Forschungsinstitut Manfred von Ardenne

Aus veikkos-archiv
Wechseln zu: Navigation, Suche
Manfred von Ardenne als junger Mann

Das Forschungsinstitut Manfred von Ardenne, auch als Manfred-von-Ardenne-Institut oder kurz als Ardenne-Institut bezeichnet, war eine von 1955 bis 1990 bestehende Forschungseinrichtung mit Sitz im Dresdner Stadtteil Loschwitz (Oberloschwitz). Es wurde vom deutschen Wissenschaftler und Erfinder Manfred von Ardenne nach seiner Rückkehr aus der Sowjetunion gegründet und geleitet, und hatte 1989/1990 rund 500 Mitarbeiter. Als stellvertretender Direktor fungierte ab 1965 Siegfried Schiller.

Das Institut, zu dem auch eine Klinik gehörte, war die einzige private Forschungseinrichtung und einer der größten privatwirtschaftlichen Arbeitgeber in der Deutschen Demokratischen Republik (DDR). Die überwiegend anwendungsorientierte Forschung konzentrierte sich vor allem auf die Nutzung von Elektronen- und Ionenstrahlung für wissenschaftliche und technische Zwecke, die Vakuumbedampfung, die Elektronenmikroskopie und andere Bereiche der Biomedizintechnik. Etwa ab der Mitte der 1960er Jahre bildete die Behandlung von Krebserkrankungen den Schwerpunkt der Forschung.

Zu den bekanntesten Ergebnissen der Arbeit des Instituts zählten die Eigenentwicklung einer Herz-Lungen-Maschine für den DDR-Markt sowie die Sauerstoff-Mehrschritt-Therapie bei Krebs. Aus dem Institut entstanden nach 1990 die Firmen Von Ardenne Anlagentechnik GmbH und Von Ardenne Institut für Angewandte Medizinische Forschung GmbH. Darüber hinaus geht auch das Dresdner Fraunhofer-Institut für Elektronenstrahl- und Plasmatechnik auf Arbeitsgruppen des ehemaligen Ardenne-Instituts zurück.

Auf dem einstigen Institutsgelände befindet sich unmittelbar neben dem Wohnhaus der Familie von Ardenne auch eine Sternwarte, die jedoch nur privat genutzt wird. Sie ist mit ihrer weißen Kuppel vom Elbufer gut sichtbar und stellt die größte von insgesamt drei Sternwarten dar, die von Manfred von Ardenne errichtet wurden. Eine zweite, öffentlich zugängliche Sternwarte befindet sich wenige Meter entfernt auf dem Gelände der Von Ardenne GmbH.


Manfred von Ardenne

Manfred Baron von Ardenne (* 20. Januar 1907 in Hamburg; † 26. Mai 1997 in Dresden-Weißer Hirsch) war ein deutscher Naturwissenschaftler. Er war als Forscher vor allem in der angewandten Physik tätig und hielt am Ende rund 600 Erfindungen und Patente in der Funk- und Fernsehtechnik, Elektronenmikroskopie, Nuklear-, Plasma- und Medizintechnik.


Leben und Forschung

Manfred von Ardenne kam am 20. Januar 1907 in Hamburg als Sohn des Regierungsrates Baron Egmont von Ardenne und dessen Frau Adela zur Welt. Seine Großmutter Elisabeth von Plotho war das Vorbild für Theodor Fontanes Romanfigur Effi Briest. Als sein Vater 1913 ins Kriegsministerium versetzt wurde, zog die Familie nach Berlin-Neukölln. Nach zwei Jahren Privatunterricht besuchte Ardenne für die nächsten drei Jahre das Friedrichs-Realgymnasium, die heutige Leibniz-Schule in Berlin-Kreuzberg.


In der Weimarer Republik

Schon als Schüler (1922) interessierte sich Ardenne sehr für die Naturwissenschaften, insbesondere für die Elektrophysik. Er konstruierte Modelle eines Fotoapparats und einer elektrischen Alarmanlage, beschäftigte sich mit Problemen der Rundfunktechnik und erhielt im Alter von 16 Jahren sein erstes Patent über ein „Verfahren zur Erzielung einer Tonselektion, insbesondere für die Zwecke der drahtlosen Telegraphie“.

Schule im klassischen Sinn passte nicht zu Manfred von Ardenne. Er brauchte sie einfach nicht. Deshalb verließ er 1923 vorzeitig das Gymnasium und widmete sich der Weiterentwicklung der Radiotechnik. Siegmund Loewe, der Gründer der Loewe Radio GmbH, wurde zu seinem Förderer. Mit den Honoraren für seine Veröffentlichungen und den Geldern aus dem Patentverkauf verbesserte Ardenne 1925 den Breitbandverstärker (widerstandsgekoppelter Verstärker) erheblich, der u. a. die Entwicklung des Fernsehens und Radars entscheidend voranbrachte. Ein Patent auf diese Verbesserung wurde ihm wegen Vorveröffentlichung jedoch aberkannt. Obwohl er kein Abitur vorweisen konnte, schrieb er sich dank der Fürsprache des Nobelpreisträgers Walther Nernst sowie Georg Graf von Arco, dem Technischen Direktor von Telefunken, an der Universität in Berlin ein und begann Physik, Chemie und Mathematik zu studieren. Nach vier Semestern brach er das Studium jedoch wieder ab und widmete sich ganz seinen Forschungen auf dem Gebiet der angewandten Physik.

1928 wurde Manfred von Ardenne volljährig und gründete das Forschungslaboratorium für Elektronenphysik in Berlin-Lichterfelde (heute: Villa Folke Bernadotte), das er bis 1945 leitete. In dieser Zeit war Ardenne u. a. an der Entwicklung des Fernsehens mit Leuchtfleck-Zeilenabtastung und zeilenweiser Wiedergabe mit einer Braunschen Röhre beteiligt. Er erfand das Rasterelektronenmikroskop, das er im Februar 1937 zum Patent anmeldete. In die Entwicklung der Radartechnik griff er nicht entscheidend ein.

Die weltweit erste vollelektronische Fernsehübertragung mit Kathodenstrahlröhre gelang Manfred von Ardenne am 14. Dezember 1930 in seinem Lichterfelder Laboratorium. Zur Funkausstellung in Berlin führte er ab dem 21. August 1931 das erste vollelektronische Fernsehen vor, mit dem er es bis auf das Titelblatt der New York Times schaffte. Mitte des 20. Jahrhunderts gingen eine Vielzahl bedeutender Erfindungen auf den Gebieten der Funk- und Fernsehtechnik und der Elektronenmikroskopie auf die Arbeit seines privaten Forschungsinstituts zurück. Wichtigster Geldgeber war das von dem Physiker Wilhelm Ohnesorge, einem Kriegskameraden seines Vaters aus dem Ersten Weltkrieg, geführte Reichspostministerium.


Im Dritten Reich

Nach der Entdeckung der Kernspaltung, deren militärisches Potenzial er rasch erkannte und auch Ohnesorge darüber informierte, wandte er sich sofort der experimentellen Kernphysik zu. Er baute Linear- und Zirkularbeschleuniger zur Isotopentrennung (1-Millionen-Volt-van-de-Graff-Anlage, 60-Tonnen-Zyklotron). Initiativen in Richtung einer deutschen Atombombe gingen von ihm nicht aus. Der namhafte theoretische Physiker Carl Friedrich von Weizsäcker hatte ihm auf überzeugende Weise erklärt, dass eine explosionsartig ablaufende Kettenreaktion, wie sie in einer Bombe ablaufen müsste, physikalisch unmöglich sei. Dennoch finanzierte Ohnesorge ein Kernpysikalisches Institut in unmittelbarer Nähe des Ardenne-Laboratoriums. 1942 verfasste Ardenne einen Geheimbericht Über einen neuen magnetischen Isotopentrenner für hohen Massentransport, ein Labormuster, mit dem Anfang 1945 auch erste Versuche zur Trennung von Lithiumisotopen durchgeführt wurden. Dessen Prototyp wurde möglicherweise 1943 auf einem Luftwaffenstützpunkt in Bad Saarow aufgebaut. Die Entwicklung des Lithium-Trenners wurde noch nicht umfassend erforscht. Sie könnte allerdings auf die von Historikern bislang noch kontrovers diskutierte Entwicklung einer thermonuklearen Bombe in der Zeit des Nationalsozialismus hinweisen, für die 6Li ein Grundstoff ist. Getreu seinem Prinzip, ein physikalisches Problem in aller nur möglichen Breite zu bearbeiten, beauftragte Ardenne den seit Januar 1941 bei ihm beschäftigten Theoretiker Friedrich Georg Houtermans, auch die Isotopentrennung von Uran mit einer Ultrazentrifuge durchzurechnen. Ein bereits im August 1941 von Houtermans vorgelegter Bericht Zur Auslösung von Kern-Kettenreaktionen sorgte nach Kriegsende für Zweifel an der ausschließlich friedlichen Zielen dienenden Kernforschung in den von Ardenne geleiteten Einrichtungen. Denn Ardenne hatte den Houtermans-Bericht, in dem der Autor zeigte, dass ein Element mit der Massenzahl 239 (später Plutonium genannt) ebenfalls als Brennstoff und Explosivstoff genutzt werden könne, damals gleichfalls als Geheimbericht klassifiziert, der Creme der deutschen Kernphysiker zur Kenntnis gegeben. Nahezu zeitgleich meldete Carl Friedrich von Weizsäcker eine Plutoniumbombe zu Patent an.


In der Sowjetunion

Von 1945 bis 1954 arbeitete Ardenne, gemeinsam mit anderen deutschen Technikern und Wissenschaftlern zwangsverpflichtet, an der Entwicklung der sowjetischen Atombombe mit. Sein Forschungslaboratorium für Elektronenphysik wurde nach Sochumi in der ehemaligen AbASSR (im heutigen Abchasien/Georgien) verbracht, wo das NKWD am 27. Juli 1945 ein Physikalisch-Mathematisches Institut eröffnet hatte. Das von ihm bearbeitete Verfahren der elektromagnetischen Trennung von Uranisotopen kam bei der Produktion der ersten einsatzfähigen Atombomben nicht zum Einsatz. Bei der Entwicklung der Wasserstoffbombe gelang es den Sowjets aufgrund der Ardennenschen Vorarbeiten zur industriellen Trennung von Lithiumisotopen, die USA im nuklearen Wettrüsten zu überholen. Für seinen Beitrag erhielt Ardenne im Dezember 1953 als einziger Deutscher den Stalinpreis 2. Klasse. Für Entwicklung und Bau eines Elektronenmikroskops hatte er bereits im März 1947 eine Prämie in Höhe von 50.000 Rubel erhalten. 1948 konstruierte er die Duoplasmatron-Ionenquelle für den Einsatz in großen Teilchenbeschleunigern und in kosmischen Raketen mit Ionenantrieb.


In der DDR

Nach seiner Rückkehr aus der Sowjetunion baute Ardenne in der DDR das seinen Namen tragende Forschungsinstitut auf dem Weißen Hirsch in Dresden auf, das sich durch eine anwendungsorientierte, industrienahe Forschung auszeichnete. Wie bereits in Berlin praktiziert, verwirklichte Ardenne auch in Dresden das Prinzip des Wohnens und Arbeitens unter einem Dach. Die kommunalen Behörden sorgten dafür, dass auch seine Mitarbeiter Wohneigentum erwerben konnten. Das Institut entwickelte sich zum größten privaten Forschungsinstitut des gesamten Ostblocks – mit rund 500 Mitarbeitern. Stellvertretender Direktor des Instituts war seit 1965 Siegfried Schiller, der von 1976 an als Inoffizieller Mitarbeiter für die Staatssicherheit spionierte. 1970 setzte Ardenne den Physiker Peter Lenk als Verwaltungsleiter ein. Ardenne lehrte als Professor für elektronische Sonderprobleme an der Technischen Universität Dresden. Später wurde ihm die Ehrendoktorwürde in Physik, Pädagogik und Medizin verliehen. Insgesamt besaß er etwa 600 Patente.

Anfang der 1960er Jahre wandte sich Ardenne medizinischen Fragestellungen zu. Er entwickelte zwei verschiedene Therapien: die umstrittene Sauerstoff-Mehrschritt-Therapie, inzwischen als Naturheilverfahren verbreitet, die den Energiestatus des Organismus und somit das Befinden und die Vitalität verbessern soll, und die sogenannte systemische Krebs-Mehrschritt-Therapie, bei der der Krebs und die Metastasen durch Hyperthermie (Überwärmung), Glukose und Sauerstoff ggf. in Kombination mit einer Chemotherapie in mehreren Sitzungen bekämpft werden sollen. Ardenne war der Erste, der eine passive Ganzkörperhyperthermie zur Krebsbekämpfung einsetzte. Da dieses Verfahren sehr anstrengend ist, setzte er zur Unterstützung der Patienten während der Behandlung Sauerstoff ein.

Der parteilose Ardenne war Volkskammerabgeordneter. Bei der Volkskammersitzung am 13. November 1989 erinnerte er an die originelle Theorie einer Sozialistischen Marktwirtschaft, die er 1968 gemeinsam mit seinem Mitarbeiter Frank Rieger aus der Systemtheorie begründete und die mit der Aufforderung zur Dezentralisierung der Wirtschaft begann. Für Reformen im Hochschulbereich setzte er sich seit Anfang der 1970er Jahre immer wieder und sehr dezidiert ein.


Im wiedervereinigten Deutschland

Nach dem Zusammenbruch der DDR teilte Ardenne den physikalisch-technischen Bereich seines Instituts in das Fraunhofer-Institut für Elektronenstrahl- und Plasmatechnik und die Von Ardenne Anlagentechnik GmbH auf. Einer der Söhne führt das Von Ardenne Institut für Angewandte Medizinische Forschung, ein anderer die Forschungsinstitut von Ardenne OHG zur Verwaltung der gewerblichen und privaten Immobilien.



Text Forschungsinstitut Manfred von Ardenne: Wikipedia

Liste der Autoren


Text Manfred von Ardenne: Wikipedia

Liste der Autoren


Bild: Wikipedia/Bundesarchiv, Bild 183-K0917-500 / CC-BY-SA

Der Text und das Bild sind unter der Lizenz „Creative Commons Attribution/Share Alike“ verfügbar; zusätzliche Bedingungen können anwendbar sein. Einzelheiten sind in den Nutzungsbedingungen von Wikipedia beschrieben.