Gumbinnen

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Gussew (russisch Гусев, deutsch Gumbinnen, litauisch Gumbinė) ist eine Rajonstadt in der russischen Oblast Kaliningrad mit 28.260 Einwohnern (Stand 2010). Die Stadt ist Verwaltungssitz der kommunalen Selbstverwaltungseinheit Stadtkreis Gussew.

Reklamemarken und Siegelmarken

Verzeichnis der sortierten Reklamemarken und Siegelmarken mit einem Bezug zu Gumbinnen.

Gustav Stöcker

Sonstige

Geschichte

Gründung

Anhand von Bodenfunden ist bekannt, dass an der Romintemündung bereits nach Ende der Eiszeit um 9000 v. Chr. eine Siedlung vorhanden war. Vor der Eroberung des prußischen Gebietes durch den Deutschen Ritterorden im 13. Jahrhundert gab es hier Befestigungsanlagen wie die Burg Otholicha und eine Schanzburg bei Plicken. Zur Gründungszeit des Herzogtums Preußen 1525 wurde erstmals eine Siedlung namens Kulligkehmen (eingefriedetes Dorf: kullike: Beutel und kaimas: Dorf) erwähnt, während auf einer Landkarte von 1576 an der Mündung der Rominte in die Pissa ein Ort namens Bisserkeim verzeichnet ist (Pisserkeim von pissa: tiefer Sumpf und caymis, kaimas: Dorf, Ort). Bereits 1580 wurde die Ortsbezeichnung Gumbinnen erstmals urkundlich erwähnt, sie stammt wahrscheinlich aus dem Litauischen (litauisch: gumbine: Knotenstock, knorrige Äste). Zur Zeit des Dreißigjährigen Krieges bestand das Dorf Gumbinnen aus einigen an beiden Seiten der Pissa gelegenen Gehöften und einer Kirche, die der preußische Herzog Albrecht 1545 hatte errichten lassen.

Aufstieg in Preußen

Während des Tatareneinfalls 1656 und der Pestjahre 1709/11 wurde Gumbinnen wie das ganze spätere Ostpreußen schwer in Mitleidenschaft gezogen. Durch das von Preußenkönig Friedrich Wilhelm I. ins Leben gerufene Besiedelungsprogramm erfuhr auch Gumbinnen, dem der König am 24. Mai 1724 das Stadtrecht verliehen hatte, einen spürbaren Aufschwung. Nach der Großen Pest kamen Schweizer Reformierte 1710 als erste Neusiedler in die ausgestorbene Stadt. Sie brachten ihren eigenen Prediger mit und errichteten 1739 eine eigene Kirche. Ab 1732 entwickelte sich Gumbinnen zum Zentrum der Salzburger Exulanten. Mit dem Salzburgerhospital und der 1752 errichteten Salzburger Kirche bewahren sie ihre Identität bis heute.

Kreishaus um 1900

Bereits 1727 schloss sich die auf der Südseite der Rominte entstandene Neustadt der Altstadt an. Am 19. August 1736 gründete Friedrich Wilhelm I. in Gumbinnen eine Kriegs- und Domänenkammer als Verwaltungszentrum der Region. Zu dieser Zeit lebten etwa 2.100 Menschen in der Stadt. Im Siebenjährigen Krieg war Gumbinnen von 1757 bis 1762 von russischen Truppen besetzt. Während des Koalitionskrieges gegen Napoléon Bonaparte lagerten 1807 französische Soldaten in der Stadt, die obendrein noch 89.000 Taler an Kontributionen aufzubringen hatte. Im Russlandfeldzug 1812 marschierte die Grande Armée durch Gumbinnen. Napoleon hielt sich vier Tage in der Stadt auf.

Schon um die Mitte des 16. Jahrhunderts wird in Gumbinnen eine Schule erwähnt, die sich neben der Kirche befand.[2] Mit dem Friedrichs-Gymnasium hatte Gumbinnen eine höhere Schule, deren Anfänge auf das Jahr 1724 zurückgehen. Der Status eines Gymnasiums war der Lehranstalt im Jahr 1812 zuerkannt worden.[3]

Seit 1808 war Gumbinnen Amtssitz der Regierung in Gumbinnen, damals Litthauische Regierung zu Gumbinnen genannt, deren Präsident von 1809 bis 1816 Theodor von Schön war.[4] Dieser setzte sich maßgeblich dafür ein, dass ab 6. Januar 1812 in Gumbinnen das Intelligenz-Blatt für Litthauen erschien, und schrieb auch dessen ersten Leitartikel.[5] Am 1. September 1818 wurde Gumbinnen Kreisstadt für den Kreis Gumbinnen. Mitte des 19. Jahrhunderts verfassten die Stadtväter eine Eingabe an den preußischen König Friedrich Wilhelm IV., um den anrüchigen Namen der durch ihren Ort fließenden Pissa zu ändern. Der König soll (vielleicht beeinflusst von Alexander von Humboldts Berichten über dessen Südamerikareisen) humorvoll geantwortet haben: „Genehmigt; ich schlage vor: Urinoko.“[6]

Mit drei großen Kasernen war die Stadt eine bedeutende Garnison der Preußischen Armee. Ab dem 4. Juni 1860 führte die Preußische Ostbahn durch die Stadt, womit diese an wirtschaftlicher Bedeutung gewann. Zum Ende des 19. Jahrhunderts hatten hier unter anderem eine Eisengießerei, eine Maschinenfabrik mit Dampfhammer, eine Möbelfabrik, eine Weberei, zwei Dampfsägemühlen, mehrere Ziegeleien und eine Molkerei ihre Standorte. Nach dem Ersten Weltkrieg kam das Ostpreußenwerk (Elektrizitätswerk) hinzu, das ganz Ostpreußen mit Strom versorgte. Am Anfang des 20. Jahrhunderts hatte Gumbinnen drei evangelische Kirchen, eine katholische Kirche, eine Synagoge, ein Gymnasium mit Realschule, eine landwirtschaftliche Winterschule, eine Oberpostdirektion, ein Amtsgericht und war bis 1945 Sitz des Regierungsbezirks Gumbinnen[7], des östlichsten Regierungsbezirks im Deutschen Reich.

Erster und Zweiter Weltkrieg

Zu Beginn des Ersten Weltkriegs fand am 18. und 19. August 1914 vor der Stadt die Schlacht bei Gumbinnen zwischen deutschen und eingedrungenen russischen Truppen statt. Die hier erfolgreiche deutsche Armee wurde dann jedoch aus Furcht vor Umklammerung zurückgenommen. Der größte Teil der Bevölkerung flüchtete nach Insterburg und teilweise weiter westwärts. Ab 22. August stand Gumbinnen für einige Wochen unter russischer Besatzung. Im Rahmen der Schlacht an den Masurischen Seen kehrten am 12. September deutsche Truppen in die Stadt zurück. Im Februar 1915 konnten während der Winterschlacht in Masuren die Russen ganz aus dem Kreis Gumbinnen über die Grenze zurückgedrängt werden. Im Kreisgebiet – einschließlich Gumbinnen selbst – wurden über 2100 Gräber deutscher und über 2000 russischer Soldaten angelegt, die bei den Kämpfen 1914/15 gefallen waren.

Im Zweiten Weltkrieg fielen am 23. Juni 1941 die ersten sowjetischen Bomben auf Gumbinnen, es gab neun Tote. Im Sommer 1943 nahmen Stadt und Kreis 10.000 Luftkriegsflüchtlinge aus Berlin auf. Am 20., 21. und 25. August 1944 belegten sowjetische Tiefflieger Gumbinnen mit Bomben und Bordwaffenbeschuss. Mit Herannahen der Front begannen die ersten Evakuierungen der damals 24.000 Einwohner. Als bis dahin „schwärzester“ Tag ging der 16. Oktober 1944 in die Geschichte der Stadt ein. Am frühen Abend griffen sowjetische Flugzeuge Gumbinnen mit 800 Spreng- und Brandbomben an. Ein Viertel aller Wohn- und Geschäftshäuser der Stadt brannten. Alle Kirchen, außer der Salzburger, gingen in Flammen auf, ebenso die „Alte Regierung“, der 1741 gebaute Kornspeicher und Wahrzeichen der Stadt, sowie das Zollamt mit seinem markanten Giebel. Die Zahl der Toten war mit acht vergleichsweise niedrig, da Gumbinnen schon teilweise geräumt war.[8]

Die Rote Armee führte vom 16. bis 30. Oktober 1944 die Gumbinnen-Goldaper Operation durch; sie versuchte vergeblich, über Gumbinnen nach Königsberg durchzubrechen. Vom 21. bis 23. Oktober 1944 lieferte sich die Wehrmacht mit der Roten Armee nahe Gumbinnen eine Panzerschlacht, in deren Folge die Frontlinie weiter östlich stabilisiert wurde und bis zum Januar 1945 fortbestand. Am 13. Januar 1945 begannen sowjetische Truppen die Ostpreußische Operation. Der Angriff der sowjetischen 28. Armee (General A. A. Lutschinski) auf Gumbinnen wurde zunächst gestoppt; am Abend des 16. Januar brach sie durch das Verteidigungssystem. Die Truppen beschossen Gumbinnen mit Artillerie und besetzten es am 21./22. Januar 1945. Es wurde später als Teil des nördlichen Ostpreußen unter sowjetische Verwaltung gestellt und annektiert (Westverschiebung Polens).

Sowjetunion

Im Jahr 1946 wurde die Stadt Gumbinnen zum Gedenken an den sowjetischen Hauptmann Sergej Iwanowitsch Gussew (1918–1945) in Gussew umbenannt und der russischen Teilrepublik der Sowjetunion zugeordnet. Gussew wurde Zentrum des Rajons Gussew innerhalb der aus militärischen Erwägungen heraus hermetisch abgeriegelten Oblast Kaliningrad. Nach Flucht und Vertreibung der einheimischen deutschen Bevölkerung wurde die Stadt mit Russen aus Zentralrussland und aus dem Gebiet des heutigen Föderationskreises Wolga sowie mit Weißrussen besiedelt. Es entstanden zahlreiche Neubauten in Plattenbauweise.

Russische Föderation

Nach der Auflösung der Sowjetunion wurde die Oblast Kaliningrad mit Gussew zu einer russischen Exklave zwischen Litauen und der polnischen Woiwodschaft Ermland-Masuren. Seitdem hat Gussew mit großen wirtschaftlichen Problemen zu kämpfen. Nach offiziellen Angaben wurde jeder vierte Einwohner arbeitslos, obwohl in Gussew Elektro-, Futtermittel- und Trikotagenfabriken produzieren. Durch die Öffnung der Oblast kam es zu Kontakten zwischen ehemaligen und heutigen Einwohnern, insbesondere zwischen Behörden, Hilfsorganisationen und Kirchengemeinden.


Text: Wikipedia

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