Auswanderung, wurde ihnen von der SS die Freilassung versprochen. Bis Anfang 1939 wurden die meisten nach dem Pogrom verhafteten Juden entlassen. Hans Freudenberg, Häftlingsnummer 013687, wurde am 18. Dezember 1938 aus dem KZ Sachenhausen entlassen. Frau Weis berichtet über die Rückkehr ihres Vaters: "Als er nach einigen Wochen wieder kam, sagte er, daß er von dort nicht wieder lebend zurück käme, falls man ihn nochmals abholen würde ... Ich glaube, daß die Geschwister Boas danach nicht wieder in ihrem Haus gewohnt haben. Nach seiner Rückkehr von Sachsenhausen arbeitete mein Vater überall, wo er Arbeit bekam, so auf dem Holzplatz in Zernsdorf oder bei Stellen, die ihm Freunde vermittelt hatten." Es sind keine Proteste oder Beistandsleistungen von Eichwalder Bürgern gegen diesen Pogrom in Erinnerung geblieben. Bekannt ist, daß den Juden Deutschlands für die Pogromschäden insgesamt eine 'Sühneleistung' von mehr als einer Milliarde Reichsmark auferlegt wurde. Die von Versicherungen an Juden zu zahlenden Entschädigungen wurden beschlagnahmt, um sicher zu stellen, daß sie auch wirklich die Geschädigten blieben.

Schon nach der Polizeiaktion im Juni 1938 gegen die Pension der Geschwister Boas war die Jagd auf ihr Eigentum eröffnet worden. Es ist nicht bekannt, wohin sie nach der Verhaftung gebracht wurden, ob auch sie eine 'Arisierungserklärung' unterschreiben mußten. Durch Verordnung über den Einsatz jüdischen Vermögens vom 3. Dezember 1938 wurden jüdische Bürger zur Verschleuderung ihres Unternehmens, ihres Haus- und Grundbesitzes gezwungen. Alles mußte in "nicht-jüdische Hand" übertragen werden. Jüdischer Immobilienbesitz wurde zwangsarisiert, Verkaufserlöse zu einem Bruchteil des eigentlichen Wertes kamen auf ein Sperrkonto und wurden bald zugunsten des Reiches konfisziert. Dazu trugen weitere gesetzliche Maßnahmen wie das Gewerbeverbot für Juden ab 1. Januar 1939 bei.

Im Zusammenhang mit der Klärung vermögensrechtlicher Ansprüche nach 1990 durch das "Amt zur Regelung offener Vermögensfragen" (ARoV) wurden heutige Eichwalder Bürger mit diesen unheilvollen Ereignissen konfrontiert und erfuhren so mitunter von entsetzlichen Schicksalen. Zum Beispiel wurde dabei ermittelt, daß der frühere jüdische Eigentümer von Parzellen in der Zeuthener Straße, Herr Erich Seligsohn, nach dem Verkauf seiner Immobilien " mit dem 111. Alterstransport vom 13.10. 1944 nach Theresienstadt deportiert und dort 2 Monate später ermordet " wurde. Ein Beispiel aus der Wernerstraße 2 läßt erkennen, wie begehrt der zwangsläufig von Juden aufgegebene Besitz besonders bei NSDAP-Funktionären war. Ein "Reichsangestellter" M. aus Berlin beschwerte sich beim Regierungspräsidenten in Potsdam, daß die Auflassung des ehemals jüdischen Grundstücks vom Landrat noch immer nicht genehmigt worden sei. Am 10. Juli 1941 wurde lt. Verordnung über den Einsatz jüdischen Vermögens vom 30. Juni 1941 die Auflassung des Grundstücks bestätigt.

Die Geschwister Boas leiteten 1939, der innenpolitischen Entwicklung Rechnung tragend, den Verkauf ihres Hauses in der heutigen Grenzstraße 15/16 ein und bereiteten die Ausreise aus Deutschland vor. Jedoch erlebten sie nun, wie der NS-Staat einerseits die Auswanderung forcierte, andererseits bremste, indem er durch Einziehung oder Sperre des finanziellen Vermögens die Möglichkeiten zur Auswanderung einschränkte. Noch mußten die Geschwister Boas und die Familie Hirsch im Ort, wenn auch unerwünscht, verbleiben. Über ihr weiteres Schicksal wird noch zu berichten sein.


1 Vgl. Hermann Graml : Reichskristallnacht. Antisemitismus und Judenverfolgung im Dritten Reich. München, 1991, S.13.
2 KWZ v. 9. November 1938.
3 Vgl. Hermann Graml, a.a.O., S. 16.
4 Bericht Herr Hanak (geb. 1931), Eichwalde, Waldstr., November 2003.
5 Die letzten Züge aus Berlin verließen Eichwalde um 00 Uhr 46 und 01 Uhr 46.
6 Bericht Frau Ruth Weis, geb. Freudenberg, Erkrath, Januar 2004. Privatarchiv.
7 KWZ v. 10. November 1938.
8 Vgl. Hermann Graml, a.a.O.,S.35.
9 Bericht Frau Ruth Weis, geb. Freudenberg, Januar2004, Privatarchiv.
10 Gedenkstätte und Museum Sachsenhausen, Auskunft v. 02.03. 2004, Privatarchiv.
11 Ebenda. Vgl. Hans-Jürgen Döscher : "Reichskristallnacht ". Die Novemberpogrome 1938. Frankfurt / Main , Berlin 1988,S. 110 ff.
12 Vgl. Irene Diekmann: Boykott- Entrechtung- Pogrom – Deportation. Die 'Arisierung' jüdischen Eigentums während der NS-Diktatur. Untersucht und dargestellt an Beispielen aus der Provinz Brandenburg. In: Brandenburg in der NS-Zeit. Studien und Dokumente. Hrsg. v. Dietrich Eichholtz unter Mitarbeit von Almuth Püschel. Berlin 1993, S. 207ff.
13 Privatarchiv d. A.
14 BLHA, Pr.Br. Rep. ,2A, I 6, Nr. 1319, Wohnsiedlungsgebiete im Krs. Teltow 1940- 1945.


Vorkriegssommer

Auf ihrer Vereinsversammlung im Juni 1939 amüsierten sich die Haus-und Grundbesitzer über den von Johannes Wollermann hergestellten 8-mm-Schmalfilm " Der Tanz ins Glück ", welcher das friedliche Leben und den Aufbau der Eigenheime und Gärten Eichwaldes in 'sechs Akten' zum Inhalt hatte. Im Protokollbuch des Vereins findet sich die Bemerkung, daß eine "denkbar beste Zusammenarbeit mit der Partei und ihren Gliederungen“ bestehe. Die Idee, daß alle Vororte Berlins innerhalb des Autobahnringes der Reichshauptstadt eingemeindet werden sollten, traf auf Widerspruch. Außerdem bereitete man für August wieder eine Dampferfahrt vor und ärgerte sich gerade über die gestiegenen Kosten für die Straßenpflasterung. Es war auch enttäuschend, daß Sammelbestellungen für Dünger und Futtermittel nicht mehr in bestellten Mengen befriedigt werden konnten. 1939 stockte die Versorgung mit Torfmull für die Trockenklos und mit Dung wegen Transportschwierigkeiten vollkommen, selbst auf Anrechnungsschein stand kein Hühnerfutter mehr zur Verfügung. Aber es würde sich bald schon alles wieder bessern, so hofften wohl die Eichwalder Siedler. Wohl keiner der Siedler sah in solchen Problemen bereits Vorboten kommenden Unheils, sah nicht, wie nahe der Krieg schon herangerückt war.

Im März 1939 wurde die Tschechoslowakei mit diplomatischer Erpressung, mit einer inszenierten Abspaltung der Slowakei und offener Gewalt zerschlagen, am 15. März 1939 Prag besetzt. Die gewaltsame Vereinnahmung der tschechischen Landesteile Böhmen und Mähren und deren Umwandlung in ein " Protektorat “ des Deutschen Reiches war eine offene Aggression. Die Sowjetunion hatte sich vergeblich um die Schaffung eines Systems kollektiver Sicherheit bemüht. Die Regierungen Großbritanniens und Frankreichs, die bisher nichts zum Schutz der Tschechoslowakei unternommen hatten, sahen sich nun veranlaßt, eine Garantieerklärung für Polen abzugeben. Wie sich ältere Einwohner erinnern, spürten bei diesen Nachrichten manche Eichwalder, so wie niemals zuvor, ein politisches Unbehagen. Man redete darüber in den Familien, seltener mit guten Nachbarn, nicht in der Öffentlichkeit. Wie zufrieden war man über das Münchener Abkommen vom 29. September 1938 gewesen, weil nun vorgeblich keine territorialen Fragen mehr offen geblieben sein sollten. Die Mehrheit hoffte nun, daß der 'Führer' erneut wieder alles regeln werde. Als Hitler am 19. März 1939 auf dem Schienenweg der Berlin-Görlitzer Bahn in den dunklen Abendstunden auf dem Berliner Görlitzer Bahnhof eintraf, hatten die NSDAP-Ortsgruppen des Kreises Menschenmassen an den Bahndamm und auf die Bahnhöfe beordert, die dem Sonderzug zuwinkten. Wahrscheinlich blickten auch Eichwalder auf den vorbeifahrenden Zug, doch sie ahnten nicht, wohin die Reise bald gehen würde. Am 23. März 1939 wurde nach langem diplomatischem Druck mit dem Einmarsch der Wehrmacht das litauische Memelgebiet besetzt. Die Gefahr eines Krieges war in unmittelbare Nähe gerückt. Schon seit mehreren Monaten trafen in der Gemeindeverwaltung Schreiben ein mit dem Vermerk "Geheim". So hieß es zum Beispiel in einem Erlaß vom 30. August 1938: "Um bei der Durchführung von Maßnahmen der Wehrmacht und in sonstigem Eilfalle fernmündliche Erreichbarkeit der Bürgermeister sicherzustellen...", sollten die Wohnungen aller Bürgermeister ans Telefonnetz angeschlossen werden. Im Landkreis Teltow sei das bereits sichergestellt, antwortete der Landrat mit Schreiben vom 1. Oktober 1938. Eine Verfügung vom 16. Februar 1939 beinhaltete "Mobilisierungsvorbereitungen in sachlicher und personeller Beziehung im gemeindlichen Bereich". Ein weiteres Schreiben befaßte sich mit der "Übernahme von gemeindlichen Beamten des gehobenen und mittleren Dienstes" in die Wehrmacht. Die Ausgabe von Lebensmittelkarten wurde vorbereitet. Die Jahrgänge 1906 und 1907 waren im März zur Musterung nach KönigsWusterhausen bestellt worden.

Am 3. April 1939 war erstmals mit der Bezeichnung "Fall Weiß" eine Weisung an die Wehrmacht ergangen, die den Überfall auf Polen vorsah. Seit dem 8. August wurden insgeheim "kriegsauslösende Zwischenfälle" durch Vorbereitung antipolnischer Provokationen geplant. Unterdessen wurden die Menschen von den politischen Tagesereignissen voll in Anspruch genommen, besonders von den ultimativen Forderungen der faschistischen Führung an die polnische Regierung : "Anschluß" Danzigs, polnischer "Korridor" für Deutschland durch polnisches Territorium, "Sicherung des Lebens der deutschen Volksgruppe" – es wurde alles getan, um mit hysterischen Verzerrungen tatsächlicher Verhältnisse und mit Falschmeldungen geistige Kriegsbereitschaft und antipolnische Stimmungen zu entfachen. Wie zuvor gegen die Tschechoslowakei gehetzt wurde, wurde die deutsche Bevölkerung nun gegen Polen aufgewiegelt.

Zur propagandistischen und rüstungsmäßigen Kriegsvorbereitung gehörte am 28. April 1939 die Aufkündigung des deutsch-britischen Flottenabkommens von 1935 und des deutsch-polnischen Nichtangriffspaktes von 1934. Damit reagierte Hitler auf die Garantieerklärung Englands vom 31.März 1939 für die Sicherheit Polens. Wie breit diese Propaganda organisiert wurde, läßt der Schuljahresbericht 1939/40 des Gymnasiums erkennen, in dem ausdrücklich der Gemeinschaftsempfang in der Schulaula am 28. April " der großen Führerrede vor dem Reichstag " hervorgehoben wurde. Natürlich erfuhren die Eltern der Schüler davon, konnte in den Familien darüber geredet werden. Die politische Mobilisierung wurde rasant gesteigert.

Wie überall in Deutschland hatte man sich auch in Eichwalde schon mehrere Wochen auf den 50. Geburtstag Hitlers am 20. April 1939 konzentriert, der zum nationalen Feiertag erklärt worden war. Die Regie des Tages sah vor, dem Ausland zu demonstrieren, wie die Deutschen hinter Hitler marschieren würden und daß Deutschland zum Krieg gerüstet sei. All das vervollständigte nur ein sich festigendes Bild in der Einwohnerschaft, daß eigentlich an alle Möglichkeiten für Sicherheit und Frieden "im Reich" gedacht wurde. Im Ort erlebte man diese demonstrativen Vorführeffekte unmittelbar: Erstens durch die eigenen zeremoniellen Vorbereitungen des örtlichen Fackelzuges zum 20. April und zweitens durch die während der Apriltage gesperrten Schulgebäude, welche zeitweilig als Unterkünfte für an der Berliner Parade teilnehmenden Truppen genutzt wurden. Da gab es viel zu bestaunen, die Eichwalder überzeugten sich, wie gut organisiert doch das Leben in der Truppe verlief. Besonders die Jugend war begeistert. Eine bisher in diesem Ausmaß noch nie erlebte Luftschutzwoche der Schule vom 8. bis 14. Mai bereitete den Probealarm vor, der unter Beobachtung des örtlichen Führers des Reichsluftschutzbundes, Hamann, des Bürgermeisters Rix und des Leiters der Feuerwache, Koser, schließlich am 2. Juni 1939 ausgelöst wurde. Diesen Schwung konnte man gut ausnutzen, so unter anderem für die allerorts bevorstehenden Sportkämpfe der Hitler-Jugend am 4. Juni 1939. Die drei Wettkampfarten der männlichen Jugend waren Hundertmeterlauf, Keulenweitwurf und Weitsprung, also für künftige Soldaten sehr geeignete Disziplinen.

In einer am 30. Januar 1939 gehaltenen Reichstagsrede hatte Hitler die Welt nicht darüber im Unklaren gelassen, daß es im Falle eines Weltkrieges um "die Vernichtung der jüdischen Rasse in Europa " gehen werde. Innenpolitische Vorbereitungen waren dafür bereits angelaufen. Am 17. Mai 1939 fand im gesamten damaligen Reichsgebiet, mit Ausnahme des "heimgeholten" Memellandes, eine allgemeine Volkszählung statt. Bei der Durchführung der Zählung wurden auch in Eichwalde die örtlichen Beamten einschließlich der Lehrer eingesetzt, die dazu am 23. März 1939 auf eine zentralen Veranstaltung des Landkreises Teltow eingewiesen worden waren. Neben der Haushaltungsliste und weiteren Formularen war eine Ergänzungskarte für Angaben über Abstammung und Vorbildung auszufüllen. Vorrangig diente diese Karte der erstmalig durchgeführten Zählung von Juden und sogenannten jüdischen Mischlingen. Einzutragen waren Name, Geburtsdatum und -ort sowie die Angabe, ob und welche der vier Großelternteile "der Rasse nach Volljude“ waren oder sind. Um eine möglichst einwandfreie Beantwortung der Fragen nach der Abstammung zu erzielen, war die Ergänzungskarte in einem besonderen Umschlag abzugeben, der nur von dem dazu bestimmten Statistischen Amt geöffnet werden durfte. So wurde mit deutscher Gründlichkeit und zuverlässiger Arbeit des Bürgermeisters und seiner offiziellen und ehrenamtlichen Mitarbeiter, wie gesetzlich festgelegt, ein Material geschaffen, um die jüdischen Bürger weiter zu isolieren, zu enteignen, zur Auswanderung zu zwingen oder um sie später, gut organisiert, vernichten zu können. In Eichwalde wurden damals 6333 Einwohner gezählt. Im Ergebnis der Volkszählung wurden in Eichwalde in ca.22 Haushalten insgesamt 36 Personen aussortiert, die nun nach gesetzlichen Vorgaben überprüft wurden, ob sie als "Volljuden, Dreivierteljuden, Halbjuden, Vierteljuden, Jüdische Mischlinge ersten oder zweiten Grades“ anzusehen seien.

Die Ortsgruppe der NSDAP hatte im Juni 1939 zum großen Kulturabend in der Aula des Gymnasiums eingeladen. Der nächste Abend dieser Art sollte am 27. September zu Ehren des Dichters Hermann Löns stattfinden, der an diesem Tag vor 25 Jahren als Kriegsfreiwilliger in Frankreich 'den Heldentod' gestorben war. Da sich nach der Gleichschaltung das kulturelle Leben in gewisser Hinsicht in die Familien verlagert hatte, drängte die NSDAP überall darauf, mehr öffentliche Geselligkeiten allgemeiner, neutraler Art zu organisieren. Bislang geschah auch in Eichwalde nichts, was frei von vordergründiger NS-Ideologie gewesen wäre. In diesen Wochen bereitete sich der Ort auf das dritte Rosenbaumfest vor, welches vom 18. bis 20. Juni 1939 gefeiert wurde. Wie aufmerksam dabei aktuelle innen- und außenpolitische Ereignisse aus dem Blickwinkel der NS-Propaganda verfolgt wurden, ließ sich nicht zuletzt am Festumzug erkennen. Die NS-Frauenschaft mit Kindergruppe und Säuglingskorb spielte auf die bevorstehende erstmalige Ehrung von 23 kinderreichen Eichwalderinnen mit dem "Mutterkreuz" an und gab so auch ihrer Hoffnung auf ein glückliches Familienleben im NS-Staat Audruck, dessen materielle Förderung des Kinderreichtums allgemein geschätzt wurde. Auch die Frau hat ihr Schlachtfeld, hatte der 'Führer' gesagt.

Als am 3. Oktober die Ehrung der Mütter in Eichwalde erfolgte, waren die ersten Söhne bereits gefallen. Der vom Gymnasium gestaltete Festwagen zeigte das Collosseum und das Brandenburger Tor als demonstratives Bekenntnis zu dem im Mai 1939 vereinbarten deutsch-italienischen Militärbündnis, dem sogenannten Stahlpakt, einem unverhüllt aggressiven Vertrag zwischen deutschen und italienischen Faschisten. Unterdessen war ein neues Großereignis für die Eichwalder in Vorbereitung. Die SA war am 21.Januar 1939 von Hitler beauftragt worden, die vor- und nachmilitärische Ausbildung der gesamten männlichen Bevölkerung vom 17. bis zum 45. Lebensjahr durchzuführen. Zu diesem Zweck wurden motivierende Maßnahmen für die SA veranlaßt, um sie für diese und weitere Aufgaben unter den Bedingungen baldiger Kriegsereignisse moralisch zu rüsten. Die Eichwalder konnten deshalb am 1. Juli 1939 Zeugen einer monströsen abendlichen Veranstaltung sein, als dem örtlichen SA-Sturm mit seinem Sturmführer Schilling, der auf dem von Scheinwerfern und Fackeln erleuchteten Volksfestplatz (Schillerplatz) angetreten war, auf Befehl Hitlers der Name "Willi Dreyer" verliehen wurde. Es war ein Aufmarsch von NS-Repräsentanten, von SA-, SS-, Reichskriegerbund- und Hitlerjugend-Formationen des Ortes und der Umgebung, wie sie Eichwalde in dieser Dimension noch nicht erlebt hatte. Das Ereignis versinnbildlicht, welches Ansehen der Ort seit 1933 bei der NS-Führung des Kreises und darüber hinaus erworben hatte.

Das Leben verlief, oberflächlich betrachtet, anscheinend normal. Erfreut registrierte man die Zeitungsannoncen, in denen die nahen Hirth-Motorenwerke um Arbeitskräfte warben und die Reichsbahn Arbeitsplätze für Frauen anbot. Männliche Eisenbahner wurden insgeheim bereits für den Eisenbahnbetriebsdienst im zu erobernden Polen bereit gehalten. Die Vorortbahn zwischen Berlin-Grünau und KönigsWusterhausen soll elektrisch betrieben werden, meldete die Tageszeitung am 11. Juli 1939. Doch mehr noch elektrisierte eine außenpolitische Meldung vom 24. August die Einwohner: Deutschland und die Sowjetunion haben einen Pakt geschlossen! Dieser nicht erwartete diplomatische Schritt sorgte anfangs für einige Verwirrung unter den Nazis, die erfüllt waren vom Kampfgeist gegen den "jüdisch-bolschewistischen Feind " im Osten. Für viele Hitlergegener kam dieses Abkommen ebenfalls überraschend und wirkte sogar desorientierend. Bald ließen die außenpolitischen Entwicklungen bei den Westmächten die Erkenntnis wachsen, daß es keine wirksame antifaschistische Allianz ohne die Sowjetunion geben konnte, wie sie schließlich durch Verträge kriegführender westlicher Staaten mit der Sowjetunion seit Juli 1941 als Antihitlerkoalition entstand. Ein untrügliches Zeichen drastischer Veränderungen war die am 28. August 1939 beginnende Rationierung von Lebensmitteln. Lebensmittelkarten und Bezugsscheine für diverse Konsumgüter wurden eingeführt. Die Lebensmitteleinzelhändler hatten wieder Kundenlisten anzulegen. Ein Küchenmusterplan für die Hausfrau sollte beweisen, wie man ohne Fett und Fleisch über die Woche kommen konnte. In der "Königs Wusterhausener Zeitung" wurden am 31. August 1939, einem Donnerstag, die Geltungsdauer der einzelnen Abschnitte der zur Verteilung gekommenen Bezugsscheine für Lebensmittel veröffentlicht. Sie galten vom 28. August bis zum 3. September 1939. Der 1. September 1939 war ein Freitag. Das Wochenende stand bevor...


1 KWZ v. 10./ 11. Juni 1939.
2 Werner Hammerschmidt / Hans Eberhard Schmidt (Hg.) : Siedlergemeinschaft Eichwalde (SGE). Chronik anläßlich des 100. Jahrestages der Gründung einer Siedlervereinigung in Eichwalde, Eichwalde 1992, S.7.
3 KWZ v. 15. u. 20. März 1939.
4 KWZ v. 22. März 1939.
5 Vgl. Deutschland, Bd.1, S. 122 u. 140 ff.
6 BLHA, Pr. Br. Rep. 2 A I Kom , Nr. 1048.
7 Vgl. Deutschland, Bd. 1, S. 149 ff.
8 Vgl. u.a. KWZ v. 6. / 7. Mai 1939.
9 BLHA, Pr.Br.Rep. 34 , Prov. Schulkollg., Nr. 5466.
10 KWZ v. 20. April 1939.
11 KWZ v. 6. und 7. Juni 1939.
12 BLHA, Pr. Br. Rep. 2 A Regierung Potsdam, I Kom, Nr. 285. ( Die spezifizierte Aufstellung vom 29. August 1940 zur Volkszählung im Kreis Teltow befand sich nicht in der Akte.)
13 Vgl. Bundesarchiv Berlin: Einführung in die Volkszählung 1939. ( Benutzermaterial )
14 Kreisarchiv,B.E., Nr.177.
15 PC- Ausdruck Bundesarchiv Berlin, R2 / GB, Ergänzungskarten der Volkszählung v. 17. Mai 1939.
16 KWZ v. 9. Juni 1939.
17 KWZ v. 3. Juli 1939.
18 Vgl. Kurt Pätzold / Manfred Weißbecker : Adolf Hitler. Eine politische Biographie. Leipzig 1995, S.383. f.
19 Vgl. Deutschland, Bd. 2, S. 31.


Eichwalde während des zweiten Weltkrieges

Der heimatliche Alltag unter Kriegsbedingungen war zwangsläufig ein anderer als im Frieden, insbesondere dann, wenn in der Heimat selbst ein Kampf zur bedingungslosen Unterwerfung der Bevölkerung unter eine verbrecherische Politik geführt wurde. Die Lebensweise in der Zeit des Krieges erlangte ihre spezifische Alltäglichkeit und zwangsläufige Normalität. Sie wurde zum Kriegsalltag. Fliegeralarm zum Beispiel wurde ab einem bestimmten Zeitpunkt alltäglich und erschien fast normal. Die ausgangs der dreißiger Jahre Geborenen erlebten lange keinen anderen Alltag, sie kannten noch keinen Frieden, allenfalls Tage ohne Luftangriffe. So, wie der Krieg, der von Deutschland ausging, nicht gleichförmig verlief, nach anfänglichen Siegesfanfaren schließlich nach Deutschland zurückkehrte, veränderte der Kriegsverlauf auch den Alltag an der 'Heimatfront', der bei Kriegsbeginn anders war als etwa 1944. Die Heimat selbst wurde 'innere Front', noch ehe sie selbst zum Kriegsschauplatz geworden war.

Vom Kriegsalltag nach dem 1. September 1939

Am Morgen des 1.September 1939 erfuhren auch die Eichwalder aus dem Radio, daß sich Großdeutschland im Krieg befand. Ein vorgetäuschter polnischer Überfall auf den deutschen Sender Gleiwitz in Oberschlesien sowie weitere simulierte Verletzungen der deutschen Grenze hatten den Vorwand für den "Gegenangriff" der deutschen Wehrmacht geliefert, dem keine Kriegserklärung vorangestellt war. Hitler verkündete am 1. September im Reichstag, daß seit 5.45 Uhr "zurückgeschossen" werde. Am 3.September erfolgten die Kriegserklärungen Frankreichs, Großbritanniens sowie ihrer Verbündeten an Deutschland. Die Stimmungslage der Einwohner war von Erschrecken und Niedergeschlagenheit, auch von Ahnungen kommenden Unheils gekennzeichnet. Man sorgte sich um die zur Wehrmacht eingezogenen Männer, Väter und Söhne. Nicht wenige Einwohner glaubten der Propaganda, daß der Einmarsch der Wehrmacht in Polen nur eine notwendige 'Strafaktion' und ein berechtigter Verteidigungsakt zum Schutz der deutschen Souveränität sei. Wie der Krieg entfesselt und inszeniert worden war, blieb damals noch verborgen.

Die Atmosphäre im Gymnasium war ein gewisser Gradmesser für die allgemeine Lage in den Familien des Ortes. Direktor Dr. Hohmann schrieb im Schuljahresbericht 1939/40: " Mit Ausbruch des Krieges Ende August wurde durch Einberufung mehrerer Lehrkräfte und durch die Veränderungen in vielen Familien auch eine gewisse Unruhe in die Schule getragen." Eichwalde gehörte zum Wehrkreis III, Berlin-Brandenburg. Offenbar hatten die Einberufungen und bald darauf die Ausgabe der Lebensmittelkarten und Bezugsscheine schon vor dem 1. September bange Stimmungen entstehen lassen. Schon bald kamen Siegesmeldungen aus Polen. Aber schlechte Nachrichten vom Kriegsgeschehen ließen nicht lange auf sich warten. Im Reservelazarett Königs Wusterhausen waren am 25. September 1939 die ersten Verwundeten des "Polenfeldzuges" eingetroffen. Gefallene waren zu beklagen. Dr. Hohmann berichtete:" Als erster von unseren ehemaligen Schülern hat für Führer und Volk in diesem Krieg der Gefreite der Luftwaffe Heinz Abendroth sein junges Leben dahingeben müssen. Seiner feierlichen Beisetzung unter militärischen Ehren auf dem benachbarten Grünauer Friedhof wohnte am 30.10. eine Abordnung von Lehrern und Schülern bei, die einen Kranz am Grabe niederlegten."

Herr Dr.Dr.med. Linke aus Eichwalde berichtete:"...wie schwer und traurig waren unsere Schuljahre im Krieg. Die jüngeren Lehrer waren Soldaten und wurden durch Lehrer, die schon im Ruhestand waren, ersetzt. Immer häufiger trauerten wir um unsere gefallenen Schulkameraden...“ Der plötzliche Lehrermangel war für die Schulen prekär. "Wir wurden für drei Wochen vom Unterricht beurlaubt, wahrscheinlich weil die Lehrer zwecks Umstellung des Lehrplans zu einer Konferenz einberufen wurden ", erinnerte sich Sonja Ziemann. Frau Dolke wußte noch, daß die Jungen und Mädchen ihrer gemischten Klasse auf die Jungen- und die Mädchenklasse aufgeteilt wurden. " Unser Herr Glashorster war einer der ersten Soldaten. Vorwiegend ältere Lehrerinnen übernahmen die Klassen. Fräulein Tängler kam zurück in den Schuldienst, obgleich sie pensioniert war....Das Lehrerkollegium wurde immer kleiner, die Klassen immer größer", berichtete Frau Dolke. Die ständigen Appelle der NS-Propaganda an 'gläubige Hingabe' der Bevölkerung und an die Unbesiegbarkeit der deutschen Waffen hinterließen jedoch bald ihre Wirkung. Aus dem Schuljahresbericht 1939/40 des Eichwalder Gymnasiums ist zu erfahren: " Auch innerhalb der Schule und des Unterrichts nahmen wir natürlicherweise regsten Anteil an dem polnischen Blitzkrieg. Studienrat Krönke erlebte ihn als Unteroffizier in einem Baubataillon, Studienassessor Rücker als Gefreiter ( jetzt Unteroffizier ) der schweren Artillerie. Studienrat Dr. Strauer wurde als Meteorologe bei der Luftwaffe eingesetzt...Student Unteroffizier Paul Sasse wurde zu seinem eigenen Leidwesen in der Heimat als Ausbilder am schweren MG eingesetzt; lieber hätte er auch draußen irgendwo mitgeholfen zu siegen... Am 25.9. wurde noch Studienrat Dr. Arntz als Pionier zur Wehrmacht eingezogen; er ist jetzt allmählich zum Unteroffizier aufgestiegen und hat uns durch seine mannigfachen Erlebnisse aus den Vorfeldkämpfen des Westwalles oft gefesselt. Am 21. 9. starb nach monatelanger schwerer Lungenkrankheit unser lieber Berufskamerad Studienrat Richard Klein... Den Aufbruch Deutschlands zu Freiheit und Größe hat er noch ahnend erleben können."

Am 6. Oktober 1939 war die Eroberung Polens abgeschlossen. Eichwalder Lehrer, die als Kriegsteilnehmer das Frontgeschehen miterlebt hatten, berichteten 'fesselnd' bei Rückkehr in das heimatliche Eichwalde von ihren Erlebnissen. Dr. Hohmann schrieb weiter: "Studienrat Krönke als Teilnehmer am Polenfeldzug war der geeignete Sprecher über den deutschen Osten und unsere Aufgaben im Ostland...“ Als die Kampfhandlungen beendet waren, begann die Okkupation des Landes. Nachdem Polen zum Modellfall für die Blitzkriegsführung geworden war, wurde es nun zum Experimentierfeld für Massenerschießungen, zunächst von Polen und Juden, zum Erprobungsfall für die Einrichtung von Juden-Ghettos und Vernichtungslagern, für die Versklavung slawischer Völker und die "Germanisierung". Zu Beginn des Krieges hatten entgegen sonstiger Praxis nirgendwo öffentliche Zustimmungsbekundungen stattgefunden, weil diese von der NS-Führung nicht erwünscht waren. Nach den ersten Siegesmeldungen begann die Ortsgruppe der NSDAP ihre zuvor festgelegte Rolle zu spielen. Ortsgruppenleiter Bürgermeister Rix wurde für die politische Führung und Betreuung der Einwohner verantwortlich gemacht. Hauptsächlich bestanden die Aufgaben der NSDAP nach Kriegsbeginn darin, die Mobilmachung reibungslos verlaufen zu lassen, die Stimmung der Bevölkerung zu überwachen, durch Propagierung des Krieges und des Sieges in "Treue zum Führer" die Einwohner zu beeinflussen, "Wehrfeinde und Miesmacher" in Zusammenarbeit mit Gestapo und Polizei auszuschalten und den Luftschutz zu gewährleisten. Die Organisation der Versorgung, das Verhindern von Verstößen gegen die Rationierung von Lebensmitteln und anderen Waren gehörte zu den Aufgaben der örtlichen Nazi-Führung. Die Eichwalder Blockleiter verteilten persönlich am 21. und 22. Oktober 1939 die neuen Lebensmittelkarten. Deshalb hatte man an diesem Wochenende zu Hause zu bleiben. Ein wachsender Berg von Gesetzen, Verordnungen und Weisungen war jetzt von der Gemeindeverwaltung durchzusetzen, die als 'Schubladengesetze' längst für den Kriegsfall vorbereitet worden waren.

Dazu gehörte die “Verordnung zur vorläufigen Sicherstellung des lebenswichtigen Bedarfs des deutschen Volkes” vom 27. August 1939. Fleisch, Fett, Butter, Käse, Vollmilch, Eier, Zucker, Marmelade, Nährmittel, Ersatzkaffee, Seife und fetthaltige Waschmittel, Textilien, Schuhe, Lederwaren und Kohle waren nur noch auf Karten oder Bezugsscheinen erhältlich. Nach Kriegsbeginn schien eine neue Zeitrechnung eingesetzt zu haben. Man zählte nicht nur Kriegsmonate, sondern bei Lebensmitteln auch 'Zuteilungsperioden'. Die erste Periode lief bis vier Wochen nach Kriegsbeginn, die 74. Periode vom 9. bis zum 29. April 1945. So gab es in den ersten vier Kriegswochen pro Person je Woche 700 g Fleisch, 110 g Marmelade, 280 g Zucker zu kaufen. Brot, Mehl und Kartoffeln waren anfangs ohne Beschränkung zu haben. Am 25. September 1939 wurden die “Reichsbrotkarten” und die “Reichseierkarten” eingeführt, am14. November die Reichskleiderkarte. Die "KönigsWusterhausener Zeitung" gab wöchentlich bekannt, was auf Lebensmittelkarten zu erhalten war. So wurden beispielsweise in der Woche vom 13. zum 19. November 1939 2400 g Brot, 500 g Fleisch oder Fleischwaren, 125 g Butter oder 62,5 g Schweineschmalz , 250 g Zucker, 100 g Marmelade, täglich ¼ Liter Milch für Kinder bis zu zehn Jahren, ½ Ltr. Milch für werdende Mütter usw. gestattet. Man unterschied Schwer- und Schwerstarbeiter. Noch litt man keine Not, obwohl etwa nur die Hälfte der Friedensrationen bewilligt wurde. Schwerarbeiter erhielten Zusatzrationen. Jüdische Einwohner waren rapide zunehmenden Versorgungsbeschränkungen unterworfen.

Die Versorgungslage blieb ein Dauerthema des Krieges. Zeitgenossen wissen zahlreiche Episoden von Ersatzlebensmitteln, Sonderzuteilungen, Einschränkungen, aber auch vom Erfindungsreichtum der Hausfrauen und Mütter, vom 'schwarzen Markt' und Tauschhandel während des Krieges zu berichten. Unmut entstand erst, wenn weitere Einschnitte in der Versorgung in Kraft traten. Unter dem Motto "Die kämpfende und opfernde Heimatfront" verband die NSDAP ihre allgemeine Propaganda mit der 'Aufklärung über Verbrauchslenkung' und mit der 'Propaganda der Tat '. Zu den ersten von der NSDAP-Gauleitung angeordneten Maßnahmen nach Kriegsbeginn gehörte die Einrichtung von Unfallmeldestellen des Deutschen Roten Kreuzes. Sie wurden in Eichwalde im Erdgeschoß des Schulhauses etabliert. Hier befanden sich ab sofort Vorräte an Verbandsmaterial, Betten und Tragbahren. Auch kleinere Operationen konnten ausgeführt werden. Anmeldungen von Mitgliedern für das DRK nahm u.a. Dr. Papendorf als Leiter der neu geschaffenen Ortsgruppe, Schmöckwitzer Straße1a, entgegen. Die NS-Frauenschaft veanstaltete während des Krieges Lehrgänge über allgemeine Gesundheits- und häusliche Krankenpflege. Den Kriegsereignissen Rechnung tragend, wurde im Oktober 1939 eine DRK-Beratungsstelle in der Königstraße 4 (Gerhart-Hauptmann-Allee) bei Patentanwalt Hugo Lesser eingerichtet. Diese Stelle sollte die Angehörigen von Soldaten in folgenden Punkten beraten:"1. Verbleib und Befinden von Vermißten, Verwundeten und Erkrankten; 2. Vermittlung des Schriftverkehrs mit kriegsgefangenen Soldaten; 3.Ermittlung der Begräbnisstelle von Gefallenen...".

Anfang November wurden die behelfsmäßigen Luftschutzräume in Eichwalde überprüft. Bei dieser Gelegenheit konnten gleich die Radiogeräte kontrolliert, ob die Skala nicht auf einen "Feindsender" eingestellt war und zusätzlich noch die Spendengelder für das Kriegswinterhilfswerk eingesammelt werden. Lt. "Verordnung über außerordentliche Rundfunkmaßnahmen" vom 1.September 1939 war das Abhören ausländischer Sender bei Strafe verboten. Etwa alle drei Wochen wurden auf Anweisung von Goebbels harte Urteile gegen "Rundfunkverbrecher" zur Abschreckung veröffentlicht. Die nach Kriegsende an der Eichwalder Schule eingesetzte Direktorin, Frau Dr. Friesecke, war wegen eines derartigen "Verbrechens" zu einer Gefängnisstrafe verurteilt worden, weil sie einer anonymen Anzeige nach den Londoner Rundfunk gehört hätte. Nur durch Fürsprache eines einflußreichen Eichwalders wurde sie 1943 unter Auflagen aus dem Berliner Gefängnis entlassen: Sie durfte nach Eichwalde in ihr Haus an der Waldstraße zurückkehren und hatte sich täglich bei der örtlichen Polizeiwache zu melden. Das Leben wurde seit Kriegsbeginn mehr als zuvor von rigoroser Militarisierung, von Angst und Mißtrauen angesichts des weitläufigen Überwachungs- und Terrorsystems bestimmt. Die Gefahr von Todesstrafe und Konzentrationslager war allgegenwärtig. Es bestand bei der Naziführung Furcht vor kommunistischen Zersetzungsversuchen. Herr Schluroff, ein ehemaliger Lehrer am Gymnasium Eichwaldes, erinnerte aus eigenem Erleben daran, daß man bei leichtfertigen Polemiken hätte "damit rechnen müssen, s o f o r t 'abgeholt' zu werden (KZ!)...", wie er schreibt.

Ein Zeitungsbericht vom November 1939 vermittelt einen Eindruck von der damaligen Atmosphäre. Anläßlich des alljährlichen Gedenktages an die "Gefallenen der Bewegung" am 9. November 1939 hatte die Eichwalder NSDAP-Leitung zu einer öffentlichen Feierstunde geladen. Neugierig strömten die Einwohner zur Versammlung. Eben war das gescheiterte Attentat des Tischlers Georg Elser (" Ich wollte den Krieg verhindern!", sagte Elser.) auf Hitler am 8. November im Münchener Bürgerbräu-Saal bekannt geworden. Die Zeitung berichtete: "...die Einwohner des Ortes waren am Mittwoch trotz der dunklen Straßen so zahlreich im Schwarkschen Saal erschienen, daß derselbe vollständig besetzt war. Fahnenschmuck, Topfgewächse vor dem Bühnenvorhang und in der Mitte desselben das mit einer Girlande umgebene Bild des Führers.... Ortsgruppenleiter Bürgermeister Rix ...gedachte der Toten des gegenwärtigen Krieges und des 8. November, erinnerte an die Büchersammlung für die Soldaten, die bei uns in den nächsten Tagen durch die Blockwalter durchgeführt wird und teilte mit, daß am heutigen Sonnabend das WHW-Schießen beginnt. Gauredner Pg. Krüger verglich in seiner Festrede den Führer, dem es gelungen ist, die Deutschen zu einer Volks-, Blut-, Schicksals- und Glaubensgemeinschaft zusammenzuschweißen, mit dem alles belebenden Sonnenstrahl. Er erklärte, daß sich dies geeinte Volk den zum Leben nötigen Raum, wozu selbstredend auch die geraubten Kolonien gehören, erkämpfen wird, beleuchtete die politische Lage, warnte vor Nörgelei und Meckerei, mahnte zur Genügsamkeit und Einfachheit in Nahrung und Kleidung, betonte, daß das Ziel, Erringung eines ehrenvollen, dauerhaften Friedens, nur durch festes Zusammenstehen erreicht werden kann. Ortsgruppenleiter Rix schloß die eindrucksvolle Feierstunde in gewohnter Weise mit einem Treuegelöbnis zu Führer, Volk und Vaterland." Im "Filmeck" wurde in diesen Tagen für das WHW kostenlos der heitere Film "Der Maulkorb" gezeigt.

Eine für ganz Deutschland festgelegte Büchersammlung für Soldaten an der Front und in den Lazaretten wurde in Eichwalde am 25. November 1939 durchgeführt. Wieder erschienen die Blockleiter und holten die bereitgestellte Literatur ab. Gleichzeitig wurden 'Schießkarten' für das WHW-Schießen, das Stück 20 Rpfg. verkauft, eine regelmäßig durchgeführte Geldsammlung, die mit praktischem Schießwettbewerb verbunden war. Im Mittelpunkt der Nazipropaganda stand immer wieder die verlogene Behauptung, der Krieg sei Deutschland von England aufgezwungen worden. Am 7. Dezember 1939 berichtete die Tagespresse über einen Monatsappell der Kriegerkameradschaft Eichwaldes: Der Redner forderte dazu auf, " unzufriedene Volksgenossen" darüber zu belehren, daß es "in dem uns von England aufgezwungenen Kriege", der bis "zu einem für uns siegreichen Ende führen wird", um das Bestehen des Deutschen Reiches gehe und daß deshalb jeder unbedingt treu zum Führer stehen müsse. Vom 'Zellenappell' zweier NSDAP-Gruppen am 11. Dezember 1939 berichtet die Zeitung: " Dann verbreitete sich Pg. Dienst über das immer wieder aktuelle Thema: 'Juda und England bis zum Weltkriege'." Aus dem Bericht ist zu erfahren, daß jetzt übelste Hetze gegen die Juden folgte und anschließend das ' Engelland-Lied ' („Wir fahren gegen Engelland...") gesungen wurde. Übrigens war Dienst ein häufig eingesetzter Redner der NSDAP in Eichwalde, dessen Hetz- und Hasspropaganda, stimmungsvoll und anschaulich vorgetragen, mit ihrer Verbissenheit aus dem üblichen Rahmen fiel.

Die sich bisher martialisch gebende Eichwalder NS-Kriegerkameradschaft reagierte damit erstmals im Dezember 1939 verhalten auf den bisherigen "siegreichen" Kriegsverlauf und sprach nur allgemein über die gegenwärtige politische Lage. Erinnerungen an den ersten Weltkrieg könnten die Stimmung gedämpft haben. Aber die Nazi-Führung machte die Ortsgruppenleiter persönlich dafür verantwortlich, "daß in keinem Ort der Kampfwille, die Entschlossenheit zum Durchhalten und die Bereitschaft zu Entbehrungen und Opfern erlahmen". Maßnahmen bei Disziplinlosigkeit in der Arbeit erforderten umgehend die Einschaltung der Gestapo. Schon geringe Vergehen reichten aus, um als "Volksschädling" verurteilt zu werden. Neben drastischen weiteren Strafen waren Arbeitserziehungslager eingerichtet worden. So hatte der Eichwalder Gustav R. im Januar 1941 ausgesprochen Glück, daß ihm sein Arbeitgeber trotz unterschlagener 32 RM und wochenlangem unentschuldigtem Fehlen ein ansonsten gutes Zeugnis ausgestellt hatte. Das Urteil fiel deshalb, wie die Zeitung unter der Rubrik "Vor dem Einzelrichter" meldete, milde aus. R. wurde nur zu einer Geldstrafe verurteilt.

Obwohl in Eichwalde seit Oktober 1939 allgemein Erleichterung über den erfolgreichen Kriegsverlauf zu verspüren war, wurden die Lebensumstände komplizierter. Friedenshoffnungen waren nicht von Dauer. Die erste Kriegsweihnacht stand bevor. Am 22. Dezember 1939 hörte Eichwalde die von allen Sendern übertragene Weihnachtsansprache von Goebbels, in welcher der militärische Sieg als unausbleiblich dargestellt wurde. Der am Denkmal für die Gefallenen des Ersten Weltkrieges aufgestellte Weihnachtsbaum war nur bei Tageslicht beleuchtet, nachts wegen der in der Tagespresse zeitlich genau festgelegten Verdunkelung ausgeschaltet. Erschwerend kam in diesen ersten Kriegsmonaten hinzu, daß der Winter 1939/40 ungewöhnlich lang und kalt war. Die Verwaltung kaufte etwa 400 Raummeter Brennholz auf, das zusätzlich an bedürftige Einwohner abgegeben wurde. Die Schulen blieben wegen Kohlemangels vom 19. Februar bis 6. März 1940 geschlossen. Der Unterricht für die oberste 7. Klasse (Abiturstufe) wurde teilweise im Rathaus abgehalten. Bei KönigsWusterhausen waren Lastkähne, die Kohle für die Versorgung umliegender Ortschaften geladen hatten, eingefroren.

Das zweite Kriegsjahr wurde mit umfassenden Propagandamaßnahmen eingeleitet. Die Popularisierung des sogenannten Blitzkrieges hatte zu Illusionen über die Dauer des Krieges geführt. Schon die verbreitete Hoffnung auf ein schnelles Kriegsende wurde von der politischen Führung als gefährlich angesehen und eine auf weitere Kämpfe orientierende Propaganda verordnet. Immer öfter kamen bestellte Redner auf die 'Opferbereitschaft' zu sprechen. Getragen vom Bedürfnis, neben den Phrasen und Siegesmeldungen aus Presse und Rundfunk besondere, vielleicht Frieden in Aussicht stellende Neuigkeiten zu erfahren, erwartete man die NSDAP- oder Vereinsveranstaltungen zu dieser Zeit noch mit Spannung. Nicht nur die Nazipartei, sondern auch alle anderen Organisationen und Vereine führten derartige meist sehr gut besuchte Veranstaltungen durch, so daß die Breitenwirkung der Propaganda nicht verwunderlich war. Je deutlicher die Bevölkerung in den kommenden Kriegsjahren die Niederlage ahnte, umso mehr wurde die Propaganda das Mittel, Angst und fehlende Siegeszuversicht zu bekämpfen. Im Protokollbuch des Siedlerverbandes wurde zusammenfassend über das Jahr 1941 vermerkt: " 511 Mitglieder, 9 Versammlungen. Besuch schwankt zwischen 18 und 150 Personen." Geldsammlungen der NSDAP-Ortsgruppe aus verschiedenen Anlässen gestalteten sich angesichts des Kriegsverlaufs zu Testversuchen für Treue und Standhaftigkeit der Einwohnerschaft gegenüber der Naziführung. Am 14. März 1940 fand eine Arbeitstagung der sogenannten Politischen Leiter und Amtsträger der NSDAP-Gliederungen Eichwaldes in der Schulaula statt. Dabei stand die erneute Auslage des "Opferbuches" für das Kriegswinterhilfswerk 1939/40 im Mittelpunkt. Ortsgruppenleiter Rix erklärte, daß "ein Volksgenosse, der in diesem Jahre kein würdiges Opfer bringe, der Verurteilung durch die kommenden Geschlechter und durch seine eigenen Nachkommen gewiß sei, wenn diese in späteren Zeiten seinen Namen nicht im Opferbuch ermitteln könnten. Darum die Parole:' Alle Mann, jede Frau an die Opferbuchfront ' !" Es war praktisch Nötigung, denn die Einwohner wurden werktäglich und sonntags im Rathaus, wo das Buch für das Geldopfer auslag, zum 'Spendenopfer' erwartet. Sogar in den Schulen wurde eine Pfennigsammlung organisiert. Die NS-Kriegerkameradschaft sammelte außerdem für den Ersatzbau des im Dezember 1939 von britischen Kriegsschiffen zur Selbstversenkung gezwungenen Panzerkreuzers 'Admiral Graf Spee' und führte eine Schnellsammlung für Kriegswaisenheime durch. Seit dem 1. Oktober sammelte und spendete man für Radio-Wunschkonzerte, die zum "Bindeglied zwischen Front und Heimat" erklärt wurden. Sogenannte Gaustraßensammlungen schöpften weitere Mittel ab. Was gespendet worden war, konnte nicht verkonsumiert werden! "Alles Leben ist Kampf" lautete das Thema des Februarappells der Kriegerkameradschaft.

Die Ortsgruppenleitung der NSDAP ließ die Einwohnerschaft im Einklang mit der Gemeindeverwaltung durch weitere Mobilisierungsaktionen kaum zur Besinnung kommen. So erwies sich nach wie vor der Rohstoffmangel Deutschlands als wirtschaftlicher Engpaß. Es war im Krieg gegen Polen wegen fehlenden Materials sogar zu Störungen der Munitionsversorgung gekommen. Deshalb wurde die Bevölkerung wie bei den Schrottsammlungen des Jahres 1938 von Göring am 14. März 1940 zu einer Metallspende als Geburtstagsgabe für Hitler aufgerufen. Ohne damit ernsthaft die Probleme lösen zu können, gelang es aber auf diese Weise wieder, die Bevölkerung in dem Glauben zu lassen, durch ihre Aktivität werde die Blitzkriegsstrategie des "genialen Führers" erfolgreich sein. Die Schulen wetteiferten um die Ergebnisse von Altstoffsammlungen. In Eichwalde konnte das Metall im Rathaus abgegeben werden, wobei die Annahmestelle für Altmaterialien letztlich beim Spediteur Wilhelm Gärisch in der Kaiser-Wilhelm-Straße 19 (August- Bebel-Allee) war. " Wenn man auf den Straßen die Personen beobachtet, die mit berechtigtem Stolz ihre Gegenstände aus Kupfer, Messing usw. nach dem Rathause tragen - meist sind es Frauen, weil die Männer dienstlich oder beruflich tätig sind -, gewinnt man den Eindruck, als wenn sie miteinander wetteifern, möglichst viel abzuliefern, um ihrer Dankbarkeit für die erfolg- und segensreiche Arbeit des Führers Ausdruck zu geben ", berichtete die Tageszeitung aus Eichwalde. Die Entwendung oder Zweckentfremdung gesammelten Metalls wurde wie auch viele andere auslegbare Tatbestände mit der Todesstrafe bedroht.

Von den männlichen Einwohnern des Ortes wurden bereits1939/40 mehrere Hundert zum Heeresdienst eingezogen. Im März 1940 überprüfte ein Oberst des Wehrbezirkskommandos in Anwesenheit des NS-Kreisleiters und des Landrates Einsatzbereitschaft und Ausbildungsstand der Eichwalder SA-Wehrmannschaft, zunächst nur für die Sicherheit an der 'inneren Front'. Jederzeit konnte die Einberufung von SA-Mitgliedern erfolgen. Vom Oberpräsidenten der Provinz Mark Brandenburg wurden seit September 1939 Festlegungen getroffen, die dem wachsenden Bedarf an Soldaten Rechnung trugen. Neben anderen Bestimmungen ist zu lesen: "... Schülern der obersten Klassen der höheren Schulen, die als Kriegsfreiwillige in die bewaffneten Einheiten der SS, SS-Verfügungstruppe und SS- Totenkopfverbände eintreten, kann das Zeugnis der Reife gleichfalls ohne Prüfung ausgehändigt werden...". Handwerksbetriebe, Geschäfte, Gaststätten, und Schulen hatten Arbeitskräfte und Personal der Wehrmacht zur Verfügung stellen müssen. Oftmals wurde jetzt schneller als üblich geheiratet, bevor die Einberufung kam. Der Kriegsausbruch trug zur gesteigerten Anzahl der Hochzeiten in Deutschland von 645 000 im Jahre 1938 auf 774 000 im Jahre 1939 bei. Andere verschoben die Hochzeit – bis zum Urlaub des Soldaten oder bis nach dem Krieg. Auch das Eichwalder Standesamt hatte viel zu tun. Später gab es Ferntrauungen, selbst wahnwitzige Gefallenentrauungen. Die Gemeindeverwaltung mußte mit Kriegsbeginn 10 Arbeiter, Angestellte und Beamte an die Wehrmacht abgeben und dafür pensionierte Beamte a.D. und Frauen einstellen.

Die Finanzlage Eichwaldes war wie die der meisten Gemeinden des Landkreises Teltow äußerst angespannt. Noch wurden finanzielle Mittel aufgebracht, um bestehende Vorhaben zur Verschönerung des Ortes zu verwirklichen. 1940 wurden zur Vergrößerung des 'Viktoriaparks' (Eichenpark), dem Waldstück am heutigen Sportplatz, vier Grundstücke angekauft. Die Familien eingezogener Soldaten erhielten auskömmlichen sogenannten "Einsatzfamilienunterhalt " und Kinderbeihilfen. Im ersten Kriegsjahr wurden in Eichwalde an rund 150 Familien Wirtschaftsbeihilfen und Unterstützungen gezahlt.

Die Bezahlung der sogenannten Kriegsbeitragsumlage war vielerorts nicht möglich, und es drohte die Verschuldung und Zerrüttung der Finanzlage von Gemeinden. Am 26. Februar 1940 berichtete der Landrat: "Mehrere Gemeinden konnten den Kriegsbeitrag nur dadurch zahlen, dass sie andere fällige Verbindlichkeiten nicht erfüllt haben." Die fertigen Pläne zur weiteren Straßenpflasterung und Befestigung von Bürgersteigen in Eichwalde mußten nun auch mangels Arbeitskräften zurückgestellt werden. Die seit zehn Jahren bestehende Pflasterkasse der I. G. Eichwalder Grundbesitzer, die inzwischen 475 Mitglieder zählte, hatte 60 000 RM bei der Sparkasse angelegt, da im Jahre1940 keine Straßenbauten ausgeführt werden konnten. Eichwalde hatte im Jahre 1940 einen monatlichen Kriegsbeitrag von 13 544,95 RM zu zahlen, 3 028 RM mehr als im Jahre 1939. Weil sich die Finanzlage drastisch verschlechterte, beschäftigte sich bereits der SD-Abschnitt Potsdam des Reichsführers SS mit den Problemen des Kriegsbeitrages der Gemeinden. Noch 1940 wurde die jährliche Kriegsumlage der Gemeinden reduziert, für Eichwalde nur um 6.677.07 RM. Der Ort galt als finanzstarke Kommune. Am 9. April 1940 überfiel Deutschland Dänemark und Norwegen, am 10. Mai 1940 wurde mit der deutschen Aggression gegen Frankreich unter Verletzung der Neutralität der Niederlande, Belgiens und Luxemburgs der "komische Krieg" auf dem westlichen Kriegsschauplatz entschieden und mit dem deutsch-französischen Waffenstillstand vom 22. Juni 1940 zunächst beendet. Nach diesem vorläufigen Ende des Krieges im Westen war von Hitler in ganz Deutschland Beflaggung für zehn, Glockengeläut für sieben Tage befohlen worden. Tanzen wurde nun in den Eichwalder Restaurants wieder erlaubt, das während des Westfeldzuges untersagt worden war. In der Regionalpresse wurden Berichte über Kriegsauszeichnungen von Eichwalder Wehrmachtsangehörigen veröffentlicht. In den Siegestaumel mischten sich bei manchen Eichwaldern Gefühle der Trauer und des Schmerzes. Am 9. und am 11. Juni 1940 waren zwei weitere ehemalige Eichwalder Schüler gefallen.

Seit Juli 1940 wurde der Luftkrieg gegen Großbritannien verstärkt. Zeitgleich steigerte die NSDAP ihre Propagandamaßnahmen. Die Eichwalder NS-Führung tat alles, um das Alltagsleben im Ort als weitgehend normal und harmonisch erscheinen zu lassen. Solange Siegesmeldungen eintrafen, gelang es einigermaßen, diesen Schein zu wahren. Die Ortsgruppenleitung der Eichwalder NSDAP hatte weisungsgemäß die Schlüsselstellungen Versorgung, Betreuung, Propaganda, Kontrolle und Überwachung der Einwohnerschaft im Griff. Aber die schwankende Lebensmittelbelieferung war ein 'Dauerbrenner'. Der Haus- und Grundbesitzerverein Eichwalde setzte die " vom Reichsnährstand, Abteilung 2, Gartenbau herausgegebenen Richtlinien für die Kriegserzeugungsschlacht 1940 " konsequent um. Die Mitglieder wurden ermahnt, vor allem die Ernährungsgrundlage für die eigene Familie zu sichern. 'Wohl dem, der damals einen Garten hatte!', so erzählen es ältere Einwohner noch heute. Im Mai 1940 hatte Goebbels erklärt:"Heute erweist sich mit eindringlicher Notwendigkeit, daß man mit Butter keine Kanonen, mit Kanonen aber sehr wohl Butter erobern kann:" Die Ausplünderung der eroberten Länder hatte längst begonnen. Permanente Drohungen gegen 'Meckerei' und negative 'Stimmungsmache' sorgten dafür, Kritiken verstummen zu lassen. Selbst die Kriegerkameradschaft befaßte sich schließlich mit Fragen der 'rückwärtigen Sicherstellung' und folgte zum Beispiel bei ihrem Monatsappell im März 1941 einem " Lichtbildervortrag über die große Bedeutung der Kaninchenzucht für die Volksernährung in der jetzigen Kriegszeit ".

Während einer 'Großkundgebung' im Gesellschaftshaus Schwark am 3. August 1940 schürte ein 'Stoßtrupp- Redner' den Haß auf England und heizte die Stimmung für die Weiterführung des Krieges an. Am 25./26. August 1940 war Berlin erstmals Ziel eines Angriffs der britischen Royal Air Force. Jeder Anflug von britischen Flugzeugen auf Berlin bedeutete zugleich Fliegeralarm für die Wohnorte am Rande der Großstadt. Bombengeschädigte anderer Ortschaften durften nur mit Genehmigung des Landrates in Eichwalde aufgenommen werden. Am 30. August 1940 meldete die "KönigsWusterhausener Zeitung" einen erneuten Abwurf von Spreng- und Brandbomben auf Berlin, diesmal auch auf Grünau. Am 12. September teilte das gleiche Blatt den Abwurf von Fliegerbomben auf Wildau mit. Alle Sachschäden, die durch feindliche Einwirkung oder Flakbeschuß entstanden waren, wurden gemäß der " Kriegssachschädenverordnung vom 30.11.1940 “ durch das Deutsche Reich entschädigt. Die Anträge der Geschädigten auf Schadenersatz wurden über die Bürgermeister an das Landratsamt geleitet. Im November richtete der Landrat an die Bürgermeister ein Schreiben, welches die Beseitigung von Sachschäden bei der Bevölkerung nach Luftangriffen betraf. Häufig war es wegen fehlender Handwerker im Kreisgebiet zu Verzögerungen bei der umgehenden Reparatur von Kriegsschäden gekommen, weshalb nun eine Auflistung der örtlich einsatzfähigen Kapazitäten verlangt wurde. Am Jahresende 1940 verfügte Eichwalde noch über 5 Baugeschäfte mit sieben Beschäftigten, über 2 Dachdeckereien mit vier Beschäftigten, 6 Elektrotechnikfirmen mit neun Beschäftigten, 1 Glaserei mit einem Beschäftigten, 3 Klempnereien mit sieben Beschäftigten, 6 Malerfirmen mit neunzehn Beschäftigten, 2 Schlossereien, 3 Tischlereien und 2 Zimmereien ohne Angestellte sowie die Firma Rottschäfer mit 46 Beschäftigten. Insgesamt verfügten die Betriebe nur über 5 KFZ. Die Situation wurde mit weiteren Betriebsschließungen wegen Einberufung zur Wehrmacht immer schlechter. Zeitweilig wurden Frauen in verschiedenen Bereichen der Verwaltung, bei der Reichsbahn, der Post und auch in Produktionsbetrieben eingesetzt. Eichwalderinnen arbeiteten in umliegenden Rüstungsbetrieben. Firma Wollermann, die Badeanstalt und weitere Geschäfte des Ortes suchten per Annonce vorwiegend weibliche Arbeitskräfte. Argwöhnisch wachte die Nazipartei darüber, daß trotz derartiger Probleme der innere Friede unter allen Umständen erhalten blieb. Die NSV sorgte bei bedürftigen Familien für die Zuweisung eines Mädchens im Pflichtjahr als Hausgehilfin. Frauen und Mütter waren durch Einberufung ihrer Ehemänner wesentlich mehr belastet. Vom 'Bund deutscher Mädel (BDM)' in Zusammenarbeit mit der NS-Frauenschaft wurde deshalb der 'Einholdienst' für beschäftigte Frauen eingerichtet.

Die NS-Frauenschaft hielt monatlich Appelle ab. So wurde im September 1940 in Einschätzung der politischen Lage an die Eichwalder Frauen der Appell gerichtet, " in dieser bewegten Zeit durch ruhige Überlegenheit vorbildlich innerhalb ihrer Familie zu wirken... Die deutsche Frau und Mutter muß sich als Erzieherin ihrer Kinder dieser Aufgabe ganz besonders bewußt sein." Die Frauen wurden aufgefordert, Unredlichkeiten im Handelsgeschehen " durch entschlossenes Eingreifen zu unterbinden ", was nichts anderes als Aufforderung zum Denunzieren bedeutete. Lebensmittelkarten wurden durch HJ-Mitglieder sowie von der NS-Frauenschaft ausgezählt und von den Blockleitern ausgetragen. So war eine relativ schnelle Verteilung der Karten gewährleistet und gleichzeitig konnten Informationen für neue Stimmungsberichte beschafft werden. Die Lebensmittelhändler, Bäcker, Fleischer und Gastwirte - in der Bahnhofstraße (Nitzsche, Großkinsky, Palm, Pangratz, Fäskorn, Dörflinger, Hielscher, Lau, Ulrich, Weidel, Köppe, Krenz, Schäfer, u.w.), Gosener Straße (Schwark, Bäcker Otto Becker), Schmöckwitzer Str.(Scheffel, Stümer, Schmidt, Schusdzarra, Kneiphof), Wusterhausener Str. (Schmidt), Grünauer Str.(Jannutsch), Friedenstr. (Marschallek), Kronprinzenstr.(Lasch;Fontaneallee), Kaiser- Friedrich-Str.( Kirsch;Heinrich-Heine- Allee), Zeuthener Str.( Heinitz) und weitere Geschäfte - hatten außerordentliche Belastungen durch die Bearbeitung der Markenabschnitte und Bestellscheine für neue Lieferungen zu verkraften. Die Bedienung dauerte jetzt meist länger, so daß es oftmals zu Käuferschlangen vor den Läden kam. Nach Feierabend mußten die Abschnitte auf Markenbögen aufgeklebt, nach Gramm und Warenart sortiert, die Kriegssteuer auf Tabak und Spirituosen berechnet und gesondert abgeführt werden. Erschwert wurde die kaufmännische Tätigkeit, wenn männliche Mitarbeiter oder sogar der Inhaber zur Wehrmacht einberufen wurden und die Ehefrauen das Geschäft geöffnet halten mußten. Meist waren die bestellten Produkte von den Händlern selbst aus den Depots abzuholen. Immer wieder berichtete die Presse von Einbruchsdiebstählen in Eichwalder Lebensmittelgeschäfte und Fleischereien. Es kam zu Geschäftsaufgaben, wenn Inhaber zur Wehrmacht einberufen oder Handwerker für die Industrie dienstverpflichtet wurden.

Im November 1940 mußten deshalb wegen häufiger Einberufungen eben erstattete Meldungen der Gemeindeverwaltung an den Landrat über noch einsatzfähige Handwerker für die Reparatur von Bombenschäden wieder korrigiert werden. Von den 165 Mitgliedern der NS-Kriegerkameradschaft im Jahre 1940, der nicht wenige Gewerbetreibende angehörten, befanden sich im Januar 1941 schon 16 im aktiven Heeresdienst. Propagandamaßnahmen wie die am 27. November 1940 erfolgte monströse Eröffnung der "Woche des Opferschießens zum WHW" (Winterhilfswerk) hatten die Funktion, die Kriegs- und Wehrmoral an der 'Heimatfront' zu festigen und zugleich weitere umfangreiche Geldmittel der Bevölkerung abzufordern. Regelmäßig wurden die 'Besten Schützen' in der Tagespresse veröffentlicht.

Dem Kulturleben war bei der Festigung der Kriegsmoral eine wichtige Funktion zugedacht. Kulturveranstaltungen ohne Propaganda schienen undenkbar. Führender Organisator war meist der örtliche NS-Kulturring. Ein "Landestheater der Mark Brandenburg" tingelte mit vier Abteilungen für die NS-Gemeinschaft 'Kraft durch Freude ' mit Lustspielen durch die Ortschaften. Lange hatte sich Bürgermeister Rix dagegen gesperrt, für dieses Theater Geld zu bezahlen. Erst 1940 ließ er einmalig 100.- RM überweisen, weil von einer Provinzialdienststelle Druck ausgeübt worden war. Im Juli 1940 veranstaltete der NS-Kulturring im Schwarkschen Gesellschaftshaus ein Konzert zugunsten des Deutschen Roten Kreuzes. Eintrittskarten wurden bis in die Haushalte ausgetragen. Es spielte eine SS-Kapelle, Sonja Ziemann tanzte, verwundete Soldaten aus dem Lazarett KönigsWusterhausen waren gefeierte Ehrengäste. Der Saal konnte die Besucher kaum fassen. Der Eichwalder Männergesangsverein ließ seine Lieder im Lazarett vor verwundeten Soldaten erklingen. Das Gymnasium gestaltete unter Leitung des Musiklehrers Ledeganck einen öffentlichen Hausmusikabend. Auch dieser Eichwalder Lehrer ist als Soldat gefallen. Laut Polizeiverordnung vom 27. September 1939 waren öffentliche Tanzveranstaltungen im Deutschen Reich wegen des Krieges generell verboten, Ausnahmen waren genehmigungspflichtig. Hauptunterhaltungsquelle blieb der Rundfunk, die Anzahl der Radiogeräte stieg in Deutschland von 1939 bis 1941 um rund 5 Millionen. Sehr viel leichte Musik sollte das Leben erträglicher machen. Gesungen von Heinz Rühmann, war schon 1939 der Schlager "Das kann doch einen Seemann nicht erschüttern" zur Erfolgsmelodie geworden, die faktisch eine Propagandafunktion erfüllte, wie viele weitere Musikbeispiele zeigen.

Im Kino informierte seit 1940 nur noch die "Deutsche Wochenschau" die Einwohner über das Kriegsgeschehen. Am 12.März 1940 wurde im "Filmeck" der 'Feldzug in Polen' gezeigt. Die HJ veranstaltete im April einen Umzug mit anschließender Filmveranstaltung. Viele neue Spielfilme bedienten die Sehnsucht nach etwas Entspannung und Glück. Seit 1941 gab es zentrale Anweisungen zur kulturellen Betreuung von "Ausgebombten“. Weil seit Kriegsbeginn die Familien einerseits von Sorgen um die sich an der Front befindenden Soldaten erfaßt wurden, andererseits auch Stolz auf die Erfolge der Wehrmacht vorhanden war, wuchs die Spendenfreudigkeit. Deshalb gelang es der Nazipartei mühelos, in allen Orten des Kreises Teltow große Mengen von Feldpostpäckchen, Büchersendungen, Briefen, Zeitschriften und Zeitungen aus der Heimat an die Front zu schicken. Allein im Jahre 1940 wurden folgende Ergebnisse gemeldet: 26 000 Zigaretten, 44 000 Rasierklingen, 26 000 Rollen Drops, 9 000 Weihnachtspäckchen. Jungen und Mädel aus HJ und BDM besuchten meist sonntags Verwundete in Lazaretten, brachten neben Blumen und Geschenken auch Gesangsdarbietungen.

Das Kriegsjahr 1940 ließ der NS-Kulturring mit einer Weihnachtsfeier im "Filmeck" ausklingen, nachdem zuvor in der Aula bei einer inszenierten Veranstaltung mit dem Thema: "Das deutsche Weihnachtsfest" die propagandistische Richtung für die Feierlichkeiten in den Familien gegeben worden war. Vor Weihnachten angekündigte Sonderzuteilungen für Hülsenfrüchte, Reis, Zucker, Marmelade, Tee oder Bohnenkaffee schienen geeignet, das Fest der Eichwalder Einwohnerschaft zu versüßen, die inzwischen 6586 Bürger einschließlich der einberufenen Wehrmachtsangehörigen zählte. Apfelschalentee sollte übrigens fast so gut schmecken wie Schwarztee, belehrte die Zeitung.

Im Februar 1941 traf das deutsche "Afrika-Korps" unter General Rommel in Tripolis ein. Am 6. April 1941 erfolgte der deutsche Überfall auf Jugoslawien und Griechenland. Am 4. März 1941 fand an der Eichwalder Oberschule erstmals eine Abiturprüfung statt. Alle Abiturienten, zwei Jungen und drei Mädchen, bestanden die Prüfungen. Vier Jungen - Erich Schmidt, Rolf Zademack, Bertram Graf v. Bullion und Peter Zobel - waren schon vorher freiwillig in die Wehrmacht eingetreten und sollten ihr Reifezeugnis später ausgehändigt bekommen. Der HJ-Dienst wurde nach Kriegsbeginn noch straffer organisiert. Öffentliche Verpflichtungsappelle der "Pimpfe" und "Jungmädel" bei Übernahme in die HJ, wie in Eichwalde im April 1941, wurden genutzt, um die Jugendlichen zur unbedingten "Disziplin und treuen Pflichterfüllung" zu zwingen. Diese Aufgabe war nicht nur der Schule, sondern insbesondere der Hitlerjugend übertragen. Bis zum Sommer 1941 waren mindestens 12 Eichwalder, darunter 10 Jungen, die eben noch Schüler gewesen waren, gefallen.

Die von einer Eichwalder Fliesenlegerfirma aufgegebene Todesanzeige lautete: " Am 13. April 1941 ließ für Führer und Vaterland unser lieber Kamerad und Gefolgschaftsmitglied Walter Kölling, Gefreiter in einer Panzerpionier-Kompanie, sein Leben. Wir verlieren in ihm einen pflichtbewußten und guten Arbeitskameraden und werden seiner stets gedenken. Betriebsführer und Gefolgschaft der Firma Max Zickert. Eichwalde bei Berlin, Kurfürsten-Straße 68, im Mai 1941." Auch wenn zu diesem Zeitpunkt des Krieges die Anzahl der Gefallenen noch relativ gering erschien, wurden Todesanzeigen bereits möglichst unterdrückt, über die Formulierungen hatte die Redaktion zu wachen.

Opfer des verbrecherischen NS-Regimes gab es nicht allein an der Front, in Konzentrationslagern und Zuchthäusern, sondern auch an Orten, an denen man sie nicht für möglich gehalten hätte. Mit Kriegsbeginn setzte eine geheim gehaltene Maßnahme zur Tötung von geistig oder körperlich behinderten Kindern, von Patienten der Heil- und Pflegeanstalten, von psychisch kranken oder arbeitsunfähigen Häftlingen der KZ (Aktion14 f 3), von Kriegsgefangenen, von Bürgern jüdischer Herkunft, von Sinti und Roma sowie von weiteren Personenkreisen ein. Eine dieser staatlich geleiteten Mordaktionen ging unter dem Begriff 'Aktion T 4' in die Geschichte ein, so bezeichnet nach der Anschrift des für die Organisation der Tötung verantwortlichen Hauptamtes II der Führerkanzlei in der Berliner Tiergartenstraße Nr.4. Nach Protesten der Öffentlichkeit, besonders aus kirchlichen Kreisen, wurde die 'Aktion T 4' eingestellt, aber als "wilde Euthanasie" von 1941 bis 1945 insgeheim fortgeführt. Der mißbräuchlich mit 'Euthanasie', als 'schöner Tod', bezeichneten perfektionierten Vernichtung sogenannten "lebensunwerten Lebens" fielen nach Feststellungen im Nürnberger Hauptkriegsverbrecherprozess mehr als 275 000 Menschen zum Opfer, die meist in zur Tarnung als "Landespflegeanstalten" bezeichneten Anstalten vergast, mit Medikamenten oder durch vorsätzlichen Nahrungsentzug getötet wurden. Zwei in Eichwalde geborene Bürger wurden Opfer dieses Verbrechens, einer im Juni 1940 (geb.1911), ein anderer im Juli 1941 (geb. 1897).

Schon nach dem Sieg über Frankreich im Sommer 1940 waren überall in Deutschland Friedenshoffnungen weit verbreitet. Der deutsch-sowjetische Nichtangriffsvertrag hatte zur Erwartung geführt, daß es keinen Krieg zwischen der Sowjetunion und Deutschland geben werde. Besorgt wurden deshalb zunehmende propagandistische Angriffe auf die UdSSR registriert. Unterdessen liefen bereits seit Sommer 1940 Planungen für den Aufmarsch im Osten, die am 21. Dezember von Hitler als "Weisung Nr. 21- Fall Barbarossa" unterzeichnet wurden. Am 30. April 1941 wurde der Termin für den Überfall auf die Sowjetunion bestimmt. Der Fall "Barbarossa" nahm konkrete Gestalt an.


1 Vgl. Deutschland, Bd. 1, S. 163 ff.
2 BLHA, Pr. Br. Rep. 34, Prov. Schulkollg., Nr. 5466.
3 Teltower Kreiskalender, 1941, S.33.
4 BLHA, ebenda.
5 EHG, Festschrift, a.a.O., S.31.
6 Sonja Ziemann, a.a.O., S. 27.
7 Heimatarchiv, Bericht Frau Gerda Dolke, Eichwalde, Triftstr.
8 BLHA , ebenda.
9 Ebenda.
10 Ploetz, a.a.O., S. 211.
11 Kreisarchiv,B.E., Nr. 178.
12 KWZ v. 13. November 1939.
13 Vgl. Kurt Pätzold / Manfred Weißbecker : Hakenkreuz und Totenkopf. Die Partei des Verbrechens, Berlin 1981, S.310.
14 KWZ v. 19. Oktober 1939.
15 Bericht Herr Jankowski, Rheinstr. / Vgl. Heimatarchiv, Briefkopie.
16 EHG, Festschrift ,a.a.O., S.29.
17 Vgl. KWZ v. 16. November 1939.
18 KWZ v. 7. Dezember 1939.
19 Vgl. Pätzold / Weißbecker , ( Anm.10 dieses Abschn.).
20 KWZ v. 9. Januar 1941.
21 Vgl. Deutschland, Bd.1, S. 212.
22 Vgl. Abs. 13, 2. Anm.
23 KWZ v. 9. Januar 1940.
24 KWZ v. 11. April 1940.
25 Aus dem Landesarbeitsbezirk Brandenburg, einschließlich Berlin, waren mehr als 409469 Personen zur Wehrmacht eingezogen. Vgl. Materna/Ribbe: Geschichte in Daten. Brandenburg. Berlin 1995, S. 220.
26 KWZ v. 12. März 1940.
27 EHG, Aktenbestand 1939.
28 Vgl. Heinz Bergschicker, a.a.O., S. 103
29 BLHA, Pr. Br. Rep. 2 A I Kom, Nr. 1048, Dok. v. 24. Okt. 1939
30 KWZ v. 30. Dezember 1940.
31 BLHA , Pr. Br. Rep. 2 A I Kom, Nr. 533.
32 Vgl. Deutschland, Bd.1, S.333.
33 KWZ u.a. v. 23. August 1940
34 KWZ v. 12. Februar 1940.
35 Zit. nach : Deutschland, Bd.1, S. 372.
36 KWZ v. 7. März 1941.
37 KWZ v. August 1940.
38 Kreisarchiv, B.E., Nr.8.
39 Ebenda, Nr.178.
40 KWZ v. 14. / 15.Dezember 1940.
41 KWZ u.a. v. 10. März 1941.
42 Kreisarchiv ,B.E., Nr. 178.
43 KWZ v. 9. Januar 1941.
44 Vgl. Teltower Kreiskalender 1940, S. 31.
45 Kreisarchiv, B.E., Nr. 143 ; KWZ v. 30. August 1940.
46 KWZ v. 14. Juli 1940.
47 Teltower Kreiskalender 1942, S. 37.
48 KWZ v. 24. Dezember 1940.
49 KWZ v. 7. März 1941.
50 KWZ v. 2. April 1941.
51 KWZ v. 27. Mai 1941.
52 Vgl. Deutschland, Bd.1, S. 212.
53 Vgl. Kristina Hübener (Hg.): Brandenburgische Heil- und Pflegeanstalten in der NS-Zeit. Schriftenreihe zur Medizin-Geschichte des Landes Brandenburg, Bd.3, Berlin, 2002.
54 Deutschland, Bd.1, S. 563.


Nach dem 22. Juni 1941

Ohne Kriegserklärung überschritt am frühen Morgen des 22. Juni 1941 die deutsche Wehrmacht die Grenzen der UdSSR . Die deutschen Kriegsziele wurden seit dem 24. Juni im "Generalplan Ost" festgeschrieben, worin Völkermord und wirtschaftliche Ausplünderung geplant sowie die Ansiedlung von Deutschen im Verlaufe der kommenden Jahrzehnte vorgesehen waren. Die Sowjetunion sollte zum Kolonialland, zur Rohstoffbasis und zum Sprungbrett weiterer Welteroberungsstrategien werden. Durch die Gleichsetzung von Judentum und Kommunismus wurden der seit Jahren propagierte Rassismus und Antisemitismus mehr denn je zu politischen Instrumenten des begonnenen Krieges. Während der ersten drei Wochen drangen die deutschen Truppen in raschem Tempo auf Leningrad, Moskau und Kiew vor. Kiew wurde erobert, Leningrad fast eingeschlossen, Moskau war in Reichweite. Doch Ende November / Anfang Dezember wurden die deutschen Truppen vor Moskau nicht nur zum Stehen gebracht, sondern die Rote Armee ging seit dem 5. Dezember zur Gegenoffensive über. Vom 22. Juni bis zum 31.Dezember 1941 hatte die Wehrmacht 173 722 Tote zu verzeichnen, insgesamt mit Verwundeten und Vermissten 830 903 Soldaten und Offiziere verloren. Damit war der geplante " Blitzfeldzug " der politischen und militärischen Führung Hitlerdeutschlands gescheitert. Der Weg in den Untergang hatte begonnen.

In Eichwalde herrschte an diesem 22. Juni, einem Sonntag, zunächst allgemein größte Bestürzung. Noch heute erinnern sich einzelne Eichwalder Zeitzeugen daran, wie verbreitet trotz der bald wieder eintreffenden Siegesnachrichten die Zweifel am Erfolg des Überfalls auf die Sowjetunion waren. Die Ausgabe der "KönigsWusterhausener Zeitung " vom 23. Juni 1941 meldete in der Überschrift den planmäßigen und erfolgreichen Vormarsch. Es stimmte mißtrauisch, daß zunächst kaum Verluste mitgeteilt wurden. Aber allmählich beruhigte man sich wieder. Die "Siegesfanfaren" im Radio verfehlten nicht ihre Wirkung, außerdem hatten sich Antikommunismus und Antisowjetismus im Bewußtsein vieler Einwohner fest verankert. Die Rote Armee erlitt anfangs gewaltige Verluste.

Bis Oktober 1941 überstieg allein die Zahl der Kriegsgefangenen drei Millionen. Einerseits schienen diese 'Erfolgszahlen' die Siegeszuversicht bei vielen Eichwaldern zu steigern, andererseits beunruhigten die bald mehr als je zuvor eintreffenden Gefallenen-, Verwundeten- und Vermißtennachrichten. Die damalige Atmosphäre wird in folgendem Bericht vom 1.Juli 1941 über den im Restaurant Krenz (später als 'Kleiner Alex' bekannt) abgehaltenen Monatsappell der Eichwalder NS-Kriegerkameradschaft deutlich: " Die Kriegerkameradschaft ehrte... das Andenken des als Feldwebel in einem Fallschirmjägerregiment in den Kämpfen um Kreta gefallenen Sohnes des Kameraden Mudra. Der Kameradschaftsführer Schwerdt beleuchtete die alles Dagewesene überragenden Erfolge unserer Truppen im Kampf gegen Rußland und führte aus, daß Deutschland diesen Krieg nicht nur im eigenen Interesse, sondern in dem von ganz Europa führt...Der Kameradschaftsführer fordert alle auf, die Flüsterpropaganda energisch zu bekämpfen und fest zusammenzustehen im Vertrauen auf unsere Führung. Er wies ferner darauf hin, daß in der jetzigen Kriegszeit alles Altmaterial erfaßt und der Wirtschaft wieder zugeleitet werden muß...“

Der Krieg gegen die Sowjetunion wurde als ein grausamer Ausrottungs- und Vernichtungskrieg, als Versklavungs- und Raubfeldzug, als ein Krieg unzuvereinbarender Ideologien und als Rassenkrieg zwischen der angeblich überlegenen 'arischen' Rasse und den slawischen Völkern geführt. Jeder an der Ostfront eingesetzte deutsche Soldat konnte sich aus eigenem Erleben vorstellen, was geschähe, wenn Deutschland den Krieg verlieren würde. Zu diesem frühen Zeitpunkt entstanden bereits Ängste vor denkbarer Rache und Vergeltung.

" Ich müßte tausend Jahre leben, um all das wieder aufzubauen, was ich in Rußland als Angehöriger einer Pioniereinheit gesprengt habe", sagte ein betagter Eichwalder, der vor dem Krieg als Tischler bei Rottschäfer beschäftigt war, im Jahre 2004. Als Kriegsgefangener in sowjetischer Gefangenschaft wurde er später beim Wiederaufbau eingesetzt. Eichwalder fielen "im Kampf gegen den Bolschewismus" und bei der "Bandenbekämpfung" , wie die Aktionen gegen Partisanen bezeichnet wurde. Auch die laut Zeitungsmeldungen mit 'Eisernen Kreuzen' ausgezeichneten Eichwalder waren zwangsläufig am von der Wehrmacht praktizierten Völkermord beteiligt. Eichwalder Wehrmachtsangehörige kämpften "in schweren Abwehrkämpfen", nachdem sie bereits das "Verwundetenabzeichen" und die "Ostmedaille" erhalten hatten. Sie fielen " in der Gewißheit eines baldigen Endsieges", starben "in den schweren Kämpfen im Osten" den "Heldentod " . Wiederholt berichtete die Regionalzeitung über Frontauszeichnungen von Eichwalder Soldaten, meist mit dem 'Deutschen Kreuz' oder dem 'Eisernen Kreuz II. Klasse'. So sorgten Propaganda und Terror dafür, daß die 'innere Front' nicht schwankend wurde. Deutsche Kriegsverbrechen wurden in Verzerrung der Wirklichkeit dem Gegner angelastet und zur Grundlage der Greuelpropaganda in der Heimat, " die Brutalität der Wehrmacht wurde als Folge des erbitterten feindlichen Widerstandes aufgefaßt, nicht als dessen hauptsächlicher Auslöser ".

Das Wort 'Heimatfront' gewann mit zunehmenden Bombenangriffen eine andere als die ursprünglich gedachte Bedeutung. Bisher hatte man den Kriegsverlauf vorwiegend anhand von Verlautbarungen des Oberkommandos der Wehrmacht (OKW), von Frontberichten der Zeitungen und Siegesmeldungen aus dem Radio verfolgt, jetzt begann Eichwalde selbst zu einem Kriegsschauplatz zu werden. Eichwalde wurde erstmals in der Nacht vom 7. zum 8. September 1941 von Bombenabwürfen getroffen. Das ist aus den Schadenssachen Ruschkowski aus der Kurfürstenstraße 67 (Puschkinallee) und Paetz, Mariannenstraße 13 ersichtlich. Erneut hatte dieser bisher schwerste Angriff von 134 britischen Fernbombern mit 143 Tonnen Sprengbomben und mehr als 12 000 Brandbomben vor allem wieder Berlin gegolten. Eichwalde war nur an wenigen Stellen getroffen worden. Es waren zum Glück keine größeren Schäden eingetreten. Dennoch: Nach den zwar häufigeren, doch bislang folgenlosen Fliegeralarmen hatten nun erstmals militärische Ereignisse den Ort unmittelbar betroffen. Die Eichwalder hatten 1940 im "Filmeck" die beeindruckenden und furchtgebietenden Bilder des Dokumentarfilms über die Bombardierung Warschaus durch die deutsche Luftwaffe gesehen und in Versammlungen anschließend das Marschlied 'Bomben auf Engelland' gesungen, in welchem es hieß: "Wir flogen zur Weichsel und Warthe, wir flogen ins polnische Land! Wir trafen es schwer, das feindliche Heer, mit Blitzen und Bomben und Brand!" Und im Refrain wurde gesungen:" Ran an den Feind! Bomben! Bomben! Bomben auf Engelland!" Jetzt erlebte man im Ort die Schrecken des Krieges.

Am 11. Dezember 1941 erklärten Deutschland und Italien den USA den Krieg. Nun glaubte man in Eichwalde nicht mehr an ein baldiges Kriegsende. Die Ungewißheit über den Ausgang des Krieges nahm zu. Diese Meinung fand man durch den Aufruf Hitlers am 20. Dezember 1941, Wintersachen für die deutschen Soldaten an der Ostfront zu sammeln, bestätigt. Eben noch war die unvergleichliche Qualität der Wehrmacht gerühmt worden, jetzt fehlte es an warmer Kleidung – dieser Widerspruch machte einerseits nachdenklich, andererseits wurden beachtliche Aktivitäten ausgelöst. Obwohl bereits im August 1941 in Eichwalde Handwerkszeug, Schallplatten und Grammophone, selbst Schuhwerk für die Front gesammelt wurden, hatte die Bevölkerung bei ihren Hilfsaktionen kaum an Wolle und Pelzsachen gedacht. Der Aufruf zur Wollsammlung für die Wehrmacht veranlaßte viele Eichwalder, vom 27. Dezember 1941 bis zum 11.Januar 1942 in Schränken und Truhen nach Überschuhen, wollenem Unterzeug, Decken, Woll- und Lederhandschuhen, Wollschals, besonders nach Pelzsachen und nach allen gebrauchsfertigen Wintersachen zu suchen. Viele Familien dachten dabei an ihre Söhne und Väter, die an der Ostfront kämpften. Das bei der zentralen Erfassungsstelle in KönigsWusterhausen abgelieferte Spendenaufkommen war beachtlich. 'Blockfrauen' der NS-Frauenschaft gingen von Haus zu Haus und nahmen die Wintersachen gegen Quittung entgegen. Außerdem stellte man aus Wollresten 10 x 10 Zentimeter große gestrickte Quadrate her, die zu Wolldecken für Lazarette vernäht wurden. Ein Deckenmuster war im Schaufenster eines Geschäftes in der Bahnhofstraße 87 ausgestellt. "Und nun frisch ans Werk für die Ostfront!", hieß es in der Zeitung. In der Schmöckwitzer Siedlung war ein neues Behelfslazarett eingerichtet worden. Den Eichwalder Jungmädeln war das Berlin-Bohnsdorfer Lazarett als 'Patenlazarett' zugeteilt, wo sie gelegentlich mit Gesang und Spiel die Verwundeten erfreuten.

Selbst in der Gaststättenversorgung zog "Frontklima" ein. Ab 12. Januar mußte zweimal wöchentlich, montags und donnerstags, Feldküchenessen gekocht werden, das man nach Abgabe der Kartenabschnitte von 50g Fleisch und 10g Fett erhalten konnte. Ab 6. April 1942 erfolgte die Abstufung der wöchentlichen Rationen bei Fleisch (-25%), Fett (-20%) und Brot (-250g). Verstärkt wurden Jungen und Mädchen, insbesondere nach der "Verordnung über den Einsatz zusätzlicher Arbeitskräfte für die Ernährungssicherung des deutschen Volkes" vom 7. März 1942 für den "Landdienst" und den "Osteinsatz" herangezogen. Sie standen als billige Arbeitskräfte in der Landwirtschaft, aber auch bei Hilfsarbeiten in Fabriken zur Verfügung, um die nach Einberufungen von Land- und Industriearbeitern zur Wehrmacht entstandenen Lücken zu stopfen. Bald wurden Schüler und Jugendliche direkt für militärische Zwecke verpflichtet. "Ich war ein ganzes Jahr zum Landdienst in Ragow bei KönigsWusterhausen eingesetzt, einige Zeit später wurde ich zur Luftwaffenhelferin bei Hamburg ausgebildet ", erinnerte sich eine damalige Eichwalderin. Eine rigorose Ausplünderung der besetzten Territorien wurde angeordnet, um die Versorgung im Inland bald wieder erhöhen zu können. An der schwankenden Versorgung mit Lebensmitteln und Konsumgütern erkannten die Einwohner unschwer, wie kritisch sich die Lage tatsächlich entwickelte. Die NS-Propaganda in Eichwalde reagierte wie angewiesen auf die von manchen Einwohnern nicht kritiklos hingenommenen Einschränkungen, die auch den Reiseverkehr betrafen, weil die Reichsbahn mit Kriegsanforderungen überlastet war. Auf der Tagung des Eichwalder Haus- und Grundbesitzer-Vereins zum Thema 'Der Deutsche im Kriege' referierte deshalb wieder Ortsschulungsleiter Dienst und erklärte, daß für die Erhaltung unserer und künftiger Generationen weiterer Einsatz notwendig sei. Ein jeder habe seine Last zu tragen, die keinesfalls durch nervöse oder überspannte Reizungen gelindert würde. "Wenn hier oder dort Rückschläge eintreten, so haben wir keinen Grund, den Glauben zu verlieren, wie selbst der Führer den Glauben an sein Volk nie verliert...Mit der Gefallenenehrung und einem 'Sieg Heil' schloß die Versammlung ", so berichtete die Zeitung.

Selbst dieser im NS-Propagandastil verfaßte Pressebericht vermittelt einen gewissen Eindruck von der psychischen Befindlichkeit der Einwohner. Wendete sich etwa das Blatt, stand eine Katastrophe bevor? Die im Dezember 1942 ausgegebene Weihnachtssonderkarte für Lebensmittel verursachte bei so manchen Einwohnern eher Besorgnis als Freude. Urlauber von der Ostfront erhielten seit Oktober 1942 ein sogenanntes 'Führerpaket' mit Lebensmitteln. Herr Hanak aus Eichwalde berichtete, wie sein Vater (er fiel noch im Mai 1945 im Raum Aachen) bei einem seiner seltenen Urlaube ein solches Paket mit Speck, Mehl, Zucker und Butter im Gepäck hatte. Frau Günther aus Eichwalde erzählt: " Wir hatten zunehmend Zweifel am Wahrheitsgehalt der Informationen aus Zeitung und Rundfunk, ganz zu schweigen von den Propagandareden. Deshalb setzten sich mein Schwiegervater und ich abends, nachdem alle Fenster ordentlich verdunkelt waren, an das Radiogerät, zogen eine Wolldecke über Kopf und Radio und hörten den Sender der BBC. Auf diese Art erfuhr ich gegen Kriegsende, daß mein Mann als Marinesoldat in der vorigen Nacht ums Leben gekommen war. Es war nicht einfach, sich am nächsten Tag wieder so zu verhalten, als wüßte man nicht mehr als alle anderen. Die offizielle Todesnachricht erhielt ich erst nach dem Krieg vom Roten Kreuz. " Wegen Abhörens ausländischer "Feindsender" wurden im Jahre 1942 bei politischen Verfahren 922 Gerichtsurteile in Deutschland gefällt. " Die Veröffentlichung von Gerichtsurteilen ", hatte Goebbels zynisch erklärt, sei "eine Sache der Volkserziehung". So berichteten Zeitungen, daß der Bürgermeister von Gussow, einem Ort in der Nähe von KönigsWusterhausen, im Mai 1943 wegen sogenannter Feindbegünstigung verhaftet, zum Tode verurteilt und am 1. September 1943 hingerichtet worden war. Er hatte ausländische Sender abgehört und das Gehörte weiter erzählt.


1 Vgl. Deutschland, Bd. 2, S. 25.
2 Vgl. Joachim Herrmann (Hrsg.) : Deutsche Geschichte in 10 Kapiteln, Berlin 1988, S. 372 ff
3 KWZ v. 3. Juli 1941.
4 Vgl. Hannes Heer : Vom Verschwinden der Täter. Der Vernichtungskrieg fand statt, aber keiner war dabei. Berlin 2004. ( Insbes. 6. Kap.)
5 Wortlaut einer Todesanzeige in der KWZ v. November 1943.
6 Vgl. Omer Bartov : Hitlers Wehrmacht. Soldaten, Fanatismus und Brutalisierung des Krieges. Hamburg 1999, S. 213 f.
7 Zitate aus Todesanzeigen in der KWZ.
8 Omer Bartov, a.a.O., S. 373.
9 Kreisarchiv B. E., Nr. 178.
10 Lied und Marsch aus dem Dokumentarfilm der Luftwaffe: " Feuertaufe", April 1940 uraufgeführt.
11 KWZ v. 8. Januar 1942.
12 Vgl. Deutschland, Bd.2, S. 320.
13 Bericht Frau Wolff, Bagenz, November 2003.
14 KWZ v. 18. März 1942.
15 Bericht Herr Hanak, Eichwalde, Waldstr., Dezember 2003.
16 Bericht Frau Günther, Eichwalde, Stubenrauchstr., November 2003.
17 Deutschland, Bd. 2, S. 416.
18 Zit. nach: Beiträge, Bd. 12, S.185.
19 BLHA, Pr. Br. Rep. I Kom, Nr. 2339, Vorgang Barsch, Dok. v. 18. Mai u. 18. September 1943.


Kriegswende

Die Stimmung im Ort wurde zunehmend von der Frontlage bestimmt. Es sprach sich herum, daß in der Oberschule mehrere Anweisungen zur vorzeitigen Schulentlassung von Abiturienten (damals 8. Klasse) oder Schülern der 7. Klasse eingetroffen waren, die zum Reichsarbeitsdienst (RAD) einberufen wurden oder ihre Offizierslaufbahn früher beginnen sollten. Seit dem 11. Oktober 1942 war die Vorlage des Abschlußzeugnisses von Schülern höherer Lehranstalten als Offiziersbewerber nicht mehr erforderlich. Der Verlust von Offizieren im bisherigen Kriegsverlauf war kaum noch zu ersetzen.

Mehrere Eichwalder berichteten, daß seit dieser Zeit immer wieder Flugblätter auftauchten, in denen die Wahrheit über den Krieg gesagt und das Ende des Nazi-Regimes angekündigt wurde. Man fand sie auf der Straße und in Briefkästen. Hitlergegner verbreiteten damals im Berliner Raum mindestens 34 verschiedene Flugblätter. Sie sollten ebenso wie die bei Luftangriffen abgeworfenen Schriften unverzüglich im Rathaus abgegeben werden. Lehrer wurden aufgefordert, bei 'Lehrspaziergängen' mit den Klassen auf "Hetzschriften" zu achten. Die Verbreitung "aller Flugblätter und sonstiger staatsfeindlicher Schriften" stand unter Todesstrafe. Herr Bernhard Drewitz (geb. 1929) aus Schulzendorf sammelte damals die von alliierten Flugzeugen abgeworfenen "Feindflugblätter" und bewahrte sie unter strengster Verschwiegenheit auf. Er berichtete, daß diese Zettel in Wäldern und auf den Straßen bereits von weitem durch ihr ungewöhnlich leuchtendes Weiß zu sehen waren, im Unterschied zu der fahlen Farbe deutschen Papiers dieser Zeit. Bald begriff er, daß darin die Wahrheit geschrieben stand und baute sich deshalb einen Detektorempfänger, mit dem es ihm sogar gelang, wie er erzählte, Radio London zu hören.

Seit Sommer 1942 hatte die Wehrmacht mit Offensiven in Richtung Stalingrad und Kaukasus nochmals große Gebiete der Sowjetunion erobert. Ab September 1942 verfolgte die Weltöffentlichkeit den Verlauf der Kämpfe im Wolgabogen bei Stalingrad, die zum Wendepunkt des Krieges wurden. Am 2. Februar 1943 war die 6. deutsche Armee in Stalingrad von sowjetischen Truppen, am 12. Mai deutsche und italienische Truppen der Heeresgruppe Afrika von den britischen und amerikanischen Alliierten in Afrika endgültig besiegt worden. Die Niederlagen der Wehrmacht wirkten auch in Eichwalde ernüchternd, denn immer öfter mußten den Hinterbliebenen durch örtliche NS-Funktionäre schlechte Nachrichten von der Ostfront und anderen Kriegsschauplätzen überbracht werden. Anläßlich des 50. Jahrestages seiner Gründung gedachte im Januar 1943 der Haus- und Grundbesitzer-Verein der " tapferen Soldaten, die sehr tief in Feindesland unsere Heimat schützen und nicht zuletzt derjenigen, die dabei ihr Leben opferten". Mit einer sogenannten Gaustraßensammlung des WHW am 23./ 24.Januar, unmittelbar vor dem 10. Jahrestag des Beginns der Nazi-Diktatur, sollte erneut die Treue zum Führer dokumentiert werden. Doch nichts konnte darüber hinweg täuschen, daß es offenbar immer mehr kritische Meinungen unter den Einwohnern gab. So mußte der Redner auf der NSDAP-Veranstaltung im "Filmeck" ausdrücklich über den Wechsel von Erfolg und Rückschlägen argumentieren. Ortsgruppenleiter Rix ließ die Kundgebungsteilnehmer sich von den Plätzen erheben und verpflichtete sie " zum restlosen Einsatz der Heimat für Führer und Vaterland ".

Zweifel am Ausgang des Krieges mehrten sich dennoch. Deshalb appellierte man in Vereinsversammlungen immer wieder, "unverbesserlichen Mies- und Gerüchtemachern" entgegenzutreten und beschwor eindringlich den "Glauben an den Sieg". Dabei wurde jetzt in der NS-Propaganda der "Kampf um Lebensraum" in einen Verteidigungskampf zum Schutz Europas vor den "jüdisch-bolschewistischen Horden" verwandelt, gegen deren Ansturm nun ein 'totaler Krieg' geführt werden müsse. In einem von britischen Fliegern über Eichwalde abgeworfenen Flugblatt hieß es: "Weil jetzt die Russen tief in Russland ihre eigenen Städte und Provinzen zurückerobern, haben sie (gemeint sind die deutschen Faschisten, d. A.) die Stirn, von einem "Aufstand der Steppe" und einer "bolschewistischen Bedrohung Europas" zu sprechen. " Der "Erlaß des Führers über den umfassenden Einsatz von Männern und Frauen für die Aufgaben der Reichsverteidigung" vom 13. Januar 1943 bezweckte vor allem, mehr wehrfähige Männer für den Kriegseinsatz zur Verfügung zu stellen. Die Eichwalder Freiwillige Feuerwehr zum Beispiel wurde deshalb per Notdienstverordnung im Februar 1943 mit ca.17 unausgebildeten Männern aufgefüllt und verstärkt. Die örtliche Feuerwehrschar der HJ zählte ca.13 Angehörige. Schüler, die sich freiwillig zur Wehrmacht verpflichtet hatten oder die zum RAD eingezogen wurden, erhielten unter erleichterten Bedingungen ein Versetzungszeugnis oder den späteren Zugang zum Abitur bescheinigt.

"Totale Mobilisierung" - was das bedeutete, proklamierte Goebbels in einer Massenkundgebung am 18. Februar 1943 im Berliner Sportpalast unmißverständlich: Verzicht auf einen großen Teil des Lebensstandards zugunsten einer schnelleren Erhöhung des Kriegspotentials. Es kam erneut zu Geschäftsschließungen in Eichwalde. Weiterhin gehörte dazu die Arbeitsdienstpflicht für Jungen ab dem 16., für Mädchen ab dem 17. Lebensjahr, wovon besonders die Schuljugend betroffen war. Am 28. März 1943 fanden in ganz Deutschland "Verpflichtungsfeiern der Jugend" zur Verpflichtung auf den Führer bei der Aufnahme in HJ und BDM statt. Nahtlos wurden achtzehnjährige HJ- und BDM-Mitglieder in der Aula der Eichwalder Oberschule zu Ehren des 'Führergeburtstages' in die NSDAP übernommen. Zielgerichtet bereitete man auch Eichwalder Jungen und Mädchen auf ihren Kriegseinsatz vor, wozu insbesondere HJ-Sondereinheiten dienten. Die HJ-Feuerwehrschar, der HJ-Streifendienst und HJ- sowie BDM-Bahnhofsdienst erfüllten überwiegend innerhalb des Ortes ihre Aufgaben. Betreuungseinsätze in Lazaretten und Krankenhäusern waren längst üblich geworden. Besonders deutlich äußerte sich der in Eichwalde beheimatete Bannführer des HJ-Bannes Teltow, 'Oberstammführer' Lesser, am 28. Juni 1943 zum Kriegsverlauf und über die Stimmungslage vor Lehrlingen bei Schwartzkopf in Wildau, als er über ihren Kriegs- und Arbeitseinsatz sprach. Mit den Worten, es "sei jetzt nach den Ereignissen in Stalingrad und Tunis kein Grund zu irgendeiner Mutlosigkeit vorhanden... Deutschland habe seit 1914 mit ganz anderen Schicksalsschlägen fertig werden müssen. Je mehr Zeit vergeht, desto näher rückt der Tag der Vergeltung heran", gab die Zeitung den Kern seiner Rede wieder. Hier klang bereits etwas von der bald einsetzenden "Wunderwaffenpropaganda" an. Den Alltag der Jugendlichen bestimmten immer weniger schulische Aufgaben, statt dessen Pflichten und Dienste an der "Heimatfront".

Bei der Schulaltstoffsammlung 1943 belegte ein Eichwalder Schüler den ersten Platz im Kreis Teltow. In Erinnerungen von Dr. Dr. med. Linke an Schuljahre in Eichwalde ist zu lesen: " Der Untericht wurde immer öfter und länger durch Kriegseinsätze unterbrochen. Das fing bei Erntehilfseinsätzen und Kräutersammeln an und ging weiter über Abstellungen in Kinderlandverschickungslager, bis schließlich ganze Schulklassen als Luftwaffen- und Marinehelfer ausgegliedert wurden." Was konnte mehr die reale Lage dokumentieren, als folgender Vorgang : Neben dem Denkmal für die Gefallenen des Ersten Weltkrieges in der Bahnhofstraße / Ecke Straße Am Graben wurden seit dem 21. März 1943 von der NSDAP-Ortsgruppe mannshohe hölzerne Gedenktafeln aufgestellt, auf die neben einem 'Eisernen Kreuz' nach und nach Dienstgrad, Name, Geburts- und Todesdatum der gefallenen Eichwalder mit schwarzer Farbe geschrieben wurde. Später entfernte man dieses Brett wieder, weil es nicht noch augenfälliger werden sollte, wieviele Kriegsgefallene aus Eichwalde es inzwischen gab.

Nach den erschütternden Nachrichten vom Kriegsverlauf wurde mit dem Beschluß der Reichspropagandaleitung der NSDAP vom 4. Februar 1943 der 'seelischen Stärkung des Volkes' mittels kulturpolitischer Arbeit große Bedeutung beigemessen. Ein Anfang 1943 gebildetes NS-Volkskulturwerk nahm nach seiner Gründung in Kotaus nun auch in Eichwalde die Tätigkeit auf. Laienschaffende, Musikliebhaber und durch Schließung kultureller Einrichtungen zur Verfügung stehende Sänger, Musiker und Schauspieler gestalteten niveauvolle Musik- und Literaturabende. Immerhin war es möglich, daß auf diese Weise in der Schulaula das Konzert für Klavier und Orchester D-Dur und die Sinfonie in D-Dur (Nr.93) von Josef Haydn zu Gehör gebracht werden konnten. Die kulturpolitische Propaganda im Jahre 1943 hatte den Auftrag, von der angeblichen Notwendigkeit einer 'Verteidigung der deutschen Kultur' gegen die 'bolschewistischen Barbaren' und das 'Kulturbanausentum' anglo-amerikanischer Flieger zu überzeugen. Außerdem sollte vom Kriegsalltag wenigstens zeitweise entspannend hinweggeführt werden. Im Eichwalder Filmeck liefen, so lange es elektrischen Strom gab, Ablenkungs-Filme und Durchhalte-Streifen. " Meine Mutter erzählte oft, daß sie 1943 während des Urlaubs meines Vaters mit ihm in Berlin ' Die Abenteuer des Barons Münchhausen' mit Hans Albers in der Hauptrolle gesehen hatte. Der Film war für sie unvergeßlich, aber besonders deshalb, weil es der letzte Urlaub meines Vaters war, bevor im gleichen Jahr die Vermißtenmeldung von der Ostfront zu Hause eintraf ", berichtete ein Eichwalder des Jahrgangs 1940.

Im Juli / August 1943 antwortete die Rote Armee auf den Versuch der Wehrmacht, im Raum Kursk die sowjetischen Truppen einzuschließen, mit einer erfolgreichen Gegenoffensive. Die Schlacht bei Kursk vollendete den grundlegenden Umschwung im Verlauf des zweiten Weltkrieges. Am 10. Juli landeten die anglo-amerikanischen Alliierten auf Sizilien. Nachdem im Juli 1943 Mussolini durch einen Staatsstreich abgesetzt worden war, kapitulierte die italienische Regierung Badoglio am 3. September.

Die angespannte Kriegslage und die Entwicklung in Italien veranlaßte die NSDAP-Führung, eine Aufrüttelungskampagne der Parteimitglieder und Einwohner in Form sogenannter 'Generalappelle' zu starten. Ständig durchzuführende Sprechabende, Generalmitgliederappelle, Mütterehrungsfeiern, Familienfeiern,Propagandamärsche und Großkundgebungen sollten die von den Ereignissen deprimierten Pg.s wieder aktivieren und der Einwohnerschaft den Glauben an den Sieg erhalten. So fand am 19. September 1943 in Schulzendorf eine Großkundgebung unter Beteiligung der Ortsgruppen und angeschlossenen Verbände aus Eichwalde, Zeuthen, Miersdorf, Kiekebusch, Rotberg, Schönefeld und Waltersdorf statt. Ein "Reichsredner" trat auf. Er hob hervor, daß " jeder die Pflicht habe, die Schwachen und Kleinmütigen aufzurichten und sie zu stärken. Die Böswilligen aber müßten ausgemerzt werden...Der Krieg sei für die Zukunft des deutschen Volkes unerläßlich... Zur Lage an der Ostfront übergehend, wies der Redner darauf hin, daß die Sowjets die ungeheuren Verluste, die ihnen von unserer unvergleichlichen Wehrmacht beigebracht werden, auf Dauer nicht ertragen können. Der Sieg werde von Deutschland und seinen Verbündeten errungen...“

Eichwalde lag im Bereich des Luftverteidigungskommandos 1, Raum Groß-Berlin. In dieser Zone befanden sich etwa 10 000 industrielle Betriebe, davon 8000 allein in Berlin. Luftwarn- und Luftmeldedienst, Flakartillerie, leichte Jagdfliegerkräfte und das System des Luftschutzes sollten auch den Randgebieten Berlins Schutz bieten. Auf dem Ajax-Sportplatz am Hirtenfließ befand sich wahrscheinlich eine Flak-Scheinwerferstellung, später wurde eine weitere Stellung an der Ecke Triftstraße / Schulzendorfer Straße und noch zwei weitere Flakstellungen in Schulzendorf neben dem Friedhof am Ortsrand des alten Dorfes aufgebaut. Bisher hatten die Eichwalder Schulkinder nur Splitter der Flakgeschosse aufgesammelt, jetzt waren auch Bombenschäden zu besichtigen. Seit Juni 1943 wurden wehrpflichtige Männer für kurzfristigen Wehrdienst in den Nächten an ortsfesten Heimatflak-Batterien eingesetzt. Dadurch konnten mehr Soldaten an die Fronten geschafft werden. Schüler, Schülerinnen und Frauen verpflichtete man als Luftwaffenhelfer. Frau Erika Kachel schickte ein Foto von sich als Luftwaffenhelferin an ihre Freundin in Eichwalde. Auf die Rückseite der Fotografie schrieb sie:" 'Es ist so schön Soldat zu sein...' Glaubst Du's?"

Während bis dahin hauptsächlich Berlin das Angriffsziel war und auf Orte des Umlandes eher planlos Bomben fielen, wurden seit Sommer/Herbst 1943 immer häufiger auch Gebiete in Brandenburg von zielgerichteten Angriffen betroffen. Unter dem Eindruck der Luftangriffe auf deutsche Großstädte wie Hamburg am 26. Juli 1943, aber vor allem auf die "Reichshauptstadt" Berlin, verbrachten immer mehr Berliner die Nächte in Eichwalde und anderen Orten des Stadtrandes. Durch Gerüchte und Fehlinformationen veranlaßt, kam es zeitweise zum massenhaften Verlassen der Stadt. Ein Zusammenhang zwischen Ersatzleistungen bei Bombenschäden der deutschen Einwohner mit Verbrechen gegen die jüdische Bevölkerung in besetzten Staaten wie Belgien, die Niederlande und Frankreich erschließt sich in Kenntnis folgenden Sachverhalts: Seit 1941 wurden die Juden dieser Staaten mit dem Ziel der Vernichtung deportiert. Ihre Wohnungseinrichtungen wurden im Rahmen einer "Aktion M" massenhaft nach Deutschland als Sachentschädigung an Ausgebombte geliefert. Ein Dokument der "Einsatzleitung Belgien" vom 1. Oktober 1943 über den "Abtransport von Judenmöbeln an Bombengeschädigte" nennt unter mehreren Zielorten der Möbel aus Belgien und Nordfrankreich auch KönigsWusterhausen. Um angesichts der beschleunigten Deportationen diese Transporte zu perfektionieren, wurde extra eine 'Normkiste 101' aus Holz entwickelt, in welcher komplette Küchen- oder Zimmereinrichtungen angeliefert werden konnten. Insgesamt 674 Züge mit mehr als 26 000 Waggons brachten bis Anfang 1944 die als "Entjudungsgewinne" bezeichneten Möbel direkt vor deutsche Haustüren. Eine Eichwalder Zeitzeugin hat im Jahre 2004 aus eigenem Erleben während der Kriegsjahre in den Niederlanden diese Praktiken bestätigt.

Wer es sich leisten konnte, verstärkte jetzt seine Luftschutzbauten. Ein Eichwalder Fabrikant hatte 1942 im Waldgarten seines Grundstücks in der heutigen Uhlandallee einen Luftschutzkeller gebaut, "der dank Statik und Materialaufwand nur einem Volltreffer nicht widerstanden hätte. Sein Sohn,...vom Militärdienst freigestellt, hortete in der geräumigen Höhle alkoholische Spezialitäten, als fürchtete er einen dreißigjährigen Krieg “, schreibt Hermann Wegner in seinen Erinnerungen.

Die meisten Eichwalder waren auf die behelfsmäßig eingerichteten Kellerräume der Wohnhäuser angewiesen, nur wenige hatten auf ihren Grundstücken Bunker mit Betondecken gebaut. Zur Standardausrüstung gehörten Sand- und Wassereimer, Spitzhacke, Schaufel, weitere Gerätschaften zum Feuerlöschen, Decken, ein Erste-Hilfe-Kasten, außerdem die Volksgasmasken. Die Kellerfenster waren häufig von außen mit Balken, Sandsäcken oder Steinen verdeckt, von innen mit einer sogenannten Gasklappe versperrt, die das Eindringen von Gas und Rauch verhindern sollte. Selbst im Jahre 2004, 65 Jahre nach Kriegsbeginn am 1. September 1939, sind noch die Spuren dieser Luftschutzvorrichtungen in Eichwalde zu betrachten. Kleinbunker befinden sich am Bahnhof und rechts der Einfahrt zur früheren Firma Rottschäfer. Mitunter sind an Häusern in Kellerhöhe noch Hinweise auf Luftschutzräume zu sehen. Frau Dolke, eine Bewohnerin der Triftstraße, die damals noch zu Schulzendorf gehörte, berichtete: „ Fliegeralarme gehörten zum Alltag wie Schulunterricht und andere Pflichten. Unser Luftschutzkeller war zugleich Vorratskeller für Gemüse, Kartoffeln, Weckgläser voller Obst und Säften aus eigener Ernte. Während der Luftangriffe saßen wir auf gepackten Koffern und mit Rucksäcken auf dem Rücken. Dauerbackwaren, Getränke, Medikamente und Verbandszeug, Schreibzeug, Taschenlampe, Leibwäsche und wichtige Dokumente hatte jeder bei sich. Dennoch waren die Stunden im Keller immer voller Spannung...Unsere Mutter ging abends nicht eher zu Bett, bevor der erwartete Fliegeralarm vorüber war. Beim Strümpfestopfen oder Nähen hörte sie die Radiomeldungen, um uns rechtzeitig wecken zu können, wenn Bomber im Anflug waren. Sie schlief am Tage ein paar Stunden, wenn wir in der Schule waren." Es stellte sich bald heraus, daß Luftschutzkeller auch in Eichwalde zu einer tödlichen Falle werden konnten.

Eine Anordnung über den Kriegshilfeeinsatz der Jugend in der Luftwaffe mit Wirkung vom 15. Februar 1943 führte dazu, daß die Schüler der Jahrgänge 1926 und 1927 zum Dienst in der Heimatflak herangezogen wurden. Neben dem Kriegsdienst an der Flak-Batterie waren wöchentlich außerdem 18 Stunden Schulunterricht zu absolvieren. Weitere Jahrgänge wurden bereits gemustert. Der Ort wurde im Verlauf der nächtlichen Luftangriffe britischer Bomber auf Berlin besonders am 2. Dezember 1943 in Mitleidenschaft gezogen. An mehreren Häusern in der Zeuthener Straße / Ecke Friedenstraße waren Gebäudeschäden zu verzeichnen. In der Kronprinzenstraße 47 ( Fontaneallee ) starben Mutter und Kind, ein weiteres Kind der Familie wurde verletzt ins Krankenhaus gebracht, die Wohnung war vollständig zerstört. Ein ehemaliger Eichwalder, Herr Dr. Diether Dienst, berichtete: „Damals half ich noch, die beschädigten Häuser wieder einzudecken, ohne zu ahnen, daß ich selbst in Kürze ein Betroffener sein würde.

Betroffen war ich zunächst schon, als ich zusammen mit meinen Klassenangehörigen der Eichwalder Oberschule (Jahrgang 1928) als Marineflakhelfer gemustert wurde. Wir fühlten uns damals als 15jährige nach der KV-Musterung 'als ganze Männer', und gemeinsam marschierten wir nach der Musterung in den Admiralspalast (heute Metropoltheater am Bahnhof Friedrichstr.) und sahen die Operette 'Der goldene Käfig'. Erst spät nachts kehrten wir zu den in vieler Hinsicht besorgten Eltern zurück. Ab dem 5. Januar 1944 sollten sich dann alle zum Empfang der Einberufungsbefehle bereithalten. So freuten sich die Familien darauf, das Weihnachtsfest 1943 noch einmal gemeinsam zu verbringen. Meine Mutter hatte viele Geschenke besorgt und diese nett eingepackt in einer Tasche aufbewahrt, die ich später aus den Trümmern des Hauses ausbuddelte. Eine sehnlichst gewünschte Armbanduhr war dabei. Doch zu diesem gemeinsamen Weihnachtsfest sollte es nicht mehr kommen.... “

Das Dienstbuch der Freiwilligen Feuerwehr verzeichnet im Jahre 1943 siebenundsechzigmal Fliegeralarm. Noch im Dezember 1943 hatte der in Eichwalde wohnende Kreisschulungsleiter dem versammelten Haus- und Grundbesitzerverein Eichwaldes verkündet: "Auch wenn jetzt der Krieg mit seiner ganzen Härte an unsere Häuser pocht, indem uns anglo-amerikanische Terrorflieger versuchen, unseren ehrlich erworbenen Besitz zu zerstören, so werden sie nur starke Herzen finden, die nicht weich, sondern in diesen Feuern nur noch härter im Haß werden gegen die Störer des Friedens “. Doch es sollte noch schlimmer kommen, denn die meisten Opfer waren nach der Bombennacht vom 23. zum 24.Dezember 1943 zu beklagen.

Am Freitag, in der Nacht vor dem Heiligen Abend, gab es seit 3.30 Uhr Fliegeralarm. Seit 4.30 Uhr erreichten die Eichwalder Feuerwehr zahlreiche Anrufe von Einwohnern, die Hilfe nach dem Bombenhagel anforderten. An 18 Stellen mußten Brände gelöscht werden. Besonders schwer war die Dreyerallee Nr.129/31 (Waldstraße) getroffen worden. Eine Sprengbombe hatte das Haus zum Einsturz gebracht. Bei den ersten Rettungsarbeiten durch die Eichwalder Feuerwehr wurden vier Überlebende und ein Toter geborgen. Die Technische Nothilfe setzte die Bergungsarbeiten fort, insgesamt hatten hier 29 Menschen den Tod gefunden. Einige Hausbewohner konnten nach vielen Stunden lebend aus den Trümmern des Nachbarhauses geborgen werden, weil hier die Kellerdecke besser abgestützt worden war. Herr Dr. Dienst berichtete weiter: „... das Sausen der ersten Bomben war bald zu hören. Es muß dann wohl eine Bombenreihe gewesen sein, die auf unser Haus zukam. Die letzte Explosion hörte ich dann nicht mehr. Ich stand in einer Kellerecke, als die Bombe explodierte. Mein Gedanke war nur: „Das ist der Tod!“ Und dann durchschoß mich sofort der nächste: „ Du lebst ja noch!“ und „Ich kann ja noch atmen!“ Ich spürte sofort, daß alle Glieder heil waren. Mauerstaub lag in der Luft. Sehen konnte man nichts, das Licht war ausgefallen. Schon hörte ich Stimmen und rief nach meinen Eltern. Ein oder zwei Taschenlampen wurden eingeschaltet, und mühsam drang das Licht durch den dichten weißlichen Staubschleier. Die Kellerdecke am Eingang war abgestürzt. Dort standen zuvor meine Eltern, die sich ein Leben lang in Liebe verbunden gefühlt und nun auch den letzten Weg gemeinsam angetreten hatten...“ Herr Helmut Büttner erinnerte sich: „Wie ich von dem furchtbaren Unglück in der (heutigen) Waldstraße 129/131erfuhr, weiß ich nicht mehr genau. Wahrscheinlich war es in der Hilfsglaserei, welche die Gemeinde in der Bahnhofstraße im Gebäude ... eingerichtet hatte, das auf dem Hof hinter dem Fotogeschäft Kneiphof liegt...Dabei erlebte ich einen Massenauflauf, der das Ausmaß der Schäden widerspiegelte. Gegen 14 Uhr begab ich mich dann zur Unglücksstätte. Das U-förmige Hauptgebäude der Taut-Siedlung war getroffen worden. Man sah nur noch einen etwa 8 Meter hohen Steinhaufen...Ich reihte mich in die Eimerkette ein, löste jemanden ab, der schon lange dort gearbeitet hatte. jetzt blickte ich in einen großen Trichter... Ab und an wurden Gegenstände geborgen... Dann mußte ich mit ansehen, wie ein Toter geborgen wurde. Es war furchtbar; ich möchte nichts Näheres darüber schreiben. Als kurz darauf der zweite Tote heraufgezogen wurde, habe ich die Eimerkette verlassen. Ich stolperte den Schuttberg hinunter. In der Nähe der Toreinfahrt des Mitteltraktes sah ich einen der Überlebenden dieses Infernos: Diether Dienst. Ich wagte nicht, ihn anzusprechen. Fluchtartig verließ ich die Unglücksstelle...“.

Die geborgenen Habseligkeiten wurden in der Schulturnhalle untergebracht. In der Königs Wusterhausener Zeitung wurde über die Ereignisse am Rande Berlins nicht berichtet. Lediglich wenige veröffentlichte Todesanzeigen wiesen auf die tragischen Ereignisse hin. Während das "Teltower Kreisblatt" die Rundfunkansprache von Goebbels zum 24. Dezember 1943 in aller Ausführlichkeit wiedergab, wurde mit der Überschrift "Der Terrorangriff auf Berlin" nur knapp gemeldet: " Britische Terrorbomber unternahmen in den frühen Morgenstunden des 24. Dezember einen erneuten Angriff auf Wohnviertel der Reichshauptstadt. Bei völlig bedecktem Himmel, der jede Sicht verhinderte, warfen die in starker Zahl eingeflogenen feindlichen Verbände wahllos Spreng- und Brandbomben auf verschiedene Viertel der Stadt. Die Bevölkerung hatte Verluste."

Es häuften sich in den Zeitungen neben den üblichen Durchhalteparolen jetzt Meldungen über „Regeln für den Löschangriff “, die „Neuregelung des Alarmwesens bei Fliegerangriffen “, die „Bekämpfung britischer Brandbomben “, die Warnungen vor dem Berühren von Blindgängern und Munition.


1 EHG, u.a. Aktenbestand 1943
2 Vgl. KWZ v. 12. April 1944.
3 Herr Drewitz stellte für das Heimatheft aus seiner Sammlung einige Flugblätter, die über Eichwalde und Schulzendorf abgeworfen wurden, zur Verfügung. ( i. f. Sammlung Drewitz )
4 KWZ v. 16. / 17. Januar 1943.
5 KWZ v. 1. Februar 1943.
6 Sammlung Drewitz .
7 Vgl. Deutschland, Bd. 3, S. 188 f.
8 Dienstbuch der Freiwilligen Feuerwehr Eichwalde, Eintrag v. 8. Februar 1943. Vgl.
Deutschland, Bd.3, S. 188 ff. 9 KWZ v. 29. Juni 1943.
10 EHG, Festschrift, S.31.
11 KWZ v. 18. März 1943.
12 KWZ v. 15. Februar , 26. Mai u. 22. Juni 1943.
13 Vgl. Deutschland, Bd.4, S.426 f.
14 Vgl. Deutschland, Bd.3, S. 584 ff u.627 ff.
15 KWZ v. 22. September 1943.
16 Vgl. BBG, S. 657. (s. Abschnitt 23, Anm. 2)
17 Vgl. BBG, S. 663 f.
18 s. Abbildung S….
19 Vgl. Deutschland, Bd.4, S. 129; 137 / 138.
20 Ebenda, S. 371.
21 Hermann Wegner, a.a.O., S. 59 f.
22 Bericht Frau Gerda Dolke, Eichwalde, Triftstr., Heimatarchiv.
23 Kreisarchiv, B.E. Nr. 178.
24 Gemeinde Eichwalde (Hg.),100 Jahre Eichwalde, Festschrift 1993, S. 11 f.
25 KWZ v. 9. Dezember 1943.
26 Vgl. Dienstbuch der Freiwilligen Feuerwehr Eichwalde, Eintragung v. 24. Dezember 1943.
27 Wie Anm. 21
28 Wie Anm. 21
29 Teltower Kreisblatt v. 27. Dezember 1943.


Judenvernichtung

Seit Kriegsbeginn wurden von der Berliner Gestapo-Zentrale genaue Anweisungen an sogenannte Einsatzgruppen der Sicherheitspolizei und des Sicherheitsdienstes erteilt, die der Wehrmacht folgten oder sie begleiteten, wie mit den polnischen Juden zu verfahren war. Hier wurde die Bildung von Ghettos, die Zwangsarbeit, die Vernichtung durch Hunger und Krankheit, schließlich die massenhafte Ermordung experimentell als Vorstufe einer geplanten "Endlösung zur Vernichtung der europäischen Juden" durchgeführt. Schon im Oktober 1939 wurden Juden aus Österreich und dem 'Protektorat Böhmen und Mähren' nach Polen deportiert. Bis Kriegsbeginn waren die barbarischen antisemitischen Vorgänge eher eine Politik der Massenvertreibung. In Deutschland war es bis zum Beginn des Krieges den Behörden weitgehend gelungen, die jüdischen Einwohner mit Diffamierung, Verboten, Gesetzen und mit Pogromen gesellschaftlich zu isolieren und viele zur Emigration zu veranlassen, sie aus ihrer Heimat zu vertreiben. Während 1933 in Deutschland 562 000 Juden (im Sinne der Nürnberger Gesetze) lebten, wanderten davon bis 1938 etwa 220 000 aus. Bis 1941 gelang es nochmals etwa 100 000 Juden, Deutschland zu verlassen. Mit der Entfesselung des Krieges aber hatte die systematische planmäßige Massenvernichtung begonnen. Im Rahmen der 'Endlösung' wurden ca. 135 000 Juden aus Deutschland deportiert. Deportation hieß brutalste Auslöschung menschlichen Lebens.

Im Weiteren soll vom Schicksal der im 11. und 12. Abschnitt genannten jüdischen Familien Boas und Hirsch aus Eichwalde berichtet werden. Die Geschwister GEORG BOAS, geb.19. 2. 1882, FRIEDA JEANETTE BOAS, geb. 31.10. 1884, ILSE HENRIETTE BOAS geb. 24. 4. 1896, alle in Berlin geboren, lebten seit 1910 in Eichwalde, Sedanstraße 15/16 (Grenzstr.). Ein anderer Bruder, der Mechaniker ERWIN BOAS, geb. 4. 2. 1893 in Berlin, war im Grundbuch von Eichwalde ebenfalls als Eigentümer des Hauses in der Sedanstraße verzeichnet, lebte aber 1939 nicht im Ort. Die Geschwister Boas waren vermutlich aus der Verhaftung im Zusammenhang mit dem Pogrom am 9./10.November 1938 ebenfalls mit der Auflage entlassen worden, die Ausreise zu beantragen. Durch die polizeiliche Schließung ihrer "Pension Waldhaus" und das Gewerbeverbot für Juden vom 1. Januar 1939 war ihnen ihre Existenz in Eichwalde ohnehin unmöglich geworden. Sie wurden faktisch gezwungen, Haus und Grundstück in der Sedanstraße zu verkaufen. Der Verkauf war jedoch laut "Verordnung über den Einsatz jüdischen Vermögens"' vom 3. Dezember 1938 genehmigungspflichtig, er kam am 2. Januar 1939 zustande, wurde im Februar von der Preisüberwachung begutachtet und am 12. Mai von einem Notar genehmigt. Das Geld war auf ein Verwahrkonto bzw. auf ein Sperrkonto einzuzahlen, so daß die Verkäufer darüber nicht ohne weiteres verfügen konnten. Am 17. Mai 1939 wurden die Geschwister noch bei der Volkszählung in Eichwalde erfaßt, sollen aber praktisch nicht mehr dort gewohnt haben. Inzwischen lebten sie in Berlin und waren den hier geltenden Bedingungen unterworfen. Ihre Bemühungen um Auswanderung waren durch beträchtliche bürokratische Hemmnisse mit dem Ziel einer weiteren Vermögenskonfiskation gekennzeichnet. Außerdem erwies es sich als zunehmend schwieriger, aufnahmebereite Länder zu finden. Wahrscheinlich glaubten die Geschwister, durch den Umzug nach Berlin der unerträglichen Atmosphäre in Eichwalde zu entkommen, es in der Anonymität der großen Stadt leichter zu haben, durch Nähe mit anderen Leidensgenossen nicht mehr isoliert zu sein und die Ausreiseformalitäten wie Pässe, Einreisevisa, Reisetickets u.dgl. in Reichweite der Behörden und ausländischen Botschaften einfacher bewältigen zu können. Am 30. Mai 1939 bescheinigte die Gemeindeverwaltung Eichwalde, daß sie keine Forderungen wie Steuern, Gebühren oder sonstige Kosten an die Ausreisewilligen hatte. Dazu gehörte auch die Sondersteuer als 'Sühneleistung' nach dem Novemberpogrom. Ilse Boas reichte die drei Unbedenklichkeitsbescheinigungen des Finanzamtes Teltow sowie der Gemeinde Eichwalde bei der Devisenstelle in Berlin für sich und ihre Geschwister ein. Zweifellos waren damit längst nicht alle Bescheinigungen beigebracht, denn mit immer neuen Schikanen wurde die Auswanderung systematisch behindert, die Vertreibung koordiniert, die Ausplünderung forciert. Seit Dezember 1938 wurden Juden zur Zwangsarbeit verpflichtet, häufig in geschlossenem Arbeitseinsatz als Ersatz für zur Wehrmacht einberufene Arbeitskräfte. Georg (Israel) Boas, von Beruf Kaufmann, war inzwischen als Lederarbeiter, seine Schwester Ilse (Sara) als Hilfsarbeiterin und Zuschneiderin beschäftigt. Aus Akten ist ersichtlich, daß im Januar 1939 von den Geschwistern als erstes Ausreiseziel die USA genannt wurden. Hier bestanden aber enorme Schwierigkeiten wegen geltender Einreisequoten und devisenrechtlicher Bestimmungen. Ein weiteres Mitglied der Familie, Bruno Boas, war bereits nach Tel Aviv ausgewandert. Es ist anzunehmen, daß deshalb als neues Ziel der Ausreise von Frieda (Sara) Boas am 18.8.1939 Palästina genannt wurde. Das war britisches Mandatsgebiet und die Einreise ebenfalls durch ein kompliziertes Quotensystem beschränkt.

Den Geschwistern Boas war es bis Kriegsausbruch nicht gelungen, aus Deutschland zu entkommen. Unter den jetzt einsetzenden Beschränkungen mancherlei Art hatten Juden besonders zu leiden. Seit 1940 erhielten Juden überall nur reduzierte Lebensmittelrationen, der private Fernsprechverkehr war ihnen verboten. Am 1. September 1941 erging die Polizeiverordnung über Kennzeichnung der Juden, mit dem Judenstern, am 23. Oktober 1941 erfolgte ein generelles Auswanderungsverbot. Nur wenigen gelang dennoch die Ausreise oder Flucht. Die Geschwister Boas lebten zuletzt durch eine gesteuerte Unterbringung zur Schaffung 'judenfreier Gebiete' Berlins in sogenannten Judenhäusern in der Wohnung Berlin-Mitte, Neue Friedrichstraße 71. Im Herbst 1941 begann die bis ins Detail geplante Deportation der Juden aus Deutschland mit dem Ziel ihrer Vernichtung. Damit im Zusammenhang wurden in Berlin weitere Repressionen gegen Juden verfügt, so wurden u.a. die Einkaufszeiten von Lebensmitteln für Juden auf die Stunde von 16 bis 17 Uhr verkürzt. Seit Mitte Oktober 1941erhielten Juden eine vervielfältigte Aufforderung, sich zur 'Evakuierung' an bestimmten Sammelplätzen einzufinden, vor allem in der Gormannstraße, in der Synagoge Levetzowstraße und in der Großen Hamburger Straße. Nachdem sich mehrfach zur Deportation Vorgesehene dieser durch Flucht oder Selbstmord entzogen hatten, wurden ohne vorherige Information Razzien in einzelnen Straßenzügen durchgeführt und die Juden zum Sammellager gebracht.

Frieda, Ilse und Georg Boas waren unter den 800 Juden, die am 26. Oktober 1942 mit dem 22. Transport nach Riga, zunächst vielleicht in das "Reichsjuden- Ghetto" Riga-Skirotava oder in das Lager "Jungfernhof", deportiert wurden. Als Todesort ist angegeben: "Osten, verschollen." Hinter dieser lapidaren Mitteilung verbirgt sich eine grauenvolle Praxis. Es wird berichtet: "Die Fahrt nach Riga dauert drei Tage und drei Nächte. Zum Hunger und Durst kommen die Quälereien durch die begleitende SS-Mannschaft...“ Es ist bewiesen: "Für die meisten bedeutete Riga die letzte Station ihres Lebens. Von hier aus wurden die Menschen in Bussen in die umliegenden Wälder gekarrt und erschossen...“

Erwin Boas wurde am 17. 3. 1943 aus dem Berliner Sammellager Gormannstraße mit dem 4. großen Alterstransport zunächst nach Theresienstadt gebracht. Das "Gedenkbuch Berlins der jüdischen Opfer des Nationalsozialismus" teilt mit: " Ab September 1943 kamen in zahlreichen Transporten deutsche Juden aus dem Ghetto Theresienstadt zur 'Sonderbehandlung' in das neueröffnete sogenannte 'Familienlager' in Birkenau (später Auschwitz II). Die Sterblichkeit war sehr groß, und nach einer mehrmonatigen Quarantäne wurden die übriggebliebenen Häftlinge umgebracht ". Hier wurde auch Erwin Boas ermordet:'Todesort Auschwitz: verschollen.'

Die "KönigsWusterhausener Zeitung" vom 17. Dezember 1940 warb mit perfiden Worten für den Besuch eines "Dokumentarfilms über das Weltjudentum" mit dem Titel "Der ewige Jude". Der Propagandastreifen war dazu hergestellt worden, in abscheulicher, niedrigste Instinkte bedienender Weise Verfolgung und Vertreibung jüdischer Menschen zu rechtfertigen. Das Machwerk wurde gleichzeitig im Kino 'Capitol' in KönigsWusterhausen, in den 'Hubertus-Lichtspielen' Wildau und im 'Filmeck Eichwalde' gezeigt. Derartige Hetze und immer weitere, den Lebenskreis der jüdischen Bürger Deutschlands einschränkende Verordnungen mußte auch die Eichwalder Familie Hirsch, Mariannenstraße 1-2 wehrlos ertragen.

MAX HIRSCH, geb. am 16.3.1889 in Stolp, und seine Ehefrau FRIEDA HIRSCH, geborene Landsberg, geb. am 2.3.1893 in Berlin, lebten, wie schon berichtet, zum Zeitpunkt der Volkszählung von 1939 gemeinsam mit ERNST LUDWIG HIRSCH, geb. am 9.7.1920 in Berlin, mit zwei weiteren Familien in ihrem eigenen Haus. Herr Lothar Hanak, der als Kind im Jahre 1939 mit seinen Eltern bei Hirschs zur Miete gewohnt hat, erzählte, daß eines Tages die Mitteilung kam, Hirschs seien durch ein Gesetz gezwungen worden, Haus und Grundstück zu verkaufen. Herr Hanak erinnerte sich, daß das Haus an eine einflußreiche Angehörige der Nazi-Partei (Frau A. Hochhuth / d. A.) übergeben wurde, an eine "Nazisse", wie er sagte. Diese veranlaßte, daß Hanaks eine andere Wohnung in Eichwalde zugewiesen wurde, um die untere Etage allein bewohnen zu können. Familie Hirsch kam zunächst in Berlin-Lichterfelde in Nachbarschaft einer SS-Kaserne unter (Adresse unbekannt), vermutlich in der Nähe der Finckensteinallee. Frau Hirsch erwartete zu dieser Zeit ein Kind. Gemeinsam mit seiner Mutter besuchte Herr Hanak mehrfach die Familie Hirsch in Lichterfelde. Er erzählte, daß Max Hirsch, von Beruf Kaufmann, während des ersten Weltkrieges als Oberleutnant gedient und militärische Auszeichnungen erhalten hätte. Deshalb habe er nicht wirklich daran geglaubt, einmal in Deutschland verfolgt zu werden, seine patriotische Haltung mit den Füßen getreten zu sehen. Bei einem dieser Besuche habe Frau Hirsch weinend erzählt, daß die Familie nach Theresienstadt gebracht werden solle. Am 11. Mai 1941 brachte Frau Hirsch in Berlin eine Tochter mit Namen BELA HIRSCH zur Welt. Dieses Kind haben Hanaks aber damals nicht mehr gesehen, weil die Familie Hirsch ihnen geraten hatte, sicherheitshalber von weiteren Besuchen Abstand zu nehmen.

Es war für damalige Vehältnisse von Frau Hanak mutig, nicht alltäglich, als "Arierin" in Kontakt mit Juden zu bleiben, besonders unter Kriegsbedingungen. Am 10. September sperrte die Gestapo den Zuzug nach Berlin. Dem Ehepaar Hirsch war Wohnraum in Berlin-Friedrichshain, Proskauer Straße 20 zugewiesen worden. Ernst Ludwig Hirsch wohnte in der Gotlandstraße 7 im Stadtbezirk Prenzlauer Berg.

Im September 1941 hatte die Naziführung beschlossen, noch während des Krieges Deutschland "judenfrei" zu machen. Goebbels schrieb am 24. September in sein Tagebuch, daß Berlin als erstes an die Reihe käme. Ernst Ludwig Hirsch wurde aus dem Berliner Sammellager in der ehemaligen Synagoge Levetzowstraße mit dem 3. Transport am 27. Oktober 1941 vom Güterbahnhof Grunewald nach Litzmannstadt ( Lodz ) deportiert, wo sich ein großes Ghetto befand. Von dort wurden die Juden aus Berlin in das Vernichtungslager Kulmhof (Chelmno) transportiert und ab Dezember 1941 in besonders ausgerüsteten Kraftwagen durch Motorabgase umgebracht. 50 Personen wurden in einen solchen Gaswagen gepfercht und erstickten binnen 10 Minuten. Ihre Leichen wurden in Massengräbern durch jüdische Arbeitskommandos beerdigt. Am 20. Januar 1942 wurde in einer Konferenz am Großen Wannsee beschlossen, ab jetzt eine "Endlösung der Judenfrage" durch Massenvernichtung herbeizuführen. Alle Juden Europas sollten durch industriemäßig perfektionierten Mord getötet werden.

Am 1. Februar 1943 erhielt das Ehepaar Hirsch die Aufforderung, sich auf eine "Umsiedlung" vorzubereiten. Die Familie hatte vom zuständigen Gerichtsvollzieher am 1. Februar 1943 entsprechend beizubringende Formulare erhalten. Schließlich sollte ja alles nach Gesetz und Ordnung gehen! Sie bekamen Verhaltensmaßregeln mitgeteilt, welches Gepäck "zur Ansiedlung im Osten" mitzubringen sei, wie sie die Wohnung zu verlassen hätten und weitere Befehle dieser Art. Insbesondere war eine Vermögensaufstellung aufzulisten, die der Vermögenserklärung beizufügen war. Frau Hirsch hatte diese Erklärung auch für Tochter Bela auszufertigen. Die "Verlegung des gewöhnlichen Aufenthalts ins Ausland", wie man die vorgesehene Ermordung euphemistisch umschrieb, hatte laut Gesetz den Verlust der deutschen Staatsangehörigkeit zur Folge und bedeutete zugleich die Einbehaltung aller noch vorhandenen Vermögenswerte zu Gunsten des deutschen Staates. Als 'Ausland' waren in einer geheimen Anordnung zur 11. Verordnung zum Reichsbürgergesetz, eines der "Nürnberger Gesetze", die von der Wehrmacht besetzten Gebiete bezeichnet worden. So schließt die Verfügung für die zu deportierende Frau Hirsch mit den Worten : "...wird...das gesamte Vermögen des - der Frida Sara Hirsch geborene Landsberg geboren am 2.3.93 in Berlin zuletzt wohnhaft in Berlin O.112 Proskauer Str.20 zugunsten des Deutschen Reiches eingezogen. Im Auftrage... Unterschrift " (Fehler i. O., d. A.). Die Familie Hirsch war bereits derart verarmt, daß sie kein Vermögen mehr anzugeben wußte. Das Geld aus der Zwangsenteignung war zweifellos, wie damals bei "Arisierungen " üblich, vom Deutschen Reich konfisziert worden.

Als letztes Zeugnis hinterließen Max und Frieda Hirsch ihre Unterschriften auf den Vermögenserklärungen, für Bela unterschrieb Frau Hirsch. Zum letztenmal schrieben sie den Namen ihres Heimatortes "Eichwalde", der für sie seit 1938 nur noch "Kennort" mit einer persönlichen Nummer geblieben war. Auf Anordnung des Reichssicherheitshauptamtes wurden Hirschs wahrscheinlich morgens am 27. Februar 1943 von der Arbeit oder aus der Wohnung abgeholt und in eines der Berliner Sammellager (Große Hamburger Straße, Synagoge Levetzowstraße, Konzerthaus Clou und zwei Kasernen) gebracht. Dort sperrte man sie wie üblich mehrere Tage bis zur Deportation ein. Max Hirsch wurde am 2. März 1943, am 50. Geburtstag seiner Frau Frieda, mit dem 32. Transport gemeinsam mit 1758 anderen Juden von Berlin nach Auschwitz deportiert. Dieser Tag wurde später vom Standesamt als sein Todestag registriert. Am nächsten Tag, dem 3.März 1943, brachte der 33. Transport Frieda und Bela Hirsch mit insgesamt 1732 Juden nach Auschwitz. Er gilt als ihr Todestag. Ihre Tochter Bela wäre in etwas mehr als zwei Monaten zwei Jahre alt geworden...

Erst am 10. Juni 1943 kam der "Obergerichtsvollzieher" dazu, die geräumte Wohnung der Hirschs zu besichtigen. Es wurde schneller deportiert, als das hinterlassene Gut verwertet werden konnte. Die Möbel wurden den Berliner Möbelhäusern verkauft. Der Beamte schrieb in die Inventar- und Bewertungsliste:" Nach Angabe der Vermieterin Frau Elise Wolff sind die Nachlaßgegenstände der Eheleute Max Israel und Frieda Sara Hirsch bereits vor etwa zwei Wochen von einem GV (Gerichtsvollzieher, d. A.) abgeschätzt und durch einen Händler abgeholt. Die jetzt im Zimmer befindlichen Gegenstände sollen nach Angabe der Frau Wolff Eigentum des Juden Hermann Israel und Frau Viktoria Sara Neumann sein. Diese sind auch bereits vor einiger Zeit abgeschoben. Das Zimmer war versiegelt."

Das "Gedenkbuch Berlins der jüdischen Opfer des Nationalsozialismus", in welchem auch die Namen ermordeter Juden Eichwaldes aufgenommen sind, trägt auf der Titelseite die mahnende Aufforderung und hoffende Bitte:" Ihre Namen mögen nie vergessen werden! ". Sonja Ziemann, die bekannte Schauspielerin, 1926 in Eichwalde geboren, schreibt 1989 in ihrem autobiografischen Erinnerungsbuch: "Hier gerate ich ins Stocken mit meiner Chronik,...Es kommt mir so vor, als hätte sich unser Leben wie unter einer Glocke abgespielt. Ein Großonkel, der in Zeuthen, einem Nachbarort von Eichwalde, wohnte, besuchte eines Tages meinen Vater. Als ich ins Zimmer trat, unterbrachen sie ihr Gespräch. Ich hörte nur noch: '... in Güterwaggons...'. Papa saß kreideweiß am Tisch, als sei ihm schlecht... Er muß damals zum ersten Mal etwas Entsetzliches erfahren haben, das im Zusammenhang mit der Deportation jüdischer Mitbürger stand.“


1 Vgl. Benz, S. 162 ff. Zahlenangaben aus Ploetz, S. 102.
2 Bauakte im Bauarchiv der Gemeindeverwaltung Eichwalde.
3 BLHA, Pr.Br.Rep. 36 A, Nr. 4506 u. F 157.
4 Vgl. Benz, S.106.
5 BLHA, ebenda.
6 Vgl. Wolf Gruner, a.a.O.( Abschnitt 15, Anm. 16), S. 242ff.
7 Vgl. Gedenkbuch Berlins der jüdischen Opfer des Nationalsozialismus, (Hrsg.) Freie Universität Berlin, Zentralinstitut für sozialwissenschaftliche Forschung im Auftrag des Senators für Kulturelle Angelegenheiten, Berlin 1995.
8 Wolfgang Benz: Der Holocaust. München 1995, S. 77.
9 Annalene Staudte-Lauber : Stichwort Holocaust. München 1997, S.50.
10 Gedenkbuch, a.a.O.,( Boas, Erwin, geb. 04.02. 93. )
11 Vgl. KWZ v. 17. Dezember 1940.
12 Bericht Herr Hanak, Eichwalde, Waldstr., Dezember 2003.
13 Ebenda.
14 BLHA, Pr. Br. Rep. 36A (II), Nr.15401.
15 Vgl. Gedenkbuch, a.a.O., S.506. ( Hirsch, Ernst, Ludwig, geb. 09.07. 20.)
16 Vgl. Reinhard Rürup , a.a.O, S.248. ( wie Abschn.15, Anm.16 )
17 Gedenkbuch ,a.a.O., S. 1438. Vgl. Deutschland, Bd. 2, S.95 ff.
18 Vgl. Deutschland, Bd. 2, S.417 f.
19 BLHA, wie Anm.14.
20 BLHA, Pr.Br. Rep., 36A (II), Nr. 15401.
21 Sonja Ziemann, a.a.O., S.40 / 41.


Widerstand

In Berlin soll es nach der Befreiung etwa 1500 Juden gegeben haben, die während der Nazizeit dank stiller Helfer untergetaucht waren und die Verfolgung überlebten. Auch Eichwalder haben mutig dazu beigetragen, Leben zu retten. Diese Geretteten und ihre oft kurz als "Verstecker" bezeichneten Menschen aus Eichwalde und seinen Nachbarorten haben damit in besonderer Weise, obwohl sie selbst zu den am meisten Gefährdeten zählten, Widerstand gegen ein unmenschliches Regime geleistet.

(Folgenden Vorgang wegen Reihenfolge bei Schieb prüfen.) Im Januar 1943 floh das jüdische Ehepaar Sandelowski mit seinem Sohn Heinz aus Berlin vor der Deportation. Sie versteckten sich bei einer kommunistischen Familie in Schulzendorf. Einige Tage später verriet ein Mann, dem sie zuvor in Berlin einige Sachen zur Aufbewahrung anvertraut hatten, die Eltern von Heinz Sandelowski an die Gestapo, die aber offenbar über den Verbleib des Sohnes keine Angaben machten. Sie wurden im Mai 1943 in Auschwitz ermordet. Heinz Sandelowski lebte weiterhin illegal in Schulzendorf und Eichwalde, wo er Anschluss zu antifaschistisch gesinnten Einwohnern gefunden hatte. In einer eidesstattlichen Erklärung vom 7. Juli 1946 bestätigte er als der "unterzeichnete Heinz Sandelowski (Jude; ODF-Nr. P I 2452)... hier in diesem Ort (Eichwalde) ca. 3 Jahre illegal gelebt " zu haben. Wie gelang es ihm, der Jagd auf Juden zu entkommen, wer gab ihm Unterschlupf, sorgte für Lebensmittel, Kleidung und anderes Lebensnotwendige? Wer war so mutig, sich selbst in Gefahr zu begeben, um Verfolgten zu helfen? Der Schlosser Emil Kaschel, ehemaliger politischer Leiter der KPD-Ortsgruppe Eichwalde, war nach seiner Verurteilung im Jahre 1933 gezwungen, mit seiner Frau Martha und Tochter Erika eine andere Wohnung zu suchen. Er fand diese in der heutigen Schulzendorfer Rudolf-Breitscheid-Straße 40. Im Unterschied zu seinem Eichwalder Vermieter, der nicht länger einen Kommunisten im Haus haben wollte, war der neue Hauswirt kein Freund der Nazis. Er hieß Gammeter und besaß die Schweizer Staatsangehörigkeit. Ihm war die antifaschistische Gesinnung seines neuen Mieters nicht verborgen geblieben. Vielleicht hatte er sogar weitere Kenntnisse über die illegale Arbeit Emil Kaschels. Dieser knüpfte allmählich ein Verbindungsnetz aus kommunistischen, sozialdemokratischen und anderen antifaschistisch gesinnten Einwohnern in Eichwalde, Schulzendorf und Berlin-Schmöckwitz, die miteinander unverdächtige Beziehungen unterhielten. Diesem Netz und dem Mut aller Beteiligten verdankte Heinz Sandelowski sein Überleben. Doch nicht nur ihm konnte geholfen werden.

Gammeter unterhielt geschäftliche Verbindungen zu einem Lebensmittel-Kaufmann in Berlin-Charlottenburg. Eines Tages, es war im Jahre 1944, bat dieser ihn, einem jüdischen Ehepaar Unterkunft zu beschaffen. Die Berliner Familie Elka und Isaak Bergmann mit ihren kleinen Söhnen Sascha und Max hatte sich schon seit 1942 mit immer neuen Aufenthaltsorten der Deportation entzogen. Frau Erika Wolff, Tochter von Emil Kaschel, schrieb dazu im Jahre 2003 wie folgt: " Da Gammeter ein Nazigegner war, hat er meinen Vater um Hilfe gebeten. Darum stellten wir unsere 2 Kellerräume zur Verfügung. Wir organisierten Lebensmittel vom Charlottenburger Kaufmann und gaben Eigenes aus der Gartenernte hinzu. Die Familie wohnte vom Herbst 1944 bis Kriegsende bei uns... Über die jüdische Familie hörte ich später, sie sei ausgewandert nach Amerika." Mit Hilfe weiterer Freunde wurden zur Sicherheit und nach Notwendigkeit Quartierwechsel organisiert. Auch bei Otto und Emma John in der Schmöckwitzer Siedlung, die in einem bescheidenen Häuschen in der Gasse Siedlers Eck Nr.1 wohnten, kam die vierköpfige Familie unter. Der Kabelarbeiter Otto John ( 1882 - 1967) und die Arbeiterin Emma John, geb. Dick (1885 – 1963) gehörten als frühere Mitglieder der KPD zum Freundeskreis um die Familien Kaschel, Maureschat, Weidner, Zietz und anderen. Johns Tochter Erika, die spätere Frau Zietz, berichtete, dass mehrere Leute in der Siedlung, aber auch in Schulzendorf und Eichwalde, zwar etwas von diesen illegalen Vorgängen ahnten, sich aber solidarisch verhielten. Die jüdische Familie wurde versorgt, es kam sogar häufig vor, dass Herr Isaak Bergmann mit der Bahn nach Adlershof fuhr und von dort aus einer Wehrmachtseinrichtung Nahrungsmittel für die Familie und alle Freunde heranschaffte. Anfang Mai 1945 kehrte er von einem dieser Besorgungsgänge nicht mehr nach Eichwalde / Schmöckwitz zurück. Er soll bei den Wirren der letzten Kämpfe in Berlin erschossen worden sein.

Die Familie John war als eine gastfreundliche Familie bekannt, die oft Besuch bekam, so dass der Aufenthalt scheinbar fremder Personen in ihrem Garten eigentlich kein sonderliches Aufsehen machte. Sonja Ziemann schreibt darüber in ihren Erinnerungen: " Die Eltern von Erika hatten ein sehr großes, schönes Grundstück mit einem hübsch angelegten kleinen Teich. Als ich noch zur Schule ging, hatten wir dort während der großen Ferien mit vielen Freundinnen Theaterstücke improvisiert. Erikas Vater war ein sehr stiller, freundlicher Herr, älter als mein Papa. Herr John, so schien es mir, arbeitete ständig im Garten. Erikas Mitschülerinnen, darunter auch ich, waren dort stets willkommen. Frau John zauberte Kuchen oder Kekse, und Töchterchen Erika half mir bei den schulpflichtigen Handarbeiten." An dieser Idylle schien sich auch während der Kriegsjahre scheinbar nicht viel geändert zu haben. Meist kümmerte es kaum jemanden, wer da wieder mal für einige Zeit zu Besuch bei Johns im Haus und Garten war, wie nun des öfteren die Familie Bergmann. Sowohl bei Kaschels als auch bei den Brüdern Zietz und der Familie John hatte es mehrfach Haussuchungen gegeben, die, ohne konkreten Anlass, nur zur Einschüchterung ehemals aktiver Kommunisten dienen sollten. Aber auch durch einen SA-Mann aus der Nachbarschaft der Familie John, der Verdacht geschöpft hatte, waren Hinweise an die Polizei gegeben worden. An diesen Haussuchungen bei Johns habe sich mehrfach der Eichwalder Anwalt Hugo Lesser beteiligt, dessen besonders forsches Auftreten die verwitwete Frau Erika Zietz noch immer vor Augen hat. Allerdings gehörte auch eine ordentliche Portion Glück zu dieser stillen Hilfe. Ein Polizist, der bei einer Haussuchung zugegen war, erwies sich als alter Berliner Bekannter der Johns. Er gab zu verstehen, dass er keine Verdachtsmeldungen weitergeleitet habe. Ein Beispiel für die Couragiertheit von Emma John sind die Aufenthalte im Karolinenhofer Luftschutzbunker. Frau John war mit dem kleinen Max Bergmann bei Fliegeralarm häufig in den Bunker gegangen, weil er sich sehr fürchtete, sobald er die Sirenen heulen hörte. Der Bunkerwart fragte sie einmal, was sie denn da immer für einen kleinen 'Judenbengel' mit sich schleppen würde. Frau John antwortete nur:"Halt die Klappe!", denn der Bunkerwart war ein früherer Klassenkamerad von ihr. Fortan stellte dieser keine Fragen mehr wegen des etwas 'unarischen' Aussehens des Kindes. Nach dem Krieg ging Frau Bergmann mit beiden Kindern zunächst nach Palästina (Israel), wo ein Verwandter ein Frisörgeschäft besaß, wie sich Frau Zietz erinnerte. Später soll die Familie in Brasilien gelebt haben. Gefragt, ob sie wieder etwas von Bergmanns gehört habe, verneinte Frau Zietz und sagte in ihrer Berliner Art : " Wissen se, wir ham det jemacht, weil wir helfen wollten, janz einfach nur helfen und nich, um uns ne joldne Nase zu verdienen. So war det nämlich, wissen se?"

Heinz Sandelowski hatte Kontakte zu weiteren jüdischen Verfolgten, und er soll auch die Familie Bergmann bei Kaschels getroffen haben. Im April 1943 lernte Sandelowski Amalie Weinberg kennen, eine Tochter der jüdischen Familie Weinberg, die sich in Berlin verborgen hielt. Als nun die Mutter seiner Freundin, Frau Channa Weinberg, ihr Versteck in Berlin verlassen musste, kam Sandelowski sein besonderes Vertrauensverhältnis zu Emil Kaschel zu gute. Mit dessen Beziehungen wurde Channa Weinberg im Hause von Bruno Nitter in Schulzendorf, Richard-Wagner-Str. 32, untergebracht. Bruno Nitter selbst, der bis 1933 ebenso wie seine Lebensgefährtin Elfriede Braun der KPD nahe gestanden hatte, war zu dieser Zeit bei der Wehrmacht. Aber Elfriede Braun, die allgemein als "Frau Nitter" bekannt war, nahm Frau Weinberg auf, nachdem zuvor ein als "Verstecker" tätiges Ehepaar in Schulzendorf dem Druck der illegalen Arbeit nicht mehr gewachsen war und sogar mit Verrat gedroht hatte. Frau Braun-Nitter verbreitete die Legende, eine Verwandte aus Polen sei wegen der Kriegsereignisse angekommen. Das war notwendig, weil Frau Weinberg, aus Warschau stammend, nicht akzentfrei deutsch sprach. Nähere Umstände über beschaffte falsche Papiere o. dgl. sind nicht bekannt. Heinz Sandelowski selbst lebte jetzt meist bei Emil Kaschel , den er 1990 in einem Interview als den "Kopf" der Widerstandsgruppe bezeichnete. " Bei Frau Nitter und 'Emil' überstanden Channa Weinberg und Heinz Sandelowski die Verfolgungen. In den letzten Monaten des Krieges beteiligte sich Heinz Sandelowski mehr und mehr an den Aktionen der Widerstandsgruppe, indem er beim Verteilen von Flugblättern half ", wie berichtet wurde. Nach der Befreiung trafen sich die Angehörigen der Familie Weinberg in Kaschels Wohnung. Sandelowski heiratete im August 1945 in Schulzendorf Amalie Weinberg. Nach Geburt ihrer Tochter verließen Sandelowskis im November 1947 Deutschland und lebten fortan in den USA.

Es gab kein spezielles Gesetz, welches die Unterstützung von Juden unter Strafe stellte. Aber das hätte es ohnehin nicht extra bedurft, weil es durch Sondergerichtssprechung und diverse Gesetze genügend Spielraum für Strafen und willkürliche Verfolgungen gab. Bereits das preußische Gesetz über die Geheime Staatspolizei vom 10. Februar 1936 enthielt Generalvollmachten zur Verfolgung sogenannter staatsgefährdender Bestrebungen, die keinerlei Nachprüfung der Verwaltungsgerichte unterlagen. Damit war eine völlige Lösung von rechtlichen Bindungen gegeben. Willkürliche Inhaftierungen in Konzentrationslagern waren jederzeit möglich. Allein die illegale Beschaffung von Lebensmitteln hätte unter Anwendung der "Verordnung gegen Volksschädlinge" vom 5. September 1939 zur Todesstrafe führen, der Umgang mit Juden leicht als Fall von "Rassenschande" ausgelegt und mit KZ geahndet werden können.

Ein Meldung aus der "Königs Wusterhausener Zeitung" vom Juni 1943 lässt erahnen, welche Risiken die jüdischen Verfolgten und ihre stillen Helfer auf sich nahmen, als sie ihr Leben zu retten und ihre menschliche Anständigkeit zu bewahren suchten. Das Blatt meldete :" Im Laufe des letzten Wochenendes wurden hier von der Königs Wusterhausener Polizei drei Juden festgenommen, eine Frau und zwei Männer, die schon seit eineinhalb Jahren flüchtig sind und unter falschem Namen leben. Die Juden, die sich als Arier ausgaben, sind während dieser Zeit immer herumgereist und haben sich als Wochenendgäste eingemietet. Sie sind nunmehr der Berliner Polizei zugeführt worden."


1 Vgl. Martina Voigt: Versteckt in der eigenen Wohnung – Selbsthilfe Untergetauchter. Emdener Straße 54: Die Familie Weinberg und ihre Freunde. In: Kurt Schilde, Versteckt in Tiergarten. Auf der Flucht vor den Nachbarn, Gedenkbuch für die im Bezirk in der Zeit des Nationalsozialismus Untergetauchten, Berlin 1995, S. 108 ff.
2 BLHA, Pr. Br. Rep. 203 AzS, Nr. BET 1270, Bl. 226.
3 Brief von Frau Wolff an den Autor am 7. Oktober 2003.
4 Nach Mitteilung von Frau Barbara Schieb, Gedenkstätte Deutscher Widerstand in Berlin.
5 Sonja Ziemann, a.a.O., S. 50.
6 Bericht Frau Erika Zietz, geb. John, Berlin-Schmöckwitz, Siedlers Eck, im Februar 2004.
7 Vgl. Martina Voigt, a.a.O., S. 112.
8 Gespräch mit Frau Nitter, geb. Sarnecki, Schulzendorf, Richard-Wagner-Str. , am 17. März 2004. Frau Nitter, Jg. 1931, ist die verw. Ehefrau von Bruno Nitter, der bis zum Tode von Elfriede Braun mit dieser in Lebensgemeinschaft gelebt und erst später die deutlich jüngere Frau Sarnecki geheiratet hatte.
9 Diese Tatsache betätigte Frau Günther, Eichwalde, Stubenrauchstr., die "Heinz"- sie wusste auch damals nicht den Familiennamen – dort gesehen hatte, als sie ihre Freundin Erika Kaschel besuchte.
10 Vgl. Martina Voigt, a.a.O., S. 113.
11 Ebenda.
12 Vgl. Deutsche Geschichte in Daten, Inst. f. Gesch. der Dt. Akademie d. Wiss.(Hg.), Berlin 197, S.731.
13 Vgl. Benz, S. 88.
14 Vgl. Bernward Dörner: Terror. In: Jürgen Engert (Hg.), Heimatfront - Kriegsalltag in Deutschland 1939 – 1945, Begleitbuch zur gleichnamigen Fernsehreihe, Berlin 1999, S. 142 ff.
15 KWZ v. 10 .Juni 1943.


Kriegsgefangene und Zwangsarbeiter

Als die Kriegerkameradschaft im Februar 1941 im Restaurant "Krenz" (heute als 'Kleiner Alex' bekannt) wieder ihren Monatsappell abhielt, wurde nachdrücklich darauf hingewiesen, "daß jedermann sich gegen die Kriegsgefangenen zurückhaltend zu benehmen hat." Es war von Polen und Franzosen die Rede. Anliegen der Rede des 'Kameradschaftsführers' Schwerdt war es, für die Isolierung der Kriegsgefangenen von der Eichwalder Bevölkerung zu sorgen.

Bereits am 23. Juni 1939 hatte die Naziführung den Einsatz von Kriegsgefangenen in der deutschen Kriegswirtschaft beschlossen. Der Arbeitskräftemangel in der deutschen Industrie und Landwirtschaft hatte sich schon vor Kriegsbeginn außerordentlich bemerkbar gemacht. Die mit Auslösung des Krieges verstärkten Einberufungen zur Wehrmacht verschärften das Arbeitskräfteproblem, insbesondere nach dem Überfall auf die Sowjetunion. Nach Kriegsbeginn waren in der Provinz Brandenburg Kriegsgefangenenlager aufgebaut worden. Seit September 1939 kamen 5000 polnische Kriegsgefangene in ein sogenanntes Stammlager des Wehrbezirks III in Luckenwalde (StaLag III A), von denen 1940 die meisten formal entlassen, aber umgehend als Zivilarbeiter zur Zwangsarbeit gepreßt wurden. Schon bald folgten ihnen 2000 polnische zivile Zwangsarbeiter, denn gleich nach Kriegsbeginn wurden in Polen deutsche Arbeitseinsatzbehörden geschaffen, die Arbeitskräfte zu rekrutieren hatten. Erlasse und Verordnungen, wie die "Polen-Erlasse" vom 8.März 1940, bestimmten die Verhaltensbedingungen polnischer Arbeitskräfte und den Umgang mit ihnen. Polnische Arbeitskräfte hatten als Kennzeichen ein auf die Spitze gestelltes gelbes, violett umrandetes Quadrat mit dem ebenfalls violett gefärbten Buchstaben 'P' darin an ihrer Bekleidung zu tragen. Nicht nur dieses äußerliche Merkmal sollte für die gesellschaftliche Isolierung der Zwangsarbeiter sorgen. 1940 kamen britische, französische und im Jahr 1942 amerikanische Kriegsgefangene in die Provinz Brandenburg.

Bei den Planungen und Rüstungsvorbereitungen für den Überfall auf die Sowjetunion und die vorgesehene Invasion in England wurden Maßnahmen getroffen, um den gewaltigen Arbeitskräftebedarf zu befriedigen. Zu diesem Zweck wurden Unterkünfte vorbereitet. Die deutsche Regierung hatte ihren Verbündeten wie Italien, Ungarn und der Slowakei Verträge aufgezwungen, " die sie nötigten, Arbeiter nach Deutschland zu schicken. Im Februar 1941 vereinbarten die deutschen und die italienischen Behörden, daß ca. 270 000 italienische Arbeiter noch im Laufe des Jahres 1941 nach Deutschland kommen sollten." Im November 1941 trafen die ersten 4000 sowjetischen Kriegsgefangenen in der Provinz Brandenburg ein, die seit Anfang 1942 in der Rüstungsproduktion eingesetzt wurden. Wie Göring es bereits am 7. November 1941 angekündigt hatte und seine Geschäftsgruppe 'Arbeitseinsatz' detailliert vorbereitete , wurden bereits im Januar 1942 in sogenannten 'Aktionen' über 620 000 sowjetische Zivilarbeiter nach Deutschland verschleppt, wobei ganze Familien mit Frauen und Kindern, vor allem aber mehr Frauen als Männer deportiert wurden. Von da an kam es in Deutschland zum massenhaften Arbeitseinsatz von Zwangsarbeitern überwiegend russischer, weißrussischer und ukrainischer Nationalität, die man als "Ostarbeiter" bezeichnete. Sogenannte "Ostarbeiter-Erlasse" vom 3. Februar 1942 regelten den Umgang mit ihnen. Sie wurden ebenfalls mit einer Kennzeichnung auf der Kleidung versehen, mit der Aufschrift "OST" in blauer Farbe auf weißem, blau umrandetem Viereck. Neben den in der Kriegswirtschaft eingesetzten in- und ausländischen KZ-Häftlingen wurden in wachsender Anzahl westeuropäische zivile Arbeitskräfte angefordert und nach Deutschland geholt. Der Gauleiter von Thüringen, Fritz Sauckel, seit März 1942 "Generalbevollmächtigter für den Arbeitseinsatz" und verantwortlich für den Ausbau des Systems der Zwangsarbeit, erklärte 1944, daß von fünf Millionen Arbeitern, die nach Deutschland gekommen waren, keine 200 000 freiwillig gekommen seien. Es wird eingeschätzt:" Von den 14 Millionen Menschen, die auf Sauckels Befehl bis zum Ende des zweiten Weltkrieges nach Deutschland verschleppt wurden, kam fast jeder zweite ums Leben."

Nahezu alle diese hier kurz umrissenen Vorgänge lösten seit Kriegsbeginn in Eichwalde entsprechende Aktivitäten aus, die sich wie folgt entwickelten: Als am 4. Juli 1939 das Landratsamt des Kreises Teltow die Gaststätte von Otto Witte, "Wittes Waldschlößchen " in der Kaiser-Friedrich-Straße 1 (Heinrich-Heine-Allee), baupolizeilich begutachtete, wurde Baufälligkeit festgestellt und Konzessionsentzug angedroht. Der Kriegsbeginn machte alle Hoffnungen auf Instandsetzung unmöglich. Da bot sich die Gelegenheit, die Räumlichkeiten für eine Unterbringung ausländischer Arbeitskräfte zu verpachten. Die Berliner Firma Lindhorst, Werkstätten für Heeresbedarf, pachtete im Sommer 1941 die im Erdgeschoß befindlichen Räume und richtete dort ein "Gemeinschaftslager für italienische Arbeiter" ein, das für eine Belegung von mehr als 60 Personen vorgesehen war. Im Oktober 1941 trafen beim Arbeitsamt Berlin bereits die ersten Arbeiter aus Italien ein. Im März 1942 wurde in Eichwalde polizeilich festgestellt, daß die Italiener wegen desolater Aborte und Fäkaliengrube unter derartig unhygienischen Verhältnissen leben mußten, daß selbst für die Umgebung gesundheitliche Schäden zu befürchten waren. Wenn solche Zustände schon bei geworbenen freiwillig nach Deutschland gekommenen Arbeitern angetroffen wurden, so war von Unterkünften für Zwangsarbeiter nichts Gutes zu erwarten.

Im Lager Kaiser-Friedrich-Str.1 wurden am 21.Mai 1943 neben 15 Italienern und 15 Belgiern auch 38 Polen nachgewiesen. In einem Zeitungsbericht vom Dezember 1942 ist von der Verurteilung des bei einem Eichwalder Schuhmachermeister arbeitenden 53-jährigen Belgiers Venloet wegen Lederdiebstahls die Rede. Als im Juli 1943 Mussolini gestürzt worden war, wurden italienische Soldaten zur Zwangsarbeit nach Deutschland gebracht. Sie wurden als Militärinternierte ('Imis') bezeichnet, weil so ihre Behandlung nach der Genfer Konvention von 1929 für Kriegsgefangene umgangen werden konnte. Am 21.Juli werden für das Lager allerdings nur 2 italienische, aber 38 polnische Zwangsarbeiter gezählt. Italiener haben in der Lindenstraße 2 einen privaten Luftschutzbunker anlegen müssen. Auch ein Arbeiter aus einem Balkanstaat wurde in Eichwalde registriert. Die Bewegungsfreiheit der polnischen Zwangsarbeiter war grundsätzlich erheblich eingeschränkt. Vergehen wurden in der Regel durch die Gestapo geahndet. Aus einem Gerichtsbericht vom 12. Februar 1943 über den Diebstahl eines Arbeitsanzuges und einer Raucherkarte durch einen in Eichwalde untergebrachten 22-jährigen Polen erfährt man das drakonische Strafmaß für dieses geringfügige Vergehen: 6 Monate kostenpflichtiges Straflager. Die Lebensverhältnisse in derartigen Lagern führten durch Unterernährung, Entkräftung und Mißhandlungen häufig zum Tod und waren mit den KZ vergleichbar. Erinnerungsberichte von Eichwaldern geben Auskunft über den privaten Kontakt mit polnischen Arbeitskräften, die man bei der Gemeindeverwaltung für häusliche Arbeiten anfordern konnte. Die Umgangsformen von Einwohnern mit Zwangsarbeitern unterschieden sich in der Regel wohltuend vom offiziell verlangten Verhalten, wenn ein Zwangsarbeiter zur Gartenarbeit oder zum Holzhacken angefordert worden war. Obwohl man sich mit ihnen nicht unterhalten sollte, wurde gemeinsam gegessen, geredet und wurden Familienfotos betrachtet. Die polnische Bürgerin Zofia Korszen berichtete im Jahre 2002, daß sie 1943 im Alter von 15 Jahren aus ihrer Schule in Polen abgeholt, auf einen Lastwagen der Wehrmacht verfrachtet und kurzerhand nach Deutschland zur Zwangsarbeit gebracht wurde. Sie wurde in Eichwalde, Lindenstraße 2, Hausmädchen in der Famlie eines von den Nazis privilegierten Wissenschaftlers, der an Forschungen zur Fernsehtechnik beteiligt war. Hier bekam sie ein Zimmer zum Schlafen und ausreichend zu essen. Als die Rote Armee auf Berlin vorrückte, verließ die Familie Eichwalde und Zofia blieb allein zurück. Im Lager Gosener Str.12 waren 1943 vorwiegend 'Westarbeiter' einquartiert. (früher "Gesellschaftshaus", seit 1998 steht dort ein neugebauter Wohnkomplex). Der Umbau vorhandener Räumlichkeiten der Gaststätte wie Kegelbahn und Schankraum mit Veranda zu einem sogenannten Gemeinschaftslager waren auf Antrag der AEG-Kabelwerke Berlin-Niederschöneweide bereits seit Juni 1941 in Vorbereitung. Im Hauptgebäude wurden ein Eßraum, Schlafsaal und Büro eingerichtet, in der Kegelbahn-Baracke ein Schlafraum für 26 Personen, eine Krankenstube und ein Waschraum. Man zählte hier maximal 83 männliche Arbeitskräfte und 32 weibliche, fast ausschließlich 'Westarbeiter', nämlich Franzosen, Belgier, Holländer. Eine Ostarbeiterin wurde hier ebenfalls nachgewiesen. Die Arbeitskräfte des Lagers Gosener Straße 12 waren bei der AEG-Wildau beschäftigt, die auch als Pächter genannt wird.

In der Chronik der Katholischen St. Antonius-Gemeinde Eichwalde wird berichtet, daß ein aus Belgien verpflichteter flämischer Lehrer und eine Lehrerin aus Österreich Glaubensstunden der Jugend in der katholischen Gemeinde abhielten. Hieran nahm fast nur weibliche Jugend teil, weil die männlichen Jugendlichen meist eingezogen worden waren. "Bei Schwarks (früher Gesellschaftshaus Wichers) waren Franzosen einquartiert, die zunächst an den allgemeinen Gottesdiensten am Sonntag teilnahmen und an der Kommunionbank dadurch auffielen, daß sie nicht - wie bei uns üblich – mit gefalteten Händen, sondern mit über der Brust verschränkten Armen die Heilige Kommunion empfingen. Später fanden für sie eigene Gottesdienste statt, in denen sich Pfarrer Kohlsdorf in der französischen Sprache versuchte bzw. gedruckte französische Predigttexte verlas", berichtet die Chronik.

Im Lager "Am Schießstand" (Kahle Horst, heute Kahlhorst, zur Gemarkung Waltersdorf gehörend) wurden 4 'Westarbeiter', 11 Ostarbeiter, Männer und Frauen, nachgewiesen. In der Schmöckwitzer Straße 63 waren in der Bäckerei Scheffel 3 'Westarbeiter' einquartiert und beschäftigt. Mit Datum vom 25. November 1941 beantragte der Inhaber der "Groß-Tischlerei für Bau und Innen-Architektur ", Heinrich Rottschäfer, die Genehmigung zur Aufstellung einer Baracke. Sie wurde auf dem kurz zuvor erworbenen Zeuthener Gelände "Am Graben " errichtet. Rottschäfer schrieb: " Die Baracke dient zur Unterkunft von Gefangenen ...Die Arbeiten werden zum größten Teil durch meine eigenen Gefangenen ausgeführt." Offensichtlich arbeiteten bei der Firma bereits vor dem Bau der Baracke Kriegsgefangene, die andernorts einquartiert waren. Französische Kriegsgefangene waren mindestens seit Dezember 1941 im Arbeitslager Rottschäfer untergebracht, denn zu dieser Zeit ließ Rottschäfer bereits einen Gefangenen " wegen Arbeitssabotage und angeblicher Bedrohung des Betriebstechnikers" der Ortspolizei Eichwalde zuführen. Sie blieben zwar nominell Gefangene, erhielten aber seit 1940 einen sogenannten Beurlaubtenstatus und damit mehr Bewegungsfreiheit. Französische Gefangene und sogenannte Westarbeiter wie Belgier und Holländer wurden wesentlich besser als polnische oder sowjetische Arbeitskräfte behandelt - Ausdruck des herrschenden Rassismus jener Zeit.

Die Firma Rottschäfer, die seit 1939 mit der Produktion von Spezialanfertigungen am Bau von Jagdflugzeugen und am Zerstörerprogramm der Marine beteiligt war, außerdem Holzkisten für die Wehrmacht produzierte, beschäftigte Kriegsgefangene und Zwangsarbeiter. Besonders nach dem Eintreffen von sowjetischen Zwangsarbeitern hatten immer wieder Informationen über die schlechte Unterbringung, erbärmliche Versorgung und verantwortungslose medizinische Betreuung der bis zu 90 Ausländer in der Firma, insbesondere der 1943 nachgewiesenen 37 sowjetischen 'Ostarbeiter', bei manchen Eichwaldern Aufmerksamkeit erregt. Das ganze Ausmaß menschenunwürdiger Behandlung der bei Rottschäfer eingesetzten Zwangsarbeiter zeigte sich aber erst nach Kriegsende. Drei als Kriegsgefangene nach Deutschland gekommene Franzosen, die seit 1.Juni 1943 bei Rottschäfer arbeiteten, meldeten sich "nach dem Russeneinmarsch", wie es in einem Bericht aus dem Jahre 1946 heißt, bei der sowjetischen Kommandantur in Schmöckwitz, um gegen die Inhaber der Firma auszusagen. Nach ihren Berichten wurden Walter und Heinrich Rottschäfer umgehend verhaftet. Es stellte sich u.a. heraus, daß die Russin Pelageja Horlowa, geb. 20.7.1896, am 11.Oktober 1944 infolge mangelnder medizinischer Versorgung und die Russin Akulina Timoschina, geb. 1892, Anfang November 1944 wegen zu später Einlieferung in das Mahlower Ausländer-Krankenhaus verstorben waren. Eine Schmöckwitzer Einwohnerin berichtete am 5. Juli 1946, daß sie mitunter den Russen Jegor Schuldjeschow, geb. am 9.12. 1923, mit Gartenarbeiten gegen Essenversorgung beschäftigen durfte. Der Hunger veranlaßte ihn, noch zusätzlich um Beschäftigung zu bitten. Als seine Frau Anna, geb. 25.11.1924, die als Ostarbeiterin ebenfalls bei Rottschäfer arbeitete, schwer erkrankte und operiert werden mußte, erfuhr die Einwohnerin davon, daß der Arbeitgeber über jeden Krankheitsfall immer sehr ungehalten war. Die Einwohnerin konnte sich von der skandalösen Unterbringung der Zwangsarbeiter bei Rottschäfers selbst überzeugen. Sie erblickte zerlumpte Betten, in denen auch der Säugling des Ehepaars Schuldjeschow lag, erfuhr von der permanent schlechten Ernährung und von der mangelnden Bekleidung der Ostarbeiter. Täglich wurden Russen, Erwachsene und Kinder, aus der Firma Rottschäfer auf dem Müllplatz der Gemeinde Eichwalde angetroffen, wo sie Nahrungsreste zu finden hofften. Die Arbeiter bekamen gegen Kriegsende täglich 125 Gramm Brot und einen ¾ Liter Suppe. Andere Bürger Eichwaldes bezeugten, Folgen körperlicher Mißhandlungen bei den Ostarbeitern festgestellt zu haben. Ein Eichwalder gab am 6. Juli 1946 zu Protokoll: "Nachts kamen 3 junge Russen (Kinder), 17- und 14-jährig, da sie in den Baracken, die von Ungeziefer total verseucht waren, und auch vor Hunger nicht schlafen konnten, zu uns in die Wohnung. Sie halfen uns, Zuckerrüben schaben. Sie beschwerten sich oft, dass sie wenig zu essen und im strengen Winter nichts anzuziehen hatten....Auch die Franzosen haben sich uns gegenüber häufig darüber ausgesprochen, dass gerade die Russen, noch mehr als die Franzosen, von den Rottschäfers schikaniert und menschenunwürdig behandelt wurden." Welche Praktiken bei Rottschäfers angewandet wurden, um kranke Arbeitskräfte abzuschieben, zeigt das folgende Beispiel: Ein vertrauensärztliches Gutachten für den Bauarbeiter Klemensas Naujokaitis, geb. am 20.12.1920 in Virbalis, bestätigte dessen Arbeitsunfähigkeit ab 24. April 1944. Der Arzt empfahl deshalb eine Rückverschickung in die Heimat. Wahrscheinlich um sich die bürokratischen Mühen dabei zu ersparen, erklärte Rottschäfer in einem Schreiben an die Eichwalder Ortspolizeibehörde, Naujokaitis hätte " unter den Ostarbeitern, französischen Kriegsgefangenen und Tschechen (!!) kommunistische Vorträge " gehalten. Der Eichwalder Meister der Schutzpolizei Priebe verhaftete daraufhin Naujokaitis am 25. April und überstellte ihn am 26. d. M. wegen " kommunistischer Zellenbildung im Tischlereibetrieb Heinrich Rottschäfer" an die Gestapo in Potsdam. Das in Auszügen vorliegende Verzeichnis sogenannter 'zwangsgestellter Personen der Polizeiverwaltung Eichwalde' macht deutlich, daß von Rottschäfer häufig Zwangsarbeiter der Polizei übergeben wurden, deren weiteres Schicksal dann meist in den Händen der Gestapo lag. Darunter waren vorwiegend französische, ukrainische und russische Arbeiter. Für "den Ankauf von Brennspitritus zum Genuss" einer "bezugsbeschränkten Ware", wurden am 8. Januar 1945 vier russische jugendliche Arbeiter im Alter von 20 bis 24 Jahren an die Gestapo überstellt.

Selbst in amtlichen Untersuchungen durch NS-Dienststellen wurde die Lage der Ostarbeiter in den brandenburgischen Lagern als 'untragbar' und 'hoffnungslos' beurteilt und im Interesse der Leistungssteigerung Verbesserungen bei der Ernährung gefordert. Derartige Bemühungen scheiterten, weil eine hohe Todesrate nicht nur bei KZ-Häftlingen, sondern auch bei Zwangsarbeitern einkalkuliert war. Eine im Jahre 1945 nach der Befreiung durchgeführte Haussuchung in der Firma Rottschäfer ergab erhebliche Mengen an gehorteten Lebensmitteln und Bekleidungsstoffen, die den Zwangsarbeitern entzogen worden waren. Alle Bemühungen der Familie Rottschäfer, nach der Befreiung Entlastungszeugen zu gewinnen, waren angesichts erdrückender Fakten zu durchsichtig und deshalb nach damaliger Rechtslage vergeblich. Es half auch nichts, wenn manche Eichwalder den Seniorchef als "nett und freundlich" bezeichneten, ihn als Nazi nicht erlebt haben wollten oder sich der jüdische Eichwalder Einwohner Bieber über seine Arbeitgeber Rottschäfer positiv äußerte – die Kombination aus NSDAP-Mitgliedschaft und Zwangsarbeiterlager-Chef war für die Rottschäfers zu belastend.

Doch es gab auch in Eichwalde Beweise der Mitmenschlichkeit gegenüber den Zwangsarbeitern. Die angesichts bestehender Verbote unter gesuchten Vorwänden hergestellten privaten Begegnungen von Einwohnern Eichwaldes mit Zwangsarbeitern waren als Gesten der Solidarität in einzelnen Beispielen antifaschistisch motiviert. So setzten sich Einwohner dafür ein, daß eine schwer erkrankte Russin ärztlich versorgt wurde. Sie hatte ihr Kind in der Rottschäfer-Baracke auf dem Fußboden entbinden müssen, weil ihr ein Bett dafür verweigert worden war. Erst als die Frau eines Nazifunktionärs mit gewisser Autorität hinzugezogen wurde, ließ sich ein Arzt zur Hilfe bewegen. In Berlin beschäftigte Eichwalder gaben in Betrieben den Zwangsarbeitern Lebensmittel, Brot und Obst . Eichwalder warfen Brot über die Einzäunung des Lagers in der heutigen Heinrich-Heine-Allee1 und brachten am Bahnhof Eichwalde beim Gleisbau eingesetzten Kriegsgefangenen Essenportionen.

Die massenhafte Anwesenheit ausländischer Arbeitskräfte und Kriegsgefangener wurde stets als Sicherheitsrisiko für die "Heimatfront" betrachtet. Deshalb wurde es zur innenpolitischen Aufgabe der NSDAP in jeder Gemeinde erklärt, seit Dezember 1942 zusätzlich zur bereits gebildeten "Landwacht" eine "Stadtwacht" aufzustellen. Deren Aufgabe bestand in der Überwachung der Zwangsarbeiter und Kriegsgefangenen an der Seite der durch Einberufungen verringerten Polizeikräfte. Eine entsprechende Veröffentlichung in der Regionalpresse vom Februar 1943 läßt nicht erkennen, ob derartige Einsatzkräfte auch in Eichwalde aufgestellt wurden. Der Zeitungsbericht rühmte die Erfolge bei der Festnahme von entflohenen Zwangsarbeitern in der Umgebung von KönigsWusterhausen. Deshalb wurde die Formierung einer ehrenamtlichen "Stadtwacht" angekündigt.

In der von Mitarbeitern der DDR-Firma "VEB Innenbaukunst Eichwalde" vor 1989 verfassten Chronik ist zu lesen: " Es ist nicht bekannt, wieviel Personen in diesen Jahren von Rottschäfer der Gestapo übergeben wurden und wieviel überlebt haben. Wir hoffen und wünschen, daß recht viele überlebt haben. Mögen sie dem deutschen Volk und seiner Arbeiterklasse jemals verzeihen, was ihnen auch in diesem Betrieb angetan wurde." Erst 55 Jahre nach dem Ende des zweiten Weltkrieges wurde in Deutschland eine Stiftung zur Entschädigung ehemaliger Zwangsarbeiter gebildet, von denen bis heute viele, wenn nicht sogar die meisten, inzwischen verstorben sind. Heute erinnert in Eichwalde nichts mehr an diese Menschen und ihr Schicksal.


1 KWZ v. 7. Februar 1941.
2 Vgl. Beiträge, Bd. 11, S. 335.
3 Vgl. Ingo Materna / Wolfgang Ribbe (Hrsg.) : Brandenburgische Geschichte, Berlin 1995, S. 654 f. (i. f. B B G )
4 Deutschland, Bd.1, S. 339 f.
5 Ebenda, S. 337 ff.
6 Helmut Bräutigam : Fremdarbeiter in Brandenburg in der NS-Zeit. Dokumentation zum 'Ausländereinsatz' im früheren Regierungsbezirk Potsdam 1939 bis 1945. Regionale Arbeitsstelle für Ausländerfragen, Jugendarbeit und Schule ( RAA ) Brandenburg e.V. (Hrsg.), S. 7 ff. ( i. f. B r ä u t i g a m ) Belegungsangaben über Eichwalder Quartiere liegen nach dieser Literatur ( vgl. S. 54 ff u. S.72 ff ) erst vom 21. Mai bzw. 21. Juli 1943 vor.
7 Kurt Pätzold /Manfred Weißbecker : Hakenkreuz und Totenkopf. Die Partei des Verbrechens, Berlin 1981, S.340.
8 Gemeindeverwaltung Eichwalde, Bauarchiv, Akte Heinrich-Heine-Str. 1, u.a. Dok. v. 14. Okt. 1941.
9 Teltower Kreisblatt v. 8. Dezember 1942.
10 Vgl. Dietrich Eichholtz : Rüstungswirtschaft und Arbeiterleben am Vorabend der Katastrophe ( 1943 / 44). In: Brandenburg in der NS-Zeit, a.a.O.,S.84.
11 Vgl. Bräutigam, S.72.
12 KWZ v. 15. Februar 1943.
13 Vgl. Heimatarchiv, Erinnerungen v. Frau Gerda Dolke. ( u.a. "Der Pole Nikolaus")
14 Vgl. Susanne Statkowa: In Bonn glühten 'Erinnerungslämpchen' auf. In: Märkische Allgemeine Zeitung (Dahme-Kurier), 9. Juli 2002.
15 Vgl. Anm. 6.
16 Gemeindeverwaltung Eichwalde, Bauarchiv, Akte Gosener Str.12, Dok. v. 9. Juni 1941.
17 Heimatarchiv , Chronik der St. Anthonius –Gemeinde , S.26 f.
18 Vgl. Bräutigam, S. 72.
19 Gemeindeverwaltung Zeuthen, Bauarchiv, Grundstück Am Graben, Dok. v. 25. November 1941.
20 BLHA, Pr. Br. Rep. 203 AzS, BET, Nr. 1270, Bl. 140.
21 Die folgenden Angaben sind der in Anm. 20 genannten Akte entnommen.
Sehr zu beachten: (Hrsg.) Kulturlandschaft Dahme-Spreewald e.V.: So war es. Zwangsarbeiter in Deutschland. Zeuthen 2002.
22 Vgl. Bräutigam , S. 79 ff.
23 BLHA, ebenda, Bl. 222 - 229.
24 Heimatarchiv, Bericht Paul Meyer, Gartenstr. 11. , o. Dat. ,S.7.
25 Bericht Herr Hanak, Eichwalde, Waldstr., Dezember 2003.
26 Deutschland, Bd.3, S. 203.
27 KWZ v. 12. Februar 1943.
28 Die Chronik des VEB Innenbaukunst Eichwalde befindet sich im Heimatarchiv.
29 Vgl. Deutschland, Bd. 5, S. 623 ff.
30 Ebenda, S. 227.
31 EHG, Festschrift ,Bericht Gerda Dolke, S. 25.
32 Kreisarchiv, B.E., Nr.178.
33 Vgl. Olaf Groehler: Kampf um die Luftherrschaft. Beiträge zur Luftkriegsgeschichte des zweiten Weltkrieges. Berlin 1988 , S.213.


Die letzten Kriegsjahre

Die Ereignisse zur Jahreswende 1943 / 44 vertieften nicht nur in Eichwalde das Gefühl des 'Anfangs vom Ende'. Die Kampfhandlungen an der Ostfront führten im Verlaufe des Jahres 1944 zur restlosen Vertreibung faschistischer Truppen vom Territorium der Sowjetunion. Im Oktober erreichten die sowjetischen Truppen in Ostpreußen die deutsche Grenze. Die Befreiung europäischer Völker von deutscher Besetzung und profaschistischen Regierungen schritt voran. Am 6. Juni 1944 begann in der Normandie die Invasion der westlichen Alliierten, die nach sorgfältiger Planung mit einer komplizierten Landeoperation in der Endphase des Krieges eine mehr als überfällige wirkliche zweite Front eröffneten. Am 25. Juli 1944 unterschrieb Hitler den Erlaß für einen "totalen" Kriegseinsatz als Reaktion auf die Eröffnung der zweiten Front durch die Alliierten und den Beginn einer neuen sowjetischen Großoffensive gegen die Heeresgruppe Mitte am 23. Juni. Tatsächlich hatte aber die totale Niederlage des Nazireiches begonnen.

Die Beisetzung von fünfzehn Toten der 31 Opfer des Bombenabwurfs am 24. Dezember 1943 fand Anfang Januar 1944 auf dem Eichwalder Friedhof statt. Weitere Tote wurden in andere Orte übergeführt. Eine Grabstätte auf dem Gemeindefriedhof erinnert an diese furchtbaren Ereignisse. Selbst die Trauerfeier wurde zur verbalen Stärkung des Durchhaltewillens und zu kraftstrotzenden Siegesprophezeiungen genutzt. Frau Dolke erzählte:" Zum Sammelbegräbnis war die gesamte Schule angetreten. In allen Gesichtern war Entsetzen und Angst zu erkennen. Danach verließen viele Familien ihren Heimatort. Die Schulklassen wurden wieder kleiner...übermüdet von den nächtlichen Fliegeralarmen, saßen wir oft mit Mänteln in den ungeheizten Schulräumen. Und es geschah oft, daß ein Schüler einschlief, ohne vom Lehrer geweckt zu werden."

Mit Datum vom 25. Januar 1944 erhielt der Bürgermeister Eichwaldes ein Schreiben des Landrates mit folgender Verfügung:" Betreff: Beseitigung des Wortes ‘Katastrophe’. Nach Mitteilung des Reichsministeriums für Volksaufklärung und Propaganda ist auf Wunsch des Herrn Reichsmarschalls das Wort ‘Katastrophe’ nicht mehr anzuwenden. Ich bitte, dafür zu sorgen, daß aus dem Sprachgebrauch das Wort ‘Katastrophe’ ausgemerzt wird und an Stelle des Wortes ‘Katastropheneinsatz’ einheitlich das Wort ‘S o f o r t h i l f e’ anzuwenden ist.“ Die nächsten Anlässe für ‘Soforthilfen’ folgten prompt. Seit November hatte die Zeit der Großangriffe der Royal Air Force und der US Air Force eingesetzt, die verstärkt Rüstungsbetrieben des Berliner Großraums galten. 1944 war die deutsche Luftabwehr der Taktik und Technik der alliierten Luftflotten nicht mehr gewachsen, konnte deshalb weder Betriebe noch die Bevölkerung wirksam schützen. Ständige Anspannung, Angst und Sorge um das nackte Überleben wurden nun auch für Eichwalde und alle Nachbarorte ein bestimmendes Lebensgefühl. Frau Dolke berichtete:" Ein Zug war im Bahnhof angekommen! Fliegeralarm ! Die Menschen rannten mit Einkaufstaschen, Kinderwagen, Koffern usw. durch die Straßen. Luftschutzhelfer standen mit Stahlhelmen vor den Haustüren und boten den Vorbeieilenden einen Platz im Keller an, während schon große Bombergeschwader in Richtung Berlin über uns hinweg brausten. An den Telefonzellen klebten Schilder mit Aufschriften wie:'Pst! Feind hört mit!'...Auf den Straßen waren immer mehr Frauen in schwarzer Kleidung zu sehen. Die Feldpostbriefe von meinem Vater wurden immer seltener. Ein letzter erreichte uns im Frühjahr 1944 aus Odessa, unser Vater kam aus dem Krieg nicht mehr zurück...“

Allein im Januar 1944 kam es zu sechs Großangriffen der britischen Luftwaffe auf Berlin und Umgebung. Am 27. Januar 1944 erfolgte ein konzentrierter Angriff auf 61 Orte, insbesondere des Kreises Teltow. Eichwalde war von Rüstungsbetrieben umgeben: Betriebe in Erkner, Wildau, Schönefeld, Waltersdorf, Köpenick und Treptow waren Ziel von Angriffen der alliierten Bombenflugzeuge. Obwohl sich in der Schmöckwitzer Siedlung im Erlengrund eine mechanische Werkstatt befand, die u.a. Teile für Flugradar fertigte und in Eichwalde bei der Firma Klaas & Oehmen Auto-Lenkräder hergestellt wurden, werden diese kleinen Werkstätten kaum als Angriffsziel gegolten haben. Dennoch war Eichwalde wieder direkt betroffen: "Schäden in der Moltkestraße / Ecke Königstraße (Schulzendorfer / Fontaneallee) und bei Rottschäfer... Holzplatz mit Fabrikgebäude ", ist im Dienstbuch der FFW eingetragen. Herr Peter Beier (Abiturjahrgang 1947) erinnerte sich: " Januar 1944 (vermutlich der 27., d. A.) : Abends Fliegeralarm! Ich gehöre zur Feuerwehr-HJ, also rein in die Klamotten, ab zum Depot neben der Schule. (Heute Alte Feuerwache, d.A.) Im Luftschutzraum der Schule sitzen wir und merken, daß es schnell näher kommt: Schießen, orgeln, pfeifen, schießen - und immer wieder Einschläge, manche verflucht nahe. Die Angst sitzt uns im Nacken. Dann wird´s ruhiger. Auf einmal der Ruf: Die Schule brennt! Wir schwärmen aus. Im Turm des Altgebäudes Feuer, aber da sind Kameraden schon im Einsatz. Also weiter durch die Klassenräume. Neben der Aula mein Klassenzimmer. Ich reiße die Tür auf. Vor dem Klassenschrank liegt eine Stabbrandbombe, und die Flammen züngeln bereits zu den Schranktüren hinauf. Ich überlege blitzschnell: Da drinnen liegt das Klassenbuch, liegen die Hefte, liegt anderes für Schüler Unangenehmes, soll ich es verbrennen lassen? Sekundenlanges Schwanken, dann ist der Fall entschieden: Sand her, löschen, aus. Gerettet vor dem Feuer, gerettet aber auch unsere Fünfen und Sechsen. Von der Schule zur Turnhalle. Da brennen die geretteten Möbel der am Heiligen Abend 1943 Ausgebombten. Kurzer Einsatz, denn andere wirken schon. Weiter abkommandiert zum Sägewerk Rottschäfer. Hier brennt das Holz lichterloh, aber auch viel Qualm. Durch den Qualm eine C-Rohr-Leitung legen. Und ausgerechnet heute habe ich meine Volksgasmaske nicht mit. Aber es klappt, und dann : Wasser, Marsch! Stundenlanger Kampf mit dem Feuer. Gegen 6 Uhr morgens Ablösung. Todmüde heim. Dort Schäden am Haus, aber erst einmal eine halbe Stunde schlafen. Auf und dann ab zur Schule. Die Pflicht ruft. Als ich hinkomme, hängt draußen ein Schild: Der Schulunterricht fällt heute wegen Fliegerschäden (oder so ähnlich) aus.“ Besonders in der Lenkrad-Firma sollen die Sachschäden, wie der Firmeninhaber schrieb, eine Schadenssumme von 250 000 RM betragen haben. Diese Angaben wurden aber von der Gemeindeverwaltung angezweifelt. Es war bereits schon vorher zu Betrugsversuchen anderer Geschädigter gekommen, die höhere Entschädigungen durch falsche Angaben erreichen wollten. Nach finanztechnischen Prüfungen ergaben sich auch bei dieser Firma Differenzen. Der Inhaber beteuerte, auch sein "Letztes zum Siege beizutragen" und drohte mit seinen Beziehungen zu höheren Stellen.

Angriffe am Tage waren jetzt ebenso zu erwarten wie in der Nacht. Aus Richtung Königs Wusterhausen kommende US-Bomber zerstörten am 8. März 1944 in den frühen Nachmittagsstunden Erkner. Obwohl insbesondere die Kugellagerwerke angegriffen und schwer zerstört wurden, waren 90% des Wohnungsbestandes in Mitleidenschaft gezogen. Die Rauchwolken zogen noch am nächsten Tage über Eichwalde. Auch auf Eichwalde und die Nachbarorte waren wieder Bomben gefallen. "Einsatz in der Dreyerallee 141a " und "Einsatz in Wildau, Fabrikbrand b. Schwartzkopff durch Fliegerbomben", registriert der Diensthabende der Eichwalder FFW. 1944 wurde 91 mal Fliegeralarm für Eichwalde ausgelöst. Zum Glück hielten sich die Schäden relativ in Grenzen. " Es hat sich nichts ereignet!", lautete dann der Eintrag im FFW-Dienstbuch.

An die örtliche NSDAP und Verwaltung wurden durch die sich verschlechternde Lage höchste Anforderungen gestellt. Die Versorgung mit Bekleidung und verschiedenen Konsumgütern war erschwert, während die rationierte Lebensmittelversorgung noch gesichert war. Die Dringlichkeit von Fernreisen mußten sich Eichwalder seit Sommer 1944 in der Gemeindeverwaltung bescheinigen lassen. Herr Hanak erzählte, daß Mitte des Jahres Deutsche aus Bessarabien mit einem Güterzug in Eichwalde eintrafen, von der HJ zur Schule geleitet wurden und hier mit warmen Mahlzeiten und Unterkunft versorgt wurden. Die soziale Betreuung der Eichwalder, von Ausgebombten und Evakuierten mußte möglichst reibungslos organisiert werden. Zur Entspannung wurden demagogische gegenwartsbezogene Unterhaltungsfilme gezeigt, in denen auch Sonja Ziemann (" Eine kleine Sommermelodie“) mitwirkte. Alles sollte so normal wie möglich gestaltet werden : Zum Weihnachtsfest 1943 war ein Spielzeugmarkt der Eichwalder HJ organisiert worden, im Februar 1944 war eine 'Gaukulturwoche' (Gau = Politischer Bezirk der NSDAP, z.B. Gau Kurmark) anberaumt, die Eichwalder Oberschule forderte im gleichen Monat zur Anmeldung von Schülern und Schülerinnen für das im Sommer 1944 beginnende neue Schuljahr auf, die Vereine führten ihre Versammlungen weiterhin planmäßig durch, auf zentralen Veranstaltungen im Schulgebäude wurden die politischen Leiter aller NS-Gliederungen in ihre Aufgaben eingewiesen. Dabei versäumte man nicht, vor Erscheinungen sogenannter Feindbegünstigung zu warnen. Darunter wurden auch "zersetzende Reden, angebliche Lügen, Hetzreden und geäußerte Zweifel am Endsieg" verstanden - Vergehen, die mit dem Tode bestraft wurden.

Im April 1944 referierte der NSDAP-Kreisleiter u.a. vor den Bürgermeistern der Städte und Landgemeinden des Kreises Teltow, um sie auf die bevorstehenden Aufgaben bis zum "Endsieg" einzustellen. Er kam nicht umhin festzustellen, daß die "Haltung des einzelnen Volksgenossen auf einigen Gebieten eine gewisse Auflockerung erfahren" habe. Deshalb forderte er 'soldatisches Einsatzvermögen und Kompromißlosigkeit' von den Bürgermeistern und Ortsgruppenleitern. Halboffiziell wurden 'Wunderwaffen' und 'Vergeltung' angekündigt, um den Durchhaltewillen zu mobilisieren. Gleichzeitig war der faschistische Terror seit Beginn des Jahres 1944 intensiviert worden. Die Zeuthener Bürgerin Gertha Stimming, die sich über die Unrechtmäßigkeit und Sinnlosigkeit des Krieges geäußert hatte, wurde am 11. August 1944 hingerichtet. Sie war "von Leuten aus dem Ort bei der Gestapo denunziert worden", wie eine Zeuthener Heimatforscherin schreibt. Im Juli dieses Jahres gelang es der Gestapo, die stark ausgeweitete Berliner kommunistische Widerstandsorganisation unter der Führung von Anton Saefkow - Franz Jacob - Bernhard Bästlein zu zerschlagen, die über viele Kontakte zu Antifaschisten in der Region Berlin-Brandenburg und anderen Gebieten Deutschlands verfügte. Unter anderem orientierte sich diese Organisation an Rundfunksendungen aus der Sowjetunion, speziell vom Sender des im Juli 1943 gegründeten Nationalkomitees "Freies Deutschland" (NKFD) und des Moskauer Rundfunks.

Im Frühjahr 1944 reichten die Verbindungen der Saefkow-Organisation auch zu KPD- und Widerstandsgruppen im Südosten Berlins bis nach Grünau – Eichwalde – Königswusterhausen. Eine kleine Zelle Eichwalder / Schmöckwitzer KPD-Mitglieder um Walter und Kurt Zietz hielt in Berliner Betrieben vorsichtige Kontakte zu Gleichgesinnten und zu Zwangsarbeitern. Ein Eichwalder berichtete, daß seine Mutter, die 1944 in Bad Freienwalde lebte, durch eine ihr unbekannte Person davon unterrichtet worden war, daß ihr bisher als vermißt geltender Mann als Kriegsgefangener persönlich im Moskauer Rundfunk Grüße an Frau und Sohn in Deutschland gesprochen hatte. Darüber durfte keinesfalls geredet werden, weshalb die Mutter ihrem Sohn erst nach dem Krieg davon erzählte. Sie sagte ihm zuvor immer nur, daß sie fest an die Rückkehr des Vaters glaube. Das Abhören und Weitergeben von Nachrichten dieser Sender gehörte zu den Aktivitäten des Widerstandes und entlarvte die von der NS-Propaganda verbreiteten Lügen über generelle Erschießungen deutscher Kriegsgefangener in der Sowjetunion. Die unter extremer Gefährdung mutige illegale Arbeit dieser Widerstandskämpfer ist als Ausdruck patriotischer Gesinnung hoch zu schätzen. Obwohl auch in Eichwalde Bedenken gegen die weitere Kriegführung vorhanden waren, blieb es allenfalls bei passiver Opposition. Es gibt Anhaltspunkte dafür, daß selbst der als bewährter Nazi bekannte Bürgermeister und Ortsgruppenleiter Rix in dieser Zeit bemüht war, die angespannte Stimmung im Ort nicht noch durch vorbehaltlose Unterstützung vorhandenen Denunziantentums aufzuheizen.

Auf der Suche nach einem Ausweg aus der sich abzeichnenden Niederlage des Naziregimes hatten Vertreter der bürgerlichen Opposition eine Verschwörung zur Beseitigung der NS-Herrschaft durch einen militärischen Staatsstreich gebildet, deren Aktivitäten am 20. Juli 1944 in einem gescheiterten Attentat durch Oberst Claus Graf Schenk von Stauffenberg auf Hitler gipfelten. Befangen vom Mythos um den "Führer", ohnehin isoliert von den Kreisen der Verschwörer und in keiner Weise auf aktiven Widerstand vorbereitet, reagierte die überwiegende Mehrheit der Bevölkerung bestürzt und ablehnend auf die Ereignisse. Goebbels ließ eine Propagandawelle auslösen, durch die mehrere Tage dauernde 'spontane' Willensbekundungen der Bevölkerung und 'Treuekundgebungen für den Führer' abgerufen wurden und bei denen auch Gemeinden des Landkreises Teltow mit Schreiben "An den Führer des Großdeutschen Reiches, Führerhauptquartier" zur Stelle waren. Neben der Verfolgung und Hinrichtung von mit der Verschwörung verbundenen Personen wurden, einer Weisung Hitlers vom 14. August 1944 folgend, umgehend prominente Nazigegner liquidiert, die keinesfalls das Ende des Regimes erleben sollten. In Konzentrationslagern, Zuchthäusern und Gefängnissen wurden massenhaft Hinrichtungen durchgeführt. So wurde am 18. August 1944 auch der KPD-Führer Ernst Thälmann im KZ Buchenwald ermordet, einige Tage später der bekannte Sozialdemokrat Rudolf Breitscheid. Am 22. August 1944 verhaftete die Gestapo unter der Bezeichnung "Aktion Gitter" (auch: Gewitter) Tausende weitere Personen, die meist mit der Verschwörung in keiner Verbindung standen. Die Parteikanzlei der NSDAP hatte alle Funktionäre und Mitglieder verpflichtet, der Gestapo jene Personen zu melden, die in Vergangenheit und Gegenwart jemals Zweifel an ihrer NS-Gesinnung oder eine ablehnende Haltung hatten erkennen lassen. Bei diesen Maßnahmen am 22. August führte die Eichwalder Polizei eine Haussuchung in der Wohnung des Verlegers Dr. Erich Schmidt in der Kronprinzenstraße 36 (Fontaneallee) durch. Dr. Schmidt bezeichnete sich selbst in einem Schreiben vom 13. Juni 1945 als "Gegner der NS-Partei".

In der Zeit vom 6.März bis zum 5.Dezember 1944 flogen US-Bomber schwere Tagesangriffe auf Berlin, was Tag und Nacht Alarm und Schrecken für Eichwalde bedeutete. Wenn der Sprecher im Radio mitteilte, die feindlichen Bomber hätten den Raum Hannover- Braunschweig erreicht, hieß das für Eichwalde meist in Kürze Luftalarm. Die Eichwalder Freiwillige Feuerwehr wurde mehrfach zu Einsätzen der Brandbekämpfung in Betriebe der Umgebung gerufen. Am 12. Oktober 1944 registrierte das Dienstbuch der Feuerwehr "Bombenabwurf an der Dreyerallee in Nähe des Sportplatzes", bei dem auch Personenschäden verzeichnet wurden. Immer neue Belastungen, insbesondere die Fliegeralarme, "die an den Nerven zerrten", wie ein Eichwalder erzählte, wirkten sich trotz Endsiegpropaganda zunehmend depressiv auf die Stimmungslage der Bevölkerung aus. Todesnachrichten oder Vermißtenmeldungen von den Fronten trugen dazu erheblich bei. Dennoch fuhren die Arbeitenden zuverlässig morgens in die umliegenden Industriebetriebe. Arbeitsbummelei wurde streng geahndet. Dort, besonders in der Flugzeugproduktion, war meist die Arbeitszeit auf mehr als 60 Wochenstunden ausgedehnt worden. Es gab Lohnzuschläge bei Arbeitszeiten über 48 Stunden. Eine größtmögliche Zahl von Menschen sollte für die Front und die Rüstungsproduktion eingesetzt werden. Wo es machbar erschien, wurden Frauen an die Arbeitsplätze von Männern gestellt.

Frau Glaß aus Eichwalde berichtete, daß sie zunächst bei der BVG als Schaffnerin angestellt wurde, anschließend zur Arbeit in den Heinkel-Werken eingesetzt war und 1945 noch zur Wehrmacht verpflichtet werden sollte. Durch Intervention eines Nachbarn, der in leitender Stellung bei Heinkel beschäftigt war, entging sie dieser Einberufung. Die Arbeitszeit im Heinkel-Werk betrug für sie 12 Stunden. Jeden Morgen fuhr sie mit der Bahn bis Grünau und von dort mit einem Betriebsbus nach Waltersdorf. Im Frühjahr 1945 fuhr sie lieber mit dem Fahrrad, um pünktlich im Werk sein zu können, das wäre inzwischen zuverlässiger als die Zugverbindung gewesen. Dort arbeitete sie mit französischen und belgischen Arbeitskräften zusammen. Auch sowjetische Zwangsarbeiterinnen waren im Werk beschäftigt, die aber "hier nicht gut behandelt wurden", wie Frau Glaß erzählte.

Die Luftangriffe hatten, wie selbst in Eichwalde am Beispiel der Firma Rottschäfer festgestellt wurde, die Produktion zwar schwer gestört, aber nicht zum Erliegen gebracht. Aus dem "Musterungsplan des Meldeamtes 62 Potsdam" ist ersichtlich, daß weitere Eichwalder Jugendliche am 17. Juli 1944 ab 8 Uhr in KönigsWusterhausen-Neue Mühle zur Musterung für den Reichsarbeitsdienst zu erscheinen hatten. Seit Oktober 1944 wurden immer mehr Arbeitskräfte aus Eichwalde mindestens für jeweils sechs Wochen zu Schanzarbeiten beim Bau von Verteidigungsstellungen eingezogen. Herr Dr. Linke berichtete:" Auch zu Schanzeinsätzen wurden Schüler wegen der näher rückenden Front in die östlichen Gebiete Deutschlands geschickt. Der Unterricht wurde immer häufiger durch Fliegeralarme unterbrochen...Durch Einberufungen wurde die Klassenstärke immer geringer. Auch die Motivation zum Lernen und die Disziplin ließen nach. Im Sommer 1944 hörte dann für uns Jungen des Jahrgangs 1927 mit der Versetzung in die 8. Klasse, heute die 12. Klasse, der Schulunterricht auf. Mit der Einberufung zur Wehrmacht erhielten wir das Notabitur. Für mich folgten dann Reichsarbeitsdienst, Wehrmacht, Fronteinsatz, Kriegsgefangenschaft...“

Am 25. September 1944 hatte Hitler die Anweisung zur Aufstellung des "Volkssturms" erlassen, einer milizartigen bewaffneten Formation, die für den begrenzten territorialen Einsatz vorgesehen war. Der Volkssturm umfaßte vier sogenannte Aufgebote, die nach Alter von 16 bis 60 Jahren rigoros zusammengestellt wurden sowie militärisch in Volkssturmkompanien und -bataillone gegliedert waren. Es war wirklich ein 'letztes Aufgebot'. Die Ausbildung sollte von SA-Mitgliedern durchgeführt werden, der militärische Einsatz war der SS übertragen. Ein Einsatzstab befand sich im sogenannten Schulzendorfer Schloß. Der Eichwalder Volkssturm hatte Räume in der Schule als kasernierte Unterkunft belegt. Im November 1944 wurden in allen Orten die Volkssturmmänner vereidigt. Ende des Jahres 1944, beteiligte sich der Volkssturm am Panzersperrenbau im Ort und am Ausheben von Verteidigungsstellungen. Anfang 1945 hatten die Armeen der Alliierten die deutschen Grenzen im Osten und im Westen erreicht und stellenweise schon überschritten. Als erste Großstadt war Aachen am 21. Oktober 1944 von Amerikanern besetzt worden. Am 27. Januar 1945 wurde das KZ Auschwitz von sowjetischen Truppen befreit. Hitlerdeutschland stand unausweichlich vor seiner endgültigen Niederlage. Am Morgen des 31. Januar überquerten sowjetische Truppen die Oder in Kienitz bei Frankfurt und in Küstrin. Deutsche Flugzeuge griffen ohne Rücksicht auf die eigene Bevölkerung erfolglos die sowjetischen Brückenköpfe am linken Oderufer an. Im Januar 1945 kamen die Flüchtlingsströme in Richtung Westen über die Grenzen der Provinz Brandenburg, zuerst in die Neumark, die Grenzmark und die Niederlausitz.

Die vordringenden Fronten der Alliierten lösten auf deutscher Seite verspätete Evakuierungsmaßnahmen aus. In den eisigen Wintermonaten 1944 / 45 setzte verstärkt eine Massenflucht der deutschen Zivilbevölkerung aus Ost- und Westpreußen, Pommern und Schlesien ein. Flüchtlingstrecks verstopften die Straßen, behinderten die deutschen Truppen, wurden von vordringenden Einheiten und Tieffliegern der Roten Armee verfolgt und überholt. Den Evakuierten eilten Berichte über Gewalttätigkeiten, Racheakte und Tötungsverbrechen an der Zivilbevölkerung durch die Rote Armee voraus, die von in der Provinz eintreffenden Flüchtlingen leider oft bestätigt wurden. Aber es waren nicht diese Nachrichten allein, die Furcht hervorriefen, sondern die Ahnungen und Ängste der Bevölkerung vor Rache und Vergeltung im Wissen über viele von Deutschen verübte Verbrechen in den okkupierten Ländern, besonders in der Sowjetunion, an Kriegsgefangenen und Zwangsarbeitern in Deutschland selbst und nicht zuletzt gegenüber manchen Mitbürgern.

Zu diesem Thema erinnerte Hoimar v. Ditfurth an eine offenkundige Tatsache: "Die zwischen Deutschen und Russen vorgefallenen Greueltaten haben ja nicht, wie mancher im Rückblick zu unterstellen scheint, erst 1945 begonnen. Den abgrundtiefen Haß, der sich bei Kriegsende im deutschen Osten auf fürchterliche Weise Luft machte, hatten wir in den vorangegangenen Jahren selbst auf das äußerste geschürt: Wir hatten geglaubt, als 'überlegene Rasse' die Völker jenseits unserer östlichen Grenzen als 'Untermenschen', als Sklavenreservoir und wie Ungeziefer behandeln zu dürfen. So entsetzlich die Menschen im Einmarschgebiet der Roten Armee auch gelitten haben, wir alle, die wir damals besiegt worden sind, können von Glück sagen, daß keine der einmarschierenden Armeen, die russische eingeschlossen, die ungehemmte Vernichtungsbereitschaft an den Tag gelegt hat, die wir selbst während der langen Jahre auslebten, in denen wir im Osten als Besatzer ohne die geringsten Skrupel die Rolle von Herren über Leben und Tod spielten."

Am 23. Januar 1945 kam ein Transport mit Deutschen aus den Territorien der Sowjetunion, manche Zeitzeugen erzählen von "Wolgadeutschen", in Eichwalde an. "Wir mußten mit unseren Schlitten zum Güterbahnhof kommen und Gepäck transportieren helfen. Das mußten wir noch öfter in diesen Wochen. Die Wolgadeutschen kamen in Güterwagen, und sie kamen in eine Baracke, die auf dem Schulhof der Oberschule (jetzt EDEKA- Grundstück) stand. Es waren auch Erfrorene auszuladen. Andere Flüchtlinge, die an anderen Tagen mit der Bahn kamen, wurden auf die Einwohner verteilt“, berichtete Herr Dr. Klaus Weidner. Mit der Weisung "Umquartierung Ost" des Reichsministers des Innern vom 12. Februar 1945 begann nun auch offiziell die Evakuierung für die Mark Brandenburg. Ein Schreiben vom 12. März 1945 des Regierungspräsidenten in Potsdam an die Landräte des Bezirkes bestimmte die Vorgehensweise bei der "Betreuung von Umsiedlern und Deutschstämmigen aus den Ostgebieten."

Es war vorgesehen, daß die Provinz Brandenburg Flüchtlinge aus Ostpreußen, dem Wartheland und aus dem Saarland aufnehmen sollte, zusätzlich zu den etwa 91 000 ausgebombten Berlinern, die sich schon hierher geflüchtet hatten. Viele der Evakuierten leitete man in das Gebiet Halle / Merseburg weiter, aber von den erwarteten Flüchtlingstrecks mit bis zu 14 000 Menschen aus den Wartheland-Kreisen Lissa und Kosten sollten im Kreis Teltow 2400 Personen aufgenommen werden. Am 15. Februar 1945, zwei Tage nach der Bombardierung Dresdens, griffen anglo-amerikanische Bomber auch Cottbus an, ohne Rücksicht darauf, daß die Stadt voller Flüchtlinge war, von denen nach Schätzungen über 2000 den Tod fanden. Anfangs erreichten noch Eisenbahnzüge den Raum Berlin, später stauten sich tausende Züge an zerstörten Brücken oder Weichen. Die in Eichwalde ankommenden erschöpften Menschen mußten untergebracht und versorgt werden. Immer mehr verblieben im Ort, denn es gab bald kein Weiterkommen mehr. Viele blieben zwangsläufig für immer und fanden später in Eichwalde eine neue Heimat. In einer Eichwalder Statistik von 1948 wird vermerkt, daß in der Zahl von 6 524 Einwohnern bereits 1162 Umsiedler und Neubürger erfaßt seien. Frau Dolke berichtete von dramatischen Ereignissen am Bahnhof Eichwalde: " Das 'Jungvolk' wurde von der Schule ausgeschickt, um erwartete Flüchtlinge aus dem Osten abzuholen. Wir Schüler wurden als Wegbegleiter eingesetzt. Geduldig warteten wir auf dem Güterbahnhof, bis alles entladen war. Ein Bahner öffnete zwei Waggontüren, aber keiner stieg aus. Große Spannung! Schließlich stiegen Erwachsene in die Waggons und holten einige vermummte Gestalten heraus. Wir Kinder wurden dann nach Hause geschickt, man wollte uns den grausamen Anblick ersparen. Aber pflichtbewußt warteten wir und sahen, wie halberfrorene und erfrorene Menschen herausgetragen wurden... Im Kinosaal reichten wir warmen Tee und belegte Brote. Dann brachten wir die Leute in ihre Unterkünfte, in die Schule und in Privatquartiere. Heute fühle ich mich nicht mehr in der Lage, alle Einzelheiten des Elends zu schildern. Zuviel hatten wir selbst vorher erlebt und gehört, als daß uns die Bilder erschüttern konnten. Auch wir Kinder waren zu dieser Zeit schon ziemlich abgestumpft...“ Wehrmachtsdienste berichteten aus Berlin, daß im allgemeinen ein gewisser Fatalismus, eine gewisse Gleichgültigkeit und Dumpfheit bei den meisten Menschen festzustellen war. Die Überzeugung vom 'Endsieg' war verschwunden. In Eichwalde war die Lage nicht anders, sie unterschied sich allenfalls durch das Gefühl, hier sicherer zu leben, als in der 'Reichshauptstadt', die mit Luftangriffen immer mehr in eine Trümmerwüste verwandelt wurde.

Die riesigen territorialen Verluste der ehemals okkupierten Gebiete im Osten und anderen Teilen Europas durch anhaltende Niederlagen der deutschen Truppen schränkten die Ausplünderung fremder Gebiete wesentlich ein. Die anteilige Eigenversorgung der Eichwalder durch Kleinvieh und Gartenvorräte erwies sich ebenso nützlich, wie die günstige Sammelholzbeschaffung aus den umliegenden Wäldern im kalten Winter 1944/45. Zunehmend traten bei Lebensmitteln Qualitätsverluste durch beigemischte Ersatzstoffe auf. Im März gab es in Berlin an Vorräten nur noch für 14 Tage Fleisch, für 4 Wochen Mehl und für etwa 6 Wochen Kartoffeln und es existierte bereits ein 'schwarzer Markt' für Lebensmittel, selbst für Brot. Aus dem an Eichwalde grenzenden Berliner Stadtbezirk Köpenick wurde am 16. April 1945 vom Leiter der Berliner Lebensmittelkartenstelle gemeldet: Die im März "erfolgte Brotkürzung hat in allen Bevölkerungskreisen einen heftigen Unwillen hervorgerufen". Als durchschnittliche Kalorienzahl galten für die letzte Zuteilungsperiode des Jahres 1945 im April 1412 Kcal. Die Verhältnisse werden in Eichwalde nicht anders gewesen sein. Am 23. Januar 1945 war vom 'Generalbevollmächtigten für die Reichsverwaltung' u.a. für die Mark Brandenburg angeordnet worden, daß die Verwaltungsbehörden, insbesondere Landräte und Bürgermeister, "ihre Tätigkeit ' bis zuletzt' fortführen und sich dann 'der kämpfenden Truppe ' anschließen müßten." Himmler drohte wenige Tage später für das Verlassen der Dienststellen ohne Befehl die Todesstrafe an.

Der Ortsgruppenleiter Bürgermeister Rix, der bereits Ende 1944 erkrankte, erlitt am 15. Januar 1945 einen Schlaganfall und war seit dem arbeitsunfähig. Die Leitung der Verwaltung übernahm der frühere Kassenrendant, jetzt Standesbeamter, Wilhelm Streichan aus Eichwalde. Die Verwaltung arbeitete trotz eingeschränkten Personals im Rahmen der sich zuspitzenden Lage zuverlässig weiter. Die NSDAP-Ortsgruppe wurde von Gustav Wagner, andere meinen, von einem gewissen Kiepert, geleitet. Auch die Schulleitung funktionierte noch immer. Einerseits erhielt sie mehrere Anträge von Berliner Eltern zur Genehmigung des Schulbesuchs ihrer Kinder in Eichwalde, die sich wegen der Randlage des Ortes hier mehr Sicherheit für ihre Kinder versprachen. Andererseits meldeten Eichwalder ihre Kinder in der hiesigen Schule ab, weil sie in von Luftangriffen nicht betroffene Gebiete Deutschlands auswichen. Im Februar und März 1945 war Berlin noch vier besonders schweren Angriffen ausgesetzt. Erneut waren Vororte der Stadt betroffen. Die Freiwillige Feuerwehr Eichwaldes erfüllte seit Jahren zuverlässig unter allen Belastungen des Krieges ihre Aufgaben. Häufig mußte sie geradezu Übermenschliches leisten, wenn ein Alarm dem anderen folgte, Tote und Verschüttete zu bergen waren. Seit dem 1. Februar 1945 kündigten die Sirenen in Eichwalde fast täglich, mitunter mehrmals, Fliegeralarm an. Oft musste die Eichwalder Feuerwehr zu Einsätzen nach Berlin oder zu Orten im Kreis Teltow ausrücken. Am 14. Februar hatte es zweimal Fliegeralarm gegeben, mittags und spät abends. In einem Schreiben an die 'Oberschule für Jungen' in Eichwalde ist zu lesen: "Infolge Bombenschadens am 14. 2. 45 müssen wir unsere Wohnung nach Barbie Nr.105 Krs. Osterrode verlegen. Ich melde hiermit meine Tochter R.D. von der Schule ab." Irgendwann im März wurde der Schulunterricht eingestellt. In den Schulräumen wurden Verwundete von der Front untergebracht, später ebenfalls Flüchtlinge. Anfang Februar war von der Gemeindeverwaltung die Einberufung des Jahrgangs 1928, am 5. März die des Jahrgangs 1929 zu unterstützen. Hitler ließ nun die Sechszehnjährigen in den Kampf rufen. Herr Peter Beier berichtete: " Ende März 1945 Musterung des Jahrgangs 1929 in Königs Wusterhausen. Was ich im Stillen gehofft, ist eingetreten: Zurückgestellt (ein viertel oder ein halbes Jahr, ich weiß es nicht mehr). Meldung bei dem die Musterung leitenden Kapitänleutnant: Ich habe einen Einberufungsbefehl, bin aber zurückgestellt. Muß ich dem Folge leisten, oder gilt die Zurückstellung? Antwort: Einberufungsbefehl geht vor. Also dann... So bin ich denn los, zur Ersatzbrigade Feldherrnhalle nach Schleiz in Thüringen. Vom Anhalter Bahnhof aus 3 Tage Fahrt unter Tieffliegerangriffen und bei zerschossenen Loks. Ein paar Tage Rückzug, dann verlasse ich die Truppe (mit Erlaubnis, aus gesundheitlichen Gründen, d. A.) und schlage mich auf abenteuerlichen Wegen zurück nach Eichwalde durch. Wenig später marschiert die Rote Armee ein."

Die Möglichkeiten der Evakuierung von Einwohnern aus den umkämpften Gebieten wurden mit dem weiteren Vormarsch der Alliierten immer geringer. Obwohl die eigenständige Abreise von Frauen und Kindern aus dem Berliner Raum nicht unterbunden worden war, wurden die Einwohner des Kreises Teltow im Februar 1945 zum 'Durchhalten' aufgefordert. " Für uns im Kreis Teltow gilt die Parole, solange stehen bleiben und niemand fortlassen, bis ein entgegengesetzter Befehl von oben kommt ", lautete eine Anweisung, die sich im Stadtarchiv KönigsWusterhausen fand. Frau Gerda Dolke berichtete:" Ende März, als kein Zug mehr fuhr und wir das Artilleriefeuer der Front schon hören konnten, hatten wir noch eine Möglichkeit, mit einer bekannten Familie Eichwalde zu verlassen. Wir hatten Verwandte bei Magdeburg, die anderen ein Lastauto, aber nirgends einen Fluchtort. Drei Frauen und acht Mädchen fuhren drei Tage lang mit großen Hindernissen durch Trümmer und Wälder nach Klein-Rosenburg, wo vom Krieg kaum etwas zu spüren war...". Die Alliierten griffen jetzt verstärkt die deutschen Verkehrssysteme an. Dadurch wurde der Eisenbahnverkehr nach Berlin häufig gestört. Zeitweilig kam es in Eichwalde zu mehrtägigen totalen Ausfällen bei der Wasser- und Stromversorgung. Nach wenigen Tagen war meist alles wieder beim alten, besonders die Bürokratie funktionierte noch immer, wie folgendes Beispiel zeigt : Am 7. April 1945 fragte Schuldirektor Dr. Hohmann bei der übergeordneten Behörde an, wie er sich in Anbetracht nicht zugegangener Beurteilungen verhalten solle, "denn die Bezirksstelle des RAD Berlin ist z.B. durch Bomben vernichtet und ob und wo die Dienststelle Frankfurt /Oder arbeitet, ist bisher nicht bekannt." Noch am 16. April trifft eine Bescheinigung über eine Schülerin ein, in der es heißt:" Sie war seit dem 11.11.1944 bis zum 28.1.1945 im Lager 10/274, Schlepzig, vom 28.1.45 bis zum 3.3.1945 beim KHD. Flakschw. Ers.u. Ausb.Batl. Raddusch... Eine Beurteilung über Führung und Haltung der Arbeitsmaid kann nicht erbracht werden, da die Lager nicht mehr bestehen..." .

Wie scheinbar normal Kriegsalltag sein konnte, zeigt auch das folgende Beispiel: Am 9. April wurden in der Zeuthener Straße 37 nach Bombenabwürfen zwei Personen verschüttet, die aber von der Feuerwehr gerettet werden konnten. Herr Heinz Klee berichtete, daß am 9. April 1945 sein Polterabend war. Er und seine Frau Inge heirateten am 10. April im Eichwalder Rathaus. Am Vormittag fand die Trauung statt, die vom amtierenden Bürgermeister und Standesbeamten Streichan vollzogen wurde. An diesem Tag war der Fliegeralarm erst nach 14 Uhr. Am 14./15. April wurde besonders das historische Zentrum Potsdams durch Bombenabwürfe schwer zerstört und Berlin vom 15. zum 16.April erneut einem britischen Luftangriff ausgesetzt, der Eichwalde glücklicherweise nicht direkt betraf. Herr Klee, der bei einer Nachrichteneinheit der Luftwaffe diente, fuhr am 17. April mit dem Fahrrad zum Rangsdorfer Flugplatz und erreichte dort fast den letzten LKW, weil sich seine Truppe vor der Roten Armee Richtung Norddeutschland absetzte. Dort geriet er in englische Gefangenschaft. Befehlsgemäß versahen Polizei und Gestapo bis zuletzt ihre Tätigkeit. Auch in Eichwalde fehlte es nicht an fanatischen Nazis und Denunzianten.

Die frühere Eichwalderin, Frau Weis, deren Vater Jude war, berichtete: " Um immer pünktlich bei der Arbeit zu sein, wohnte ich nicht in Eichwalde, sondern bei einer Freundin in Berlin. Unpünktlichkeit wäre bestraft worden. Eines Tages wurde ich vom Arbeitsamt vorgeladen und sollte mich entscheiden, in Berlin Straße zu fegen oder beim "Behelfsheimbau" zu arbeiten. Straßenfegen wollte ich nicht, so wählte ich die angebliche Bautätigkeit. In Wirklichkeit arbeiteten wir zusammen mit ausländischen Arbeitskräften beim Ruinenabriss in der Potsdamer / Ecke Bülowstraße unter Aufsicht von Posten mit Hunden. Eines Vormittags, es war ein Sonnabend im März 1945, stand mein kleiner Bruder Peter vor der Tür der Berliner Wohnung und forderte mich auf, schnell nach Hause zu kommen. Unsere Eltern seien mit der Begründung, sie hätten ein Auslandsradio abgehört, verhaftet worden. Vermutlich durch Anzeige von Nazi-Nachbarn aus der Sedanstraße. Man hatte unsere Eltern in das Gestapo-Gefängnis nach Potsdam gebracht. Zu Hause fand ich einen Zettel mit einigen schnell geschriebenen Worten von Mutti und Vati. 'Meine geliebten Kinder, die letzten innigen Grüße u. Küsse, Eure Mutti. Seid lieb u. gut zu dem Kleinen', lauteten die Zeilen meiner Mutter. Vati bat meinen Bruder Günther, einen Auftrag bei seiner Arbeitsstelle in Zernsdorf zu erledigen. Er schloss mit den Worten: 'Alles Gute. Vater.' Es sollten seine letzten Worte an seine Familie gewesen sein. Beim Verhör durch die Gestapo widersprachen meine Eltern dem Tatvorwurf. Auch mein Bruder Günther und ich wurden zur Gestapo nach Potsdam vorgeladen. Wir bestritten die Anschuldigungen ebenfalls, worauf mein Bruder unter Schlägen in ein Nebenzimmer zum weiteren Verhör gestoßen wurde. Mutter und Günther blieben bis zum Kriegsende im Gestapogefängnis in Haft. Sie kamen erst nach einiger Zeit (Ende Juli ?) wieder zu Fuß nach Eichwalde zurück. Ich hatte bis dahin mit meinem Bruder Peter allein in Eichwalde bis zur Befreiung durch die Russen gelebt. Frau Sternheimer aus der Gosener Straße 36 brachte uns einmal einige Lebensmittel, aber sonst hatten wir keine Unterstützung weiter. Meinen Vater brachten sie von Potsdam wieder ins KZ Sachsenhausen. Er musste dann im April, als das KZ evakuiert wurde, auch auf den Todesmarsch. Durch einen Mithäftling erfuhren wir erst nach dem Krieg, er hätte meinen Vater zuletzt in Schwerin, schwer erkrankt im Koma liegend, gesehen... In Schwerin erhielt meine Mutter den Totenschein ausgehändigt."

Ermutigt durch die sich unaufhaltsam nähernden sowjetischen Armeen, aktivierten Antifaschisten ihre Widerstandsarbeit. Der in Eichwalde und Schulzendorf illegal wohnende Heinz Sandelowski gab 1990 zu Protokoll, dass er sich in den letzten Monaten des Krieges mehr und mehr an den Aktionen der Widerstandsgruppe um "Emil" (Kaschel, d.A.) beteiligte, indem er beim Verteilen von Flugblättern half. In den letzten Monaten des Krieges fanden manche Eichwalder, Schulzendorfer und Schmöckwitzer Einwohner Flugblätter in ihren Briefkästen oder auf den morgendlichen Straßen, die nicht aus Bombern der Alliierten aus der Luft direkt in ihre Briefkästen gefallen sein konnten. Denn nicht alle Schulkinder, die zum Aufsammeln der von Alliierten abgeworfenen Flugblätter in den Grünauer Forst beordert wurden, gaben die Fundstücke bei der Ortspolizei ab. Manche dieser Blätter wurden von ihnen, da sie aus antifaschistisch gesinntem Elternhaus kamen, in Briefkästen gesteckt.


1 Vgl. Deutschland, Bd. 5, S. 623 ff.
2 Ebenda, S. 227.
3 EHG, Festschrift ,Bericht Gerda Dolke, S. 25.
4 Kreisarchiv, B.E., Nr.178.
5 Vgl. Olaf Groehler: Kampf um die Luftherrschaft. Beiträge zur Luftkriegsgeschichte des zweiten Weltkrieges. Berlin 1988 , S.213.
6 Bericht Gerda Dolke, Eichwalde, Triftstr., November 2003.
7 Vgl. Dienstbuch der Freiwilligen Feuerwehr Eichwalde, Kopie im Heimatarchiv.
8 EHG, Festschrift, S. 29.
9 Kreisarchiv, B.E., Nr.178.
10 Vgl. Olaf Groehler, a.a.O., S.212.
11 Bericht Frau Kollin, Eichwalde, Goethestr., November 2003.
12 Vgl. Dienstbuch der Freiwilligen Feuerwehr Eichwalde, Kopie im Heimatarchiv.
13 Bericht Herr Hanak, Eichwalde, Waldstr. Dezember 2003.
14 KWZ v. 24. Februar 1944.
15 KWZ v. 23. Februar 1944. Nachricht über die Hinrichtung eines Zahnarztes.
16 KWZ v. 27. April 1944.
17 Vgl. Zeuthen - Geschichte und Geschichten. Zusammengestellt von Hans-Georg Schrader, Horb am Neckar 1998, S. 339.
18 Vgl. Deutschland, Bd.5, S. 276 ff.
19 Vgl. Bericht Paul Meyer, Kopie im Heimatarchiv, S. 7.
20 Privatarchiv d.A.
21 BLHA, Pr. Br. Rep. 203,AzS, ESA ,Nr.4618.
22 Privatarchiv d.A.; Vgl. Deutschland , Bd. 6, S. 230.
23 Vgl. Kurt Finker : Stauffenberg und der 20. Juli 1944. Berlin 1989, S. 292 ff.
24 Vgl. Deutschland, Bd. 6, S. 295.
25 Heinrich-Wilhelm Wörmann. Widerstand in Köpenick und Treptow, a.a.O., S. 167.
26 BLHA, Pr. Br. Rep. 203, BET, Nr. 1246.
27 Bericht Frau Glaß, Eichwalde, Bahnhofstr., Januar 2004
28 Musterungsplan, Kopie im Heimatarchiv Zeuthen
29 EHG, Festschrift, a.a.O.,S. 31.
30 Vgl. Deutschland, Bd. 6, S. 237ff .
31 Vgl. Jürgen Ast / Kerstin Mauersberger : Zweite Heimat Brandenburg. Flucht – Vertreibung --Neubeginn, Berlin 2000, S.12 ff.
32 Hoimar v. Ditfurth: Innenansichten eines Artgenossen. Meine Bilanz. Düsseldorf 1991, S. 205.
33 Bericht Dr. Klaus Weidner , Eichwalde, v. April 2004. Privatarchiv.
34 Vgl. BBG, S. 666
35 Wie Anm. 31.
36 Deutschland, Bd.6, S. 243.
37 BLHA, Pr. Br. Rep. 2 A I Kom, Nr 135.
38 Vgl. Heimatarchiv , Eichwalde 1948, Typoskript, Bericht des Bürgermeisters Wegner an die Mitglieder des Rates der Gemeinde und der Gemeindevertretung, S. 3.
39 Vgl. Heimatarchiv , Bericht Gerda Dolke, Eichwalde, Triftstr.; Vgl. EHG, Festschrift, S.25.
40 Deutschland, Bd.6, S. 613.
41 Deutschland, Bd. 6, S. 620.
42 Deutschland, Bd.6, S. 630.
43 Vgl. Heimatarchiv, Dienstbuch der FFW Eichwalde.
44 EHG, Aktenbestand 1945.
45 EHG, Festschrift, S. 29 f., außerdem Rücksprache d. A. mit Herrn Beier im Februar 2004.
46 Zit. nach Adamy / Hübener / Leps (Hrsg.), a.a.O., S. 172.
47 Vgl. Anm. 37.
48 Wie Anm. 43.
49 Kriegshilfsdienst Flakscheinwerfer-Ersatz- und Ausbildungsbataillon Raddusch.(Ort im Spreewald).
50 Wie Anm. 43. Schreiben Dr. Hohmanns v. 7. 4. 1945.
51 Vgl. Heimatarchiv, Dienstbuch der FFW Eichwalde.
52 Bericht Herr Heinz Klee, Eichwalde, Friedenstraße, Februar 2004.
53 BLHA, Pr. Br. Rep. 35 H ,Nr. 11/ 3, Aufstellung vermisster Häftlinge aus dem KZ Sachsenhausen v.
19. November 1945, S. 131.
54 Bericht Frau Ruth Weis, geb. Freudenberg, Erkrath , Januar 2004, Hans Freudenberg ( 23.04.1895 – 19. 05. 1945 ).
55 Vgl. Martina Voigt, a.a.O., S. 113. Heinz Sandelowski hat am 28. April 1990 Mitarbeitern der Gedenkstätte Deutscher Widerstand in Berlin ein Interview gegeben, in dem er offenbar diese Fakten berichtete. ( S. Anm. 194 u. 213 ebenda)
56 Bericht Dr. Klaus Weidner, Eichwalde, Königs Wusterhausener Str., Januar 2004. Das Erscheinen von Flugblättern bestätigten auch Frau Kollin und Herr Hanak.


Besiegt und befreit – April 1945

Am 16. April 1945 begannen die sowjetischen Armeen der 1. Belorussischen Front (Marschall Shukow) und der 1. Ukrainischen Front (Marschall Konew) einschließlich der 1.und 2. Polnischen Armee die als "Berliner Operation" bezeichneten letzten großen Kampfhandlungen zur Zerschlagung des Machtzentrums des faschistischen "Großdeutschen Reiches". Eichwalde befand sich zwischen dem 'Äußeren Sperrring' ( etwa mit dem Berliner Autobahnring identisch) des Verteidigungssystems von Berlin, der über Königs Wusterhausen, Schönefeld, Groß-Ziethen verlief und einer 'Äußeren Verteidigungszone' der Stadt, die u.a. entlang des Teltowkanals bis zu dessen Einmündung in die Spree bei Grünau, über die Müggelberge am Rande Köpenicks um Berlin herum verlief. Der Berliner S-Bahn-Ring bildete annähernd die innere Verteidigungszone der Stadt.

In ihren "Erinnerungen" berichtet Frau Sonja Ziemann über die Apriltage des Jahres 1945 und schreibt:" Während der letzten Kriegswochen konnte ich nicht mehr von Eichwalde nach Berlin fahren. Ich blieb bei meinen Eltern. Meine neue Dienstverpflichtung war nun im Rathaus von Eichwalde. Ich saß allein in einem Raum hinter einem Schreibtisch...Für wen und für was? Keine Ahnung. Ich las John Knittels 'Via mala'. Und als darin von Käse die Rede war, lief mir das Wasser im Mund zusammen...Jede Nacht hörten wir in Eichwalde die Stalinorgeln...Inzwischen war es März, fast April. Eine ältere Dame kam in mein 'Büro' und fragte mich, ob sie zu Hitlers Geburtstag flaggen solle. Der imaginäre Käse aus 'Via mala' blieb mir im Halse stecken...". Die 3. Gardepanzerarmee (Rybalko) der 1. Ukrainischen Front erreichte aus Richtung Cottbus/Lübben in der Nacht zum 21. April über Golßen - Baruth - Wünsdorf den südlichen Berliner Autobahnring. Die 3. Armee (Gorbatow) der 1. Belorussischen Front, die entlang des Oder-Spree-Kanals vordrang, schwenkte auf Befehl von Marschall Shukow in Richtung Teupitz und erreichte dabei ebenso wie die 8. Gardearmee (Tschuikow ) im Bestand der 1. Belorussischen Front am 21. April den Autobahnring bei KönigsWusterhausen / Wildau und die Dahmegewässer. Armeen beider Fronten vereinigten sich schließlich am 24. April sowohl westlich von KönigsWusterhausen/Wildau als auch vor dem Teltowkanal bei Berlin-Johannisthal. Damit war die im Raum Halbe/Teupitz kämpfende deutsche 9. Armee von Berlin abgeschnitten und eingekesselt. Andere sowjetische Einheiten stießen unterdessen von Norden weiter ins Stadtinnere vor und kämpften am 24. April schon in der Nähe des Alexanderplatzes.

Damit befand sich Eichwalde zwar noch im deutschen Machtbereich, aber jetzt sozusagen in einem breiten Schlauch zwischen dem Berliner Ring bei Niederlehme, der Dahme, der heutigen B179 und dem Vorfeld des Teltowkanals bei Adlershof. In diesem Gebiet waren nur noch SS-Gruppen und versprengte deutsche Soldaten, die versuchten, entweder nach Berlin oder südwärts zur 9. deutschen Armee zu gelangen bzw. sich vor weiteren Kämpfen in Sicherheit zu bringen. Im Territorium waren mehrere Volkssturmkompanien verstreut und in Auflösung begriffen. In Nächten vor dem 23. April hatten Eichwalder in den Straßen des Ortes bereits sowjetische Aufklärungstrupps beobachtet, die umsichtig die militärische Lage erkundeten.

Am Montag, dem 23. April 1945, besetzten sowjetische Einheiten den Berliner Ortsteil Bohnsdorf. In den Abendstunden des 23. April geschah es dann: Die "Russen" waren da! Ob sie von Bohnsdorf durch den Grünauer Forst, über die Dahme oder aus beiden Richtungen gekommen waren, bleibt ungeklärt. Frau Glaß, die noch heute wie im Jahre 1945 in der Bahnhofstraße wohnt, erinnerte sich :" Es war der 21. April, ein Sonnabend, als ich sah, wie sich Angehörige der Werkleitung von Heinkel mit dem Bus absetzten und Richtung Norddeutschland fuhren, wie man sagte. Ich beschloß, am Montag nicht mehr zur Arbeit zu fahren. Seit Tagen hörten wir von allen Seiten das Donnern, Heulen und Pfeifen von Geschützen, aber in Eichwalde selbst herrschte dagegen eine unheimliche Stille, fast eine Totenstille. Der 23. April bleibt mir besonders deshalb in Erinnerung, weil am Vormittag mein kleiner Bruder, der mit seinen fünfzehn Lebensjahren zum Volkssturm eingezogen worden war, zu unserer großen Freude unversehrt von Schulzendorf wieder nach Hause in die Bahnhofstraße kam. Der Kompaniechef hatte allen Jungendlichen freigestellt, sich abzusetzen, aber die Jungens aus Breslau und dem Rheinland, die eigentlich Lehrlinge in den Heinkel-Werken gewesen waren, blieben meist, weil sie ja nicht wußten, wohin. Vermutlich sind sie nach Halbe / Teupitz gegangen. Da mein Bruder aber als Dienstkleidung eine erkennbar von der SS stammende Monteurskombi, wir sagten damals 'Strampelanzug', erhalten hatte, schien es uns ratsam, diese abends im Garten zu vergraben. Draußen war ein ungewöhnlich lautes Hundegebell. Als wir ein blechernes Klappern auf der Straße hörten, war es beinahe schon zu spät, die Montur zu verscharren. Denn plötzlich tauchten in der Dunkelheit Russen in der Bahnhofstraße auf. Das Klappern rührte von ihren Waffen und Ausrüstungssachen her. Ich glaube mich zu erinnern, daß sie über die Bahngleise oder durch die Unterführung von der Schulzendorfer Seite her gekommen waren ".

Noch am Morgen des 23. April 1945 hatten Kameraden der Eichwalder Feuerwehr einen "Totalbrand" in der Dorotheenstraße 13 (Mittelteil der Maxim-Gorki-Straße) gelöscht. Einen Trost gab es: Während am 19. April 1945 bis um 2.45 Uhr Fliegeralarm war, rückte die Feuerwehr am 23. April nur noch zu einem 'gewöhnlichen' Feueralarm aus. Seit Tagen waren an einigen Zugangsstraßen Panzersperren gebaut worden, hatten Volkssturmmänner am Ortsrand Stellung bezogen. Eine Kompanie des Eichwalder Volkssturms wurde von einem Hauptmann Halbach aus der Bahnhofstraße 42 geführt, zu der als Hauptfeldwebel Walter Rottschäfer, Mitinhaber der Eichwalder Firma, gehörte. Von ihm wird berichtet, daß er 1945 insgeheim dafür eingetreten sein soll, keinesfalls die Waffen einzusetzen. Volkssturmangehöriger Steinmeyer, Sämereienhändler aus Eichwalde, gab an, trotz eines in der Kompanie bekannten Spitzels sich "für die Vermeidung von Blutvergießen" eingesetzt zu haben. Überliefert sind manche Berichte, wie sich der Volkssturm im April 1945 allmählich auflöste, um heil aus dem Krieg heraus zu kommen. Dazu ein Beispiel: Für die antifaschistischen Kräfte boten sich bei aller Vorsicht günstige Möglichkeiten, im persönlichen Kontakt mit ihnen bekannten Volkssturmmännern die Sinnlosigkeit weiteren Kämpfens zu besprechen. Eine Gruppe des Volkssturms, bestehend aus Eichwalder und Schmöckwitzer Einwohnern, sicherte am 23. April unter Führung des früher als Kommunist bekannten Einwohners der Schmöckwitzer Siedlung, Kurt Zietz, von Schützenlöchern aus eine Panzersperre. Sie befand sich an der Einmündung der Godbersenstraße in die Zeuthener Straße. Als ein motorisierter Zug lettischer SS-Leute, etwa 25 Mann, auftauchte, die sich bei Zietz erkundigten, wie sie zum Flugplatz bei Schönefeld kämen, wies dieser ihnen den Weg über das Adlergestell, um sie von Eichwalde fern zu halten. Plötzlich waren Schüsse zu hören, an einigen Stellen Eichwaldes schlugen Geschosse ein, ohne Schäden anzurichten. Zietz sorgte dafür, daß die meisten Volkssturmleute nach Hause eilten.

Auch zwei Volkssturmmänner aus der Goethestraße, der Fabrikant Siegwaldt und der Bauleiter Roeske, verließen, als sie das Schießen hörten, ihren Posten am Rathauseingang und liefen nach Hause. Bald darauf erblickten die verbliebenen Männer an der Straßensperre vor Schmöckwitz Panzer der Roten Armee, die aus Richtung Grünau gekommen sein mußten. Zietz ging auf sie zu und erklärte ihnen, daß Eichwalde frei von deutschen Soldaten sei. Die sowjetischen Militärs verlangten den sofortigen Abbau der Panzersperre. Es dauerte nicht lange, bis zahlreiche Einwohner das reichlich verbaute Holz aus der Sperre zu sich nach Hause geschafft hatten. Dieser Handlungsweise hatte es Eichwalde vermutlich zu verdanken, daß es hier nicht zu Kampfhandlungen gekommen war.

Doch einige Angehörige des Eichwalder Volkssturms hatten von diesen Ereignissen nichts mitbekommen und befolgten noch die Befehle ihres Vorgesetzten, wie aus einem anderen Bericht zu erfahren ist. Dort, wo die Eichwalder Grünauer Straße als Berliner Grünauer Weg am Waldrand ankommt, hatten sich die Volkssturmmänner Bauunternehmer Alfred Rücker, Schuhmachermeister Paul Nawroth, ein Herr Sirlin, der Mechaniker R. Buchholz und ein weiterer Eichwalder in selbst ausgehobenen Schützenlöchern verschanzt. Alfred Rücker war erst im März 1945 zum Volkssturm gekommen, weil er zuvor, u.k. (unabkömmlich) gestellt, in Berlin bei der Reparatur von Bombenschäden eingesetzt war. Plötzlich tauchten hinter ihrem Rücken, aus Eichwalde kommend, Soldaten der Roten Armee auf und nahmen sie gefangen. Sie wurden zunächst auf Lastkraftwagen nach Frankfurt/Oder gebracht. " Von da an verlor sich jede Spur", berichtete die Tochter Alfred Rückers, die frühere Eichwalder Lehrerin, Frau Judith Hartung. Wie die Familienangehörigen Alfred Rückers erst 1948 von Heimkehrenden erfuhren, waren die Volkssturmmänner anschließend in andere Kriegsgefangenenlager transportiert worden. Herr Rücker erkrankte bereits in Frankfurt/Oder und verstarb am 12. Mai 1945 im Lager Landsberg/Warthe.

Alle diese Begebenheiten ereigneten sich in Eichwalde bzw. Schmöckwitz am Abend des 23. April. Vom Tag der ersten Begegnung mit den Soldaten der Roten Armee berichtet Frau Sonja Ziemann:" Über irgendeine Nachrichtenquelle war das Gerücht verbreitet worden, daß an einem bestimmten Tag abends um neun die Russen bei uns wären. Plötzlich sagte meine Mutter: 'Otto, es ist neun!' Mein Vater blieb ruhig. 'Stimmt, aber sie sind nicht gekommen.' Die Spannung war unbeschreiblich. Wir fühlten uns krank vor Angst und wollten trotzdem, daß alles ein Ende habe. Wir wollten es hinter uns bringen. Gott sei dank gab es keine Fliegerangriffe mehr. Wenigstens das! Unser eigener Keller war klein, so hatten wir in dem geräumigen Keller der netten Nachbarin, Frau Hanke, rechter Hand unsere Schlafgelegenheiten aufgestellt und konnten liegen... Von der Straße her war nur noch vereinzeltes Schießen zu hören, dann war es mit einemmal ganz still. Frau Hanke sagte optimistisch: 'Jetzt können wir unsere eiserne Ration aufessen und schlafen. Sie sind da, und sie tun uns ja nichts...'. Völlig übermüdet schliefen wir ein wenig ein. Da klopfte es oben an der Haustür. Mein Vater stieg die Treppe hinauf, öffnete und leuchtete mit der Taschenlampe einem Russen ins Gesicht, der ihm gleich die Lampe wegnahm. Zwei riesige Kerle kamen herunter...Sie sagten:'Uhri!' Jeder gab ihnen seine, und sie verschwanden wieder, ohne uns etwas zu tun. Wir dachten, wir hätten es nun überstanden, denn die Russen mußten ja weiter nach Berlin." Es handelt sich in diesem Bericht offenbar ebenfalls um den Abend des 23. April. Die sowjetischen Panzer und Panjewagen - das waren leichte, mit Pferden bespannte hölzerne Wagen - fuhren durch Eichwalde und ließen sich dabei unter anderem in der heutigen Waldstraße von Anwohnern anhand ihrer Karten den besten Weg nach Schönefeld erklären.

Am frühen Morgen des 24. April entschloß sich der amtierende Bürgermeister Streichan, auf dem Rathausdach ein gut sichtbares weißes Tuch an jenem Mast zu befestigen, an dem seit zwölf Jahren oft die Hakenkreuzfahne geweht hatte. Die weiße Fahne sollte Eichwalde vor möglichem Beschuß oder Bombenabwürfen bewahren und als Zeichen der kampflosen Übergabe gelten. Da er zu diesem Zeitpunkt noch nicht überblicken konnte, daß die sowjetischen Truppen längst über die militärische Lage im Bilde waren, war sein Verhalten durchaus mutig. Zweifellos wußte Streichan, daß derartige Handlungen jeden Waffenträger berechtigten, die 'Verräter' standrechtlich zu erschießen. Zusammen mit seinem Sohn stieg er die Treppen zum Dachgeschoß hinauf. Dabei entdeckten sie im Rathaus den toten Polizei-Hauptwachmeister George, der sich mit seiner Dienstpistole erschossen hatte.

Frau Ziemann bestätigt:"Am nächsten Morgen um sieben Uhr hörten wir wieder verdächtige Geräusche auf der Straße. Frau Hanke nahm mich mit nach oben, und wir spähten durch die Ritzen der heruntergelassenen Jalousien. Wir sahen deutsche Soldaten. Frau Hanke war außer sich: 'Jetzt ist alles aus! Ich habe doch die weiße Fahne rausgehängt.' Das hatten wir auch. Aber die Soldaten waren offenbar froh, daß ihnen keiner etwas tat. Sie wollten sich absetzen und wußten nicht wie. Sie verschwanden aus unserem Blickfeld, und um zehn Uhr war die Straße wieder voller Russen." Sehr wahrscheinlich berichtet Frau Ziemann hier über den Morgen des 24. April 1945. Zu dieser Zeit wurde noch bei Schönefeld, Diepensee sowie entlang des Teltowkanals gekämpft, überwanden sowjetische Truppen bei Niederlehme die Dahme. Zeuthener Einwohner beobachteten vom Ufer des Sees aus am gleichen Tag die Sprengung der Schmöckwitzer Brücke. Von einem durch Eichwalde rasenden LKW riefen jungendliche Uniformierte den Einwohnern in der Schmöckwitzer Straße zu, daß die Brücke gesprengt worden sei.

Am 25. April kamen die ersten sowjetischen Soldaten nach Zeuthen, Miersdorf, Schulzendorf und Waltersdorf. An diesem Tag schlossen die sowjetischen Armeen hinter Potsdam bei Ketzin den Ring um Berlin. Am gleichen Tage begegneten sich amerikanische und sowjetische Truppen bei Torgau an der Elbe. Die meisten Eichwalder sehen im 23. April 1945 jenen Tag, an welchem für sie der Krieg zu Ende war, manche nennen auch den 24. April. Der schon genannte Heinz Sandelowski schilderte, mit welcher Freude seine Bekannten, die ihn versteckt und unterstützt hatten, die Rote Armee begrüßten: " Wie die Russen 'reingekommen sind, hat Emil (Emil Kaschel, d. A.) die kommunistische Fahne genommen – ich seh's noch so wie damals. Da war ein Wagen mit einem Pferd, Stroh war drauf, und ein russischer Offizier hat hinten auf dem Stroh gesessen, und einer hat den Wagen gefahren. Er ist 'rausgegangen und hat die Fahne mit Hammer und Sichel getragen, der Emil, und hat seine Parteikarte vorgezeigt. Er ist 'reingefahren mit dem Offizier nach Eichwalde (Kaschels wohnten in der heutigen Schulzendorfer Rudolf- Breitscheid-Str., d. A.). Das war für ihn der schönste Moment im Leben. Darauf hatte er zwölf Jahre gewartet. Das war für ihn - wenn man ihm dafür eine Million Mark hingelegt hätte, hätte er sie nicht genommen ".

Diese Gefühle wurden von jenen Einwohnern geteilt, für die als Verfolgte des Naziregimes, als Widerstandskämpfer oder einfach als Hitlergegner die Zeit der Freiheit begonnen hatte. Bei aller Freude über das Ausbleiben weiterer Fliegeralarme und von Kämpfen im Ort, über das Ende der Naziwillkür, der Freude darüber, am Leben geblieben zu sein und über das nahe Kriegsende wurde eine ähnliche Begeisterung von den meisten Einwohner nicht so empfunden. Zu groß war noch die Angst vor den Siegern, vor erwarteter Bestrafung, vor Rückkehr in ein normales Leben, vor dem Kommenden. Manche Einwohner hatten den Ort vor dem Einmarsch sowjetischer Truppen in Richtung der westlichen Alliierten verlassen. Die leerstehenden Wohnungen und Häuser wurden mit Flüchtlingen und Umsiedlern belegt. In diesen Tagen kam es in Eichwalde wohl noch nicht zu Vergewaltigungen und Plünderungen. Erst nach dem Ende der Kämpfe in Berlin ereigneten sich derartige Übergriffe auch im Ort. Vielfach sind gute Erfahrungen mit sowjetischen Soldaten in Erinnerung geblieben. Seit dem 25. April hatte Eichwalde einen "russischen Kommandanten", Major Kusnezow. Er war sehr bemüht, das Leben in geordnete Bahnen zu lenken und ordnete an, daß der amtierende Bürgermeister Wilhelm Streichan wichtige Amtsgeschäfte zunächst weiter auszuüben hatte. Ihm zur Seite wurde der Kommunist und ehemalige KZ-Häftling Errulat gestellt. Die sowjetischen Zwangsarbeiter waren schon Stunden nach ihrer Befreiung mit LKW abgefahren worden. Erst später erfuhr man davon, daß viele nicht in ihre Heimatorte, sondern als Gefangene in spezielle Lager gebracht worden waren.

Am 28. April 1945 wurde die Gemeindeverwaltung zunächst vom Komitee "Freies Deutschland" (KFD) übernommen, das von einer Gruppe von Antifaschisten gebildet worden war. Die Angehörigen des Komitees trugen rote Armbinden mit den Buchstaben KFD. Wilhelm Streichan erfüllte seinen vom sowjetischen Kommandanten erhaltenen Auftrag bis Anfang Juni 1945 weiter. Nach seiner unerwarteten Verhaftung setzte der sowjetische Kommandant Errulat als Bürgermeister ein, sein Stellvertreter wurde der in Berlin-Schmöckwitz wohnende Arbeiter und Kommunist Max Weidner. Während in Eichwalde fast schon die Nachkriegszeit begonnen hatte, wurde im Raum Märkisch-Buchholz/Halbe/Teupitz noch gekämpft. Vom 26. April bis zum 1. Mai dauerten hier die Kämpfe der Roten Armee bei der Zerschlagung von Truppen der eingekesselten deutschen 9. Armee und 4. Panzerarmee, wurde gelitten, geblutet, gestorben, ermordeten SS-Kommandos Einwohner und Soldaten, die nicht mehr 'siegen' wollten.

Im Eichwalder Rathaussaal versammelten sich am 1. Mai etwa 25 bis 30 Einwohner, meist Kommunisten, zu einer Feierstunde. Herr Dr. Weidner berichtet: "An der Seite meiner Eltern erlebte ich diese Maifeier. Sie waren erstaunt und erfreut darüber, daß nach diesen zwölf Jahren sich noch weitere Einwohner außer unseren Freunden ihre Ideale bewahrt hatten ... Ich weiß noch, daß nicht nur meine Mutter, sondern auch andere der Anwesenden ihren Tränen freien Lauf ließen, als man nach einer kurzen Rede eines älteren Genossen die "Internationale" anstimmte und das Lied "Brüder, zur Sonne, zur Freiheit" sang. "

In einem Protokoll aus diesen Tagen wird berichtet: " Rottschäfer sen. ... brachte nach dem Russeneinmarsch jeden Morgen die neuen Nachrichten (zu einem Bekannten im Hause des Zeugen, d. A.). R. hatte trotz des ausdrücklichen Verbotes der Militärverwaltung noch mehrere Radioapparate behalten (sie wurden bei der Haussuchung gefunden) und hörte damit ständig die Nachrichten ... Eines Morgens erschien er wieder... Er wollte neue Nachrichten bringen und rief über den Zaun: 'Fritz, der rote Mob hat im Rathaus die Macht an sich gerissen', brach plötzlich ab und sprach nicht weiter...die Aussprache wurde im Flüsterton weitergeführt." Erstmals meldete der Rundfunk am Abend des 1. Mai, daß sich Hitler am 30. April durch Selbstmord seiner Verantwortung entzogen hatte. Seit dem Morgen des 2. Mai schwiegen in Berlin nahezu überall die Waffen. Am gleichen Tage kapitulierten die deutschen Truppen in Berlin. Ein ebenfalls im Nachbarort Schulzendorf gebildetes Komitee "Freies Deutschland" gab am 3. Mai 1945 seine beiden ersten und nun fast täglich erscheinenden Nachrichtenblätter heraus. Sie wurden auf der Schreibmaschine geschrieben und anschließend vervielfältigt. Blatt Nr.1 meldete: " Laut Radiomeldung gehen die Kämpfe in Berlin ihrem Ende entgegen. Russische Truppen haben am 1. Mai das Reichstagsgebäude besetzt." Allein bei der Eroberung Berlins fielen 30 000 sowjetische Soldaten. Im Blatt Nr. 2 war zu lesen: "Nach unbestätigten Meldungen soll Adolf Hitler verstorben sein." Und nach einem Absatz hieß es: "Freiwillige vor zum Arbeitseinsatz! Die Feldbestellung ist jetzt die dringlichste Aufgabe!"

Am 7. Mai 1945 wurden in Reims und am 9. Mai1945 um 0.16 Uhr in Berlin-Karlshorst Urkunden über eine bedingungslose Kapitulation der Wehrmacht unterzeichnet. Beide Protokolle enthielten die Bestimmung, daß alle deutschen Streitkräfte bis zum 8. Mai, 23.00 Uhr MEZ, die Kampfhandlungen einzustellen haben. Ein Anwohner der Wagnerstraße erzählte, daß viele sowjetische Soldaten mit gepanzerten Fahrzeugen auf dem Platz am Wasserturm versammelt waren. Am Tag des Sieges, dem 9. Mai, veranstalteten sie hier und an weiteren Stellen des Ortes mit Leuchtspurmunition ein kräftiges Siegesfeuerwerk. In Rußland gilt der 9. Mai als der " Djen Pobedy " (Tag des Sieges), in den USA der 8. Mai als "Day of Liberation" (Tag der Befreiung), in der Republik Frankreich ist es der "Jour de la victoire" (Tag des Sieges), in der DDR war er als "Tag der Befreiung" ein gesetzlicher Feiertag. In Eichwalde erinnerte im Jahre 2004 nichts mehr an die Befreiung des Ortes durch die Rote Armee. Die nach 1989 erfolgte Umbenennung des Eichwalder "Platzes der Roten Armee" in Platz "Am Stern" tilgte das bis dahin einzige Symbol öffentlichen Gedenkens im Ort für diese geschichtliche Tatsache.

Acht jüdische Mitbürger wurden vom Naziregime ermordet. Bisher erinnert im Ort kein öffentliches Mahnmal an sie. Die Anzahl der im zweiten Weltkrieg durch Kriegshandlungen ums Leben gekommenen Eichwalder Bürger konnte nicht ermittelt werden. Eine Gedenktafel in der evangelischen Kirche Eichwaldes erinnert an die Opfer zweier Weltkriege. Die individuelle Anwort der Einwohner Eichwaldes darauf, ob es eine Niederlage oder die Befreiung war, ist jeweils Ausdruck eines bestimmten historischen Gedächtnisses. Ein Blick auf den Weg Eichwaldes vom 30. Januar 1933 bis zum 8. Mai 1945 kann noch immer bei der Beantwortung dieser Frage hilfreich sein. Wesentlich aber war, daß im Mai 1945 wieder Frieden herrschte, der in Eichwalde schon im April begonnen hatte und der für immer bewahrt bleiben muß.


1 Front = In der Roten Armee Bezeichnung für eine Vereinigung von Verbänden der Teilstreitkräfte zur Lösung operativ-strategischer Aufgaben. Eine Front bestand aus mehreren Armeen. Der Begriff ist in der Wehrmacht etwa mit der Heeresgruppe vergleichbar.
2 Sonja Ziemann, a.a.O. ,S. 49 f.
3 Bericht Frau Kollin, Eichwalde, Goethestr., November 2003.
4 Bericht Frau Glaß, Eichwalde, Bahnhofstr., Januar 2004.
5 BLHA, Pr. Br. Rep. 203 AzS, BET, Nr. 1270; 1176.
6 Gespräch mit Frau Judith Hartung, Eichwalde, Chopinstr., März 2004.
7 Franziska Mohr: Nach 57 Jahren endlich Gewissheit, in: Märkische Allgemeine Zeitung v.6. / 7. Juli 2002.
8 Davon erfuhr Frau Hartung nach 57 Jahren durch den Suchdienst des Deutschen Roten Kreuzes, dessen Suche erst nach der Öffnung russischer Archive endlich zu einem Ergebnis geführte hatte.
9 Sonja Ziemann, a.a.O., S. 52.
10 Bericht Frau Erika Zietz, Berlin- Schmöckwitz, Siedlers Eck, Januar 2004.
11 Bericht Frau Kollin, geb. Streichan, Eichwalde, Goethestr., Februar 2004. Der standesamtliche Eintrag über den Todesfall ist vom 25. April 1945 .
12 Sonja Ziemann, a.a.O., S. 52f.
13 Vgl. Zeuthen, S. 347.
14 Deutschland, Bd.6, S. 702 ff.
15 Zit. nach Martina Voigt, a.a.O., S. 113.
16 Gespräch mit Frau Kollin, geb. Streichan , Eichwalde, Goethestr, April 2003. Wilhelm Streichan verstarb 1945 im Ort Weesow auf dem Transport in ein Internierungslager.
17 Deutschland, Bd. 6, S. 713 ff.
18 Bericht Herr Dr. Klaus Weidner, Eichwalde, Wusterhausener Str., Juli 2004.
19 BLHA, Pr. Br. Rep. 203 AzS, BET Nr. 1270, Blatt 224 .
20 Vgl. Kurt Pätzold / Manfred Weißbecker: Adolf Hitler. Eine politische Biographie. Leipzig 1995,S.586.
21 Heimatarchiv , Sammlung von Nachrichtenblättern des Komitees Freies Deutschland Schulzendorf, Nachrichtenblatt Nr. 1 und Nr. 2 v. 3. Mai 1945.
22 Deutschland, Bd. 6, S. 779.
23 Der Autor hat bisher 45 Namen festgehalten. Eine Anfrage bei der Deutschen Dienststelle (WASt.) mit Antwort vom 15. Juli 2003 liegt vor.