Georg Friedrich Händel

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Georg Friedrich Händel (laut Taufregister Georg Friederich Händel, anglisiert: George Frideric Handel; * 23. Februarjul./ 5. März 1685greg.[1] in Halle (Saale); † 14. April 1759 in London) war ein deutscher Komponist des Barocks, der seit 1727 britischer Staatsbürger war. Sein Hauptwerk umfasst 42 Opern und 25 Oratorien – darunter Messiah mit dem weltbekannten Chor „Halleluja“ –, Kirchenmusik für den englischen Hof, Kantaten, zahlreiche Werke für Orchester sowie Kammer- und Klaviermusik. Händel, dessen künstlerisches Schaffen sich auf alle musikalischen Genres seiner Zeit erstreckte, war gleichzeitig als Opernunternehmer tätig. Er gilt als einer der bedeutendsten Musiker der Geschichte.

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Leben

Herkunft und Jugend in Halle

Die einzige Quelle zu Händels Jugend ist die von dem Theologen John Mainwaring 1760 in London veröffentlichte Biografie Memoirs of the life of the Late George Frederic Handel.[2] Die Angaben zu den frühen Jahren des Komponisten scheint Mainwaring in direkten Gesprächen mit diesem selbst gewonnen zu haben. Neuere Biografen konnten allerdings nachweisen, dass die Chronologie der von ihm geschilderten Ereignisse nicht korrekt sein kann. Da Händel selbst sich nur spärlich über seine Jugend geäußert hat, bleibt das Wissen um diesen Lebensabschnitt bruchstückhaft.

Seinem Biografen Mainwaring zufolge strebte Händels Vater Georg, der von Beruf Leibchirurgus und geheimer Kammerdiener war, für seinen Sohn eine juristische Karriere an und stand dessen musikalischen Interessen äußerst ablehnend gegenüber. Mutter Dorothea Händel (geb. Taust) widmete sich neben den zahlreichen häuslichen Pflichten der Erziehung und Ausbildung ihrer Kinder, wobei – ähnlich wie in ihrem Elternhaus – der Musik ein breiter Raum eingeräumt wurde. Gegen den anfänglichen Widerstand ihres Ehemannes förderte sie insbesondere die musische Begabung ihres Sohnes Georg Friedrich.[3]

Der Widerstand des Vaters habe sich erst anlässlich eines Besuchs beim Herzog von Sachsen-Weißenfels auf Schloss Neu-Augustusburg gelegt, auf dem der Hofstaat des Herzogs seit 1680 residierte. Händel, damals noch keine acht Jahre alt, habe dort in Anwesenheit des Herzogs die Orgel gespielt. Dieser habe das Talent des Jungen sofort erkannt und den Vater überzeugt, Georg Friedrich als Musiker ausbilden zu lassen.

Nach der Rückkehr nach Halle wurde Händel Schüler von Friedrich Wilhelm Zachow, dem Komponisten und Musikdirektor der Marktkirche Unser Lieben Frauen. Zachows Kompositionsstil zeichnet sich einerseits durch weitgespannte Großräumigkeit und andererseits durch (besonders in den Chören seiner Kantaten) atemberaubende kontrapunktische Verdichtungen aus. Nicht nur Händel hat später thematische Materialien von Zachow aufgegriffen und kunstvoll verarbeitet, sondern auch Johann Sebastian Bach, der sich nach Zachows Tod auch um dessen Nachfolge bewarb. Händel erhielt nun bei Zachow eine grundlegende Kompositions- und Instrumentalausbildung. Ab seinem neunten Lebensjahr, heißt es bei Mainwaring, begann Händel „Kirchenstücke [Kantaten] mit [Gesangs-]Stimmen und Instrumenten zu setzen [komponieren]“. Während seiner Lehrzeit verfasste Händel auch zusätzlich eine Harfenstimme zu Zachows Kantate Herr, wenn ich nur dich habe.

Laut Mainwaring reiste Händel 1698 mit seinem Vater an den brandenburgischen Hof in Berlin. Dies kann aber spätestens Anfang 1697 gewesen sein, da Georg Händel im Februar d. J. starb. Andererseits kann das beschriebene Zusammentreffen mit den Komponisten Giovanni Battista Bononcini und Attilio Ariosti erst später stattgefunden haben, da diese Berlin erst 1702 bzw. im späten 1697 erreichten. Möglicherweise war der junge Händel mehrmals am Berliner Hof. Kurfürst Friedrich III., als Herzog von Magdeburg sein Landesherr, war vom Können des Zwölfjährigen so beeindruckt, dass er Händels Vater anbot, dem Sohn eine Musikausbildung in Italien zu finanzieren und ihm nach erfolgreicher Absolvierung eine Anstellung am Berliner Hof zu verschaffen. Händels Vater nahm jedoch, so Mainwaring, das kurfürstliche Angebot nicht an. Der preußische König Friedrich Wilhelm I., der als „Soldatenkönig“ in die Geschichte einging, war später ein außerordentlicher Bewunderer der Kompositionen Händels. Sein Nachfolger und Sohn Friedrich II., selbst Komponist und darüber hinaus ein exzellenter Flötist, bemühte sich nach Händels Tod vergeblich, dessen Autographe zu erwerben.

1701 machte Georg Philipp Telemann auf seiner Reise von Magdeburg nach Leipzig in Halle Station, um den „damahls schon wichtigen Hrn. Georg Fr. Händel“ kennenzulernen.[4] Wie Telemann berichtet, ergab sich daraus eine lebenslange konstruktive und produktive Zusammenarbeit zwischen beiden Komponisten: „[…] in melodischen Sätzen […] und deren Untersuchung, hatten Händel und ich, bey öfftern Besuchen auf beiden Seiten, wie auch schrifftlich, eine stete Beschäfftigung.“ 1702 immatrikulierte sich Händel an der neugegründeten Universität in der Ratswaage in Halle, um bei Christian Thomasius Rechtswissenschaft zu studieren, der als Erster seine Vorlesungen in deutscher Sprache hielt und zur Beendigung der Hexenverfolgung beitrug. Am 13. März 1702 übernahm Händel auch den Organistenposten am Hallenser Dom für ein Probejahr, da der dortige Kantor Leporin kurzfristig entlassen worden war. Es sollte die einzige traditionelle Musikeranstellung in seinem Leben bleiben.

Wie der englische Musikgelehrte und Weltreisende Charles Burney überliefert, sagte Händel später selbst über diese Zeit: „Ich schrieb damals wie der Teufel, am meisten für die Hoboe, die mein Lieblingsinstrument war.“[5]

Hamburg

Im Sommer 1703 begab sich Händel nach Hamburg. Unter der Leitung des Komponisten Reinhard Keiser wurde das 1678 am Gänsemarkt als Opern-Theatrum eröffnete erste bürgerliche deutsche Opernhaus Anziehungspunkt für junge Musiker. In jenem Opernorchester spielte Händel anfangs Violine, später Cembalo. Er befreundete sich mit dem Komponisten, Dirigenten und Sänger Johann Mattheson, der später einflussreiche musiktheoretische Schriften wie Das Neu-Eröffnete Orchestre (1713), Der vollkommene Kapellmeister (1739) und das Musikerlexikon Grundlage einer Ehren-Pforte (1740) schrieb. Als an der Lübecker Marienkirche der Posten des berühmten Komponisten und Organisten Dieterich Buxtehude vakant wurde, weil dieser wegen seines hohen Alters in den Ruhestand gehen wollte, reisten Händel und Mattheson im August 1703 zusammen nach Lübeck. Aber keiner von beiden bewarb sich um die Stelle, denn der erfolgreiche Kandidat hätte gemäß der Tradition die älteste Tochter Buxtehudes heiraten müssen.

Am 5. Dezember 1704 kam es mitten in der Vorstellung von Matthesons Oper Cleopatra zu einer Auseinandersetzung zwischen Händel und Mattheson. Ersterer weigerte sich, dem Komponisten den Dirigentenplatz zu überlassen, als dieser, nachdem er sich in seiner Rolle als Antonius auf der Bühne entleibt hatte, wie üblich wieder seinen Platz am Cembalo einnehmen wollte. Der Streit führte zu einem Degenduell vor der Oper am Gänsemarkt, „welcher für uns beide sehr unglücklich hätte ablaufen können, wenn es Gottes Führung nicht so gnädig gefüget, daß mir die Klinge im Stoßen auf einen breiten, metallenen Rockknopf des Gegners zersprungen wäre“ (Mattheson). Seit diesem Ereignis bestand zwischen beiden ein gespanntes und reserviertes Verhältnis. So bekam Mattheson später von Händel trotz Bitten keinerlei biografische Daten für seine Grundlage einer Ehren-Pforte geliefert. Mattheson wiederum schaltete sich in seiner deutschen Übersetzung von John Mainwarings Händel-Biografie unentwegt mit gehässigen und abwertenden Kommentaren gegenüber Händel ein.

Am 8. Januar 1705 wurde Händels erste Oper Almira in Hamburg aufgeführt. Händel war damit für den nach Weißenfels vor seinen Gläubigern geflohenen Operndirektor Keiser in die Bresche gesprungen, welcher seine schon fertige gleichnamige Oper nun hier nicht herausbringen konnte, weil Händel in seiner Abwesenheit den Kompositionsauftrag erhielt. Zur Premiere allerdings war Keiser wieder in Hamburg und ergänzte Händels Oper mit einem eigenen Epilog. Die Begegnung mit Reinhard Keiser war für Händels Entwicklung als Komponist von entscheidender Bedeutung. Zeitlebens begleiteten ihn Keisers Melodien und Einfälle und tauchen in zahlreichen seiner eigenen Werke wieder auf. Er entnahm vielen Opern Anleihen, besonders der Octavia (1705), und vermutlich befanden sich viele Keiser’sche Partituren in seinem Reisegepäck nach Italien.

Nach dem großen Erfolg seiner Almira ließ er schon am 25. Februar 1705 seine zweite Oper mit dem Titel Die durch Blut und Mord erlangte Liebe, oder: Nero folgen. Diese Oper hatte, wohl wegen des schwachen Librettos, nur drei Vorstellungen und wurde dann abgesetzt. Während die Partitur dieses Werkes verschollen ist, bietet die erhaltene Almira mit ihrer Mischung aus deutscher und italienischer Form sowie Sprache ein lehrreiches Beispiel für die damals am Theater am Gänsemarkt vorherrschende Opernform. Viele Themen und Kontrapunkte aus seiner ersten Oper verarbeitete Händel in späteren Werken. So baute er mit dem Thema Lebet beglücket, höchst seeliges Paar, das Almira im Rezitativ (3. Akt, Szene XVIII) intoniert, wenig später in Italien den grandiosen Schlusschor Gloria Patri vom Dixit Dominus.

In Hamburg komponierte Händel 1706 noch eine weitere Oper: Florindo und Daphne, die aber solchen Umfang annahm, dass sie in zwei Werke aufgeteilt werden musste: Der beglückte Florindo und Die verwandelte Daphne. Zur Uraufführung dieser Doppeloper Anfang 1708 war Händel aber längst in südlichen Gefilden. Auch die Musik gilt größtenteils als verschollen. Nachdem Händel schon mehrmals Angebote von adligen Mäzenen für eine Italienreise abgelehnt hatte, darunter wahrscheinlich eines von Ferdinando de’ Medici, reiste er im Sommer oder Herbst 1706 auf eigene Kosten nach Italien. Er ließ zwei Kisten mit Kompositionen zurück, die allerdings heute verloren sind.

Ausgestattet mit den kontrapunktischen Lektionen von Friedrich Wilhelm Zachow und der Melodien-Erfindungsgabe von Reinhard Keiser, machte er sich also auf den Weg, die italienische Schreibweise kennenzulernen.

Italien

Händels Studienreise durch Italien währte vier Jahre. Er machte unter anderem Station in Florenz, Rom, Neapel und Venedig. Die genauen Daten seiner Aufenthalte in diesen Städten sind nur teilweise bekannt: zunächst Florenz, dann ab 14. Januar 1707 Rom, ab Herbst 1707 Florenz, seit Februar 1708 wieder Rom, Ende April 1708 Neapel, Juli 1708 Rom und irgendwann in 1709 Venedig, Florenz und wieder Venedig. Im Frühjahr 1710 reiste er in Richtung Heimat ab.

Aus jener Zeit sind viele Anekdoten überliefert, so von Treffen mit Arcangelo Corelli und Antonio Lotti sowie Alessandro und Domenico Scarlatti. Händel wurde hier als „Il Sassone“ (der Sachse) berühmt. Als Domenico Scarlatti auf dem Karneval in Venedig den maskierten Händel inkognito auf einem Cembalo spielen hörte, soll er ausgerufen haben: „Das ist entweder der berühmte Sachse oder der Teufel!“ Mainwaring berichtet, dass es zwischen Corelli und Händel zu Meinungsverschiedenheiten über die Ausführung der doppelten Punktierung in den langsamen Ecksätzen der (ursprünglichen) französischen Ouvertüre zu Il Trionfo del Tempo e del Disinganno kam. Ungeduldig soll Händel Corelli die Geige aus der Hand gerissen haben, um zu demonstrieren, wie er sich die Ausführung dieser Punktierung wünschte. Corelli, ein liebenswürdiger Mann, sagte daraufhin: “Ma, caro Sassone, questa Musica è nel Stylo Francese, di ch’io non m’intendo” („Aber mein lieber Sachse, diese eure Musik ist nach dem französischen Stil eingerichtet, darauf ich mich gar nicht verstehe“).[6] Corelli zum Gefallen komponierte Händel eine neue Ouvertüre im italienischen Stil.

In Italien brachte Händel zwei Opern auf die Bühne, den Rodrigo (November 1707) in Florenz und die Agrippina (26. Dezember 1709) in Venedig. Das Libretto zur Agrippina verfasste Vincenzo Grimani, Kardinal und Vizekönig von Neapel (1652–1710). Diese Oper gilt allgemein als der eigentliche Durchbruch in Händels Opernstil. Die Ouvertüre zu Agrippina, mit dem erregt tremolierenden Fugenthema über ein kleines Hexachord, zählt zu Händels herausragendsten Opern-Ouvertüren. Für Rom, wo auf Grund kriegerischer Ereignisse und eines Erdbebens Opernaufführungen durch Papst Clemens XI. verboten waren, schuf er zwei Oratorien, das geistliche La Resurrezione (Frühjahr 1708) und das allegorische Il Trionfo del Tempo e del Disinganno (Frühjahr 1707). Den Text zu Il Trionfo verfasste Kardinal Benedetto Pamphili. Dieser war neben Kardinal Pietro Ottoboni ein bedeutsamer Gönner und Förderer Händels. Den Stoff Il Trionfo bearbeitete Händel in London noch zweimal: 1737 und zuletzt 1757 als The Triumph of Time and Truth (Der Triumph der Zeit und der Wahrheit).

Des Weiteren komponierte Händel in Italien das berühmte Dixit Dominus (Psalm 110), die Serenata Aci, Galatea e Polifemo (Neapel 1708) sowie zahlreiche Chor- und Solokantaten. Er begründete damit in Italien seinen späteren Weltruhm.

1709 erhielt Händel als Reaktion auf die sensationelle Premiere der Agrippina in Venedig eine Einladung an den Hof des Kurfürsten Georg Ludwig von Hannover. Gleichzeitig sprach Charles Montagu, Earl of Manchester eine Einladung an den englischen Hof aus. Händel, auch noch mit einem Empfehlungsschreiben für Prinz Karl von Neuburg in Innsbruck ausgestattet, wandte sich zunächst Innsbruck zu, welches er aber am 9. März 1710 wieder verließ. Am 4. Juni 1710 erreichte er (sicherlich nach einem Aufenthalt in Halle) Hannover, und schon wenige Tage später wurde ihm dort der Posten des Kapellmeisters für jährlich 1500 Reichsthaler angeboten. Er nahm das Angebot an, ließ sich aber zusichern, hin und wieder für längere Zeiträume vom Hof abwesend sein zu dürfen. Diese Option nutzte er bald aus: Schon gegen Ende des Jahres reiste er nach London.

Erste Jahre in London

Wie lange Händel in England bleiben wollte, wissen wir nicht, jedenfalls schreibt Mainwaring: „Seine Begierde war noch nicht gesättiget und so weit davon entfernet, solange noch ein musikalischer Hof zu finden war, den er nicht gesehen hatte.“ Er blieb zunächst ein Jahr in London und reizte damit sein Urlaubsmaximum aus. Hier war gerade fünf Jahre zuvor das Königliche Theater am Haymarket („Queen’s Theatre“) mit einer Oper des Deutschen Greber eröffnet worden. Das war alles, was London an italienischer Oper bislang zu bieten hatte, eine englische Oper gab es nicht. An diesem Theater erntete Händel am 24. Februar 1711 seinen ersten großen Erfolg in England mit der Uraufführung seiner Oper Rinaldo. So erfolgreich die Musik war, so umstritten waren die eingesetzten Bühneneffekte, derer es viele gab und die von Kritikern als kindisch und absurd verurteilt wurden. So ließ man während einer Gleichnis-Arie, in der die Vögel das Vergleichsobjekt waren, Spatzen auf die Bühne fliegen. Aus dieser Oper stammt die bekannte Sarabanden-Arie Lascia ch’io pianga mit einem Thema, das Händel zuvor schon in Almira und Il Trionfo verwandt hatte. Sie gehört, neben Cleopatras V’adoro, pupille, saette d’Amore aus Julius Cäsar und dem Largo (eigentlich ein Larghetto) Ombra mai fu aus der Oper Xerxes, seit fast drei Jahrhunderten zum Standardrepertoire berühmter Sänger und Sängerinnen. Nach dem Ende der Opernsaison kehrte Händel Anfang Juni 1712 nach Hannover zurück, nicht ohne zwischendurch eine Einladung an den Düsseldorfer Hof des Pfalzgrafen Johann Wilhelm angenommen zu haben. Dieser stattete ihn mit einem Entschuldigungsschreiben für Hannover aus, in dem er bedauerte, dass er Händel aufgehalten habe. Dort angekommen, schrieb Händel für die Kurprinzessin und spätere britische Königin Caroline von Brandenburg-Ansbach unter anderem eine Reihe von Vokalduetten und „eine Menge von Sachen für Stimmen und Instrumente“ (Mainwaring).

Nach nur wenigen Monaten ersuchte Händel den Kurfürsten, nach London zurückkehren zu dürfen, was ihm erlaubt wurde „mit dem Bedinge, sich nach Verlauf einer geziemenden Zeit wieder einzustellen“ (Mainwaring). Im Oktober 1712 begab er sich also wieder nach London, wo er – von Reisen abgesehen – den Rest seines Lebens verbrachte. Händel wohnte zunächst ein Jahr bei einem reichen Musikliebhaber namens Andrews in Barn Elms, Surrey (dem heutigen Barnes). Drei weitere Jahre lebte er beim Earl of Burlington in London (Piccadilly). Die Hauptwerke dieser Periode sind vier italienische Opern und das Utrechter Te Deum und Jubilate im Auftrag von Königin Anne, nach dessen Aufführung sie ihm eine lebenslange Pension von 200 Pfund jährlich gewährte.

Obwohl Händel seine Abwesenheit vom Hof in Hannover weit überdehnte, ist kein Versuch des Kurfürsten Georg dokumentiert, ihn an seine Verpflichtung in Hannover zu erinnern. Im Oktober 1714 wurde der Kurfürst in der Londoner Westminster Abbey als Georg I. zum König von Großbritannien und Irland gekrönt. In seinem Auftrag komponierte Händel später die Wassermusik, die bei einem Fest auf der Themse wahrscheinlich erstmals 1717 gespielt wurde. Der König verdoppelte Händels Gehalt. Später wurde Händel auch der Musiklehrer der Töchter des Königs. (Händel gab später an, nur Prinzessin Anne unterrichtet zu haben.) 1716 folgte er dem König kurzzeitig zurück auf deutschen Boden, wo er auch seine Verwandten in Halle besuchte und einen Abstecher nach Ansbach machte. Hier traf Händel auch seinen Kommilitonen Johann Christoph Schmidt (1683–1763) aus der halleschen Studienzeit wieder. Dieser ging mit ihm fortan nach London und wurde bis zu seinem Tod dessen Sekretär, Buchhalter und musikalischer Assistent. Schmidts Sohn gleichen Namens, engl. John Christopher Smith (1712–1795), übernahm dann diese Funktion und tat sich darüber hinaus als Komponist und Bearbeiter Händel’scher Werke hervor, besonders nach dessen Tod.

In dieser Zeit komponierte Händel die Passion Der für die Sünde der Welt gemarterte und sterbende Jesus, nach einer damals beliebten Dichtung des Hamburgers Barthold Heinrich Brockes. Diese wurde aber erst 1719 ebenda aufgeführt. Dieser Text wurde auch von Reinhard Keiser, Johann Mattheson und Georg Philipp Telemann vertont, und selbst Johann Sebastian Bach benutzte daraus manche Arientexte für seine Johannes-Passion.

Nach seiner Rückkehr nach Großbritannien trat er im Sommer 1717 als Hauskomponist in die Dienste des Earl of Carnarvon, des späteren Duke of Chandos. Hier versammelte sich ein progressiver Literatenkreis, dem auch John Gay und Alexander Pope angehörten. Händels Werke, die er für die Herzogsresidenz Cannons in Edgware komponierte, umfassen die zwölf Chandos Anthems sowie die erste Fassung von Esther und die völlig neue englische Fassung von Acis and Galatea (Text: John Gay). In Cannons vollendete Händel wahrscheinlich auch die 1720 im Selbstverlag veröffentlichten Suites de Pièces pour le Clavecin (1. Sammlung), die unter anderem die bekannten Variationen enthalten, denen man später den Namen The Harmonious Blacksmith („Der harmonische Grobschmied“) gab.

Der Name des Ortes Cannons (auch Canons) war zugleich Programm: Der Duke of Chandos und sein Kreis brachten auf diese Weise zum Ausdruck, dass es um die Errichtung von musikalischen Maßstäben ging (lat. canon, griech. kanón, dt. Kanon: Maßstab, Richtschnur, Regel). Siehe auch: „Brahms und Händel“ im Artikel: Variationen und Fuge über ein Thema von Händel

Blüte der Oper

Händels Aufenthalt in Cannons endete etwa im Frühjahr 1719, als die Vorbereitungen für ein neues Opernunternehmen auf Subskriptionsbasis am King’s Theatre begannen, die Royal Academy of Music mit Händel als musikalischem und dem Schweizer Johann Jacob Heidegger als Verwaltungsdirektor. Für die Anwerbung einer Sängertruppe, insbesondere des Starkastraten Senesino, reiste Händel nach Dresden, war aber nur teilweise erfolgreich: Er konnte für die anstehende Saison nur die Sopranistin Margherita Durastanti gewinnen, die er schon aus Italien kannte (Agrippina). Senesino kam erst ein Jahr später und blieb bis zum Zusammenbruch der Akademie (1728) für eine Gage von letztlich 2000 Pfund pro Jahr. Händels erste und sehr erfolgreiche Oper für diese Opernakademie, Radamisto, wurde erstmals am 27. April 1720 aufgeführt. Neben Händel beschäftigte die Akademie zeitweise noch die Komponisten Giovanni Bononcini und Attilio Ariosti. Das Publikum spaltete sich in Parteien, die sich entweder hinter Händel oder Bononcini stellten. Insbesondere in der Anfangszeit waren Bononcinis Aufführungen erfolgreicher als Händels. Händels Dominanz wurde erst etwa ab der dritten Saison spürbar, und in den folgenden Jahren schrieb er einige seiner bedeutendsten und heute populärsten Opern wie Giulio Cesare, Tamerlano und Rodelinda.

Nach heutigen Erkenntnissen war die Opernakademie von Anfang an unterfinanziert und nur in den besten Zeiten wirtschaftlich tragfähig. Das Management versuchte dadurch zum Erfolg zu kommen, dass es noch mehr Starsänger einkaufte. Ab Januar 1723 wurde Francesca Cuzzoni für zunächst 1500 Pfund pro Saison und ab Mai 1726 Faustina Bordoni, die spätere Ehefrau des Dresdner Hofkomponisten Johann Adolph Hasse, für unglaubliche 2500 Pfund für die Spielzeit engagiert. Beide Primadonnen waren miteinander verfeindet. Am 6. Juni 1727 beschimpften und schlugen sie sich, lautstark angefeuert von ihren jeweiligen Anhängern, während der Vorstellung auf offener Bühne. Durch die hohen Gagen, die beide Sängerinnen und Senesino erhielten, wurde das Opernunternehmen nicht nur finanziell sehr stark belastet, sondern man fragt sich heute, wie es überhaupt zeitweise funktionieren konnte, denn das Gesamtbudget einer Opernspielzeit wurde von der Ipswich Gazette für die Spielzeit 1732/33 mit zwischen 9.000 und 12.000 Pfund angegeben. Selbst wenn der Etat für Händels erste Opernakademie etwas höher gewesen sein mochte, mussten doch die 8.000 Pfund für die drei Sänger und Händel erst einmal aufgebracht werden, und dabei waren der Impresario, die anderen Sänger, Theatermiete, Orchester, Bühnenbild, Kostüme noch nicht bezahlt. (Händel bekam für das Komponieren und Kopieren einer Oper 1.000 Pfund. Pro Spielzeit schrieb er meist zwei Opern.) Hinzu kam, dass sich der Publikumsgeschmack zunehmend leichteren und politisch-satirischen englischsprachigen Musikdarbietungen zuneigte, wofür 1728 der rauschende Erfolg von John Gays und Johann Christoph Pepuschs The Beggar’s Opera symptomatisch war. Höhepunkt der Bettleroper soll eine Parodie auf Händels populären „Kreuzrittermarsch“ aus dessen Rinaldo gewesen sein – gesungen von „Bettlern“, „Dieben“ und „Gaunern“. (Die Oper stand Modell für Die Dreigroschenoper von Bertolt Brecht und Kurt Weill.) Nach der Saison 1727/28 wurde die Opernakademie aufgelöst. Persönlich nahm Händel, der seit 1727 englischer Staatsbürger[7] war, an dem Scheitern der Akademie jedoch keinen Schaden.

Auch finanziell erging es Händel zu dieser Zeit gut, das Geschäft mit seiner eigenen Musik blühte. So war er etwa am Verkauf von Eintrittskarten und Noten beteiligt; die Pension, die er vom englischen Königshaus erhielt, machte nur etwa ein Viertel seines Einkommens aus. Abgesehen von der Südseeblase, durch die auch Händel im Jahre 1721 viel Geld verlor, ging er mit seinem Vermögen geschickt und vorsichtig um, indem er etwa in Staatsanleihen der Bank von England investierte, und verdiente so zeitweise umgerechnet bis zu einer Million Euro im Jahr.[8] In dieser Zeit kaufte Händel auch das Haus in der Lower Brook Street (Nähe Hanover Square), in dem er bis zu seinem Tode wohnte.

Niedergang der Oper

Nach der Auflösung der Opernakademie startete Händel gemeinsam mit Johann Jacob Heidegger (diesmal Impresario) ein neues Unternehmen, das in der Literatur auch als „die zweite Opernakademie“ bezeichnet wird. Sie übernahmen den Fundus der Akademie, mieteten das King’s Theatre für fünf Jahre und Händel reiste im Februar 1729 nach Italien, um neue Sänger anzuwerben. Nach den schlechten Erfahrungen mit dem extravaganten Konzept der ersten Opernakademie war das neue Ensemble durchweg bescheidener angelegt, u. a. mit dem Altkastraten Antonio Bernacchi als neuem Star, der Sopranistin Anna Strada del Pó und Händels altem Schulfreund aus Halle, dem Bassisten Johann Gottfried Riemschneider. Auf der Rückreise im Frühsommer 1729 besuchte Händel vermutlich seine Mutter in Halle und machte in Hannover (Anfang Juni) und Hamburg Halt.

Das neue Opernunternehmen eröffnete am 2. Dezember 1729 mit Lotario, hatte aber nur moderaten Erfolg, so dass für die nächste Saison wieder Senesino als Zugnummer engagiert wurde. Eher zufällig wurde Händels Interesse auf das Oratorium gelenkt. 1732 wurden seine beiden englischsprachigen Masques Esther und Acis and Galatea aus der Cannons-Zeit unautorisiert gespielt. Händel antwortete jeweils schnell darauf, indem er eigene neue Fassungen erstellte und mit Erfolg aufführte.

Die nächste Saison 1732/33 bestritt er weitgehend mit der Aufführung von Oratorien. Darunter war auch das weitgehend aus altem Material bestehende Oratorium Deborah. Im Sommer reiste Händel mit seinem Ensemble nach Oxford. Dort brachte er im Sheldonian Theatre der Universität sein Oratorium Athalia erfolgreich zur Uraufführung. Das Halleluja in d-Moll, das den ersten Akt beschließt, ist eine Doppelfuge über die sechs geteilten Solmisationssilben UT-FA RE-SOL MI-LA: Händels Hommage an Guido von Arezzos (~992–1050) Hexachord-System. Als Gegenthema (Kontrasubjekt) zu Arezzos geteilten Silben (Syllaben) erwählte Händel, leicht figuriert, das Hauptthema (Subjekt) der Fuge aus seiner achten f-Moll-Claviersuite, HWV 433. Einem Pressebericht zufolge sollte ihm von der Universität die Ehrendoktorwürde verliehen werden, die er aus unbekannten Gründen ablehnte. Der Erfolg seiner Athalia in Oxford veranlasste Händel jedoch keineswegs, die niedergehende italienische Oper aufzugeben.

Im Dezember 1733 wurde von einer rivalisierenden Operngesellschaft die Opera of the Nobility (die sogenannte Adelsoper) im Lincoln’s Inn Fields Theatre eröffnet, mit Nicola Antonio Porpora als Komponisten. Zuvor hatte diese Gesellschaft fast Händels gesamtes Sängerensemble einschließlich Senesino abgeworben, nur die Sopranistin Anna Maria Strada blieb bei Händel. Da es in London keinen Markt für zwei konkurrierende Opernhäuser gab, kam es zu einem ruinösen Wettbewerb. Die Situation verschärfte sich noch dadurch, dass zum Ende der Saison Händels Mietvertrag auslief und Heidegger das King’s Theatre an die Adelsoper vermietete. Dazu gelang es der Adelsoper noch, den berühmten italienischen Kastraten Farinelli zu engagieren.

Die beiden Opernunternehmen spalteten nicht nur das Londoner Opernpublikum in zwei Lager, sondern auch die königliche Familie. So protegierte der Prince of Wales Friedrich Ludwig von Hannover die Adelsoper. Händels Meisterschülerin Prinzessin Anne ergriff dagegen leidenschaftlich Partei für Händel. Noch viele Jahre später, 1770 in Bologna, erzählte Farinelli Charles Burney, wie er nach seiner Ankunft in London „zum ersten Male bei Hofe“ dem König Georg II. vorsang. Dabei habe „ihm die königliche Prinzessin, die nachmalige Prinzessin von Oranien, mit dem Flügel (d.h. auf dem Cembalo)[9] begleitet, welche verlangte, dass er zwei von Händels Arien vom Blatt [prima vista] wegsingen sollte, die in einem Schlüssel und einer Schreibart gesetzt waren, welche er gar nicht gewohnt war“. Annes Kunst im Generalbassspiel wurde noch 1763 von Friedrich Wilhelm Marpurg in seinen Kritischen Briefen über die Tonkunst erwähnt. Händel selbst vertraute einmal dem aus Hamburg stammenden Groninger Organisten Jacob Wilhelm Lustig an, dass sie für ihn „die Blüte aller Prinzessinnen“ sei.

Händel zog nun in das neuerbaute Covent Garden Theatre[10] um und führte das Opernunternehmen (also die „dritte Opernakademie“) in eigener Regie und auf eigene finanzielle Verantwortung.[8] Trotz des Dahinsiechens des Unternehmens komponierte er in dieser Zeit Werke wie Ariodante und Alcina, die zusammen mit Orlando zu den bedeutendsten nach dem Zusammenbruch der ersten Akademie zählen. 1737 kam es zum Bankrott, aber auch die Adelsoper ging pleite und musste aufgelöst werden. Bezeichnenderweise war wieder ein Werk der populäreren „leichten Muse“ der „Sargnagel“ des Unternehmens: die Opernparodie The Dragon of Wantley (Libretto: Henry Carey) des deutschen Komponisten Johann Friedrich Lampe. Diese hatte insgesamt mehr Vorstellungen als seinerzeit die Bettleroper. Händel erlitt einen Schlaganfall mit Lähmungserscheinungen, erholte sich bei einem Kuraufenthalt in den Aachener Thermalquellen in Burtscheid jedoch schnell wieder und komponierte mit der alten Produktivität.

Zeit der Oratorien

Wenngleich Händel bis zu seiner letzten Oper Deidamia 1741 noch zahlreiche Versuche unternahm, die Oper fortzuführen, trat 1739 mit Saul und Israel in Egypt allmählich das Oratorium in den Vordergrund. Dazu kamen Wiederaufnahmen früherer Werke, darunter auch das 1736 komponierte Alexander’s Feast or The Power of Music, dem Händel 1739 eine Ode for St. Cecilia’s Day hinzufügte. Den Text zu beiden Cäcilienoden – Gedichte zu Ehren der heiligen Cäcilia – hatte John Dryden verfasst. Drydens Ode gilt als Meisterwerk englischer Dichtkunst. Bald darauf, 1740, vertonte Händel Verse eines weiteren großen englischen Dichters: L’Allegro, il Penseroso ed il Moderato von John Milton. Der dritte Teil Il Moderato war allerdings nicht aus der Feder von Milton, sondern von Charles Jennens (1700–1773), dem Librettisten von Händels Oratorien Saul, Messiah und Belshazzar.

Eine Reise Händels 1740 nach Deutschland ist kaum dokumentiert. Möglicherweise hatte er noch Absichten, ein neues Opernunternehmen zu gründen, und war auf der Suche nach Sängern; oder er war am Berliner Hof, wie es der Hamburger Relations-Courier meldete, um seine beruflichen Chancen in Deutschland zu prüfen.

1742 weilte Händel in Dublin und brachte dort sein Oratorium Messiah zugunsten von Schuldgefangenen und Armenkrankenhäusern zur Uraufführung. Die Alt-Partie sang Susanna Maria Cibber (1714–1766), eine Schwester des Komponisten Thomas Augustin Arne, die bald danach in London erste Schauspielerin am Theater des berühmten Shakespeare-Darstellers David Garrick wurde. Auch später in London überließ Händel die Erlöse seiner Messiah-Aufführungen Armen und Entrechteten. Hinter der Themenskizzierung für die Amen-Fuge notierte Händel eine irische Tanzmelodie, die er (in deutscher Sprache) als „Ballet“ D[e]r arme Irische Junge bezeichnete. Einmal jährlich führte er Messiah zugunsten des Londoner Foundling Hospital auf, dessen ehrenamtlicher Co-Direktor er neben William Hogarth war, dem sozialkritischen Maler, Grafiker und Verfasser der Analysis of Beauty. Kurz vor seiner Rückreise nach London begegnete Händel noch dem schon geistig verwirrten Autor von Gullivers Reisen, Jonathan Swift.

Nach dieser Zeit komponierte Händel keine Opern mehr. Stattdessen gab es von 1743 bis 1752 eine durchgehende Reihe von ein bis zwei neuen Oratorien pro Saison, die meisten davon zu Themen aus dem Alten Testament, aber auch die weltlichen Musikdramen Hercules und Semele, deren Sopranpartien, wie in vielen Werken seit 1737, für Händels neue Primadonna Elisabeth Duparc „la Francesina“ komponiert wurden. Beide Werke, obwohl von Händel nicht so gedacht, werden heute manchmal szenisch aufgeführt und beinahe als englische Opern angesehen, zumal der Text zu Semele ein reines Opernlibretto war.

Noch etliche Zeit versuchten Adelskreise Händel, der sich nun ganz dem Oratorium zugewandt hatte, zu Fall zu bringen. „Die ganze Operngesellschaft ist in Rage über Händel“, notierte eine Zeitgenossin. Anders als zu Zeiten der Adelsoper hatte er zwar als Oratorienkomponist keine Konkurrenz, aber seine Gegner konnten an den Abenden seiner Aufführungen Bälle und Bankette geben, um ihm zu schaden. Breite Bevölkerungsschichten erreichte er bald mit seinen „Siegesoratorien“ nach dem Jakobitenaufstand von 1745, von denen Judas Maccabaeus neben Messiah das zu seinen Lebzeiten populärste Oratorium wurde. Zur Arie des Judas Maccabaeus With honour let desert be crown’d im dritten Akt komponierte Händel ein außergewöhnliches Solo für Trompete, denn ausnahmsweise band Händel für sein Trompetensolo den (bis heute) als „unnatürlich“ geltenden siebenten Oberton auf der Naturtrompete mit ein und brachte mit diesem Kunstgriff die „Doppelnatur des Trompetenklangs“ zur Geltung. Händel bildete mit dem siebten Oberton die Mollterz, wodurch sein „Trompetenklang“ permanent zwischen elegischem a-moll und kriegerischem (teils auch festlichem) D-Dur wechselt. In das Oratorium fügte Händel später zudem den Chor der Jünglinge See, the conqu’ring Hero comes aus dem Oratorium Joshua ein, dessen Melodie später in Deutschland das Adventslied Tochter Zion, freue dich (EG 13) wurde.

Im Jahre 1745 verlieh die 1738 vom Arzt, Mathematiker und Musikwissenschaftler Lorenz Christoph Mizler gegründete Leipziger Correspondierende Societät der musicalischen Wissenschaften Händel die Ehrenmitgliedschaft. Zu den Mitgliedern zählten unter anderem auch Georg Philipp Telemann und Johann Sebastian Bach. (Letztes Mitglied sollte um 1755 Leopold Mozart werden, danach löste sich die Societät auf.)

Das letzte Jahrzehnt

Im Sommer 1750 unternahm er nochmals eine Reise nach Deutschland aus unbekanntem Grund, nicht ohne vorher sein Testament verfasst zu haben. Auf dieser Reise hatte seine Kutsche einen Unfall in Holland und Händel verletzte sich nach Angaben des General Adviser schwer.

1751 begann Händel mit der Komposition des Oratoriums Jephta. Während der Niederschrift zeigten sich erste Symptome der beginnenden Erblindung – im Schlusschor des zweiten Aktes heißt es: “How dark, O Lord, are thy decrees”. Genau an dieser Stelle muss Händel seine Arbeit unterbrechen und notiert in die Partitur in deutscher Sprache: „Biß hierher komen den 13. Februar 1751, verhindert worden wegen relaxation des Gesichts meines linken Auges. so relax’t.“ Im weiteren Verlauf schließt dieser Chor mit Alexander Popes Maxime aus dem Essay on Man (1734): “Whatever is, is right.” Diese wurde bald in Deutschland Gegenstand heftiger weltanschaulicher Auseinandersetzungen, an denen sich auch Moses Mendelssohn und Gotthold Ephraim Lessing beteiligten. Später übernahm Georg Wilhelm Friedrich Hegel Popes Maxime und kleidete sie in die Worte: „Alles was ist, ist vernünftig“ – vom Hegel-Schüler Heinrich Heine umgedeutet in „Alles, was vernünftig ist, muss sein“. Mit vielen Unterbrechungen sowie unter höchsten Anstrengungen vermochte Händel sein Werk Monate später zu vollenden.

1754 konnte sich Händel endlich bei seinem lebenslangen Freund Telemann, einem Blumenliebhaber, mit einer Kiste exotischer Pflanzenzwiebeln bedanken (wenn auch verspätet, ihm war irrtümlich der Tod seines Hamburger Kollegen mitgeteilt worden). Händel dankte für die ihm von Telemann 1750 vorab übersandte Intervall-Lehre Neues musikalisches System, die 1752 in Mizlers Musikalischer Bibliothek erschien. Hierin unterteilt Telemann jeden Ton, jedes Intervall vierfach in Minimum, Minor, Major und Maximum. Sein Neues musikalisches System stieß allerdings bei den Zeitgenossen auf scharfe Ablehnung, weil mit dem Aufkommen des Hammerklaviers die temperierte Stimmung favorisiert wurde. Diese vierfache Unterteilung hatte Händel übrigens punktuell in seinen 1706–1709 entstandenen italienischen Kantaten sowie im Oratorium Il Trionfo (in der Arie Io sperai) angewandt.

Händel unterzog sich mehreren erfolglosen Augenoperationen, eine davon durch den umstrittenen Okulisten (Starstecher) John Taylor (1703–1772), der auch Johann Sebastian Bachs Augen operiert hatte. In Taylors 1761 in London erschienenen History of the Travels and Adventures findet sich ein Abschnitt über seine medizinischen Begegnungen mit Bach und Händel. Darin vermerkte Taylor, dass beide Komponisten „anfangs zusammen erzogen wurden“. Diese Aussage Taylors stieß bei den Bach- und Händel-Biografen seit Jahrhunderten auf heftigen Widerspruch.

Es gibt Hinweise, dass Händel während seiner letzten Jahre zeitweise wieder etwas sehen konnte, aber nach Mai 1752 gewann er sein Augenlicht praktisch nicht mehr zurück. Trotzdem wirkte er weiterhin bei den Aufführungen seiner Oratorien mit und spielte zwischen den Akten seine Orgelkonzerte, die er teilweise improvisierte. Weiterhin komponierte er neue Arien oder überarbeitete ältere. Bei der Niederschrift half ihm sein getreuer John Christopher Smith (der Jüngere), der sein Schüler war und der auch die Aufführungen der Oratorien in seinen letzten Lebensjahren dirigierte (ihm hinterließ er auch seine Partituren). Für den Judas Maccabaeus komponierte er den Duett- und Chorsatz Sion now her head shall raise. Noch eine Woche vor seinem Tod saß Händel bei einer Aufführung seines Messiah an der Orgel.

Im April des Jahres 1759 hatte Händel einen Kuraufenthalt in Bath geplant, wozu es jedoch nicht mehr kam. Am Morgen des 14. April 1759, an einem Karsamstag, verstarb Händel im Alter von 74 Jahren in seiner Wohnung Brook Street Nr. 57 (heute Nr. 25). Er hinterließ – je nach Umrechnung – zwei bis sechs Millionen Euro, angelegt in Wertpapieren.[8] Am 20. April wurde er in der Londoner Westminster Abbey beigesetzt. Seinem Wunsch nach einem stillen Begräbnis wurde nicht entsprochen: Es sollen 3000 Trauernde anwesend gewesen sein.


Text: Wikipedia

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