Glashütte Papenburg

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von Henrike Hövelmann

Foto der Glashütte, aufgenommen um 1900

Papenburg ist nicht nur bekannt als Standort der Meyer Werft, welche die Stadt heute prägt. Viele Gebäude künden davon, dass es in Papenburg eine reichhaltige industrielle Geschichte gibt.

Ein Beispiel dafür ist die sogenannte Glashütte am Bethlehemkanal.

Wenn man genauer hinschaut, ist dort ein Bergwerkszeichen im Giebel erkennbar. Doch wie kommt das dahin, und dann zu einer Glashütte?

Im Folgenden wird die spannende Geschichte erklärt.

Das Bergwerkszeichen im Giebel der Villa Savelsberg



AEMG (Allgemeine Elektrometallurgische Gesellschaft mbH)

In den Jahren 1897-99 errichtete der am 7. August 1865 in Stolberg geborene Joseph Savelsberg eine Werksanlage in Papenburg für die Erzeugung reinen Nickels, die Allgemeine Elektro-Metallurgische Gesellschaft mbH (AEMG). Der Nickel wurde für die Herstellung von hoch beanspruchten Maschinenteilen und Panzerplatten verwendet. Der Herstellung lag ein besonderes, von ihm selbst ausgearbeitetes Verfahren der Elektrolyse zu Grunde, um das Schlussprodukt in möglichst reiner Form zu bekommen. Dies war ein hoch innovatives Verfahren, so dass Savelsberg in der Fachwelt sehr anerkannt war und Papenburg auch einen Namen in der metallverarbeitenden Industrie hatte.

Ursprünglich wurden für die Herstellung Nickelerze aus Australien verwendet, die nach Emden geschifft, dort auf Bahnwaggons umgeladen und dann in Papenburg auf Torfschiffen über die Kanäle zur AEMG transportiert wurden.

Der Strom, der für die Verarbeitung nötig war, wurde im betriebseigenen Kraftwerk (sog. Kraftwerkszentrale) gewonnen. Später reichte der dort gewonnene Strom nicht mehr aus, sodass Elektromotoren und Luftkompressoren eingebaut werden mussten. Somit war die Straße Bethlehem am Obenende die erste Straße in Papenburg, die Strom und elektrische Straßenbeleuchtung hatte.

Gegen Ende des Ersten Weltkrieges kam es wegen Rohstoffmangels zur Stilllegung der Hütte, nach Kriegsende wurde die Herstellung jedoch kräftig wieder aufgenommen. Während der Weltwirtschaftskrise 1929 kam die AEMG in finanzielle Schwierigkeiten und musste im Dezember 1929 die Produktion einstellen.

Die AEMG war also eine bedeutende Industrie – so lässt sich auch erklären, dass eine imposante Villa Teil des Betriebsgeländes war. Die meisten Villen standen am Untenende, dort wo die wohlhabenden Bürger wohnten. Das Obenende war noch größtenteils unbedeutend, seine Entwicklung hat es hauptsächlich der AEMG zu verdanken.

Die Villa Savelsberg

Glashütte

Doch woher kommt nun der auch heute noch im Volksmund verwendete Name „Glashütte“?

Glashütten gab es in Papenburg mehrere. Eine stand auf dem Gelände der Alten Werft, bis der Besitzer das Land an den Werftbesitzer Meyer verkaufte, eine weitere entstand später weiter oben am Bethlehemkanal.

Heinrich Fritsche gründete die „Neue Glashütte“ und ihm gelang es, erfahrene Glasbläser für die Arbeit in seiner Hütte zu gewinnen. Im August 1948 wurde die Arbeit im Betrieb aufgenommen. Der wesentliche Geschäftszweig war die Herstellung hochwertiger, teilweise geschliffener Medizin- und Parfümgläser, Tintengläser und Likörflaschen. Hauptabsatzmärkte waren in Bremen und Hamburg. Nachdem Fördermittel ausgelaufen waren, musste die Hütte 1952 Konkurs anmelden. Daraufhin wurde sie von den Ibbenbürener Glaswerken aufgekauft und die Glasherstellung wieder aufgenommen. Als der Inhaber und Landrat des Landkreises Osnabrück, Dr. Borgmann, starb, ging die Hütte in Insolvenz. Am 25. August 1966 wurden die 96 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter entlassen. Damit endete endgültig die langjährige und heute fast unbekannte Geschichte der Glasverarbeitung in Papenburg.

"Alt" und "Alt" schafft "Neu": Ein Kunstwerk aus Maschinenteilen der AEMG und Glasstücken der Glashütte

In den folgenden Jahren verfielen die Gebäude immer mehr und mussten teilweise abgerissen werden, bis die Ruinen schließlich an einen Schrotthändler verkauft wurden und das Gelände verwahrloste. Nach dessen Tod wurde das Gelände umfangreich saniert. Die herrschaftliche Villa bietet heute Büroräume für verschiedene Firmen. In der ehem. Kraftwerkszentrale befinden sich heute ein Fitnessstudio und die Sternwarte. Der Sockel und der untere Teil des Schornsteins sind ebenfalls noch vorhanden.

Ein Straßenname erinnert noch an die Familie Savelsberg (Hertha-Savelsberg-Straße). Nur das imposante Villengebäude ist heute noch Zeugnis der reichen Industriegeschichte am Obenende.




Quellen

Geschichte der Stadt Papenburg, herausgegeben von Wolf-Dieter Mohrmann, 1986, Verlag der Stadt Papenburg, S. 420

Der Sockel und untere Teil des Schornsteins

Festschrift zur Einweihung des neuen Rathauses der Stadt Papenburg im Juni 1913, Neuauflage, 1972, Heimat- und Verkehrsverein Papenburg e.V., S. 231-243

Männer des Metallhüttenwesens, C. Schiffner, Freiberg, 1942, Verlagsanstalt Ernst Maukisch, S. 137/38

Heinrich Hövelmann, Zeitzeuge

Andreas Hövelmann, Zeitzeuge