Heilig-Geist-Spital (Markgröningen)

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Das Heilig-Geist-Spital in Grüningen, heute Markgröningen im baden-württembergischen Landkreis Ludwigsburg, wurde im 13. Jahrhundert von Brüdern des Heilig-Geist-Ordens begründet, die Spitalkirche 1297 geweiht. Das für Armen- und Krankenpflege zuständige Spital entwickelte sich zu einer Klosteranlage mit reichem Grundbesitz. Nach der Reformation (1534) wurde das Spital in Raten säkularisiert und gelangte 1552 in städtische Obhut. 1801 ließ die Stadt das baufällige Kirchenschiff abbrechen. 1954 schenkte sie den neu zugezogenen Katholiken die Relikte der Spitalkirche, die nach der Sanierung durch einen Anbau ergänzt, 1957 wieder geweiht und 1982 durch einen Neubau aufgewertet wurde.


Gründung

Zum Inventar einer mittelalterlichen Stadt gehörte zwingend ein Hospital für die Armen-, Waisen- und Altenfürsorge, die Krankenpflege und die Beherbergung von Pilgern. So wurde das Grüninger Heilig-Geist-Spital alsbald nach der Stadterhebung durch die Staufer vermutlich von Memminger oder Wimpfener Brüdern des Heilig-Geist-Ordens eingerichtet, die sich an die Regeln des Heiligen Augustinus hielten. Der vollständige Name lautete „Hospitalhaus vom Orden des Heiligen Geistes in Sachsen zu Rom in Grüningen“.

Die ersten Belege für die Existenz des Heilig-Geist-Spitals in Grüningen stammen von 1258 und 1289:

Aus dem Eigenbestand des Grüninger Spitals stammt eine Urkunde von Papst Alexander IV., der am 5. Juni 1258 auf Bitte des Meisters und der Brüder des „Hospitals zum Heiligen Geist in Saxia zu Rom“ befiehlt, „diejenigen, welche sich fälschlich für Brüder dieses Hospitals ausgeben und demselben Almosen entziehen, gefangen zu nehmen und zu strafen“.

In einer am 21. Mai 1289 von Berthold von Mühlhausen, einem Schwiegersohn von Graf Hartmann II. von Grüningen, ausgestellten Urkunde, wird auf das „Kloster“ in Grüningen verwiesen.


Gründungsstifter

Wie in Memmingen (1223), Wimpfen (1238) und anderen Reichsstädten dürfte die nicht dokumentierte Gründung des Grüninger Spitals durch einen staufischen Reichsvogt oder Lehensträger zwischen 1238 (nach Wimpfen) und 1246 im Zuge der in diesem Zeitfenster liegenden Stadterhebung Grüningens erfolgt sein. Hierfür kommt nur Graf Hartmann I. von Grüningen in Betracht. Offenbar setzte der Gründungsstifter Reichsgut dafür ein. Denn die starke und hohe Westmauer des Spitals und ein früherer Graben unter der Betzgasse legen den Schluss nahe, dass hier eine ehemalige Burg, vielleicht sogar die legendäre Königspfalz, umgewidmet wurde, nachdem in der Nordwestecke der erweiterten Stadt eine neue Burg angelegt worden war. Für diese These spricht auch die Erweiterungsfuge zwischen der Burgmauer des Spitals und der Stadtmauer.


Kirchweihe

Anfangs dürfte die ehemalige Burgkapelle, der künftige Narthex der später erbauten Spitalkirche, als Andachtsraum gedient haben. Die dreischiffige Basilika der Spitalkirche wurde am Palmsonntag (25. März) 1297 von Weihbischof Bonifatius von Knin in Vertretung des Würzburger Bischofs Manegold von Neuenburg geweiht, obwohl Grüningen zum Bistum Speyer gehörte. Der Speyrer Bischof Friedrich von Bolanden gewährte 1301 allen künftigen Wohltätern des jungen Spitals 40 Tage Ablass, ebenso 1318 der „Bruder Ysnardus“, (Titular-)Patriarch von Antiochia, möglicherweise derzeit Großmeister des Ordens in Rom. Darauf erfolgten auch Stiftungen von Niederadligen und Grüninger Bürgern, worauf sich 1552 der Vogt Michael Volland unter Verweis auf seine Vorfahren namens Schultheiß berief. Zu den ersten Stiftern zählten zudem die Witwe Heinrichs von Lauffen (1313) und der in Asperg ansässige Burkhardt von Hagenau (1318).


Hierarchien

Der Grüninger Niederlassung unterstand bis mindestens 1306 dem Memminger Spitalmeister und spätestens ab 1348 dem oberalemannischen Provinzialmeister in Stephansfeld, der sich bedingt durch eine Schenkung Kaiser Friedrichs II. nicht nur dem Großmeister in Rom, sondern auch dem Erzbischof von Mainz zu verantworten hatte und sich im 16. Jahrhundert vergebens gegen dessen Ablassverbot zu wehren suchte. Mitunter mischte sich der Papst aber auch direkt ein oder entsendete Inquisitoren nach Grüningen.

Im später gegründeten und deshalb nachgeordneten Spital in Pforzheim setzte der Grüninger Meister bis 1500 den Pforzheimer Spitalmeister ein. 1513 erhielten die Grüninger Spitalbrüder die päpstliche Erlaubnis, über ihrer schwarzen Kutte mit Spitalkreuz auf der Brust „wie die höhere Geistlichkeit eine Halskrause, den sogenannten Mantelkragen zu tragen“. Unter den Geistlichen im Herzogtum Württemberg genoss der Grüninger Spitalmeister eine hohe Stellung, in der Rangfolge vor dem Propst der Stuttgarter Stiftskirche. Den 1521 zwischen Spitalmeister Johannes Betz und dem Stadtpfarrer Reinhard Gaißer entbrannten Streit um die geistliche Rangfolge in Grüningen entschied der Speyrer Bischof Georg von der Pfalz jedoch zugunsten des Stadtpfarrers.

Im Spital stand der Spitalmeister nicht nur den Ordensbrüdern vor, sondern auch einer Reihe von Angestellten: Diese Knechte und Mägde dienten nicht nur als Haushaltshilfen, Bewirtungs- und Pflegepersonal, sondern besorgten auch den beträchtlichen landwirtschaftlichen Eigenbetrieb und die Einlagerung der Abgaben der zahlreichen Pächter von spitaleigenen Äckern, Gärten und Weinbergen, Wiesen, Weiden und Wäldern. 1444/45 weisen die überlieferten Spitalrechnungen neben dem Spitalmeister zwölf Brüder sowie zehn Knechte und Mägde aus. In Erntezeiten kamen noch Tagelöhner hinzu. Zeitweise hatte das Spital auch einen eigenen „Pfister“ (Bäcker). Die Ziegelei an der Vaihinger Steige und die Spitalmühle im Glemstal wurden in der Regel verpachtet.


Privilegien

Das Spital verfügte traditionell über lukrative Privilegien, weshalb Heyd es als „päpstliches Schoßkind“ bezeichnete. Als sie mehr und mehr in Frage gestellt wurden, stellte Spitalmeister Johannes Betz die Privilegien nach 1513 inklusive Belegen für deren Verleihung zusammen, konnte sie jedoch nicht mehr vollumfänglich durchsetzen:

Exemption: Unabhängigkeit und Steuerfreiheit gegenüber dem Landesherrn und dem Bischof von Speyer,

Beichtvollmacht: das heißt das Recht, überall die Beichte abzunehmen und Bußen aufzuerlegen bzw. Sünden zu vergeben,

Petition: einerseits das Recht, überall und vorrangig zu predigen und das Opfer einzunehmen, andererseits die ungehinderte Almosensammlung im Bistum Konstanz und im östlichen Teil des Bistums Speyer,

Ablass: zeitlich begrenzte Verschonung vor dem Fegefeuer für eine materielle Gegenleistung.

Darüber hinaus hatte der Spital-Konvent in gewissen Fällen quasirichterliche Entscheidungskompetenzen, zum Beispiel für Vergleiche oder bei Vermächtnissen zugunsten der Kirche.


Misswirtschaft und Blütezeit

1404 erwarb das reich begüterte Spital die Kilianskirche in Bissingen/Enz, 1411 die außerhalb der Stadt stehende Peterskirche in Bietigheim/Enz sowie die Pfarrrechte in Mühlhausen/Enz. Obwohl das Spital Einkünfte aus 26 bis 34 Orten bezog und der karitative Auftrag eher auf Schmalspur betrieben wurde, gerieten die Ausgaben der konsumfreudigen Spitalbrüder allzu oft höher als die Einnahmen. Diese Misswirtschaft nahm Graf Eberhard im Bart 1468 zum Anlass, eine neue Spitalordnung für das Heilig-Geist-Spital zu erlassen. Diese sah regelmäßige Betriebsprüfungen durch Landesbeamte und eine Besteuerung von Neuerwerbungen vor, obwohl das Spital formal nur den Delegierten des Mutterhauses in Rom verantwortlich und abgabepflichtig war. Seine Einmischung konnte er wie später Herzog Christoph mit der Stiftungsleistung seiner Vorväter rechtfertigen. Danach erfuhr das Spital ebenso wie die Stadt eine Blütezeit, die sich in zahlreichen, überwiegend vom Spitalmeister Johannes Betz veranlassten Baumaßnahmen niederschlug.

Betz wurde zudem unterstützt vom reichen Kaufmann und Vogt Philipp Volland, dessen prominent im Chor angebrachtes Wappen sein Mäzenatentum unterstreicht. Als Volland 1519 nach Herzog Ulrichs kurzfristiger Wiederkehr ins Exil entweichen musste, konnte er Teile seines Vermögens beim Spital und dem „Beginenklösterle“ „parken“, um sie der drohenden Enteignung durch die Interimsregierung des Schwäbischen Bunds zu entziehen.

Permanenter Stachel im Fleisch war dagegen der Reformtheologe und Grüninger Stadtpfarrer Reinhard Gaißer, mit dem sich Betz nicht nur um die Rangfolge bei Prozessionen stritt, sondern auch um den Ablasshandel, den ihm Gaißer nicht nur aus moralisch-ethischen Gründen, sondern auch wegen mangelnder Rechtsgrundlage absprach. Letztlich mit Erfolg, weil der Erzbischof von Mainz diese Einkommensquelle exklusiv an sich zog, um den Bau des Petersdoms in Rom zu unterstützen. Bei Zuwiderhandlung drohte er 1517, die Ordensbrüder in Haft zu nehmen. Im Sinne Gaißers kritisierte Sebastian Frank in seiner 1531 erstellten Chronik das Gebaren der Ordensbrüder: „Sind große Herren und führen vom Bettel eine große Pracht in Gröningen.“


Reformation und Übergang in städtische Hand

Nach der Reformation (1534) blieb das Spital zwar vorläufig von der Säkularisation ausgenommen, doch musste der Spitalmeister einen herzoglichen „Schaffner“ an seiner Seite dulden. Nach der Niederlage der Protestanten im Schmalkaldischen Krieg und dem folgenden Interim war die Ordensleitung nahe dran, das Spital wieder an sich zu ziehen. 1552 wollte der neue Herzog Christoph das Spital dann ganz in Beschlag nehmen, musste aber nach heftigen Protesten der lokalen Ehrbarkeit und insbesondere der einflussreichen und auf ihre Spitalstiftungen pochenden Familie Volland einem Vergleich zustimmen. Seither stand das Spital unter städtischer Verwaltung bei herzoglicher Oberaufsicht. Das Patronatsrecht der abhängigen Kirchen zog der Herzog an sich. Der Pfründnerbetrieb wurde zwar fortgesetzt, nach der Schlacht bei Nördlingen (1634) jedoch nach drastischen Zerstörungen und Bevölkerungsverlusten in der Stadt eingestellt.


Abwicklung

Im 18. und 19. Jahrhundert war das Pfründhaus ein städtisches Armenhaus, das weiterhin aus den Erträgen des Spitalbesitzes finanziert wurde. Teile der nicht mehr benötigten baufälligen Sakralbauten wurden 1801 abgerissen. 1892 löste die Stadt die Spitalstiftung auf, führte aber weiterhin einen vom städtischen getrennten Haushalt, bis sie die Stelle des Spitalverwalters während der großen Inflation 1923 abschaffte.

Auch in städtischer Hand führte das Spital noch das Patriarchenkreuz des Spitalordens im Wappen und auf Grenzsteinen zur Kennzeichnung des Spitalbesitzes, dessen Größenordnung auf der „Aussfeld-Karte“ von 1752 ersichtlich wird.



Text: Wikipedia

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