Hechingen

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Hechingen ist die drittgrößte Stadt im Zollernalbkreis. Die ehemalige hohenzollerische Kreisstadt und ehemalige Residenz der Grafen und späteren Fürsten von Hohenzollern liegt zentral in Baden-Württemberg, am Westrand der Schwäbischen Alb.

Reklamemarken und Siegelmarken

Verzeichnis der sortierten Reklamemarken und Siegelmarken mit einem Bezug zu Hechingen.

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(c) Karte: CC-BY-SA OpenStreetMap.org contributors

Geschichte

Vorgeschichte

Eine erste, durch Funde beim Ausbau der Bundesstraße 27 belegte Besiedlung ist um etwa 1500 v. Chr. datiert. Ein Zeugnis der frühen römischen Besiedlung ist der römische Gutshof im Stadtteil Stein. Neuesten Erkenntnissen zufolge soll die Schlacht von Solicinium im Raum Hechingen/Beuren stattgefunden haben. Laufend getätigte Entdeckungen und Ausgrabungen in Stein ließen den Schluss zu, dass die „Villa Rustica“ weder ein gewöhnlicher Gutshof noch eine einfache Siedlung war, sondern Teil der verschollenen römischen Stadt Solicinium sein könnte.[8][9]

Hechingen selbst wurde als alemannisches Dorf gegründet. Es wird angenommen, dass sich im sechsten oder siebten Jahrhundert ein Hacho mit seinen Söhnen dort niederließ.[10] Spuren der eigentlichen Altstadt sind mit Ausnahme der Klosterkirche St. Luzen nicht vorhanden.

Erstmals wurde Hahhingum mit abgegangener Martinskirche, westlich der heutigen Stadt am Martinsberg gelegen, im Jahr 786 in einer Urkunde des Klosters St. Gallen erwähnt. Es gingen noch zwei weitere Dörfer der Stadtgründung durch die Zollerngrafen voraus: Oberhechingen mit der sanktgallischen Missionskirche St. Luzen und das seit dem 18. Jahrhundert genannte Schadenweiler am Fuß der mittelalterlichen Stadt.[11]

Im Herzogtum Schwaben gehörte das Gebiet Hechingens zur großen Berchtoldsbaar. Nach deren Auflösung, zur Zeit Karls des Großen, kam das Gebiet zum Gau Hattenhuntare. Vor der hohenzollerischen Landannahme im 11. Jahrhundert gehörte das Gebiet um den Zollerberg den Herren von Zell, welche die Ahnen der berühmten Adelsfamilie von Stauffenberg waren. Es wird vermutet, dass Zell der ursprüngliche Name der Stauffenberger gewesen ist. Seit die Stauffenberger das erbliche Schenkenamt bei den Grafen von Zollern innehatten, wurde „Schenk“ zum Bestandteil ihres Nachnamens.

An der Stelle des späteren Stadtschlosses befand sich ein befestigter Herrensitz mit einer Handwerker- und Gesindesiedlung, an die die Grafen von Zollern die planmäßige Stadtanlage anschlossen. In einer Urkunde des Zollerngrafen Friedrich V. vom 31. Dezember 1255 auf der Burg Hohenzollern ist als Zeuge erstmals ein „sculteto de haechingen“ erwähnt. Die Existenz dieses Schultheißen, eines höchstrichterlichen Beamten, ist der Beleg dafür, dass Hechingen das Stadtrecht schon damals innehatte.

Mittelalter

Hechingen lag bereits im Mittelalter an einer Reichsstraße, die vom mittleren Neckarraum nach Süden über Rottweil zum Hochrhein und zu den Alpenpässen führte. Die Grafschaft wurde durch Erbverträge immer wieder geschwächt. Die Grafen hatten erhebliche finanzielle Probleme, sodass 1388 eine Belagerung stattfand und in der Folgezeit Graf Eberhard II. von Württemberg die Pfandschaft über die Stadt erwarb. Die Zollergrafen verpflichteten sich, in den folgenden sechs Jahren seine Parteigänger zu sein und ihm die Stadt und ihre Stammburg zu öffnen. Nach dem großen Stadtbrand von 1401 lockten die Grafen neue Bürger mit Privilegien und Sonderrechten an. Die Stadt entwickelte sich fortan zum Mittelpunkt der Grafschaft. Die Kosten des Wiederaufbaus führten dazu, dass Friedrich von Zollern, genannt der Öttinger, 1415 seinen gesamten Besitz an Württemberg verkaufte. Dies reichte jedoch nicht aus, um seine Gläubiger zu befriedigen. Das Rottweiler Hofgericht sprach deshalb die Acht über ihn aus. Ein Vermittlungsversuch der brandenburgischen Vettern scheiterte. Die schwäbischen Reichsstädte und Gräfin Henriette von Württemberg vollstreckten 1423 die Acht, indem sie die Burg Hohenzollern eroberten und zerstörten. Nach seiner Freilassung aus der Gefangenschaft starb Friedrich von Zollern auf einer Fahrt ins Heilige Land. Auch sein Bruder Eitel Friedrich verpfändete seinen Anteil der Grafschaft an Württemberg und erkannte dessen Erbfolge an, falls er keinen Sohn bekommen sollte. 1433 zeugte er dann aber fast 50-jährig seinen Erben Jos Niklaus und bis zu seinem Tode im Jahr 1439 gelang es ihm, die Hälfte seines Besitzes zurückzuerwerben. Graf Jos Niklaus von Hohenzollern konnte gegen den Widerstand des Schwäbischen Städtebundes beim Kaiser die Erlaubnis zum Wiederaufbau der Burg erwirken. Außerdem gelang es ihm, den Erbvertrag mit Württemberg aufzulösen. Damit blieb die Stadt Hechingen dauerhaft im Besitz der Zollern. Infolge dieser Auseinandersetzungen veränderte sich der Charakter der Stadt zu dem einer Ackerbürgerstadt.

Renaissance und Reformationszeit

Graf Eitel Friedrich IV. (1576–1605) machte Hechingen zu einem Zentrum der Kunst und Musikpflege und der Renaissancearchitektur. Zahlreiche von ihm initiierte Bauten prägen das Stadtbild: die Klosterkirche St. Luzen, das Spital und der Untere Turm als eines der letzten Zeugnisse der ehemaligen Stadtbefestigung. Das ebenfalls unter Eitelfriedrich erbaute Renaissanceschloss, die Friedrichsburg, wurde zu Beginn des 19. Jahrhunderts abgebrochen und durch das Neue Schloss ersetzt.

Durch die Erbteilung im Jahre 1576 entstanden die Grafschaften Hohenzollern-Hechingen, Hohenzollern-Sigmaringen und Hohenzollern-Haigerloch (das ab 1634 zu Hohenzollern-Sigmaringen gehörte). Hechingen war fortan Residenz der Grafen von Hohenzollern-Hechingen. Dieses Territorium, das aus der Stadt Hechingen und 26 Dörfern bestand, veränderte sich bis ins 19. Jahrhundert nicht mehr grundlegend.

In der Zeit der Reformation blieb Hechingen nach den Regelungen des Augsburger Religionsfriedens mit seinem Landesherrn katholisch (Cuius regio, eius religio). Durch die Rangerhöhung des Landesherrn war die Stadt seit 1623 Fürstenresidenz.

Der Dreißigjährige Krieg ging nicht spurlos an der Residenzstadt vorbei. Die kaiserlichen Truppen erreichten Hechingen erst 1625. Der Fürst trug damals die Kosten der Truppen, sodass die Abgaben der Bewohner von Stadt und Fürstentum ins Unermessliche stiegen. Durch mehrere Missernten und plündernde Soldaten starben in dieser Zeit viele Menschen.

Bei einem Angriff der schwedischen Truppen 1632 verlor das Fürstentum 500 Pferde. Im nächsten Jahr marschierte die gesamte schwedische Armee unter Führung des Feldmarschalls von Horn ein. Die durch Soldaten der Landgrafschaft Hessen-Kassel, der Landgrafschaft Hessen-Darmstadt und welchen des Herzogtums Württemberg unterstützten Angreifer forderten nach Okkupation der Stadt die Übergabe der Burg. Der Burgkommandant Matthäus Weinmann lehnte ab oder antwortete nicht, da sich dort zum damaligen Zeitpunkt die Grafen von Hohenzollern-Haigerloch und von Hohenzollern-Hechingen mit Gefolge und Familien befanden. Die Truppen zogen bereits am Folgetag weiter nach Sigmaringen.

Im Frühjahr 1633 nahm Herzog Eberhard von Württemberg die Grafschaft Hohenzollern-Haigerloch ein. Am 5. Juli 1633 wurde Hechingen mitsamt Schloss durch die württembergischen Truppen eingenommen. Die Burg wurde von 2.000 Mann eingekesselt und belagert. Die Belagerung dauerte neun Monate. In dieser Zeit wurde der Proviant durch unterirdische Geheimgänge im Schutz der Dunkelheit auf die Burg gebracht. Da kaum mehr Geld vorhanden war, wurden die Bauern mit Wertgegenständen, die auf der Burg in Sicherheit gebracht waren, bezahlt.

Am 3. April 1634 wurde die Burg den Württembergern übergeben, was die Lage jedoch nur verschlimmerte: Die Soldaten stahlen alles, was ihnen in die Hände fiel. Die Bauern besaßen letzten Endes keine Tiere mehr und waren nicht in der Lage, ihre Felder zu bearbeiten.

Kurze Zeit darauf erreichten kaiserliche Truppen das Fürstentum, welche die württembergischen Soldaten zum Abzug zwangen. Lediglich die Burg blieb unter württembergischer Besatzung. Ein erneuter Aufmarsch kaiserlicher Truppen blieb ergebnislos, denn sie waren vom Krieg geschwächt und mitgenommen und daher nicht in der Lage, die Württemberger zu besiegen. Im Folgejahr 1635 brach die Pest aus, sodass viele Menschen in der ohnehin schon geschwächten Stadt starben. 1635 gelangte die Burg außerdem durch ein Täuschungsmanöver an den Kurfürsten Maximilian von Bayern. Nach Abzug seiner Truppen erhielt die Burg 1637 wieder eine zollerische Besatzung.

Die Truppen des mit Frankreich verbündeten Bernhard von Sachsen-Weimar raubten die Stadt 1638 innerhalb von zwölf Tagen komplett aus, sodass sich die Menschen, nachdem es keine Hunde und Katzen mehr gab, sogar von Nesseln und Schnecken ernährt haben sollen. Die Burg kam 1639 erneut in bayerischen Besitz und wurde erst 1650 wieder geräumt. Die Einwohner des Fürstentums waren bis 1640 schließlich so verarmt, dass sie die Kontributionen nicht mehr bezahlen konnten.

Nach dem Westfälischen Frieden von 1648 blieben die verstreuten Soldaten noch weitere zwei Jahre wegen unbezahlter Kontributionen. 1650 war der Krieg endgültig vorbei. Im ganzen hohenzollerischen Land wurden Dankgottesdienste abgehalten.

Zeitalter der Aufklärung

Das Stadtbild wurde ab 1764 entscheidend durch den fürstlichen Baudirektor Pierre Michel d’Ixnard geprägt, der als Wegbereiter des Frühklassizismus in Süddeutschland zu den gefragtesten Architekten gehörte. Von ihm stammt unter anderem die katholische Stiftskirche.

Diese lobte Johann Wolfgang von Goethe auf seiner Reise in die Schweiz 1797:

„Hechingen zum Teil im Grunde, ein Teil der Stadt mit dem Schlosse auf der Anhöhe. Links weiter unten zwischen Wiesen und Feldern ein Kloster, hinter dem Zwischenraume Hohenzollern auf dem Berge, die Ansicht bei der Einfahrt in Hechingen sehr schön. Auf der Brücke seit langer Zeit der erste heilige Nepomuk; war aber auch wegen der schlechten Wege nötig… Sehr schöne Kirche.“

Nachnapoleonische Zeit bis zum Anschluss an Preußen

Aufgrund der persönlichen Beziehungen zu Napoléon Bonaparte konnten sich die Fürstentümer Hohenzollern-Hechingen und Hohenzollern-Sigmaringen der Mediatisierung zu Beginn des 19. Jahrhunderts entziehen.

Als Papst Pius VII. 1821 aus machtpolitischen Gründen das alte und in seinen Augen zu liberale und der Aufklärung verpflichtete Bistum Konstanz aufhob und das Erzbistum Freiburg gründete, schlossen sich die hohenzollerischen Fürsten dieser Neugründung an. Das viel näher gelegene Rottenburg am Neckar wurde zum Landesbistum für die württembergischen Katholiken.

Ab 1826 wurde Hechingen unter dem letzten regierenden Fürsten Konstantin und seiner Gemahlin Eugénie de Beauharnais ein kulturelles Zentrum in Süddeutschland. Berühmte Persönlichkeiten waren Gäste: Eugénies Vetter, der spätere Kaiser Napoleon III., Hector Berlioz und Franz Liszt. Die Hofkapelle genoss einen guten Ruf und das Fürstenpaar entfaltete eine rege Bautätigkeit im Stil des Klassizismus. Die Fürstin Eugenie, eine Stiefenkelin von Napoléon Bonaparte, brachte mit ihren Verbindungen zum europäischen Hochadel weiteren Glanz in die kleine Residenzstadt. Eugénie engagierte sich auch sozial und ließ eine große Kinderbewahranstalt und ein Altenheim errichten.

Nachdem Fürst Konstantin wegen Amtsmüdigkeit im Anschluss an die Märzrevolution von 1848 auf sein Erbe verzichtet hatte, fiel das katholische Hechingen zusammen mit dem gesamten Fürstentum Hohenzollern-Hechingen 1850 an das protestantische Königreich Preußen. Die Stadt erhielt den Status einer Oberamtsstadt im preußischen Regierungsbezirk Sigmaringen, der auch als Hohenzollernsche Lande bezeichnet wurde und bis auf die Militärverwaltung die Befugnisse einer Provinz hatte. Trotz der verkehrstechnisch günstigeren Lage, der damals besseren wirtschaftlichen Bedingungen und der höheren Einwohnerzahl Hechingens wurde Sigmaringen Provinzhauptstadt. Der Architekt des Königs, Friedrich August Stüler, begann im selben Jahr mit dem Wiederaufbau der Burg Hohenzollern und errichtete einige Jahre später auch die evangelische Pfarrkirche St. Johannes.

Jüdisches Hechingen

Ende des Mittelalters konnten sich Juden in Hechingen ansiedeln, weil die Grafschaft Zollern sich davon wirtschaftliche Vorteile versprach.[12] 1435 wurde erstmals ein jüdischer Bewohner erwähnt.[13][14] 1544 lebten „zehn Familien in sechs eigenen Häusern“ in der Stadt.[15] Bereits seit 1546 besaßen sie dort eine eigene Synagoge.[16] 1592 wurde ihnen von Graf Eitel Friedrich I. von Hohenzollern-Hechingen die Existenzgrundlage entzogen, was einer Ausweisung gleichkam. Dadurch erlosch die erste jüdische Gemeinde.[13][14] Nach dem Dreißigjährigen Krieg entwickelte sich eine neue jüdische Gemeinde, die 1742 ein Gebäude in der Goldschmiedstraße 20 erwarb, das sie als Synagoge einrichtete.[13][17] Mehrere Umbauten und ein Neubau 1765–1767 sind belegt. Im Stadtteil und damaligen Ghetto Friedrichsstraße gab es von 1761 bis 1878 eine zweite Synagoge, die bis 1870 benutzt wurde.[18] Bis zum Jahr 1848 hatte es eine dritte Synagoge in Hechingen gegeben: die Stiftssynagoge im Lehrhaus der Familie Kaulla in der Münzgasse. Dort war eine Talmudschule eingerichtet. Auch Berthold Auerbach lernte dort als Schüler, als er noch Rabbiner werden sollte, und wohnte bei Stiftsrabbiner Nathan Reichenberger. Das Gebäude des Lehrhauses, zu dem die Stiftssynagoge gehörte, wurde im Sommer 1936 abgerissen.[19][20] Der Portalstein des Lehrhauses in der Münz blieb erhalten, wurde 1987 geborgen und ist seitdem in der Ausstellung auf der Empore der alten Synagoge zu sehen. Von 1850 bis 1852 wurde die Synagoge in der Goldschmiedstraße 20 erneut vergrößert, 1881 brachte man eine neoklassizistische Fassade an.[20][21]

Der Anteil der Juden an der Bevölkerung erreichte Mitte des 19. Jahrhunderts mit rund 25 % seinen Höhepunkt, nahm danach jedoch rasch ab. 1903 lebten in der Stadt noch 192 Juden.[22] In der Reichspogromnacht 1938 wurde die Inneneinrichtung der Synagoge von Hechinger Angehörigen der SA unter Leitung des SA-Standartenführers Karl Schuhmacher aus Reutlingen komplett zerstört und von Landrat Schraermeyer auf Befehl der Gestapo Sigmaringen noch in derselben Nacht die Verhaftung von 15 „tunlichst reiche(n) Juden“[23] angeordnet, fünf der Inhaftierten wurden in das KZ Dachau überführt.[24] „In der Zeit des Nationalsozialismus wurden 14 der bereits mindestens seit 1933 in der Stadt wohnenden 105 Juden oder als jüdisch eingestuften Bürger von Hechingen aus deportiert und ermordet (Lager Jungfernhof bei Riga, Getto Izbica, Gettolager Theresienstadt), einer wurde in das KZ Welzheim eingeliefert und im KZ Mauthausen ermordet, und mindestens 14 der Weggezogenen fielen anderswo der Deportation zum Opfer“.[13][25] Mitte der 1980er Jahre wurde aufgrund des Einsatzes der „Initiative Hechinger Synagoge“ das vom Verfall bedrohte Gebäude wieder restauriert. 2003 wurde es zeitweise wieder als Synagoge genutzt, hauptsächlich dient sie aufgrund der Tätigkeit des Vereins „Alte Synagoge Hechingen e.V.“ als Kulturhaus und Gedenkort.

In der Dauerausstellung Spurensicherung – Jüdisches Leben in Hohenzollern wird in der ehemaligen Synagoge Haigerloch auch an die Geschichte der Hechinger Juden erinnert. Unter anderem erzählt Markus Wolf in einem Interview von seiner Kindheit in Hechingen. Sein Vater Friedrich Wolf lebte von 1921 bis 1926 als Arzt und Schriftsteller in Hechingen. Die Dauerausstellung auf der Empore der Alten Synagoge Hechingen stellt weitere bedeutende Persönlichkeiten vor: Der Humanist, Sozialist und nach der Ermordung von Karl Liebknecht und Rosa Luxemburg erste Vorsitzende der Kommunistischen Partei Deutschlands Paul Levi wurde als Sohn eines jüdischen Gemeindevorstehers in Hechingen geboren. Auch Madame Kaulla ist als herausragende Persönlichkeit, die überregional eine große Rolle spielte, zu erwähnen.[12]

Industrialisierung

Unter preußischer Herrschaft war Hechingen auch preußisch-hohenzollerische Oberamtsstadt. Die ab 1850 beginnende Industrialisierung der Stadt wurde fast ausschließlich von jüdischen Unternehmern getragen. Das Zeitalter der Industrialisierung war mit Eröffnung der Tuchfabrik Baruch eingeleitet, die sich an der Staig befand. Bis 1873, noch im Zuge der Gründerzeit, hatten bereits neun Textilfabriken in Hechingen Fuß gefasst: Benedikt Baruch & Söhne, J. Heilbronner & Söhne, Julius Levi & Cie, Spinnerei Karlstal in Haigerloch, Gebr. Bing, die Mechanische Trikotweberei Löwengrad, Gebr. Bernheim, Fa. David Levy und die Baumwollwarengroßhandlung Levy & Liebmann. Letztere stellte die damals berühmten Togolano-Unterkleider in Hechingen her. Teile der Fabrikgebäude wurden von der Volma später übernommen und sind teilweise erhalten geblieben. Die Gebrüder Bernheim expandierten nach Reutlingen, zusammen mit den anderen acht Textilfabriken boten die Webstühle und Strickmaschinen zwischen 1924 und 1928 mehr als 2500 Arbeitsplätze für Bürger der Stadt, des Umlands und der gesamten Schwäbischen Alb. Das Gewerbesteuerkapital der Stadt belief sich 1910 bereits auf 10.720.000 Reichsmark, wovon die jüdischen Unternehmen 5 Millionen zahlten.[26]

Nationalsozialismus

Die neugotische, mit ihren Türmchen und Erkern verspielt wirkende Fassade des alten Rathauses von 1815 wurde 1935 im Stil der NS-Architektur umgestaltet. Im Zuge dieser Umbaumaßnahmen versuchte man, Luftschutzkeller einzurichten und beschädigte dabei das Fundament erheblich. Deswegen und wegen des großen Höhenunterschiedes zwischen Front- und Rückseite war 1957 die Sprengung unumgänglich. Im Neuen Schloss wurden seinerzeit ebenfalls Luftschutzkeller eingerichtet. In den Kriegsjahren wurden viele Menschen aus von Luftangriffen bedrohten Gegenden in den Raum Hechingen umgesiedelt. Die DEHOMAG, Vorläufer der IBM, verlegte die Großmaschinenproduktion aus dem durch Luftangriffe zerstörten Werk Berlin-Lichterfelde nach Hechingen.[27] Am Hechinger Marktplatz gab es ein Patentbüro. Wegen der britischen Luftangriffe auf Berlin im Spätherbst 1943 wurden auch Teile des Kaiser-Wilhelm-Instituts für Physik mit dem Personal nach Hechingen verlegt. Das Institut kam im Brauereigebäude des ehemaligen Franziskanerklosters Sankt Luzen unter und verblieb dort bis 1947. Das 1944 ebenfalls nach Hechingen umgezogene Kaiser-Wilhelm-Institut für Biologie unter Max Hartmann, Fritz von Wettstein und Emmy Stein wurde 1952 nach Tübingen verlegt. Das Kaiser-Wilhelm-Institut für Chemie unter Otto Hahn zog zeitgleich mit dem für Physik 1943 nach Tailfingen um. Einige Physiker, unter ihnen Werner Heisenberg und Karl Wirtz, blieben zunächst in Berlin und setzten ihre Forschungen im Bunker fort. Im Januar 1945 tauchten jedoch russische Panzer vor Berlin auf. Die Physiker ließen ihren Reaktor zunächst nach Stadtilm und später nach Haigerloch verfrachten und flohen nach Hechingen.[28]

Um den französischen Truppen zuvorzukommen, planten General Groves und Lieutenant Colonel Pash, das St.-Luzen-Kloster, in dem sich die Anlagen mit den meisten der Physiker befanden, mit Fallschirmjägern aus der Luft anzugreifen oder durch Bombenangriffe zu zerstören. Der Physiker Goudsmit konnte Groves jedoch überzeugen, dass das deutsche Uranprojekt diesen Aufwand nicht wert sei und so entschloss man sich für eine Landoperation.[28] Im April 1945 marschierten amerikanische Truppen in den Landkreis Hechingen ein. Sie nahmen das Hechinger Laboratorium sowie den Forschungsreaktor Haigerloch ein und die Wissenschaftler, darunter Erich Bagge, Carl Friedrich von Weizsäcker und Karl Wirtz, im Zuge der Alsos-Mission gefangen. Der damals ebenfalls in Hechingen wohnhafte Otto Hahn wurde in Tailfingen festgenommen und zusammen mit den anderen Physikern um Werner Heisenberg und einigen Mitarbeitern des Instituts im Rahmen der Operation Epsilon auf dem Landsitz Farm Hall in England interniert und mehrere Monate lang verhört.[29]

Nachkriegszeit

Die Stadt wurde in die französische Besatzungszone eingegliedert. Militärgouverneur der Stadt war Colonel Courtois. Der Landkreis wurde 1947 Teil von Württemberg-Hohenzollern, bevor 1952 die Bildung des Bundeslandes Baden-Württemberg erfolgte. Der Kreis Hechingen gehörte mit dem Kreis Sigmaringen dem Landeskommunalverband der Hohenzollerischen Lande an. Dies war durch Artikel 2, Absatz 2 der Verfassung unter anderem mit dem Recht auf Selbstverwaltung garantiert.[30]

Die Willkürmaßnahmen im Nationalsozialismus hatten der Hechinger Wirtschaft erheblich geschadet, da ein Großteil der Hechinger Fabriken zuvor in jüdischem Besitz war. Beim wirtschaftlichen Neuanfang in der Nachkriegszeit entstanden vermehrt Betriebe der Metallverarbeitung, der Elektrotechnik und der Kunststoffindustrie. Die IBM rückte wie BMW von Plänen ab, ein großes Werk in Hechingen zu errichten. Das „Hausunternehmen“ der Stadt, die Volma, wurde vom US-amerikanischen Jockey-Konzern übernommen und beendete vor wenigen Jahren die Produktion.

Die industrielle Weiterentwicklung und die Aufnahme von Heimatvertriebenen erforderten die Erschließung neuer Wohngebiete und den Bau von Sozialwohnungen. An den Siedlungen an der Schalksburgstraße, der Ermelesstraße, am Fasanengarten, am Schlossacker, Schlossberg und Stockoch ist diese Entwicklung sichtbar. Gegenwärtig (2009) werden die Wohngebiete Helle BA. I in Sickingen und Bauplätze im Wohngebiet Killberg BA. II erschlossen. Weitere geplante Wohngebiete sind Stein-Ost, Hilb in Stetten und das verbliebene First-Gelände, um die Lücke zwischen First und Altstadt zu schließen. Eine markante Veränderung der Bausubstanz fand im unmittelbaren Herzen der Stadt, am Obertorplatz statt. Der ehemals als englischer Garten angelegte Platz wurde mehrmals umgestaltet. Von den alten Häusern im Herrengässle sind nur noch drei erhalten. Die Westseite des Obertorplatzes wich vor der Jahrtausendwende einem Parkplatz. An der Ostseite entstanden das Burgtheater, das Verlagsgebäude der Hohenzollerischen Zeitung sowie Neubauten der Südwestbank und der Volksbank Balingen. Am Obertorplatz befand sich ursprünglich das historische Hotel Linde-Post, an dem die Postwagen der Linie Stuttgart–Hechingen–Schaffhausen hielten.

Bis zur Gegenwart

Im Zuge einer Gebietsreform war Hechingen 1925 Kreisstadt des neu gebildeten Landkreises Hechingen geworden. Im Rahmen der Kreis- und Gemeindereform von 1973 wurden die bis dahin selbständigen Gemeinden Bechtoldsweiler, Beuren, Boll, Schlatt, Sickingen, Stein, Stetten und Weilheim von Hechingen eingemeindet. Die Stadt kam zum neu gegründeten Zollernalbkreis, Nachfolgerin als Kreisstadt wurde Balingen, das bis auf das Landgericht alle wesentlichen Behörden erhielt. Ursprünglich sollte der Mittelbereich Hechingen auf zwei Landkreise aufgeteilt werden, Haigerloch und Bisingen mit der Burg Hohenzollern in den Zollernalbkreis, während Hechingen, Burladingen, Jungingen und Rangendingen den Anschluss an den Landkreis Tübingen favorisierten.[31] Dies scheiterte am massiven Widerstand der Bevölkerung, der einen Bürgerentscheid herbeiführte. Die Mehrheit entschied sich für eine Zuordnung zum Zollernalbkreis. Dadurch wurden auch die Planungen verworfen, weitere Umlandgemeinden nach Hechingen einzugemeinden.

Die Eingemeindung der neuen Stadtteile und der Siedlungsbau erforderten Um- und Ausbaumaßnahmen im sozialen Bereich. Die Schaffung und Weiterentwicklung kultureller Einrichtungen wie zum Beispiel des Zweckverbands Jugendmusikschule Hechingen und Umgebung im Obergeschoss des sanierten historischen Gebäudes Spittel wurde vorangetrieben, um Hechingen als Mittelzentrum langfristig zu festigen.

Am Abend des 2. Juni 2008 kam es bei einem Gewitter zu Überflutungen, bei denen drei Frauen ertranken. Das „Killer valley“ (für Killertal) machte internationale Schlagzeilen.


Text: Wikipedia

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