Gifhorn
Gifhorn ist die Kreisstadt des gleichnamigen Landkreises im Osten des Landes Niedersachsen.
Reklamemarken und Siegelmarken
Verzeichnis der sortierten Reklamemarken und Siegelmarken mit einem Bezug zu Gifhorn.
Geschichte
Mittelalter
Gifhorn wurde erstmals 1196 im Güterverzeichnis des Braunschweiger Stifts St. Cyriakus erwähnt. Dass der Siedlungsplatz viel älter ist, beweist die Jahresringdatierung mindestens auf das Jahr 896 eines im November 2014 auf einer Baustelle gefundenen mit Holzbohlen gesicherten Brunnens.[6] Ursprünglich war Gifhorn beschränkt auf eine kleine Siedlung im großflächig versumpften und schwer passierbaren Aller-Urstromtal (Barnbruch). Der Mündungswinkel von Aller und Ise war eine der wenigen Stellen, an denen dieses natürliche Hindernis überwunden werden konnte. Kurz vor dem Zusammenfluss mit der Aller teilte sich die Ise und bildete einen kleinen Werder. Entlang dieser trockenen Erhöhung vermutet man die erste Ansiedlung.
Der Ausbau des Brückenortes war durch mehrere Faktoren begünstigt. Zum einen besaß er eine geographisch günstige Schutzlage, zum anderen eine gute Verkehrslage am Schnittpunkt zweier bedeutender mittelalterlicher Handelswege: Hier kreuzten sich in Nord-Süd-Richtung die südliche Verlängerung der Alten Salzstraße von Lüneburg nach Braunschweig und in Ost-West-Richtung die Kornstraße von Magdeburg nach Celle. Gegen die von Osten her drängenden sorbischen Stämme (siehe auch Wenden, Wendland) befestigte man Gifhorn mit einer Schutzburg, um die am Iseübergang entstandene einnahmeträchtige Zollstätte zu sichern.
Die Welfenherzöge ließen später eine Vogtei, eine Wassermühle (erstmals 1213 urkundlich erwähnt, an dieser Stelle wird aktuell eine Stadtvilla mit Eigentumswohnungen errichtet) und einen Wirtschaftshof anbauen. Dieser gesicherte und wirtschaftlich bedeutsame Knotenpunkt zog viele Bauern, Handwerker und Kaufleute an. Auch die Post mit ihren Postkutschen richtete hier für die Mitreisenden eine Haltestation ein (heute Deutsches Haus). Zudem entstanden zahlreiche Gaststätten und Stallungen, in denen die Fuhrleute ihre Pferde ausspannten, aber auch bei gelegentlichem Hochwasser mehrere Tage ausharrten. Das Marktrecht wurde dem Ort bereits 1275 durch Herzog Johann I. von Lüneburg verliehen.
Infolge der strategisch wichtigen Lage wurde Gifhorn befestigt und 1332 als „opidum“ (befestigter Ort) urkundlich erwähnt. 1364 wurde erwähnt, dass Gifhorn die Weichbildrechte („wicbelde“) erhalten hatte. Dies war etwa gleichbedeutend mit der Verleihung von Stadtrechten. Allerdings durften die Gifhorner keine Stadtmauer errichten.1428 gingen Schloss und Siedlung bei der Teilung des Welfenhauses an das Fürstentum Lüneburg über.
Während der Hansezeit entstanden viele Handwerksbetriebe: Die bereits ansässigen Ackerbürger, Müller, Bäcker, Fischer, Metzger, Schuster, Schneider und Schmiede wurden ergänzt durch Weber, Bleicher, Färber, Böttcher, Töpfer, Gerber, Sattler, Seiler, Hutmacher und Bierbrauer. Die wirtschaftliche Blütezeit gipfelte 1275 in der Verleihung des Marktrechtes.
Renaissance
Verheerende Kriege und Großbrände fügten dem Ort immer wieder schwere Schäden zu, insbesondere die Hildesheimer Stiftsfehde von 1519 bis 1523, bei der auch die Orte in der näheren Umgebung fast vollständig vernichtet wurden. Der Wiederaufbau wurde gekrönt mit der Neuerrichtung von Schloss Gifhorn im Stil der Weserrenaissance. Bauherren des erst 1581 fertiggestellten Schlosses waren die protestantischen Herzöge Ernst der Bekenner von Braunschweig-Lüneburg und sein Bruder Herzog Franz aus Celle. Es entstand eine äußerst wehrhafte Schlossanlage, die an den vier Ecken über Bastionen verfügte und von Festungswällen umgeben war. Die Kapelle im Gifhorner Schloss, 1547 eingeweiht, ist der älteste protestantische Sakralbau Norddeutschlands. Heute beherbergt sie das Gemälde Der ungläubige Thomas von Johannes Grützke. Als privates Wohnhaus für den höchsten Schlossbeamten Caspar von Leipzig entstand 1546 etwas abgesetzt in der Stadt das Kavaliershaus, im Renaissance-Stil mit einer prächtigen Steinfassade erbaut.
Von 1539 bis 1549 war Gifhorn unter Herzog Franz Residenzstadt des Herzogtums Gifhorn, welches dieser als Abfindung für seinen Regierungsverzicht im Fürstentum Lüneburg erhielt. Am 6. Dezember 1544 erließ der Herzog für Gifhorn eine „Reformatio und Ordnung“, mit der für Jahrhunderte die Grundlage für die Durchführung von Bürgermeisterwahl und Stadtverwaltung gelegt wurde. Da Herzog Franz 1549 ohne männliche Nachkommen verstarb, fiel das Herzogtum nach nur zehn Jahren wieder an das Fürstentum Lüneburg in Celle zurück. Das Schloss diente fortan als Jagdresidenz von Fürsten und Herzögen aus der Umgebung oder als Wohnung für einen Amtmann. Die Befestigungsanlagen des Schlosses wurden ab 1781 beseitigt, da sie den wehrtechnischen Anforderungen dieser Zeit nicht mehr genügten.
Aus der Zeit des Neuaufbaus sind zahlreiche Fachwerkhäuser bis heute erhalten. Bemerkenswerte Bauten sind das Alte Rathaus von 1562 (heute Ratsweinkeller mit Bücherei) und das Höfersche Haus von 1570.
Neuzeit
Während des Dreißigjährigen und Siebenjährigen Krieges und der Napoleonischen Feldzüge wurden die alten Handelswege nun auch zu Heerstraßen. Während der Truppendurchmärsche kam es immer wieder zu großen Schäden und Plünderungen. Hinzu kamen zwei große Flächenbrände 1669 im Süden und 1725 im Norden. Nach drei weiteren Bränden von 1872, 1876 und 1891 kam es zur baulichen Auflockerung des Stadtbildes. Wegen der räumlichen Enge wurden viele abgebrannte Häuser nicht wieder an der gleichen Stelle aufgebaut.
Von 1734 bis 1744 wurde die Sankt-Nicolai-Kirche errichtet. Planung und Bauleitung lagen in der Hand des Baumeisters Gerhard Justus Arenhold.[7] Der Barockbau befindet sich in unmittelbarer Nähe zum Kavaliershaus und Alten Rathaus.
Nach dem Schleifen der Befestigungsanlagen des Schlosses um 1780 verloren auch die umliegenden Schutzwälle an Bedeutung. So kam es zur allmählichen Erweiterung des Stadtgebietes besonders ab 1845 nach Beseitigung der beiden Stadttore.
Industriezeitalter
Die Industrialisierung Gifhorns begann mit der großflächigen Torfgewinnung aus den umliegenden Moorgebieten, wie dem Großen Moor. Der Rohstoff wurde in der Torfpressfabrik verarbeitet und lieferte zunächst die Energie für eine mechanische Wollspinnerei, zwei Zichorienfabriken und eine Ziegelei, die sich aber nicht lange hielten.
Wirtschaftlich bedeutsam wurden nur die Glashütte Gifhorn (ab 1873) und eine Konservenfabrik (ab 1890), die erst 1960 bzw. 1973 ihre Produktion einstellten. Sie profitierten von der Vollendung des Bahnbaus um 1890.
1852 erhielt Gifhorn das Stadtrecht. 1924 wurde das Rathaus in die Ortsmitte verlegt. 1930 wurde mit dem evangelischen Kindergarten „Bleiche“ der erste Kindergarten Gifhorns gegründet. 1941 starben 122 Menschen beim Eisenbahnunfall von Gifhorn im damaligen Bahnhof Isenbüttel-Gifhorn.
Nach dem Zweiten Weltkrieg kam es über die nahe Grenze zu einer großen Zuwanderung von Flüchtlingen und Vertriebenen aus den ehemaligen Ostgebieten und der sowjetischen Besatzungszone. Die größten Arbeitgeber waren damals die seit 1951 ortsansässige Maschinen- und Armaturenfabrik Alfred Teves (mittlerweile der Continental AG zugehörend) und das für Pendler nah gelegene Volkswagenwerk in Wolfsburg. Darüber hinaus gelang es, weitere Betriebe in neuen Gewerbegebieten anzusiedeln. Bereits 1959 zogen einige Staffeln des Bundesgrenzschutzes (BGS) in das Zonenrandgebiet, es entstand am Nordwestrand der Kernstadt die BGS-Siedlung. Seit den 1960er Jahren zogen Arbeitskräfte aus südeuropäischen Ländern mit ihren Familien in das Wolfsburger Umland und damit auch nach Gifhorn. Es kam dabei zu national getrennten Siedlungsschwerpunkten: Während Wolfsburg von Italienern dominiert wurde, bildeten in Gifhorn damals die Griechen die mit Abstand stärkste ausländische Bevölkerungsgruppe. Noch heute gibt es im Gifhorner Raum – inzwischen in der dritten Generation – eine ungewöhnlich starke griechische Gemeinde mit eigenen kulturellen und kirchlichen Aktivitäten.
Gifhorn behielt 1974 den Sitz des gleichnamigen Landkreises, nachdem zunächst eine Auflösung dieses Landkreises und Vereinigung mit dem Landkreis Peine und Verlegung des Kreissitzes nach Peine geplant gewesen war, die Einwohner beider Landkreise sich aber dagegen erfolgreich gewehrt hatten. Im Zuge der Gebietsreform wurde Gifhorn vom Regierungsbezirk Lüneburg in den Regierungsbezirk Braunschweig umgegliedert. Die Industrie wehrte sich gegen eine ähnliche Umgliederung erfolgreich vor Gericht, so dass Gifhorn heute nicht zur IHK Braunschweig, sondern unverändert zur Industrie- und Handelskammer Lüneburg-Wolfsburg gehört.
Am 29. November 1984 wurde am Marktplatz das neue Rathausgebäude eingeweiht. Das vorherige Bauwerk wurde zum Haus des Handwerks.
Nach der deutschen Wiedervereinigung und den politischen Umbrüchen in den damaligen Ostblockstaaten zogen in den 1990er Jahren viele Russlanddeutsche aus der ehemaligen Sowjetunion in die Stadt. Sie stellen gegenwärtig etwa ein Zehntel der Gifhorner Bevölkerung.
Text: Wikipedia
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