F. A. Sarg’s Sohn & Co.

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F. A. Sarg’s Sohn & Co. war im 19. Jahrhundert ein bedeutendes chemisches Unternehmen südlich von Wien in Liesing. Es war von Friedrich Albert Sarg und seinem Sohn Carl erworben und weitergeführt worden. Das Unternehmen entwickelte 1860 die durchsichtige Glycerin-Toilette-Seife und 1884 das Speisefett „Ceres“. 1887 brachte das Unternehmen als Erstes die Zahnpasta namens „Kalodont“ in Tuben auf den Markt.

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Geschichte

Die Geschichte dieser Fabrik, welche auch für die allgemeine Entwicklung der Fettwaren-Industrie in Österreich maßgebend war, hängt mit der Geschichte der Stearin-Industrie zusammen. Durch die Versuche, die Eugène Chevreul 1811 begann und 1825 so weit beendet hatte, dass er zusammen mit Gay-Lussac das Patent anmelden konnte, wurde die Natur der Fette festgestellt. 1813 entdeckte er durch Zersetzung einer aus Schweineschmalz und Olivenöl hergestellten Seife, dass sich diese unter Abscheidung von Glycerin in festes und flüssiges Fett trennen ließ. Diese Fette hatten die Eigenschaften von Säuren. Er nannte 1816 das feste Fett „Stearinsäure“, auch Stearin, das flüssige Fett „Ölsäure“ Elainsäure oder kurz Elain. Trotz der Erteilung des Patentes waren die technischen Schwierigkeiten noch lange nicht überwunden. Es dauerte volle sechs Jahre, bis A. de Milly durch Einführung der Kalkverseifung die Idee Chevreuls für die Industrie verwertbar machte und zusammen mit Motard eine Kerzenfabrik bauen konnte. Inzwischen ging man an das Studium der Dochtbereitung. Es gelang Chambacérès, den Docht durch genügend Beizung für die Kerze tauglich zu machen. Die erste Fabrik wurde in der Nähe der Barrière de l'étoile in Paris gegründet. Die dort hergestellten Kerzen wurden „Bougies de Milly“ oder auch „Bougies de l’étoile“ genannt.

1834 wurden auf der Pariser Industrieausstellung zum ersten Mal Kerzen ausgestellt und prämiert. Es waren die Milly-Kerzen. Nachdem A. de Milly gesehen hatte, dass sein Verfahren der Stearinfabrikation erfolgreich war, entschloss er sich, seine Patente, darunter das zur Erzeugung von Elainseife, auch im Ausland zu verwerten und gründete neue Fabriken.

In Österreich-Ungarn erhielt er am 7. Juli 1837 ein Privileg zur Erzeugung von Kerzen und errichtete seine Fabrik in der damaligen Wiener Vorstadt Wieden. Er brachte vorzügliche Stearinkerzen unter den Namen „Milly-Kerzen“ in den Handel, die die ältesten in Österreich-Ungarn eingeführten Stearinkerzen waren. Gemeinsam mit seinem Bruder G. de Milly gründete er nach einigen Schwierigkeiten laut Dekret vom 16. Dezember 1839 die k.k. ausschließlich privilegierte „Milly-Kerzen-Fabriksgesellschafts G. de Milly“ mit Sitz in Wieden Nr. 83, der späteren Wohllebengasse 10.

1854 wurde eine neue Produktionsstätte in Liesing auf dem Gelände der früheren Groißmühle errichtet, südöstlich des Bahnhofs Liesing der Südbahn. Dieses Werk blieb nicht lange im Besitz der Gesellschaft, es wurde 1858 von F. A. Sarg aus Frankfurt am Main ersteigert. Diesem stand sein Sohn Carl Sarg (1832–1895) zur Seite. Gemeinsam gelang es beiden, die Fabrik zu einem Musterbetrieb auszubauen. Hierbei konnte Sarg jun. die Kenntnisse und Erfahrungen verwerten, welche er während seiner Studien bei Justus von Liebig erworben hatte.

In der Toilettenseifen- und Kalodont-Fabrikation waren um 1900 circa 60 Mitarbeiterinnen beschäftigt. Die Gesamtzahl der Arbeiter betrug 300, die Hälfte davon Männer. In seiner Blütezeit beschäftigte das Werk rund 480 Personen. Die Fabrik besaß eine Feuerwehr und Arbeiterhäuser für zwanzig Familien. Für die notwendigen Reparaturen war eine eigene Werkstatt vorhanden.

Das Unternehmen hatte ein Verkaufsgeschäft (Comptoir) in Wien 4 (Wieden), Schwindgasse 7, dessen Adresse in Inseraten der Zeit aufscheint und dessen Gebäude auch als Wohnsitz von Familienmitgliedern diente. Der Bau steht unter Denkmalschutz und wird vom Bundesdenkmalamt als „Haus Sarg“ bezeichnet. Es handelt sich um ein 1873 von Claus und Gross erbautes Palais mit großen korinthischen Pilastern, vasenbekrönter Attika und einem Foyer mit Pilastergliederung, im Treppenhaus geschmücktem Estrich (Paviment) und Majolikabecken.

Der Betrieb musste nach dem Ersten Weltkrieg eingeschränkt werden. Der Sohn von Carl Sarg, der ebenfalls diesen Namen trug, verkaufte das Werk 1925 an die Schicht AG. Diese wiederum wurde Teil der Unilever. 1929 wurde der große Schornstein gesprengt. Auf Teilen des Geländes wurde eine Produktion weitergeführt. Teile des Werksgeländes waren mit Produktionsrückständen wie Säuren kontaminiert, welche das Schuhwerk angriffen. Kindern wurde es verboten, auf den Gründen zu spielen. Das Betriebsgelände des Unternehmens wurde „Sarg-Gründe“ genannt. Es wurde 1959 in Grundstücke von 500 bis 2000 m² geteilt, auf diesen Grundstücken wurden Familienwohnhäuser gebaut.


Als Reste der Anlage bestehen noch Wohnhäuser: Zwei davon befinden sich in der Alois-Dachs-Gasse. Zwei weitere Bauten des Unternehmens wurden 1870/1880 als Fabriksbauten errichtet und später als Wohnhäuser adaptiert. Sie befinden sich in der Karl-Sarg-Gasse 28 und der Nusching-Gasse 12. Es handelt sich um zweistöckige Sichtziegelbauten mit kreuzförmigem Grundriss, die im Mittelteil einen turmförmigen Aufsatz tragen. Die Fassaden sind durch Risalite und Lisenen gegliedert. Das Haus in der Nuschinggasse wurde auch von einem Optik-Unternehmen genützt. Das Direktionshaus befindet sich an der Ketzergasse an deren Unterführung unter die Südbahn und wird ebenfalls als Wohnhaus genützt, es liegt bereits in der Gemeinde Perchtoldsdorf. Die Karl-Sarg-Gasse in Liesing wurde nach dem Unternehmer benannt; sie beginnt bei der Breitenfurter Straße, führt mit einer Fußgängerbrücke über die Liesing und weiter nach der Kreuzung mit der Franz-Parsche-Gasse durch das ehemalige Werksgelände zur Ketzergasse. Die im Osten des Werksgeländes liegende heutige Alois-Dachs-Gasse hieß früher Arbeitergasse, sie wurde 1957 umbenannt.

Carl Sarg

Carl Sarg (* 10. Februar 1832; † 14. März 1895) war mit Anna geb. Nestle (* 5. Dezember 1843; † 13. Oktober 1926) verheiratet. Gemeinsam hatten sie mehrere Kinder: Carl jun., Anna die später Miska Bauer ehelichte, Lilly, Frieda und Olga Sarg.

Außer seiner Position als Chef des Unternehmens F. A. Sarg’s Sohn & Co. war er im Verwaltungsrat der k.k. priv. österr. Länderbank, der Österreichisch-Alpinen Montangesellschaft, der Trifailer Kohlenwerks-Gesellschaft und der Actien-Gesellschaft der Brauerei Liesing.

Er wurde für seine Verdienste zum kaiserlichen Rat ernannt, hielt den Titel eines Kommerzialrates, wurde zum k.u.k. Hoflieferanten ernannt und wurde unter anderem zum Ritter des Franz-Joseph-Ordens geschlagen. Nach kurzer Krankheit verstarb er mit 63 Jahren am Nachmittag des 14. März 1895 und wurde nach evangelischem Ritus auf dem Ortsfriedhof zu Liesing in der Familiengruft zur Ruhe beigesetzt.

Die Straße am ehemaligen Firmengelände entlang wurde später nach Carl Sarg Karl-Sarg-Gasse benannt. Sie erstreckt sich von der Ketzergasse im Süden bis zur Breitenfurter Straße im Norden, wird aber durch die Liesing in zwei Teile geteilt.

Produkte des Unternehmens

In vier Autoklaven à circa 2000 Kilogramm Inhalt wurde die zur Fabrikation nötige Fettmenge verseift und hierauf in großen, mit Blei ausgeschlagenen, circa 6000 bis 8000 Liter fassenden Reservoiren zersetzt. Die Fettsäuren wurden gewaschen und nach der Verfestigung durch acht Kalt- und sieben Warmpressen in feste und flüssige getrennt. Das Stearin wurde nach der Klärung auf circa 70 Kerzenmaschinen vergossen. Ein Teil der Fettsäure wurde destilliert, wozu neun Destillationsblasen dienten.

Das Glycerin wurde in zwei mächtigen Vakuumapparaten eingedampft und danach durch Spodiumfilter, deren es 15 in der Fabrik gab, geleitet und danach in vier Destillationsblasen auf Qualität und Reinheit gebracht. In vier großen Seifensiedekesseln wurde die Hausseife hergestellt. 40 eiserne Formen dienten zum Gießen der Seifenstränge, worauf sie durch entsprechende Maschinen in handliche Stücke geschnitten und gestanzt wurde.

Das zur Ceresingewinnung erforderliche Rohmaterial Ozokerit wurde in sechs eisernen Rührern mit Schwefelsäure verarbeitet, das hierbei resultierende Ceresin wurde durch hydraulische Filterpressen von den Unreinheiten befreit und in weißer und gelber Farbe und verschiedenen Formen in den Handel gebracht. Aus dem Kunstwachs wurden auch Weihnachtskerzen erzeugt. Die in den Pressrückständen enthaltenen Wachsreste wurden durch Extraktion rückgewonnen. Das Ceresin wurde Exportartikel.

Kalodont

Zu den vielen Glycerinartikeln, welche Carl Sarg im Laufe der Zeit auf den Weltmarkt brachte, kam 1887 Kalodont, die weltweit erste Zahncreme in Tuben, welche durch ihre vorzüglichen sanitären Eigenschaften sowie durch ihre praktische Verpackung bis heute das Vorbild für Zahnpasta als Massenprodukt darstellt. Kalodont war fünf Jahre vor Sheffield’s und neun Jahre vor der Zahnpasta von Colgate in Tuben erhältlich. Für die Werbekampagne wurden Künstler wie der Franzose Louis Vallet (1856–1940) engagiert, die bunte Werbekarten zeichneten. Sogar die große Schauspielerin Sarah Bernhardt (1844–1923) warb für Kalodont.

Die Zahnpasta Kalodont war der führende Markenartikel vor dem Ersten Weltkrieg. Der Erfolg der Marke war so groß, dass sich Sarg den Namen 1890 in 34 Staaten schützen ließ. Ein Apotheker in Belgrad verwendete kurz vor dem Ersten Weltkrieg für sein Produkt den Namen Kraschokowic Kalodont. Sarg verlor den Prozess zur Wahrung seiner Namensrechte mit der richterlichen Begründung, Kalodont sei mittlerweile zur Gattungsbezeichnung für Zahncreme überhaupt geworden. Kalodont wurde bis 1981 vom Unternehmen Elida vertrieben.

Ceresin

Carl Sarg führte auch die Margarinefabrikation in Österreich ein. Diese musste jedoch bald wieder aufgegeben werden.

Auch die Herstellung von Ceresin (Kunstwachs) konnte nicht sich am Anfang nicht wirklich etablieren. 1874 wurde die Ceresinfabrikation in der Liesinger Fabrik eingeführt und zwei Jahre später die erste Extraktion davon in Österreich eingeführt. Der Rohwachs oder Ozokerit konnte in Österreich sowie in Galizien gefunden werden. Das erste künstliche Speisefett „Ceres“ wurde ab 1905 von der Firma Johann Schicht vertrieben.

Stearinkerzen

Die damalige Fabrikationsmethode der Stearinkerzen zerfiel in vier Hauptprozesse:

Darstellung der Fettsäure durch Verseifung der Fette und Zerlegung der Seife.
Trennung der festen Fettsäuren durch Kristallisation und Pressung.
die Klärung des Stearins.
das Kerzengießen.

Von diesen vier Prozessen wurden im Lauf der Zeit die Methoden der Darstellung der Fettseifen und ihrer Zersetzung am stärksten geändert, während die Fabrikationsarten der anderen Gruppen, mit Ausnahme der Kerzengießerei selbst, nahezu gleich blieben. Die Verseifung und Zerlegung der Fette wurde nach dem alten Milly’schen Verfahren vorgenommen. Ein mit Blei ausgeschlagener Bottich wurde mit Talg beschichtet und dieser, nachdem er geschmolzen war, mit 13- bis 14 % Kalkmilch unter beständigem Umrühren und Erhitzen verseift. Nach fünf bis sieben Stunden war die Verseifung vollendet, worauf das in der Seife befindliche Glycerinwasser abgeschieden wurde. Das Glycerinwasser, welches zu verdünnt war, um auf Glycerin verarbeitet zu werden, wurde abgelassen. Hierauf wurde die nun erkaltete feste Seife mit Krampen aus dem Bottich geschlagen, pulverisiert und gesiebt. Die so erhaltene Seife wurde dann durch Schwefelsäure zersetzt.

Das erste was die Sargs einführten, war die Verwendung einer dünneren Kalkmilch für die Verseifung. Durch diese kleine Änderung, damals auch deutschen Fabriken schon bekannt, wurde das beschwerliche Ausschlagen der Bottiche erspart und die Zersetzung leichter und schneller durchgeführt. Auch wurde zu der Zersetzung anstatt Schwefelsäure Salzsäure verwendet, wodurch die lästige und zeitraubende Manipulation mit dem zurückbleibenden Gips entfiel. Nach der Einführung von Hochdruckapparaten zur Verseifung war im Laufe der Zeit wieder auf die Zersetzung mittelst Schwefelsäure zurückgegriffen worden.

Schon bei der Übernahme der Fabrik war es F. A. und Carl Sarg, denen sich auch auf einige Zeit ein deutscher Stearinfabrikant, W. Vollmar aus Offenbach bei Frankfurt am Main anschloss, klar, dass das damalige Verseifungsverfahren veraltet war und durch Verseifung mit Hilfe von Hochdruckapparaten ersetzt werden müsse.

Im Jahre 1835 hatte Friedlieb Ferdinand Runge die Verseifung mit Kalk unter Hochdruck entdeckt, welche jedoch erst im Jahre 1851 von Milly so bedeutend verbessert wurde, dass sie in der Fabrikation eingeführt werden konnte. F. A. Sarg und dessen Sohn wandten sich gleich nach der Erwerbung der Fabrik an die Herren Fouchers und Wrigth, welche im September 1858 die ersten Hochdruckapparate in Liesing aufstellten. Es wurde damals mit 12 Atmosphären Druck und 1 bis 2 % Kalk gearbeitet. Wenn sich auch diese Apparate am Beginn nicht so bewährten, wie es sich die Anwender wünschten, so war doch der Vorteil gegenüber dem oben beschriebenen alten Verfahren groß. Das Verfahren wurde noch mehrfach geändert, die erzielten Vorteile waren aber nicht mehr so bedeutend wie beim Übergang vom alten Verseifungsverfahren zur Verseifung mit den Hochdruckapparaten.

Die nach der Zersetzung mit Schwefelsäure erhaltenen Fettsäuren wurden gewaschen, durch Kristallisation verfestigt und danach die feste Stearin- und Palmitinsäure von der flüssigen Oleinsäure durch Kalt- und Warmpressen getrennt. Das so erhaltene Stearin wurde durch Kochen mit Schwefelsäure geklärt und hierauf an das Gießen der Kerzen in Handformen geschritten. Beim Gießen selbst ergaben sich zunächst ebenfalls Schwierigkeiten. Die Kerzen gingen schwer aus den Formen, die Köpfe rissen ab, der Docht kam leicht aus seiner Lage usw. Um diese Übelstände zu vermeiden, wurden die Kerzen auf sogenannte „Kerzentische“ gegossen. Bevor man zu gießen begann, brachte man die Formen, in welche vorher der gebeizte Docht eingezogen wurde, in einen Kasten mit doppelten Wandungen, zwischen welche man Dampf einleiten konnte und erwärmte sie auf 45 Grad Celsius, worauf das eingießen des Stearins erfolgte. Abgesehen von der umständlichen Erwärmung und Abkühlung der Masse war die Zentrierung des Dochtes nicht zufriedenstellend.

Durch die Einführung von Kerzenmaschinen konnten Kerzen mit gleichmäßigem Aussehen bis zu 100 Stück auf einmal gegossen werden.

Glycerinseifen

Schon Johann Juncker kannte 1753, dass bei der Destillation der Fette wieder Fette auftreten. Das von Chevreul und Gay-Lussac im Jahre 1825 genommene Patent erwähnte die Destillation der Fette unter Anwendung von Wasserdampf. Jedoch war die Methode noch zu wenig ausgearbeitet, um mit Erfolg angewendet zu werden. Die Temperatur, auf welche die Fettmassen erhitzt wurden, war circa 300 Grad. Dies war viel zu hoch und begünstigte die Bildung von Acrolein. Milly verbesserte zwar später das Verfahren, indem er die Temperatur auf circa 180 Grad verminderte, Augustin-Pierre Dubrunfaut versuchte 1841 ebenfalls die neutralen Fette durch Destillation zu zerlegen, doch glückte dies erst, als die Fettzersetzung mittels Schwefelsäure allgemeine Verbreitung fand und man anstatt der Fette die Fettsäure destillierte. Auch in Liesing bestand schon im Jahre 1858 eine Destillation nach dem alten Verfahren von de Milly und Gay-Lussac. Die damaligen Resultate waren jedoch so, dass das Auflassen der Destillation im Jahre 1858 wesentlich dazu beitrug, die Fabrikationsspesen zu vermindern und das Produkt zu verbessern. Während man in späteren Jahrzehnten bei Destillationen nur von einem Gehalt von 0,5 bis höchstens 1 % unverseifbarem (Kohlenwasserstoff) ausging, enthielt das damalige Produkt weit über 15 % Kohlenwasserstoff. Beim alten Verfahren gefährdeten die entstehenden Dämpfe die Augen der Arbeiter. 1870 wurde in Liesing eine neue Fettdestillation eingerichtete, welche nach und nach verbessert wurde.

Die flüssige Fettsäure, das Elain, wurde durch Filtration vom anhaftenden Stearin befreit und zur Herstellung der Elain- und Millyseife verwendet.

Das bei der Verseifung frei werdende Glycerin wurde 1778 von Carl Wilhelm Scheele beim Bleipflasterkochen entdeckt und von Chevreul, Théophile-Jules Pelouze und Bertholet näher untersucht. Lange Zeit war die Pflasterbereitung die einzige Quelle zur Darstellung des Glycerins. Die große Verdünnung, welche die Glycerinwässer bei dem alten Milly’schen Verfahren hatten, machte es schwer, das Glycerin ohne zu große Kosten daraus zu gewinnen, ganz abgesehen davon, dass es sich beim Erhitzen leicht zersetzte. Auch war die schmutzige Farbe ein Hindernis, um das Produkt, welches vorerst nur pharmazeutische Verwendung fand, im großen darzustellen.

Durch die Einführung der Hochdruckapparate erhielt man konzentrierte Glycerinwässer, die aber bis 1859 als wertlos abgelassen wurden. Eine der wichtigen Einführungen der Sarg’schen Fabrik auf dem Gebiete der Fett-Industrie war die erste fabriksmäßige Gewinnung von Glycerin. Die Erfahrungen, welche man in der Zucker-Industrie gemacht hatte, wurden von Sarg benützt und durch das Eindampfen des Glycerins im Vakuum das Zersetzen vermieden. Um es weiter zu reinigen, wurde es über Tonerde filtriert. Später verwendete man Knochenkohle (Spodium). Wenn dieses Glycerin auch nicht allen Anforderungen der Vorschriften über Arzneiherstellung späterer Zeiten entsprach, so wurde es doch relativ rein hergestellt. Carl Sarg veranlasste seinen alten Lehrer Justus von Liebig, Studien über die Eigenschaften dieses neuen Stoffes zu beginnen. Bald war das Glycerin der Großindustrie zugänglich und wurde zu Schlichtzwecken, bei der Tapetenfabrikation, zum Füllen von Gasuhren usw. und in der Arzneimittelherstellung allgemein eingeführt.

Inzwischen hatte in England die Firma Price das Destillationsverfahren mit überhitztem Wasserdampf zu Glyceringewinnung eingeführt. 1867 führte Sarg dieses als Erster auf dem Kontinent ein. Dadurch wurde die Glycerinfabrikation so verbessert, dass sich die Fabrik in Liesing rühmen konnte, das reinste Glycerin zuerst auf den Weltmarkt gebracht zu haben. Im Jahre 1873 entdeckte Carl Sarg die Kristallisierbarkeit von Glycerin und gründete darauf ein neues Verfahren der Glyceringewinnung.

Einen großen Schritt vorwärts machte die Glycerin-Industrie durch Einführung des Nitroglyzerins in Form von Dynamit in der Sprengtechnik.

Auch die Medizin erkannte bald die vielen hervorragenden Eigenschaften dieses Alkohols. Bahnbrechende Chemiker und Ärzte, unter anderem Justus von Liebig, Friedrich Wöhler, der Entdecker des künstlichen Harnstoffes, Scherzer, der bekannte Novarareisende, Hans von Hebra, Josef Redtenbacher haben die Eigenschaften von Glycerin und aus Glycerin erzeugte Toiletteartikel erforscht.

In der Absicht, den für die Haut angenehmen Stoff praktisch zu verwerten, wurden Versuche gemacht, den Toilettseifen Glycerin beizumengen. Carl Sarg erfand damit die transparenten Glycerinseifen, welche bald einen der verbreitetsten industriell erzeugten Konsumartikel bildeten. Anfangs wurde der Seife 33 % Glycerin zugesetzt. Später gelang es, die Glycerin-Aufnahmefähigkeit der Seife derart zu steigern, dass ihr über 90 % Glycerin zugesetzt werden konnten, ohne dass sich ihre Konsistenz veränderte. Dieser Artikel, der letzte den Carl Sarg kurz vor seinem Tod herstellte, ist das Adoucine.


Text: Wikipedia

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