Hellmuth von Mücke

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Hellmuth von Mücke (* 25. Juni 1881 in Zwickau; † 30. Juli 1957 in Ahrensburg) war Offizier der Kaiserlichen Marine und wurde bekannt als Führer einer kleinen Gruppe deutscher Matrosen, die sich während des Ersten Weltkrieges vom Indischen Ozean nach Deutschland durchschlug. Während der Zeit der Weimarer Republik betätigte er sich als Politiker und Schriftsteller. Nachdem er wegen seiner publizistischen Tätigkeiten während der Zeit des Nationalsozialismus verfemt wurde, setzte er sich in der jungen Bundesrepublik vehement gegen die Wiederbewaffnung ein.

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Leben

Ausbildung und Erster Weltkrieg

Mücke, der verarmtem Adel entstammte – das Familienmajorat Rittergut Niederrennersdorf in der Oberlausitz war zwei Generationen vorher an eine Seitenlinie gefallen – trat am 7. April 1900 als Seekadett in die Kaiserliche Marine ein. Bei Ausbruch des Ersten Weltkrieges war er Kapitänleutnant (seit 20. April 1910) und Erster Offizier an Bord des Kleinen Kreuzers SMS Emden im deutschen Ostasien-Geschwader. Die Emden war mit dem Rest des Geschwaders in Tsingtau stationiert. Der Kommandeur Maximilian von Spee erkannte, dass der deutsche Stützpunkt Tsingtau nicht zu halten sein würde, und beschloss daher, Richtung Südamerika auszulaufen, um nach Deutschland zu fahren. Die Emden sollte diesen Abzug decken, indem sie durch Handelskrieg den britischen Nachschub stören und britische Kampfverbände auf sich ziehen sollte.

Bis Ende 1914 verliefen die Kaperfahrten erfolgreich. Für den 9. November 1914 war ein Treffen mit dem Versorgungsschiff Buresk geplant, das bei Direction Island (Kokosinseln) stattfinden sollte. Eine auf der Insel befindliche Funkstation sollte ausgeschaltet werden. Zu diesem Zweck landete von Mücke mit einem Landungszug von insgesamt 50 Mann, die mit Gewehren, Pistolen und vier Maschinengewehren bewaffnet waren. Die Operation verlief ohne Zwischenfälle, die Station konnte jedoch noch einen Notruf absetzen. Dieser wurde von einem australischen Truppentransport-Konvoi aufgefangen, der daraufhin den Leichten Kreuzer HMAS Sydney zur Aufklärung entsandte. Die Sydney wurde zwar von der Emden gesichtet, jedoch ging die Besatzung zunächst davon aus, dass es sich um die Buresk handele. Bei dem anschließenden Gefecht trug die Sydney mit ihrer überlegenen Bewaffnung den Sieg davon. Die Reichweite der Geschütze der Sydney machte es möglich, die Emden vernichtend zu schlagen. Von Mückes Kommando saß auf Direction Island fest. Er war entschlossen, seine Männer nicht in Gefangenschaft gehen zu lassen und beschlagnahmte daher den zufällig vor der Insel liegenden Dreimast-Schoner Ayesha, um zurück zu den deutschen Linien zu kehren.

Kommando des Emden-Landungszuges

Nach der Beschlagnahmung der Ayesha versorgte die englische Besatzung der Funkstation ihn mit Lebensmitteln, konnte aber unbemerkt die Dichtungen der Seeventile des Seglers entfernen, so dass das Schiff ständig Wasser machte und die Lenzpumpen nicht einwandfrei funktionierten. Er steuerte zunächst Sumatra an, es schien nach wenigen Tagen jedoch so, als sei das Unternehmen zum Scheitern verurteilt. Die Ayesha war wegen ihres schlechten Zustandes schon außer Dienst gestellt und abgetakelt worden. Das Schiff war undicht, zudem konnten die vier Trinkwassertanks nicht gereinigt werden, so dass drei von ihnen faulten und daher unbrauchbar waren. Erschwerend kam die Flaute auf See hinzu. Trotz allem erreichte von Mückes Trupp am 13. oder 14. Dezember 1914 Padang. Da Indonesien als Kolonialbesitz zu den Niederlanden gehörte, die im Krieg neutral waren, musste von Mücke binnen 24 Stunden wieder auslaufen. Es gelang ihm, über den deutschen Konsul ein Treffen mit dem deutschen Frachter Choising zu vereinbaren. Am 14. Dezember setzte die Mannschaft auf den Frachter über und versenkte die Ayesha.

Von Mücke hatte in Padang erfahren, dass Deutschland mit dem Osmanischen Reich verbündet war, und versuchte daher, über Arabien und die Türkei nach Deutschland zurückzukehren. Da das Rote Meer von alliierten Kriegsschiffen kontrolliert wurde, liefen sie Hodeidah (heute im Jemen) an und gingen dort unbemerkt an Land.

Von Mückes Ziel war die Hedschas-Bahn, die Anfang des 20. Jahrhunderts gebaut worden war und Arabien von Norden nach Süden verbinden sollte. In Houdaidah angekommen, erfuhr er jedoch, dass die Vollendung des letzten Teilstückes in den Wirren der Araberaufstände im Osmanischen Reich abgebrochen worden war. Er beschloss daher, über Land nach Sanaa zu marschieren. Dort angekommen erfuhr er jedoch nur wenig Unterstützung von den türkischen Statthaltern. Der türkische Militärgouverneur erhoffte sich von den deutschen Soldaten Hilfe gegen die aufständischen Araber und blockierte zwei Monate die Weiterreise. Nachdem von Mücke das Insistieren des türkischen Gouverneurs mehrfach zurückgewiesen hatte, trat seine Mannschaft den Rückweg nach Hodeidah an.

Dort organisierte von Mücke zwei Daus, mit denen sie das Rote Meer nordwärts segelten. Um Begegnungen mit feindlichen Kampfschiffen zu entgehen, fuhren die beiden Boote durch Korallenriffe entlang der Küste. Die größere und schwerere der beiden Daus lief auf eines der Riffe auf und sank. Die gesamte Besatzung konnte auf das kleinere Boot gerettet werden, welches, mit 70 Mann besetzt, am 18. März 1915 die Region von Dschidda erreichte, wo von Mücke an Land ging. Er lernte einen ehemaligen türkischen General kennen, der angesichts der Araberaufstände um seinen Besitz fürchtete und sich dem Marsch der deutschen Matrosen anschloss. Es wurden Kamele und Treiber organisiert, und schließlich brach die Karawane Richtung Mekka auf.

Von Mücke hatte nach wie vor die Hedschasbahn als Ziel vor Augen. Ein überraschender Beduinenangriff konnte mit den mitgeführten Maschinengewehren zunächst abgewehrt werden, aber drei seiner Leute starben im Kugelhagel der Beduinen. Die angreifenden Beduinen beendeten ihren Angriff zunächst. Nach weiteren drei Tagen in der Stellung war das Wasser aufgebraucht und die Lebensmittelvorräte fast am Ende. Zwei Unterhändler, darunter ein europäisch gekleideter, erschienen mit einer weißen Fahne. Abdullah, der Sohn des Emirs von Mekka, bot seinen Schutz an. Von Mücke ging auf das Angebot ein, wurde aber zunehmend vom Gefühl erfasst, dass die Deutschen eher als Gefangene denn als Gäste betrachtet wurden. Daher traf er Fluchtvorbereitungen. Als der Sohn des Emirs für eine kurze Zeit in Mekka weilte, gingen die Emdenfahrer an Bord einer Dau und segelten die Küste in Richtung Norden entlang.

Am 29. April 1915 ging die Mannschaft am Nordende des Roten Meeres wieder an Land, nach wie vor auf der Suche nach der Hedschasbahn. Nach einigen Tagen Marsch war der Glaube an die Existenz dieser Bahn weitgehend verblasst, lediglich von Mücke hielt am Ziel fest. Am 7. Mai erreichte die Truppe dann tatsächlich die Bahnlinie. Ihr weiterer Weg führte sie mit dem Zug durch Syrien nach Konstantinopel. In der Zwischenzeit war der Landungszug berühmt geworden, und in jedem Bahnhof gab es festliche Empfänge mit den lokalen Würdenträgern. Am 23. Mai 1915 trafen die Überlebenden (sechs Mann waren unterwegs gestorben oder gefallen) in Konstantinopel ein.

Kapitänleutnant von Mücke, dessen erstes eigenes Kommando der Landungstrupp war, meldete seine Männer bei dem deutschen Marinebefehlshaber in Konstantinopel mit den Worten: „Euer Exellenz, melde gehorsamst, Landungszug SMS Emden in Stärke von 5 Offizieren, 7 Unteroffizieren und 37 Mann zur Stelle!“. Damit gelang ihm mit seinen Soldaten der Anschluss an die eigenen Linien, im Gegensatz zu Teilen der Besatzung der SMS Tsingtau unter Kapitänleutnant Erwin von Moeller, die Ende Mai oder Anfang Juni 1916 nördlich von Dschidda von Arabern überfallen und getötet wurden. Die Männer des Landungstrupps waren somit die einzigen Mitglieder des Ostasien-Geschwaders, die vor Kriegsende ihre Heimat erreichten.

Nach den obligatorischen Ehrenempfängen und Zeremonien wurden die Mitglieder des Landungszuges auf verschiedene Fronten verteilt. Etwa die Hälfte von ihnen fiel in kurzer Zeit, was zu von Mückes späteren pazifistischen Ansichten beitrug. Zunächst diente er jedoch weiterhin beim Militär, 1916 als Führer der Flussabteilung auf dem Euphrat, 1917 als Chef der deutschen Donau-Halbflottille. Bei Kriegsende schied er im Rang eines Korvettenkapitäns aus der Marine aus.

Weimarer Republik

Von Mücke heiratete, aus der Ehe gingen sechs Kinder hervor (drei Söhne: Kurt Helmut (* 1918), Dirk (* 1930) und Björn (* 1938) sowie drei Töchter: Ursula (* 1920), Ortrud (* 1922) und Helga (* 1925)). Seinen Lebensunterhalt bestritt er durch publizistische Tätigkeit und Vortragsreisen.[1] Seine Bücher Emden (1915) und Ayesha (1915) hatten die Namen seiner Schiffe zum Titel. Darüber hinaus engagierte er sich auch politisch. Zunächst trat er in die DNVP ein, wechselte jedoch 1919 zur DAP (ab 1920 NSDAP). 1922 zog die Familie nach Dresden, wo Hellmuth von Mücke für die NSDAP Aufbauarbeit leistete. Für diese wurde er zusammen mit Fritz Tittmann 1926 in den Sächsischen Landtag gewählt. Doch bereits 1927 legte er sein Landtagsmandat nieder.[2] Er trat 1929 aus der NSDAP aus, weil er den verbrecherischen Charakter des Nazi- Führungspersonals und vor allem Hitlers erkannt hatte. Er zog mit seiner Familie nach Wyk auf der Nordseeinsel Föhr um. Am Ende der Weimarer Republik betätigte sich von Mücke auf Veranlassung des demokratischen preußischen Ministerialbeamten Arnold Brecht für den Deutschlandbund, eine gegen die nationalsozialistische Propaganda wirkende Organisation. Von Mücke sprach auf der ersten Großveranstaltung des Deutschlandsbunds im Berliner Sportpalast am 18. Dezember 1930. In seinen Lebenserinnerungen schrieb Arnold Brecht: "Kapitänleutnant v. Mücke hielt die Hauptrede mit solcher Leidenschaft und Überzeugung, dass die Versammlung ein starkes Echo fand. In den folgenden zwei Monaten sprach er unter der Ägide des Deutschlandbundes auch in Hannover, Hamburg, Kiel, Flensburg, Rostock, Stettin, Breslau, Dresden, Leipzig und anderen Städten mit ähnlichem Erfolg. Seine Popularität vereitelte Sprengungsversuche. Später übernahm anstelle des Deutschlandbundes das Reichsbanner Schwarz-Rot-Gold die Patenschaft für Mückes Auftreten an noch weiteren Orten und sorgte für den Saalschutz."[3]

Drittes Reich

Im Dritten Reich galten von Mückes Schriften als „nationalbolschewistisch“. In den Jahren 1937 und 1939 kam er zweimal kurzzeitig in KZ-Haft. Schon 1933 hatte er Schreib- und Redeverbot erhalten. Das Haus und das Grundstück auf der Insel Föhr ließen sich nicht mehr halten und wurden 1934 zwangsversteigert. So zog die Familie nach Ahrensburg bei Hamburg. Mücke widmete sich Handbüchern über Deichbau und Küstenschutz. Sein Versuch, nach Chile zu emigrieren, wurde mit der Begründung abgelehnt, sein Wirken im Ausland sei unerwünscht. Seine freiwillige Meldung zum Kampfeinsatz bei der Kriegsmarine wurde abgelehnt, weil er als politisch unzuverlässig galt.

Nach dem Zweiten Weltkrieg

Mücke wurde 1948 als Verfolgter des Nazi-Regimes anerkannt. Eine Entschädigung erhielt er allerdings nicht zugesprochen. Er trat der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes bei. Mücke vertrat nach Kriegsende prokommunistische und pazifistische Ansichten und engagierte sich gegen die Wiederbewaffnung der Bundesrepublik. 1950 wurde er wieder politisch aktiv und verfasste politische Streitschriften gegen die Wiederaufrüstung Deutschlands. Am 14. November 1950 nahm er an der 6. Tagung des Nationalrats der Nationalen Front des demokratischen Deutschlands in Ost-Berlin teil und trat dort als Diskussionsteilnehmer auf.[4] Er sah die Bevölkerung der Bundesrepublik und der DDR als „Kanonenfutter“ im Falle eines bewaffneten Konfliktes zwischen den USA und der UdSSR und nahm damit Positionen der späteren Friedensbewegung vorweg. Dadurch geriet er erneut unter politischen Druck. Anfang 1957 wurde von Mücke vom 6. Strafsenat des Bundesgerichtshofes vorgeladen. Ein Disziplinarverfahren wurde eingeleitet, um ihm die Pension des Korvettenkapitäns a. D. abzuerkennen. Ferner wurde er verpflichtet, einen Psychiater zu konsultieren. Dies Schauspiel blieb von Mücke jedoch erspart: Er starb am 30. Juli 1957 im Alter von 76 Jahren an Herzversagen. Seine letzte Ruhestätte fand Hellmuth von Mücke auf dem Friedhof in Ahrensburg.


Text: Wikipedia

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