Erkelenz

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Erkelenz ist die größte im Kreis Heinsberg in Nordrhein-Westfalen.

Reklamemarken und Siegelmarken

Verzeichnis der sortierten Reklamemarken und Siegelmarken mit einem Bezug zu Erkelenz.

Lambertz

Sonstige

Geschichte

Vor- und Frühgeschichte

Aus dem gesamten heutigen Stadtgebiet liegen Funde von Feuersteinschlagplätzen der älteren bis jüngeren Steinzeit vor.[8] Bei Gut Haberg, gelegen nördlich von Lövenich, existiert eine überregional bedeutende Fundstelle. In der Nähe von Kückhoven wurde 1990 ein Holzbrunnen entdeckt, der zu einer Siedlung der Bandkeramiker gehörte und um 5100 v. Chr. erbaut wurde. Damit stellt er eines der ältesten Holzbauwerke der Welt dar.[9] Nördlich der alten Ortslage von Erkelenz, am heutigen Marienweg, lagen drei Brandgräber, nordwestlich bis südlich zahlreiche Trümmerstätten. Römische Ziegel, Hypokaustenziegel und Scherben stammen vom Markt südlich des Rathauses. Hier in der Südwestecke und östlich vom Chor der katholischen Pfarrkirche stieß man auf mit Feldsteinen eingefasste Urnengräber aus der frühen fränkischen Zeit von 300 bis 500 n. Chr. Am Süd- und Südostrand des Marktes fand man auch Kugeltöpfe im Stil der Badorfer Keramik aus karolingischer Zeit.[10] 1906 entdeckte man in Kleinbouslar eine römische Jupitersäule aus dem Anfang des 3. Jahrhunderts n. Chr. Der Erkelenzer Chronist Mathias Baux schrieb im 16. Jahrhundert, dass „Die bussche sein in middelen tiden utgerodet und der boden to fruchtbarm lande gemacht, so dat uth der rouwer wildtnisse ein kornreicher gelends und overall ein lustig paradis woirden is.“[11] Aus der Sicht des Mathias Baux waren die mittleren Zeiten das 8. Jahrhundert, was sich mit der Entstehung des karolingischen Reiches deckt. Unter der heutigen katholischen Pfarrkirche lagen beigabenlose fränkische und mittelalterliche Gräber sowie Bruchstücke von Badorfer Keramik und römischen Ziegeln.[12]

Ortsnamen

Hierzu existieren verschiedene Theorien. Eine Erka wurde von Mathias Baux in dessen spätmittelalterlichen Stadtchronik, als mythologische Gründerin und somit als Namensgeberin von Erkelenz dargestellt. Die Ortsnamensforschung aber ordnet überwiegend Erkelenz der Gruppe galloromanischer -(i)acum Ortsnamen zu. Danach leitet sich der Name des im Jahre 966 n. Chr. in einer von Otto dem Großen besiegelten Urkunde erstmals als herclinze genannten Ortes ab von fundus herculentiacus: herkulentisches Gut (Gut des Herculentius). Aus dem ursprünglich adjektivischen Charakter des Personennamens entwickelte sich dann das Neutrum Herculentiacum. Eine Siedlungskontinuität von der Römer- bis zur Frankenzeit ist aber nicht zu belegen.[13] Daher wird auch vertreten, dass der Name nicht römischen, sondern althochdeutschen Ursprungs sei, in dem sich das Wort linta = Linde findet.[14] Im Jahre 1118 n. Chr. erschien der Ort dann als Erkelenze.

Grundherrschaft

Am 17. Januar 966 erhielt das Marienstift zu Aachen durch Tausch mit dem lothringischen Grafen Immo unter anderen den im Mühlgau in der Grafschaft des Eremfred gelegenen Ort Erkelenz und den Nachbarort Oestrich. Kaiser Otto der Große bestätigte diesen Tausch in der genannten Urkunde bei einem Hoftag in Aachen.[15] Das Stift war nunmehr Eigentümer des gesamten Grund und Bodens in Erkelenz und den umliegenden Dörfern mit der Besonderheit, dass die Landesherrschaft von den Grafen ausgeübt wurde.[16] Später wurden die Güter innerhalb des Stiftes zwischen Propst und Kapitel aufgeteilt. Die Höfe wurden nicht selbst bewirtschaftet, sondern verpachtet. Erst 1803 verlor das Stift diese Eigentumsrechte, als Frankreich die Säkularisation im Rheinland durchführte.[17]

Stadtrecht

Erkelenz hat im Jahr 1326 von Graf Rainald II. von Geldern das Stadtrecht erhalten, so ist es in der Stadtchronik des Mathias Baux nachzulesen.[18] Eine Urkunde über die Stadtrechtsverleihung existiert aber nicht, weswegen zum Teil statt eines festen Datums ein langjähriger Stadtwerdungsprozess angenommen wird, der sich bis zur Mitte des 14. Jahrhunderts hingezogen haben soll.[19][20] Dem steht aber entgegen, dass bereits für das Jahr 1331 ein Schöffensiegel genannt wird,[21] und auch erscheint Erkelenz am 1. Dezember 1343 auf dem geldrischen Städtetag.[22] Im Jahre 1359 wird Erkelenz dann in einer Urkunde als geldrische Stadt bezeichnet[10] und führt den geldrischen Löwen und die geldrische Rose in Siegel und Wappen.

Landesherrschaft

Seit dem ausgehenden 11. Jahrhundert hatten mit Gerhard III. von Wassenberg, der identisch ist mit Gerhard I. von Geldern,[23] die Grafen von Geldern die Landesherrschaft auch in Erkelenz inne. Sie waren vom Reich bestellte Vögte und übten Gerichtsbarkeit, Marktschutz und Militärhoheit aus.[24] Kaiser Ludwig der Bayer erhob Geldern 1339 unter Rainald II. dann zum Herzogtum,[23] das in vier Quartiere aufgeteilt war. Erkelenz und seine umliegenden Dörfer gehörten zum Oberquartier Geldern mit dem Hauptort Roermond und war eine Exklave Gelderns im Herzogtum Jülich. Sie bildete mit den nicht isoliert gelegenen weiteren Dörfern Wegberg, Krüchten und Brempt das Amt Erkelenz, an dessen Spitze der Amtmann (Drossard) stand. Verwaltet wurde das Amt in Personalunion von dem Drosten des Amtes Krickenbeck, sein Stellvertreter in Erkelenz war ein Vogt.[25]

Die städtische Verfassungs- und Verwaltungsform stimmte mit der der anderen geldrischen Städte überein. Sieben Schöffen, die wie auch die Bürgermeister in Stadt oder Land begütert sein mussten, und zehn gemeine Ratsmitglieder stellten für die Amtsperiode von einem Jahr zwei Kandidaten für den Stadtbürgermeister und zwei Kandidaten für den Landbürgermeister zur Wahl, auserkoren wurden sie aber nur von den Schöffen, die somit eigentlich die Politik in der Stadt betrieben, während der Rat nur repräsentative Aufgaben erfüllte.[26]

Schon bald nach der Stadterhebung begann man mit der backsteinernen Befestigung der Stadt, die vermutlich bereits eine leichtere Umwallung besaß, wie sie seit unvordenklichen Zeiten zum Schutz der Siedlungen gebräuchlich[9] und mit der im 11. Jahrhundert begonnen worden war.[27] Zwar wird die Burg erst 1349 urkundlich genannt,[28] die Stadt scheint sich aber aus dem Schutz der Burg heraus mit dem in unmittelbarer Nähe verlaufenden Pangel als ältestgenannter Straße („in deme Pandale“, 1398) entwickelt zu haben. Auch wird der nahegelegene Johannismarkt „alder mart“ (1420) und der entferntere, heute nur Markt genannte Platz „niewer mart“ (1480) genannt.[29] Zudem ist die Burg offensichtlich in die nachfolgend errichteten Stadtmauern einbezogen worden, so dass sie schon bei der Stadtrechtsverleihung im Jahre 1326 vorhanden gewesen sein dürfte.[30][31] Es ist auch kaum anzunehmen, dass ein unbefestigter Ort zur Stadt erhoben wurde. Letztlich ist 1355 als erstes und stärkstes das an der Kölner Heerbahn, die von Roermond kommend in Erkelenz über die Theodor-Körner-Straße, Mühlenstraße und Wockerath nach Köln führt, gelegene Brücktor (Brückstraße) unweit der Burg entstanden.[32]

In einer Fehde Eduards von Geldern, der ein Sohn Herzogs Rainald II. und Widersacher seines älteren Bruders Rainald III. war,[23] eroberte Graf Engelbert III. von der Mark im Jahre 1371 die nur unzureichend befestigte Stadt und zerstörte sie teilweise.[33] Der kinderlose Eduard fiel im selben Jahr auf dem Schlachtfeld zu Baesweiler im Kampf auf Seiten seines Schwagers, des Herzogs Wilhelm II. von Jülich, gegen Herzog Wenzel I. von Brabant.[34] Als in diesem Jahr auch sein Bruder Rainald III. ohne Nachkommen starb,[23] entwickelten sich um Erbe und Besitz des Herzogtums Geldern immer wieder neue kriegerische Auseinandersetzungen, unter denen Erkelenz als geldrische Exklave in Jülicher Land durch Kriegslasten, Einquartierungen, Raub und Plünderungen besonders zu leiden hatte.[35]

Entsprechend den strategischen Bedürfnissen der jeweiligen Landesherren wurde der Bau der Erkelenzer Festungswerke vorangebracht. Im Jahre 1416 entstand unter Rainald IV. von Geldern das dem Brücktor auf der anderen Seite der Stadt gegenüberliegende Maartor (Aachener Straße),[36] das sich gegen das südlich der Stadt gelegene Jülich richtete. 1423 fiel das Herzogtum Geldern und damit auch die Stadt Erkelenz an Arnold von Egmond,[37] 1425 an Adolf von Jülich-Berg.[23] Nachdem dessen Neffe und Nachfolger, Gerhard II. von Jülich-Berg, in der Hubertusschlacht bei Linnich Arnold von Egmond besiegt hatte, wurde 1454 das Oerather Tor (Roermonder Straße) fertiggestellt,[38] das gegen Roermond gerichtet war. Trotz laufender aufwendiger Arbeiten an den Befestigungswerken konnte die Stadt es sich leisten, 1458 sogleich mit dem Bau eines neuen, heute noch erhaltenen Kirchturmes zu beginnen, nachdem im Jahr zuvor der Turm der alten romanischen Kirche eingestürzt war.

Im Jahre 1473 gelangte die Stadt an Karl den Kühnen von Burgund, der auf seinen Kriegszügen gegen Lothringen 1476 persönlich in Erkelenz die Huldigungen der Bürgerschaft entgegennahm. 1481 fiel die Stadt an Maximilian I. von Österreich, 1492 an den Sohn Arnolds von Egmond, Karl von Egmond, der sich im selben Jahr ebenfalls persönlich in Erkelenz einfand. Zu dieser Zeit war die Festung Erkelenz schon so stark, dass Maximilian I. seine ihm gegen Geldern verbündeten Herzöge von Jülich und Kleve anwies, sich nicht auf einen Beschuss der Stadt einzulassen, sondern sie mit Hilfe von Sturmbrücken zu nehmen. Ein Heer von Herzog Wilhelm IV. von Jülich, es bestand aus 3000 Fußknechten mit 1000 Pferden, nahm Erkelenz am 21. August 1498 auf diese Weise[39] – ein Stadttor war heimlich geöffnet worden. 1500 fiel die Stadt wieder zurück an Karl von Egmont,[37] so dass im Jahre 1514 das dem Oerather Tor gegenüberliegende Bellinghovener Tor (Kölner Straße) entstand,[40] das eine Lücke gegen Jülich schloss. In die Stadtmauer mit ihren vier Torburgen waren 14 Wehrtürme eingelassen, und in ihrem Vorfeld lag noch ein doppelter, durch einen Wall getrennter Wassergraben.[41] Sie galt als uneinnehmbar.

Im Jahre 1538 fiel Geldern an Wilhelm von Jülich, Kleve und Berg.[37] In diese Zeit fällt der große Stadtbrand von 1540, als am 21. Juni des Jahres in großer Sommerhitze ein Brand ausbrach, dem die Stadt bis auf wenige Häuser am Brücktor und in der Maarstraße fast vollständig zum Opfer fiel. Hilfe kam von den benachbarten geldrischen Städten Roermond und Venlo. Kaiser Karl V. der 1543 nach der Einnahme von Düren und Jülich auf seinem Zug mit einem 30.000 Mann starken Heer nach Roermond persönlich in Erkelenz weilte,[42][43] beendete die geldrischen Erbfolgekriege im Frieden von Venlo. Die Stadt kam nun mit dem aufgelösten Herzogtum Geldern an das spanische Haus Habsburg und wurde Teil der spanischen Niederlande,[37] dem damals reichsten Land Europas. So konnte, wie die Inschrift auf einem Stein neben dem Eingang bezeugt, bereits 1546 das bei dem Stadtbrand zerstörte Rathaus durch das heute noch erhaltene Bauwerk ersetzt werden.[44]

Dauerhafter Friede kehrte aber nicht in das Land ein und mehrmals suchten dazu noch Seuchen die Stadt heim. 1580 wurde sie durch die Pest fast entvölkert.[46] Im Spanisch-Niederländischen Krieg nahmen im Jahre 1607 niederländische Truppen die Stadt ein und brandschatzten sie. Nachdem Erkelenz dann 1610 im Jülich-Klevischen Erbfolgekrieg erfolglos belagert worden war, vermochte im Französisch-Niederländischen Krieg schließlich das Heer des französischen Königs Ludwig XIV. zusammen mit den Truppen des Erzbischofs von Köln erst beim vierten Sturmangriff mit inzwischen erfundenen Kanonen die Stadt am Abend des 9. Mai 1674 einzunehmen, als zwei der vier Tore gefallen waren. An diesem Tag hörte sie auf, Festung zu sein. 400 Tote soll es bei den Angreifern gegeben haben, sechs bei den Verteidigern. Die Eroberer zwangen die Bürger, Breschen in die Mauern zu schlagen und sprengten das Bellinghovener und das Oerather Tor,[47] die beide ihnen den freien Durchzug in die Niederlande versperrten.

Im Spanischen Erbfolgekrieg wurde sie 1702 von preußischen Truppen besetzt, die sie erst 1713 wieder räumten. Im Frieden von Utrecht 1714 erhielt Herzog Johann Wilhelm von Jülich und Kurfürst von der Pfalz Erkelenz, dem es aber erst 1719 huldigte. Die Stadt verlor so ihre jahrhundertealte Zugehörigkeit zum Oberquartier Geldern. Von 1727 bis 1754 war die Herrlichkeit Erkelenz an den kurpfälzischen Geheimrat Freiherrn Johann Bernhard von Francken verpfändet,[48][37] der sich auch zeitweise in der Stadt aufhielt.

Von 1794 bis 1815 gehörte sie mit den linksrheinischen Ländern zu Frankreich und erhielt eine ständige französische Besatzungstruppe. Erkelenz bildete zunächst eine Munizipalität, ab 1800 eine Mairie (Bürgermeisterei) und war seit 1798 Sitz des Cantons Erkelenz im Arrondissement Crefeld, das Teil des Départements de la Roer war.[49] Im Jahre 1815 wurde der König von Preußen neuer Landesherr. In den Jahren 1818/19 brach man die baufällig gewordene Stadtmauer und Stadttore ab. Anstelle der Stadtmauern entstanden die heutigen vier Promenadenstraßen, benannt nach den jeweiligen Himmelsrichtungen.[50][51] Von 1816 bis zur Kommunalreform 1972 war Erkelenz Sitz des Landkreises Erkelenz.

Industrialisierung

Um 1825 ließ sich Andreas Polke aus Ratibor in der Stadt nieder und gründete eine Stecknadelfabrik. Der benachbarte Aachener Raum war zu damaliger Zeit in diesem Gewerbe führend. 1841 beschäftigte Polke in seiner Manufaktur 73 Arbeiter, darunter 35 Kinderarbeiter unter 14 Jahren; für die schulpflichtigen unter ihnen unterhielt er eine Fabrikschule. Stecknadeln wurden bis etwa 1870 in Erkelenz gefertigt. 1852 wurde Erkelenz an die Bahnstrecke Aachen–Mönchengladbach angeschlossen und erhielt außer einem Bahnhof für die Personenbeförderung einen Güterbahnhof mit Rangiergleisen, Ablaufberg und Drehscheibe. Das erhöhte Verkehrsaufkommen zum Bahnhof Erkelenz machte den chausseeartigen Ausbau der aus vier Himmelsrichtungen auf die Stadt zulaufenden Straßen erforderlich[52], und in den Jahrzehnten darauf erfolgte auch über die mittelalterlichen Stadtgrenzen hinaus die Bebauung entlang der heutigen Kölner Straße in Richtung Bahnhof.

Im 19. Jahrhundert existierte vor allem in den umliegenden Dörfern die Handweberei an Webstühlen. Die industrielle Epoche begann in Erkelenz zunächst mit der Einführung mechanischer Webstühle für die Tuchfabrikation. Im Jahre 1854 gegründet und 1878 am heutigen Parkweg ansässig war die Rockstoff-Fabrik I. B. Oellers, eine mechanische Weberei, in der zeitweise 120 Arbeiter und 20 kaufmännische Angestellte tätig waren. Seit 1872 existierte die mechanische Plüschweberei Karl Müller (Ecke Kölner Straße – Heinrich Jansen Weg), die in Erkelenz 60 und im Bergischen und im Rhöngebiet weitere 400 Handweber für den Erkelenzer Hauptbetrieb beschäftigte. Im Jahre 1897 entstand an der Neußer Straße die Textilfabrik Halcour, die im Jahre 1911 67 männliche und 22 weibliche Mitglieder in ihrer betriebseigenen Krankenkasse führte.[53]

Der eigentliche Schritt in das Industriezeitalter fand 1897 statt, als der Industriepionier Anton Raky die Zentrale der von ihm gegründeten Internationalen Bohrgesellschaft nach Erkelenz verlegte, im lokalen Sprachgebrauch die Bohr genannt. Für den Standort war der günstige Bahnanschluss zum Ruhrgebiet und Aachener Revier entscheidend. In den folgenden Jahren zogen nun von außerhalb Industriearbeiter und Ingenieure nach Erkelenz, so dass sich Wohnungsnot entwickelte, die erst durch Gründung eines gemeinnützigen Bauvereins entschärft werden konnte.[54] Zwischen Innenstadt und Eisenbahnlinie entstand ein neuer Stadtteil, im Volksmund wegen der fremd anmutenden Türmchen an manchen Häusern Kairo (sprich: Ka-i-ro) genannt. 1909 beschäftigte die Bohrgesellschaft 50 Angestellte und 460 Arbeiter, im Kriegsjahr 1916 bereits 1600 Mitarbeiter. Als die Stadt am 10. Mai 1898 auf dem Markt eine Bronzestatue des Kaisers Wilhelm I., ein Werk des Bildhauers Arnold Künne, aufstellte, wurde das Denkmal auf Initiative von Raky von Bogenlampen mit elektrischem Licht angestrahlt. Das markierte in Erkelenz die Einführung der Elektrizität im öffentlichen Raum. Im selben Jahr leuchteten in der Bahnhofstraße (heute Kölner Straße) die ersten elektrischen Straßenlampen und die ersten Hausanschlüsse wurden verlegt.

Gründerzeitliche Hausfassaden sind Zeugnisse der Entwicklung der Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert. In den beiden folgenden Jahrzehnten baute die Stadt an der heutigen Bernhard-Hahn-Straße das Wasserwerk mit dem weithin sichtbaren Wasserturm, das Elektrizitätswerk, den Schlachthof (Architekt Walter Frese) und die Badeanstalt. An der Südpromenade wurde ein großes Schulgebäude für das Gymnasium errichtet. Die Gründung einer Kornbrennerei, einer Brauerei, einer Mälzerei und einer Molkerei dienten als neuer Absatz für die Landwirtschaft. Im Jahre 1910 errichtete Arnold Koepe in der ehemaligen Plüschweberei Karl Müller eine mechanische Werkstatt zur Herstellung von Förderwagen im Bergbau. Im Jahre 1916 übernahm Ferdinand Clasen den Betrieb und gründete 1920 aus dieser Firma die Erkelenzer Maschinenfabrik an der Bernhard-Hahn-Straße, die zeitweise 200 Mitarbeiter hatte.[55]

Die Weltkriege und die Zwischenkriegszeit Während des Ersten Weltkrieges geriet auch die örtliche Wirtschaft durch Einberufungen, Vorbehalt des Eisenbahnverkehrs für Truppentransport und Beförderung von Kriegsmaterial sowie den Marsch großer Truppenteile durch die Stadt und den damit verbundenen Lasten zum Erliegen. Zur Behebung des Arbeitskräftemangels wurden Kriegsgefangene, meist Russen, die in einem auf dem Gelände der Internationalen Bohrgesellschaft 1915 errichteten Kriegsgefangenenlager interniert waren, vorwiegend in der Landwirtschaft eingesetzt. Um den Bedarf des Krieges an Metall zu decken, mussten die Bürger ihre diesbezüglichen Gerätschaften und die Kirchen einen Teil ihrer Glocken gegen geringe Entschädigung abliefern. Der verlorene Krieg kostete 142 zum Militärdienst eingezogenen Erkelenzer Bürgern das Leben, weitere 155 wurden zum Teil schwer verwundet.[56]

Nach diesem Krieg, der auch das Ende des Kaiserreiches brachte, waren zwischen 1918 und 1926 in Erkelenz 2000, bis zum 19. November 1919 französische und ab dem 1. Dezember 1919 belgische Besatzungssoldaten stationiert. An der Neusser und an der Tenholter Straße wurden Baracken als Mannschaftsquartiere erstellt und für die Unteroffiziere und Offiziere außer beschlagnahmten Quartieren auch Wohnungen am Freiheitsplatz, an der Graf-Reinald-Straße und in der Glück-auf-Straße gebaut.[57]

Da anfangs des Krieges auch Gold und Silber hergegeben werden mussten und die Goldwährung durch Papiergeld ersetzt worden war, verteuerten sich trotz Zwangswirtschaft alle Waren zu kaum erschwinglichen Papiergeldpreisen, so dass sich der Bestand an Papiergeld schließlich erschöpfte und den Kommunalbehörden gestattet wurde, eigenes Papiergeld zu drucken. 1921 ließ die Stadt als Notgeld Papiergeldscheine im Einzelwert von 50 und 75 Pfennig mit einem Gesamtwert von 70.000 Papiermark drucken. Dieses Notgeld wurde zum Teil in Umlauf gebracht und 1922 wieder eingelöst.[58]

Als Franzosen und Belgier im Januar 1923 das Ruhrgebiet besetzten, um Kohle und Stahl in ihre Länder abzutransportieren, kam es in dem später als Ruhrkampf bekannt gewordenen Widerstand auch in Erkelenz zum passiven Widerstand, insbesondere der Eisenbahner, in dessen Verlauf die belgische Geheimpolizei 14 Männer mit ihren Familien auswies und zum Teil mit Gewalt bei Nacht und Nebel in nicht besetztem Gebiet aussetzte.[59]

Bereits zu Beginn der Besetzung hatten Frankreich und Belgien erfolglos versucht, das Rheinland für einen Anschluss an ihre Länder zu gewinnen, den nunmehr aufgeflammten Widerstand nahmen sie zum Anlass, es jetzt mit Gewalt zu versuchen. Separatistentrupps, die sich mit Waffengewalt in verschiedenen rheinischen Städten festgesetzt hatten, riefen in Aachen die Rheinische Republik aus. Am 21. Oktober 1923 erschien ein solcher Trupp auch in Erkelenz, hisste mit Waffengewalt unter dem Schutz der Belgier am Rathaus und auf dem Landratsamt die „rheinische Fahne“ und forderte die Gemeinde- und Staatsbeamten auf, nunmehr der Rheinischen Republik zu dienen. Beamte und Bürgerschaft aber lehnten ab und holten die Separatistenfahne am folgenden Tag wieder ein. Unter größtem Jubel der Bevölkerung rückten die Besatzungstruppen ein Jahr später als nach dem Versailler Vertrag vorgesehen am 31. Januar 1926 ab. Die Glocken aller Kirchen läuteten die mitternächtliche Befreiungsstunde ein[60] und in diesem Jahr feierte Erkelenz auch die 600-jährige Verleihung seiner Stadtrechte.

Nach Hitlers sogenannter Machtergreifung am 30. Januar 1933 und nach den Reichstags- und Kommunalwahlen im März 1933 beantragten die Nationalsozialisten in Erkelenz unter Führung des Kreisleiters NSDAP Kurt Horst zuerst wie fast überall in den neuen Gemeindeparlamenten, Straßen und Plätze nach ihnen genehmen Größen umzubenennen.[61] So gab es in Erkelenz seit April 1933 einen Adolf-Hitler-Platz (Johannismarkt), einen Hermann-Göring-Platz (Martin-Luther-Platz) und eine Horst-Wessel-Straße (Brückstraße).[62] Im Mai 1933 drängten sie den amtierenden demokratischen Bürgermeister Ernst de Werth unter Androhung von „Schutzhaft“ aus dem Amt, ernannten Adolf Hitler als Ehrenbürger und verfolgten politisch Andersdenkende, Gewerkschafter und Geistliche.[63]

Im Juli 1933 wurde am Amtsgericht Erkelenz wie an allen Amtsgerichten im Deutschen Reich ein sogenanntes Erbgesundheitsgericht eingerichtet, dessen Aufgabe in der Zwangssterilisation körperlich und geistig Behinderter bestand. Ab 1941 wurde im Rahmen der später als Aktion T4 bekanntgewordenen Krankenmorde in der Zeit des Nationalsozialismus eine systematische „Vernichtung lebensunwerten Lebens“ durchgeführt, in die auch das Haus Nazareth in Immerath verstrickt war, wobei auch als „asozial“ oder „minderwertig“ bezeichnete Personen ermordet wurden.[64]

Im April 1933 hatte die NSDAP wie überall in Deutschland einen Boykott gegen jüdische Geschäfte organisiert.[65] Während der Novemberpogrome 1938 (der sogenannten „Reichskristallnacht“) kam es schließlich zu antijüdischen Gewalttaten. Von kommandierten SS- und SA-Leuten wurde die Synagoge an der Westpromenade verwüstet, jüdische Männer verhaftet, jüdische Wohnhäuser und Geschäfte in der Stadt geplündert und demoliert.[66] Im März/April 1941 wurden überall in Deutschland die Juden aus ihren Wohnungen vertrieben und in sogenannten Judenhäusern konzentriert, wohin sie von ihrem häuslichen Eigentum nur das Nötigste mitnehmen durften.[67] So zwangen die Nationalsozialisten auch am 1. April 1941 die noch in der Stadt Erkelenz verbliebenen Juden, ihre Wohnungen zu verlassen und Quartier im Spiess-Hof, einem Gehöft in Hetzerath, zu nehmen, von wo aus sie 1942 über das Ghetto Izbica in die Vernichtungslager deportiert wurden.[68]

Gegen Ende des Zweiten Weltkrieges wurde Erkelenz mit dem Vordringen der Alliierten auf die deutsche Westgrenze Mitte September 1944 wie viele andere Ortschaften im Aachener Gebiet allmählich geräumt. Lange Flüchtlingsströme bewegten sich ostwärts über den Rhein, auch das Vieh der Bauern wurde teilweise weggetrieben. Gleichzeitig wurden Tausende Zivilisten, Kriegsgefangene und Zwangsarbeiter zum Schanzen von Panzergräben in das Gebiet gebracht, unter Aufsicht bewaffneter SA aus Sachsen, die zahlreiche Übergriffe und Plünderungen vornahm.[69] Im Zuge der Rurfront wurden zwei Kilometer westlich der Stadt in einem halben Bogen um sie Panzergräben ausgehoben, Minenfelder ausgelegt und Infanteriestellungen mit einem weit verzweigten Grabensystem einer starken Igelstellung ausgebaut.

Der erste große Bombenteppich ging am 8. Oktober 1944 auf die Stadt nieder. Beim zweiten Bombenangriff am 6. Dezember 1944 starben 44 Menschen. Zwischen den Bombardierungen waren tagsüber und oft auch nachts Jagdbomber tätig. Seit Dezember 1944 lag die Stadt auch in Reichweite alliierten Granatbeschusses. Bei einem weiteren Bombenangriff am 16. Januar 1945 wurden 31 Menschen getötet, davon alleine 16 in einem Bunker an der Anton-Raky-Allee. Bei der SS-Kampftruppe reichte man das Kommando von oben nach unten weiter und setzte sich ebenso wie die örtlichen Parteifunktionäre, die in tagelangen Feuern ihre Akten verbrannt hatten, rechtzeitig ab. Der vierte und schwerste Luftangriff auf die inzwischen von Zivilisten fast verlassene Stadt erfolgte am 23. Februar 1945. Etwa 90 viermotorige Bomber flogen sie in zwei Wellen an. Folgende Gebäude, die bis dahin den Krieg überstanden hatte, wurden zerstört: die Kirchen, die Stadthalle, das Gericht, die Badeanstalt, das Krankenhaus, die Schulen, der Kindergarten und nur der Turm der katholischen Pfarrkirche blieb schwer beschädigt stehen. Drei Tage später, am 26. Februar 1945, nahmen das 406. und das 407. Infanterieregiment der 102. US-Infanteriedivision der 9. US-Armee im Zuge der Operation Grenade die Stadt und die umliegenden Ortschaften ein. Am Ende dieses Krieges war Erkelenz weitgehend zerstört und zählte im damaligen Kreis Erkelenz 300 Tote durch Bomben, 1312 Gefallene und 974 Verwundete.[70][71]

Die Nachkriegszeit

Beim Einmarsch der alliierten Truppen mussten die Einwohner umliegender Dörfer ihre Häuser verlassen und wurden interniert. Die verlassenen Wohnungen und Häuser wurden geplündert. Die Lebensmittelversorgung brach zusammen. Befreite, ehemalige sowjetische Zwangsarbeiter, bewaffneten sich mit herumliegendem Kriegsmaterial und machten die Gegend durch Übergriffe auf Zivilisten unsicher. Ende März 1945 lebten in Erkelenz etwa 25 Einwohner; in der sich mit zurückkehrenden Evakuierten allmählich wieder füllenden Stadt fehlte es an allem Nötigsten.[72]

Anfang Juni 1945 lösten Briten die Amerikaner ab. Einige der führenden Nationalsozialisten, die sich unter den Zurückkehrenden befanden, konnten verhaftet und vor Gericht gestellt werden. Sogenannte „Persilscheine“ waren begehrt. Der große Teil der bedeutungslosen Nationalsozialisten und Mitläufer wurde zu Enttrümmerungs- und Aufräumarbeiten in der Stadt zwangsverpflichtet. Aber auch die übrigen Bürger, insbesondere Bauern, denen noch ein Pferd oder Ochse nebst einem Karren geblieben war, zog man zu Hand- und Spanndiensten heran und auch die Jugend war aufgerufen, in freiwilligen Arbeitseinsätzen beim Wiederaufbau der Stadt zu helfen. Der größte Teil der Arbeiten geschah in Selbsthilfe und die sich gerade erst wieder organisierende Verwaltung achtete nur auf die Einhaltung der allernötigsten Bauvorschriften.

Die ersten allgemeinen Gemeindewahlen fanden am 15. September 1946 statt. Von 1947 an erreichten mit Lebensmitteln und sonstigen Sachen gefüllte ‚CARE-Pakete’ aus den USA, die Stadt. Außer den zurückkehrenden Ortsansässigen mussten zunehmend Vertriebene aus den deutschen Ostgebieten aufgenommen werden, so dass in den 1950er Jahren mit dem ‚Flachsfeld’ ein neuer Stadtteil entstand. Ebenso wuchs die Stadt in dieser Zeit auf den Feldern zwischen dem von nur wenigen Häusern begleiteten Buscherhof und der Oerather Mühle mit dem ‚Marienviertel’ um ein neues großes Stadtviertel, dessen Straßen zu beiden Seiten des alten, zur Marienwallfahrt in Holtum führenden Marienweges fast alle Namen von ostdeutschen Städten tragen. Erst in den Jahren 1956 und 1957 nahm die Bevölkerung unter großer Anteilnahme die letzten Heimkehrer aus Krieg und Kriegsgefangenschaft auf dem Erkelenzer Bahnhof in Empfang.

Erkelenz heute

Mit dem Neubau eines Jungen-Gymnasiums am heutigen Schulring begann 1965/1966 die Errichtung eines weiteren Viertels, das heute allgemein Schulviertel genannt wird. Neben weiteren, zwischenzeitlich erschlossenen kleineren Wohn- und Gewerbegebieten wächst seit den 1990er Jahren auf dem Oestricher Kamp ein großer Stadtteil mit eigener Grundschule heran, der von der sogenannten Nordtangente (Düsseldorfer Straße) abgeschlossen wird. Das an den Schulring angrenzende, zunächst für die Familien von in Deutschland stationierten britischen Soldaten gebaute und später nach deren Abzug als Übergangsheim für Spätaussiedler und Asylsuchende dienende Wohnviertel Bauxhof verlor 2007 seine letzte Funktion. Die Wohnanlage mit einer ursprünglichen Kapazität von bis zu 1200 Bewohnern wurde 2008 aufgelöst und teilweise abgerissen.[73]

Die Genehmigung des Tagebaus Garzweiler II am 31. März 1995 stellte die Stadt vor neue Herausforderungen, da ein großer Teil des Stadtgebietes abgebaggert werden soll. Unter dem Dach der „Vereinten Initiativen“ sammelte sich der Bürgerprotest der betroffenen Ortsteile. Verschiedene Klagen der Stadt Erkelenz gegen den Tagebau in den Jahren 1997 bis 2001 vor dem Verwaltungsgericht Aachen und im Instanzenzug vor dem Oberverwaltungsgericht Münster wurden ebenso abgewiesen wie eine Verfassungsbeschwerde vor dem Verfassungsgerichtshof Münster. Im Hinblick auf die anstehenden Umsiedlungen mussten somit neue Baugebiete erschlossen werden, so erfolgten die ersten Spatenstiche 2005 im Oerather Mühlenfeld und 2007 in „Immerath (neu)“ bei Kückhoven und „Borschemich (neu)“, das nördlich der Nordtangente entsteht. Die Stadtteile Keyenberg (neu), Berverath (neu), Kuckum (neu), Unterwestrich (neu) und Oberwestrich (neu) werden zwischen Borschemich und Rath-Anhoven (Stadt Wegberg) angelegt. Die ersten Häuser sind erbaut (Stand Dezember 2018). Eingemeindungen

In ihrer heutigen Form ist die Stadt Erkelenz aufgrund des Neugliederungsgesetzes Aachen vom 21. Dezember 1971 (Aachen-Gesetz) entstanden. Nach diesem Gesetz wurden unter anderem der bisherige Kreis Erkelenz und der Selfkantkreis Geilenkirchen-Heinsberg am 1. Januar 1972 zusammengelegt. Erkelenz verlor seinen Kreissitz an Heinsberg und wurde mit den Gemeinden Borschemich, Gerderath, Golkrath, Granterath, Hetzerath, Holzweiler, Immerath, Keyenberg, Kückhoven, Lövenich, Schwanenberg und Venrath sowie den Orten Geneiken und Kuckum zusammengeschlossen.[74] Die Stadtfläche vergrößerte sich von 25,22 auf 117,35 Quadratkilometer.[2]


Text: Wikipedia

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