Garde-Schützen-Bataillon

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Das Garde-Schützen-Bataillon war ein Infanterie-Verband der preußischen Armee. Mit dem Garde-Jäger-Bataillon bildete es die Leichte Infanterie im Gardekorps.

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Geschichte

Das seit 1707 in Personalunion mit Preußen stehende Fürstentum Neuchâtel war 1806 an den französischen Marschall Louis-Alexandre Berthier abgetreten worden, der es bis 1814 regierte. 1807 stellte es Napoleon für dessen Grande Armée ein auf Grund seiner gelben Uniformen als „Canaris“ (Kanarienvögel) bezeichnetes Jäger-Bataillon. 1814 nahm der preußische König das Fürstentum wieder für sich in Besitz, dieses wurde aber zugleich Schweizer Kanton. Um sich das königliche Wohlwollen auch nach dem französischen Intermezzo zu sichern, bat der Neuchâteller Staatsrat (Conseil d’Etat) im Mai 1814 König Friedrich Wilhelm III., ein „Spezial-Bataillon zum speziellen Dienst für Ihre Majestät“ aufstellen zu dürfen, ein aus Freiwilligen rekrutiertes „Bataillon de Chasseurs“, das in die preußische Garde eingegliedert werden sollte. Aus den Resten von Berthiers nunmehr aufgelöstem Bataillon und angeworbenen Mannschaften wurde daraufhin am 19. Mai 1814 in Paris das preußische Garde-Schützen-Bataillon als „Bataillon des Tirailleurs de la Garde“ errichtet. Es war vorgesehen, die Mannschaften zu 2/3 aus Neuenburger Freiwilligen und zu 1/3 aus Freiwilligen anderer Schweizer Kantone, die mindestens 1,68 Meter groß waren, zu bilden. Diese Zusammensetzung konnte in der Folgezeit nie erreicht werden. Die Umgangs- und Kommandosprache war zunächst Französisch, erst ab 1816 durften mündliche und schriftliche Befehle nur noch auf Deutsch erteilt werden.

Das zunächst aus Neuchâteller und deutschen Freiwilligen bestehende Bataillon hatte in Berlin, wo es seinen Standort erhielt, anfangs einen schlechten Ruf. Der preußische König Friedrich Wilhelm III. soll nach dem Fund einer nur mit einem Hemd bekleideten Leiche in der Hasenheide erklärt haben, ein Gardeschütze könne nicht der Täter gewesen sein, denn dieser hätte auch noch das Hemd genommen.[1] Das Bataillon wurde dennoch populär, weil in ihm die ersten Einjährig-Freiwilligen aus bürgerlichen Kreisen ihren verkürzten Wehrdienst ableisten konnten. Ab 1841 durften auch Dreijährig-Freiwillige ihren Dienst im Bataillon ableisten. Nachdem 1845 die Schützen der Armee-Korps zu Jägern wurden, war das Garde-Bataillon fortan der einzige Schützenverband im preußischen Heer. Bis zur demokratischen Revolution in Neuchâtel besaß der dortige Staatsrat (Conseil d’Etat) ein Vorschlagsrecht für die Offiziersstellen des Bataillons. Lediglich der Kommandeur wurde vom preußischen König ausgewählt.

Seit Mitte des 19. Jahrhunderts rekrutierte sich das Bataillon überwiegend aus dem Bürgertum sowie Angehörigen der Forstwirtschaft. Seit 1871 wurde ihm die gleiche Zahl gelernter Jäger wie dem Garde-Jäger-Bataillon zugewiesen. Diese konnten nach zwölfjähriger (Unteroffiziere nach neunjähriger) Dienstzeit den „Forstversorgungsschein“ erwerben. Hinzu kamen Bauernsöhne aus den preußischen Provinzen. Das Offizierskorps setzte sich fast ausschließlich aus Angehörigen des preußischen Adels zusammen. Die Ranglisten des Bataillons nennen bis zum Beginn des Ersten Weltkriegs so gut wie keine bürgerlichen Offiziere.

An die französischsprachige Tradition des Bataillons erinnerte der beibehaltene Brauch, den Kommandeur nicht mit seinem Dienstgrad, sondern mit „Herr Kommandant“ anzusprechen. (Ableitung von „mon commandant“, wie im französischen ein Major angesprochen wird)

Die am 1. Oktober 1902 errichtete Garde-Maschinengewehr-Abteilung Nr. 2 war dem Bataillon bis 1913 zugeteilt. 1913 wurde eine Radfahrer- und eine Maschinengewehrkompanie gebildet und die Garde-Maschinengewehr-Abteilung 2 dem Königin Augusta Garde-Grenadier-Regiment Nr. 4 angegliedert.

Reserveeinheiten des Bataillons waren das Garde-Reserve-Schützen-Bataillon und das Reserve-Jäger-Bataillon Nr. 16.

Der deutsche Kaiser Wilhelm II. trug anlässlich seines Staatsbesuchs in der Schweiz im Jahre 1912 die Uniform als Chef des Garde-Schützen-Bataillons, was im Hinblick auf die Auseinandersetzungen zwischen Preußen und der Schweiz im Jahr 1856 auf Schweizer Seite mit Unverständnis aufgenommen wurde.

Das Garde-Schützen-Bataillon wurde nach Ende des Ersten Weltkriegs aufgelöst.

Einzelne Angehörige des Bataillons schlossen sich nach der Novemberrevolution 1918 der Garde-Kavallerie-Schützen-Division an, darunter Robert Kempner.[2] Im Januar 1919 wurde ein „Freikorps Garde-Schützen“ aufgestellt, das bis zum Frühjahr 1920 bestand und im Baltikum sowie in Westpreußen eingesetzt wurde.

Militärische Einsätze im 19. Jahrhundert

Zu Beginn der Revolution von 1848/49 wurde das Bataillon am 18. März 1848 im Straßenkampf in Berlin eingesetzt. Ob es, wie Karl August Varnhagen von Ense in seinem Journal der Märzrevolution schrieb, auch zu Verbrüderungen zwischen Gardeschützen und den Revolutionären kam, ist nicht weiter belegt. Das Bataillon wurde nach den Kämpfen vom 18. März 1848 mit den übrigen Truppen aus Berlin heraus verlegt.

1848/49 im Krieg gegen Dänemark kämpfte es bei Schleswig (23. April), bei der Beschießung von Fredericia (8. Mai) und bei Sattrup/Horsens (5. Juni). Im Zuge der Reaktionsära wurde es im Spreewald eingesetzt, um die Gendarmerie bei der Verhaftung von Revolutionären zu unterstützen.

Von 1856 bis 1858 stand eine seiner Kompanien in der Burg Hohenzollern. Offiziere des Bataillons waren an dem erfolglosen royalistischen Aufstand von 1856 in Neuchâtel beteiligt.

Nach der Auflösung der Personalunion von Neuchâtel und Preußen 1857 verblieben die Gardeschützen beim preußischen Heer. Obwohl das Bataillon nun aus preußischen Staatsangehörigen bestand, hielt sich in Berlin der Spitzname „Neffschandeller“, der darauf beruhte, dass Neuchâtel in Preußen oftmals fälschlich als „Neufchâtel“ bezeichnet worden war.

1866 nahm es im Krieg gegen Österreich an der Schlacht von Königgrätz teil. Die Eroberung österreichischer Batterien in dem Gefecht bei dem Dorf Lipa zwischen Sadowa und Königgrätz durch die 4. Kompanie des Hauptmanns Bernard de Gélieu, der dem Bataillon als letzter aus Neuchâtel stammender Offizier angehörte, war Gegenstand mehrerer Schlachtengemälde jener Zeit, darunter eines Großgemäldes von Christian Sell. In Berlin wurde beim Gardeschützenweg eine Straße nach ihm benannt.[3]

1870/71 im Krieg gegen Frankreich kämpfte das Bataillon bei Gravelotte, Sedan, Le Bourget und während der Belagerung von Paris.

Erster Weltkrieg

Garde-Schützen-Bataillon

Im Ersten Weltkrieg gehörte das Bataillon zu den ersten an die Westfront abrückenden Truppenteilen. Es nahm am Überfall auf Belgien und am Einmarsch in Nordfrankreich teil. Nach einem Gefecht bei Aire an der Aisne am 13. September 1914 waren von ursprünglich 1.250 Mann lediglich 213 nicht verwundet oder gefallen. Das Bataillon wurde anschließend durch Reservisten und Freiwillige wieder aufgefüllt. Nach Kämpfen in der Champagne wurde das Bataillon zwischen April 1915 und November 1916 im Elsass am Hartmannsweiler Kopf eingesetzt. In den Vogesenkämpfen zeichnete sich unter anderem der Kompanieführer Willy Rohr aus. Aus diesem Grunde übertrug ihm der Führer der Armee-Abteilung Gaede, General Gaede, die Führung der neueingetroffenen Sturm-Abteilung. Aus ihr sollte sich das «kgl. preuß. Sturm-Bataillon Nr. 5 (Rohr)» entwickeln. Im November 1915 wurde es an die serbische Front nach Mazedonien verlegt, wo es bis Ende Februar 1918 eingesetzt war. Ab März 1918 wieder ins Elsass verlegt, nahm es bis zum Waffenstillstand nicht mehr an größeren Kampfhandlungen teil. Die Gardeschützen gehörte zu den zehn Frontdivisionen, die nach einer Absprache zwischen dem Reichskanzler Friedrich Ebert und der Obersten Heeresleitung im Dezember 1918 durch das Brandenburger Tor in Berlin Einzug hielten und von der Reichsregierung begrüßt wurden. Heimgekehrte Garde-Schützen vor dem Brandenburger Tor, 1918

Garde-Reserve-Schützen-Bataillon

Das Garde-Reserve-Schützen-Bataillon wurde zunächst bei Namur eingesetzt, allerdings bereits kurz darauf nach Ostpreußen und anschließend nach Oberschlesien verlegt. Ende Mai 1915 wurde es in das Baltikum verlegt, wo es bis Anfang des Jahres 1917 blieb. Ab Juli 1917 in Galizien eingesetzt, wurde das Bataillon im Oktober 1917 an die italienische Front bei Udine und ab April 1918 an die Westfront verlegt, wo es in der Hermannstellung und der Siegfriedstellung eingesetzt war.

Reserve-Jäger-Bataillon Nr. 16

Am 11. Oktober 1914 wurde das Reserve-Jäger-Bataillon Nr. 16 an die Westfront nach Flandern verlegt. Ihm gehörte eine Vielzahl von aus dem im nahe von Groß-Lichterfelde liegenden Steglitz bei Berlin gegründeten Wandervogel stammenden Freiwilligen an. Die Einheit war nur unzureichend ausgebildet und hatte Ende 1914 bereits 145 Tote zu beklagen.

Der aus der Liste der Kommandeure ersichtliche häufige Kommandeurswechsel macht den Mangel an gut ausgebildeten Soldaten und Offizieren bis dahin deutlich, dass Ende 1914 lediglich noch ein Feldwebel als ranghöchster Soldat das Bataillon führte, nachdem die Offiziere verwundet oder getötet waren. 1915 nach Galizien und anschließend an die serbische Front verlegt, nahm das Bataillon ab Mai 1916 an den Kämpfen um Verdun teil. Zwischen September 1916 und dem Frühjahr 1917 kämpften seine Angehörigen in Galizien, um anschließend nach Flandern verlegt zu werden, wo sie unter anderem bei Passchendaele in einer der letzten großen Schlachten des Weltkriegs eingesetzt wurden. Bis zum Waffenstillstand blieb das Bataillon in Frankreich. Am 31. Dezember 1918 traf es in Lübben ein und wurde demobilisiert.

Standorte

Das Bataillon hatte seinen Standort bis 1884 im heutigen Berlin-Kreuzberg in der Kaserne des Infanterie-Regiments von Pfuel in der Köpenicker Straße.

1884 zog es in neue, gut ausgestattete Gebäude in der neu gegründeten Villenkolonie Groß-Lichterfelde. Nach einer Entwurfsskizze des Intendantur- und Baurats Ferdinand Schönhals hatte der Regierungsbaumeister Ernst August Roßteuscher die von ihm auch umgesetzten Entwürfe zu der Kasernenneuanlage ausgearbeitet. Etwa zeitgleich zog die preußische Hauptkadettenanstalt in neue Anlagen am Südende der Villenkolonie. Der Gründer der Villensiedlung, Johann Anton Wilhelm von Carstenn, hatte sich mit anderen wohlhabenden Bewohnern für die Ansiedlung starkgemacht und Teile der städtischen Infrastruktur bereitgestellt.

Die Kaserne in Berlin-Lichterfelde (Gardeschützenweg 71/101) wurde nach Bildung der Reichswehr zunächst vom zum Infanterie-Regiment 9 gehörenden Reichswehr-Schützen-Bataillon 29 genutzt. Nach 1945 befanden sich dort die Roosevelt-Barracks der US-Armee. Nach der Wiedervereinigung war dort kurzzeitig das Standortkommando Berlin untergebracht. Heute sind in den weitgehend erhaltenen Gebäuden im Gardeschützenweg in Berlin-Lichterfelde Abteilungen des Bundesnachrichtendienstes untergebracht. Neben dem Gardeschützenweg erinnern unter anderem die Fabeckstraße, die Gélieustraße, die Lipaer Straße und die Neuchâteller Straße in Lichterfelde an das Bataillon.


Text: Wikipedia

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