Helgoland

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Helgoland ist eine Nordseeinsel in der Deutschen Bucht.

Reklamemarken und Siegelmarken

Verzeichnis der sortierten Reklamemarken und Siegelmarken mit einem Bezug zu Helgoland.

Alldeutscher Verband

Eva von der Osten

Friedrich August (Oldenburg)

Gustav Freytag

Heinrich Hoffmann von Fallersleben

Johann Nestroy

Sonstige

Geschichte

Das deutsche Helgoland

Die deutsche Zeit ist durch den Festungsbau der Marine und den zunehmenden Massentourismus geprägt. Helgoland wurde ein Ort des Nationalstolzes.

Kaiserreich

1890 ging Helgoland durch den Vertrag zwischen dem Deutschen Reich und dem Vereinigten Königreich über die Kolonien und Helgoland an Preußen.

Die offizielle Übergabe Helgolands fand am 9. August 1890 statt; daran nahmen von deutscher Seite Karl Heinrich von Boetticher (Staatssekretär im Reichsamt des Innern) und von englischer Seite Gouverneur Barkly teil. Organisiert wurde die Übergabe durch Adolf Wermuth, beraten wurden beide Seiten von Rudolf Lindau. Aus Gründen des Protokolls betrat Kaiser Wilhelm II. die Insel erst am 10. August – zur direkten Übergabe fehlte ihm ein britisches Staatsoberhaupt als Gegenüber.[78] In der folgenden Übergangsperiode wurde die Verwaltung durch Erlass einem Seeoffizier mit dem Titel „Gouverneur von Helgoland“ (Kapitän zur See Wilhelm Geiseler) und einem Zivilbeamten mit dem Titel „kaiserlicher Kommissar für Helgoland“ (Adolf Wermuth) übertragen.[79] Helgoland wurde in Bezug auf die staatliche Verwaltung dem Kreis Süderdithmarschen in der Provinz Schleswig-Holstein zugeordnet.[80]

Durch den umgangssprachlichen Namen des Vertragswerks („Helgoland-Sansibar-Vertrag“, abschätzig auch „Hosenknopfvertrag“) wurde grob vereinfacht davon gesprochen, es habe sich um einen Tausch von Sansibar gegen Helgoland gehandelt.[81] Deutschnationale Kritiker sprachen von einem „Tausch Hose gegen Hosenknopf“ und warfen Reichskanzler Caprivi vor, nach wirtschaftlichen wie kolonialpolitischen Gesichtspunkten gescheitert zu sein.[82] (Tatsächlich war Sansibar nie deutsche Kolonie.)

Die Helgoländer selbst wurden nicht nach ihrer Meinung gefragt. Nach Meinung der englischen wie auch der deutschen Presse und der Geheimdienste waren sie mehrheitlich dagegen, Deutsche zu werden.[83] Allerdings waren sie von den deutschen Badegästen wirtschaftlich abhängig. Wichtig für sie war, dass sie nach dem Vertrag weiter keine Steuern zahlen mussten, die (bis heute bestehende) Zollfreiheit 20 Jahre lang garantiert wurde und erst die nach 1890 auf Helgoland geborenen Männer wehrpflichtig wurden.

Schon bald änderten sich ihre Lebensverhältnisse, da immer größere Teile ihrer Insel zu einer Seefestung ausgebaut wurden. Kaiser Wilhelm II. ließ Helgoland, das nahe der Mündung des damals neu erstellten, wirtschaftlich und strategisch wichtigen Kaiser-Wilhelm-Kanals (heute: Nord-Ostsee-Kanal) liegt, sofort zu einem Marinestützpunkt ausbauen. Kaiser Wilhelm kam nahezu jährlich nach Helgoland; allerdings besuchte er primär seine Marine, äußerst selten die Helgoländer oder die Badegesellschaft.[84] Im neuen Conversationshaus von 1891 war er nie. Die Marine wurde eine Attraktion für die Badegäste. Nicht nur vor dem Flottenmanöver des Kaisermanövers von 1904 fand eine Flottenparade vor der Insel statt.

Die Gästezahlen sanken, die wohlhabenderen Gäste kamen nicht mehr; dafür wurde Helgoland ein Ziel vieler Vereinsausflüge. Die Vereine feierten die deutsche Marine. In vielen Veröffentlichungen wurde darüber räsoniert, dass die Helgoländer den Betrieb der Festung stören würden. Außerdem galten sie als „halbe Engländer“ und damit als potentielle Verräter. Die Frage, wie lange sie noch auf der Insel bleiben könnten, lag in der Luft.[85]

Trotz Übergabe an das Deutsche Reich galt das Helgoländer Eherecht noch bis zur Einführung des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf der Insel im Jahr 1900.[86]

Das kulturelle Interesse änderte sich. Helgolandgemälde zeigten im Kaiserreich primär die Kriegsmarine. Es gab wenige Ausnahmen: In den Jahren 1901 und 1902 stellte die Malerin Elisabeth Reuter aus Lübeck im eigenen Atelier auf der Insel aus.[87] Im Zuge der österreichischen Helgoland-Begeisterung komponierte Anton Bruckner im Jahr 1893 seine Kantate Helgoland für Männerchor und Orchester auf einen Text von August Silberstein; dieses Werk über eine gescheiterte römische Invasion erinnerte an das Seegefecht bei Helgoland von 1864. Dazu entwickelten sich im völkischen Umfeld Phantasien von einer alten heiligen Insel Helgoland, zum Beispiel bei Gorch Fock.[88]

1900 wurde auf Helgoland als erstem deutschen Seebad das Familienbad eingeführt. Männer und Frauen konnten nun zusammen baden, allerdings nicht mehr wie bis zum Ende der englischen Zeit nackt.[88]

Ab 1908 wurde der Südhafen für die Marine gebaut.[89] Der Tourismus litt deutlich unter den Bauarbeiten, das Oberland war schon militärisch genutzt, es gab Tunnel und unterirdische Anlagen.

Mit der kaiserlichen Erklärung des Kriegszustandes am 31. Juli 1914 bekam der Festungskommandant absolute Vollmachten auf Helgoland. In seinem Anschlag des gleichen Tages verfügte er die Ausweisung aller Gäste und wies auf sein Recht zu Verhaftungen, Hausdurchsuchungen und Waffengewalt hin. Auch kleinere Versammlungen wurden verboten. Tags darauf am 1. August wurde den Helgoländern befohlen, die Insel binnen zwölf Stunden zu verlassen. In Hamburg angekommen, war entgegen Versprechungen des Militärs keine Unterkunft organisiert, sie wurden nach einer Nacht auf den Dampfern und Landungsbrücken zunächst in den Auswandererhallen untergebracht. Entgegen der allgemeinen Annahme, der Krieg werde nur wenige Wochen dauern, konnten die Helgoländer erst 1918 wieder zurückkehren.

In den Gewässern Helgolands fand 1914 das Erste Seegefecht bei Helgoland und 1917 das Zweite Seegefecht bei Helgoland statt. Beide Male kam es nicht zu einem Kampf um Helgoland oder zu einem Einsatz der Festungskanonen; die Besatzung langweilte sich hauptsächlich vier Jahre lang.

Weimarer Republik

Während der Revolution 1918 übernahm zunächst ein Soldatenrat die Macht auf Helgoland.[90] Dann kamen schon im Herbst die Helgoländer mit ihrer Gemeindevertretung zurück. Ihre Wohnungen waren nach der Benutzung durch die Soldaten verwahrlost. Kaiserstraße 1932. Links das ehemalige Gasthaus Mohr, dann das Bekleidungsgeschäft Kuchlenz. Gegenüber besaß Franz Schensky ein Photogeschäft, vorne rechts das Gemeindehaus. Die Hakenkreuzflagge hängt wahrscheinlich an dem dazwischen liegenden Photogeschäft von Alfred Zerner, der auch von den Nationalsozialisten angegriffen worden war.

Die Helgoländer versuchten sehr schnell wieder Engländer zu werden. Britische Truppen waren ohnehin auf der Insel, um die Abrüstungsarbeiten zu kontrollieren. Ein wichtiges Argument für das Verlassen Deutschlands war die Einkommensteuer, die jetzt von der deutschen Regierung eingezogen werden sollte. Zudem sahen die Helgoländer sich von den Abrüstungsarbeitern majorisiert. Letztlich scheiterte der Versuch an dem Unwillen der Briten, Helgoland wieder zurückzunehmen. Es gab Kontaktversuche zu den Dänen, aber auch die waren vergeblich. Die Reichsregierung sah diese Separationsversuche mit Sorgen und ergänzte die Verfassung nach Helgoländer Wünschen. Dazu wurde Helgoland ein eigener Landkreis mit einem Landrat auf der Insel. 1925 wurde das 100. Jubiläum der Seebadgründung gefeiert. Die politischen Streitigkeiten schienen sich gelegt zu haben. Gegründet wurde der Helgoländer Heimatbund mit einem eigenen Monatsblatt, das heute eine wichtige Quelle für die Geschichte ist. Im Jahr 1925 zählte Helgoland 2576 Einwohner, davon 2380 Evangelische, 148 Katholiken, 4 „sonstige Christen“ und 4 Juden.[91]

Die Besucher kamen jetzt oft wegen des günstigen zollfreien Einkaufs. Die Zahl der Tagesgäste hatte schon im Kaiserreich massiv zugenommen; die schlechten wirtschaftlichen Bedingungen machten den Einkauf aber erst nach dem Ersten Weltkrieg attraktiv und verschlechterten weiter das Image der Insel. Im alten Kriegshafen war ein Strandbad entstanden.

Im Juni 1925 schloss der Physiker Werner Heisenberg auf Helgoland die grundlegenden Arbeiten an seiner mathematischen Beschreibung der Quantenmechanik ab.[92] Er hatte sich wegen seines Heuschnupfens auf die Insel zurückgezogen. 1925 gründete sich der Club von Helgoland, um den Ruf der Insel zu verbessern. Landrat Gustav Etzel nutzte diesen Club für seinen Kampf gegen den Helgoländer Heimatbund; dessen Einsatz für Helgoländer Privilegien (Einkommensteuer-Freiheit) sah Etzel als Separatismus an. Über Helgolands Untreue dem Reich gegenüber wurde 1928 reichsweit wieder diskutiert, wie schon in den ersten Nachkriegsjahren.

Die frühen Helgoländer Nationalsozialisten unterstützten den Heimatbund. Dagegen wehrten sich dessen Mitglieder nicht, aber sie grenzten sich von ihnen ab mit dem Hinweis auf ihre jüdischen Mitglieder, die den Heimatbund auch gegen den Vorwurf des Antisemitismus verteidigten. Bei den Kommunalwahlen trat die NSDAP nicht an. Es dominierten die Liste des Heimatbunds mit August Kuchlenz und eine Liste des nicht so radikalen Franz Schensky, die mehr auf Kooperation mit dem Reich setzte. Beide starken Männer hatten sich direkt nach dem Krieg für eine Rückkehr nach Großbritannien engagiert. In der NSDAP waren bis 1933 nur Helgoländer mit zweifelhaftem Ruf tätig.

Bis 1933 blieben August Kuchlenz und der Heimatbund die stärkste Gruppierung. In der Wirtschaftskrise waren Suppenküchen und Wärmestuben für viele Helgoländer notwendig zum Überleben.

Nationalsozialismus und Zweiter Weltkrieg

Bei der Reichstagswahl am 5. März 1933 erhielt die NSDAP auf Helgoland 50,6 % der Stimmen. Bei der Wahl der Gemeindevertretung 1933 gewann sie drei der neun Sitze im Gemeinderat.[93] Aber einige Vertreter der Helgoländer Listen traten zur NSDAP über. Es war das Ziel neuer Aktivisten, dass sich die NSDAP-Ortsgruppe neu aufstellen sollte. Die Führung der alten Helgoländer NSDAP, die Helgoländer Parteien unterstützt hatte, wurde entmachtet. Nun übernahmen Wissenschaftler der Biologischen Anstalt sowie Helgoländer Schullehrer die Macht auf der Insel. An der Spitze stand Karl Meunier, ein junger ehrgeiziger Wissenschaftler, der u. a. von Helmuth Hertling (1891–1942) unterstützt wurde. Am 26. November 1933 wurde der bisherige starke Mann der NSDAP, Georg Friedrichs (1887–1945), von Karl Meunier verhaftet und kam mit anderen Lokalpolitikern, darunter August Kuchlenz, ins Konzentrationslager.

Die neue Führungsriege war absolut reichstreu und sah auch die Helgoländer als Deutsche an, was neu war und die Helgoländer mit ihrer bis dahin unklaren nationalen Identität in die nationalsozialistische Volksgemeinschaft aufnahm. Die Jugendlichen lernten bei der Hitlerjugend, dass sie Deutsche seien.

Die zentrale Person zwischen 1933 und 1945 auf der Insel war Karl Meunier (1902–1986) von der Biologischen Anstalt. Er war als Amtsvorsteher Vorgesetzter des Bürgermeisters, als Ortsgruppenleiter hatte er die Macht in der Partei. Er war auf der Insel ausgesprochen verhasst; die alten Helgoländer Nationalsozialisten strengten Parteiprozesse gegen ihn an, aber vergebens. Viele Helgoländer in der NSDAP wehrten sich gegen seinen brutalen, autoritären Stil. Es gibt noch heute einen reichen Bestand von Prozessakten des Parteigerichts, die bis in die Kriegsjahre reichen. Höhepunkt war ein großer Homosexuellenprozess, in dem auch führende Mitglieder der örtlichen Partei angeklagt waren. Eines der prominentesten Opfer war Alfred Wulff (* 1888), der als Professor an der Biologischen Anstalt tätig war und als brillanter Biologe und Kassenwart der NSDAP-Ortsgruppe hoch geschätzt war, aber wegen seiner Homosexualität Anstalt und Partei verlassen musste. Er kämpfte später um die Wiederaufnahme in die NSDAP und betonte seine nationalsozialistische Gesinnung.[94]

Durch die Diskussionen über die alten Helgoländer Rechte (neben der Zollfreiheit auch die Steuerfreiheit) und die Bemühungen der Insulaner nach dem verlorenen Ersten Weltkrieg, britisch oder dänisch zu werden, galten die Helgoländer als potenzielle Staatsverräter. Die Nationalsozialisten hatten schon vor 1933 betont, dass die Helgoländer Deutsche seien, und sorgten so für eine eindeutige Identität. Seit der NS-Zeit wird diese Frage auch nicht mehr diskutiert.

Viele militärische Anlagen der Insel waren nach dem Ersten Weltkrieg nur zurückgebaut, aber nicht zerstört worden. Im Zuge der vom NS-Regime betriebenen Aufrüstung der Wehrmacht wurden sie ab 1935 unter dem Decknamen Projekt Hummerschere zu einem großen Marinestützpunkt ausgebaut. Schon ab 1933 wurden über die NS-Organisation Kraft durch Freude Helgoland-Fahrten angeboten. Das führte zu einem Einbruch bei der Zahl der Dauergäste.

Am Anfang des Zweiten Weltkriegs wurden die Helgoländer nicht deportiert. Am 3. Dezember 1939 erfolgte der erste Bombenangriff der Alliierten; es handelte sich um einen erfolglosen Angriff von 24 Wellington-Bombern der RAF-Squadrons 38, 115 und 149 gegen deutsche Kriegsschiffe, die bei Helgoland lagen.[95]

Die Insel war im Zweiten Weltkrieg zunächst wenig von Bombardierungen betroffen – was die geringe militärische Bedeutung zeigt, die vor allem die Briten ihr noch beimaßen. Durch die Entwicklung der Luftwaffe hatten Inseln ihre strategische Bedeutung weitgehend verloren. Das Projekt Hummerschere wurde 1941 abgebrochen.

Der auf der Düne errichtete Flugplatz war für eine ernsthafte Kriegsnutzung zu klein und verwundbar. Die zur Abwehr alliierter Bombenangriffe zeitweise eingesetzte Jagdstaffel Helgoland war mit einer seltenen, ursprünglich für den Einsatz von Flugzeugträgern aus konzipierten Version des Jagdflugzeugs Messerschmitt Bf 109 ausgerüstet. Vollendet und einsatzfähig waren der U-Boot-Bunker Nordsee III im Südhafen (ab Januar 1942, jedoch nur bis März 1942 durch U-Boote benutzt), Marineartillerie-Batterien (größtes Kaliber 30,5 cm), ein Luftschutzbunker-System mit umfangreichen Bunkerstollen[96] und der Flugplatz mit der Luftwaffen-Jagdstaffel Helgoland (April–Oktober 1943).[97] Die endgültige gesamte Länge der Tunnelanlagen wurde auf über 13 km geschätzt.[98] Beim Bau der militärischen Anlagen wurden auch Zwangsarbeiter eingesetzt, unter anderem aus der Sowjetunion.[99] Es gibt keinen Überblick über die Stärke der Inselbesatzung im Kriegsverlauf. Für 1941 gibt eine Quelle 2378 Arbeiter beim Hafenbau und 436 Soldaten an, mit dem weiteren Kriegsverlauf nahmen die Zahlen ab. Im November 1944 gab es nur noch 614 Arbeiter, dementsprechend wird die Zahl der Soldaten auch rückgängig gewesen sein.[100]

Widerstand am Kriegsende – Versuch einer friedlichen Übergabe der Insel

Kurz vor Kriegsende 1945, als die Briten schon vor Bremen standen, gelang es dem aus Süddeutschland stammenden Dachdeckermeister Georg E. Braun und dem Helgoländer Erich P. J. Friedrichs (1890–1945), auf der vom Militär kontrollierten Insel eine Widerstandsgruppe zu bilden.[101] Ihnen war klar, dass der Zweite Weltkrieg nicht mehr zu gewinnen war; so wollten sie versuchen, Helgoland vor der völligen Zerstörung durch die Alliierten zu bewahren. Bei Georg Braun auf dem Oberland trafen sich hauptsächlich Offiziere und Soldaten der in der Nähe liegenden Batterien Falm und Jacobsen. Treffpunkt im Unterland war Erich Friedrichs’ Gastwirtschaft Das Friesenhaus. Dort fanden sich hauptsächlich Helgoländer und Zivilisten vom Festland ein. Nie trafen sie sich in größeren Gruppen, sondern kamen immer wie zufällig vorbei, um Informationen auszutauschen. Während die Militärgruppe um Georg Braun die Pläne für eine kampflose Übergabe der Insel an die Alliierten ausarbeitete, unterhielten Friedrichs, der Funkoffizier an der Signalstation unweit des Hauses von Georg Braun war, und einige seiner Kollegen Funkkontakt zu den Engländern.

Kurz vor Ausführung der Pläne wurde die Aktion jedoch von zwei Mitgliedern der Gruppe verraten. Etwa 20 Männer wurden am frühen Morgen des 18. April auf Helgoland verhaftet und 14 von ihnen nach Cuxhaven transportiert. Nach einem Schnellverfahren wurden fünf Widerständler drei Tage später, am Abend des 21. April 1945, auf dem Schießplatz Cuxhaven-Sahlenburg hingerichtet.[102] Die Urteile wegen Verschwörung und Aufforderung zur Meuterei wurden unterzeichnet von Rolf Johannesson.[103] Den Verurteilten zu Ehren ließ das Helgoländer Museum am 17. April 2010 Stolpersteine auf Helgolands Straßen verlegen. Ihre Namen sind: Erich P. J. Friedrichs, Georg E. Braun, Karl Fnouka, Kurt A. Pester, Martin O. Wachtel.

Ein sechster Stolperstein gilt der Erinnerung an den Friseur Heinrich Prüß, der seine Ablehnung des Nationalsozialismus öffentlich aussprach und 1944 verhaftet und im Zuchthaus Brandenburg hingerichtet wurde.

Ende des Zweiten Weltkriegs und Nachkriegszeit Bei zwei Angriffswellen am 18. und am 19. April 1945 warfen 1000 Flugzeuge der britischen Royal Air Force etwa 7000 Bomben ab. Die Mehrheit der Bewohner überlebte in den Luftschutzbunkern. 285 Menschen kamen ums Leben, darunter zwölf Zivilisten. Die anderen Opfer waren Soldaten, Flak- und Marinehelfer.[104][105] Danach war die Insel kaum noch bewohnbar. Die Zivilbevölkerung wurde noch von den Deutschen evakuiert. Die rund 2500 Bewohner[105] wurden in etwa 150 verschiedenen Orten Schleswig-Holsteins untergebracht.

Zum Ende des Krieges wurde Deutschland schrittweise von den Alliierten besetzt. Am 4. Mai unterschrieb Hans-Georg von Friedeburg im Auftrag des letzten Reichspräsidenten Karl Dönitz, der sich zuvor mit der letzten Reichsregierung nach Flensburg-Mürwik abgesetzt hatte, bei Lüneburg die Kapitulation aller deutschen Truppen in Nordwestdeutschland, den Niederlanden und Dänemark.[106] Die Kapitulationsurkunde erwähnte, dass die Kapitulation auch für Helgoland als Teil von Nordwestdeutschland galt.[107] Am 11. Mai 1945 wurde die Kapitulation auch auf Helgoland vollzogen;[108][109] britische Soldaten besetzten die Insel.[110]

Einige Helgoländer hatten zum Kriegsende eine Bleibe auf der Insel Sylt gefunden, von wo aus sie weiterhin Fischfang in ihren gewohnten Gewässern betreiben konnten. In Cuxhaven bildete sich eine Gruppe um August Kuchlenz, den alten Lokalpolitiker. Ähnlich wie nach dem Ersten Weltkrieg gab es wieder Bestrebungen, nach Großbritannien zurückzukehren.[111] Die Helgoländische Muttersprache Halunder Friesisch wurde für die Identität der Helgoländer wichtiger.[112]

Am 18. April 1947 zerstörten die Briten mit der bis 1985[113] größten nichtnuklearen Sprengung der Geschichte die militärischen Bunkeranlagen der Insel.

Sie inszenierten diese für die deutsche Öffentlichkeit; es gab eine eigene Broschüre dazu.[114] Für die Sprengung war Munition auf die Insel gebracht worden. Noch 1949 wurden im „Helgoländer Loch“, etwa 2,5 Seemeilen (ca. 4,6 km) südlich von Helgoland, Granaten mit bis zu zehn Tonnen Tabun versenkt, rund 90 Tonnen Giftgasgranaten (ca. 6000 einzelne Granaten).[115][116][117] Das sog. Wunder von Helgoland[118], der Maulbeerbaum auf dem Oberland (2019). Er wurde schon im 19. Jahrhundert viel beschrieben und bedichtet.[119]

Die Exil-Helgoländer starteten nun weitere politische Initiativen zur Wiederbesiedlung der Insel: Im März 1948 wurden die Vereinten Nationen angerufen. Es gab Appelle an das britische Unterhaus, die neu gebildete Bundesregierung und sogar an den Papst. Die alten englandfreundlichen Insulaner um August Kuchlenz hatten jetzt an Einfluss verloren; es sprachen die jüngeren, die im Nationalsozialismus gelernt hatten, dass sie Deutsche waren. Wichtige Figur war ab dieser Zeit Henry Peter Rickmers. Helgoland blieb militärisches Sperrgebiet und Bombenabwurfplatz für die britische Luftwaffe.

Am 20. Dezember 1950 besetzten die beiden Heidelberger Studenten René Leudesdorff und Georg von Hatzfeld für zwei Nächte und einen Tag die Insel und hissten für die Presse die deutsche Flagge, die Flagge der Europäischen Bewegung und die Flagge Helgolands in unterschiedlichen Variationen. An einer zweiten Besetzung ab dem 27. Dezember 1950 nahmen zunächst vier weitere Personen teil, ab dem 29. Dezember schloss sich auch der damals in Heidelberg Geschichte lehrende Publizist Hubertus zu Löwenstein[120] an. Die Frage, wer welche Rolle spielte, wird bis heute unterschiedlich dargestellt. Die breite Berichterstattung der nationalen und internationalen Presse, die Nicht-Kooperation deutscher Behörden und die dadurch entstehenden diplomatischen Verwicklungen zwischen Deutschland und Großbritannien führten dazu, dass die zweite Besetzung erst am 3. Januar 1951 von Großbritannien (mit Unterstützung deutscher Polizeieinheiten) beendet werden konnte.[121]

Die Bemühungen der Helgoländer und die gewaltlose Aktion der zuletzt 16 Besetzer lösten eine breite Bewegung zur Wiederfreigabe Helgolands aus; selbst aus der DDR gab es eine breite Unterstützung. Nachdem der Deutsche Bundestag im Januar 1951 einstimmig die Freigabe der Insel gefordert hatte, gaben die Briten am 1. März 1952 Helgoland wieder an die Bundesrepublik Deutschland zurück.[122] Die Bevölkerung erhielt die Erlaubnis, auf ihre Insel zurückzukehren. Bis heute ist der 1. März auf Helgoland ein Feiertag.

Für ihre gewaltfreie Aktion erhielten Leudesdorff und von Hatzfeld am 30. September 1993 das Bundesverdienstkreuz I. Klasse aus der Hand von Bundespräsident Richard von Weizsäcker. Am 19. Dezember 2010 wurden Georg von Hatzfeld posthum und René Leudesdorff bei einem Festakt auf Helgoland zu „Verdienten Bürgern der Gemeinde Helgoland“ ernannt, nachdem die Gemeindevertretung einstimmig einen entsprechenden Beschluss gefasst hatte.

Die Heimatvertriebenen aus den deutschen Ostgebieten begrüßten die Wiederfreigabe der Insel; noch einmal wurde Helgoland zu einem deutschen Symbol. An die Stelle des Stolzes auf die deutsche Festung trat die Freude über die erste Rückgabe eines von den Alliierten besetzten Gebietes. Ihre Hoffnungen, dass auch die Ostgebiete wieder deutsch würden, wurden gestärkt. Als Symbol für das Überleben der Insel wurden später oft der Flakturm, der trotz schwerer Beschädigung zu einem Leuchtturm ausgebaut wurde, und der Maulbeerbaum nahe dem Einstieg zum Schutzbunker (s. Bild) genannt, obwohl vereinzelt auch andere Gebäude (z. B. die Nordseehalle) sowie Bäume und andere Pflanzen überlebten.

Wiederaufbau

Eine Wiederaufbaukommission wurde 1952 ins Leben gerufen. Georg Wellhausen, der sich beim Wiederaufbau Hamburgs einen Namen gemacht hatte, wurde mit der Leitung der Kommission und dem Aufstellen eines Bebauungsplanes beauftragt, und es wurde ein Wettbewerb durchgeführt. Er entwickelte das städtebauliche Konzept, das bewusst von einer Rekonstruktion der Altbebauung absah, aber die gewachsenen Strukturen mit ihrer Ausrichtung nach der Windbelastung berücksichtigte. Als typisch gelten die asymmetrischen Giebelprofile und die farbigen Holzverschalungen, beispielsweise bei den Hummerbuden.[123] Johannes Ufer entwickelte für die Häuser auf Helgoland ein Farbspektrum von 14 Farben, wobei er eher zarte Töne für das Oberland wählte und kräftige Töne für das Unterland. Der Kommission gehörte Konstanty Gutschow als Preisrichter an.[124] Weitere Mitglieder waren Godber Nissen[125] und Otto Bartning,[126] der die Oberbauleitung übernahm. Mit dem Wiederaufbau entwickelten sich der Fremdenverkehr und der Kurbetrieb wieder zu wichtigen Wirtschaftszweigen. Helgoland erhielt 1962 die staatliche Anerkennung als Nordseeheilbad. 1967 galt der Wiederaufbau als abgeschlossen.

Krise und neue Wege

Die Gästezahlen stiegen bis Anfang der 1970er Jahre. Dann galt die Insel als billiger Einkaufsort; es entstand die abschätzige Bezeichnung „Fuselfelsen“. Das Image wurde schlecht und die Besucherzahlen sanken. Durch neue Konzepte wird seitdem versucht ein besseres Image aufzubauen. Von der reichen Geschichte wird oft nur noch die Sprengung wahrgenommen. Die Reste der alten Bunkeranlagen werden gerne besucht – wie auch schon nach dem Ersten Weltkrieg. Ab 1983 wurden Bunkerführungen als regelmäßiges Angebot in die Inselprospekte aufgenommen. Die Gäste schätzen die Naturerlebnisse, seit 1998 wird mit den Seehunden auf der Düne geworben.[127]

Ab April 2008 wurden Pläne des Hamburger Bauunternehmers Arne Weber diskutiert, die eine großangelegte Neulandgewinnung auf Helgoland vorsahen. Arne Weber besitzt das größte Hotel auf der Insel; er hatte schon vorher mit spektakulären Ideen für Helgoland geworben.[128][129] Das Nordostgelände sollte mit dem Westrand der Düne verbunden werden. Auch nach Ablehnung des Projekts durch eine Lenkungsgruppe unter Vorsitz des Pinneberger Landrats 2010 wurde das Projekt weiter von Bürgermeister Jörg Singer verfolgt, bis 2011 in einem Bürgerentscheid eine Mehrheit von 54,74 % der Helgoländer dagegen stimmte.[130][131]

Seit 2015 hat die Gemeinde große Einnahmen durch Windkraftanlagen. Durch die verstärkten Bauaktivitäten kommt es oft zu Bombenfunden. Am 19. Oktober 2017 wurde das gesamte Oberland evakuiert, da eine britische Fliegerbombe gefunden und entschärft wurde.[132]

Die Sozialstruktur der Insel ändert sich. Viele Stellen im Tourismus wurden dauerhaft durch Polen, Rumänen und Bulgaren besetzt; im Kommunalwahlkampf 2018 gab es sogar Werbung auf Polnisch.[133]

Am 21. September 2020 wurden 68 Wohnungen eingeweiht, die die Gemeinde in der Nähe des Leuchtturms bauen ließ, um dem Mangel an Wohnungen für Einheimische zu begegnen.[134]


Text: Wikipedia

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